Landessozialgericht Baden-Württemberg - L 3 SB 5383/12 - Urteil vom 08.05.2013
Eine bipolare affektive Psychose, die in akuten schweren depressiven Phasen, damit aber nur zeitweilig und nicht dauernd, zu einer ausgeprägten Antriebslosigkeit führen bzw. durch ausgeprägte Phobien die Bewegungsfähigkeit einschränken kann, rechtfertigt nicht das Merkzeichen "G" (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr). Voraussetzung für das Merkzeichen bei geistigen Behinderungen ist, dass der GdB dafür 100 und in besonders gelagerten Fällen 80 oder 90 beträgt.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Zuerkennung des Merkzeichens „G“ (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr) streitig.
Der 1966 geborene Kläger stellte am 18.07.2011 beim Landratsamt E. den Erstantrag nach § 69 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX). Er legte ein vom Arzt für Psychiatrie/Psychotherapie Dr. A. am 26.08.2009 erstattetes nervenärztliches Gutachten sowie ein von Dr. S. für den Ärztlichen Dienst der Agentur für Arbeit E. am 02.08.2011 erstattetes psychiatrisches Gutachten vor. In Letzterem wird die Diagnose einer bipolaren affektiven Störung, derzeit gemischt mit ausgeprägter Residual-Symptomatik, gestellt. Der behandelnde Facharzt für Psychiatrie Dr. B. teilte im ärztlichen Befundbericht vom 16.09.2011 mit, beim Kläger bestehe eine Erkrankung aus dem bipolaren Spektrum. Aktuell werde die Symptomatik durch eine massive psychosoziale Belastung aufrechterhalten.
Gestützt auf die gutachtliche Stellungnahme der Ärztin G. vom 04.11.2011 stellte das Landratsamt E. mit Bescheid vom 16.11.2011 den GdB des Klägers mit 60 seit 18.07.2011 fest. Gesundheitliche Merkmale (Merkzeichen) seien nicht festzustellen.
Den hiergegen mit der Begründung eingelegten Widerspruch, das Merkzeichen „G“ sei festzustellen, da er wegen immer wieder auftretender geistiger Aussetzer sowie Orientierungslosigkeit in seiner Bewegungsfreiheit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt sei, wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23.05.2012 zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 05.06.2012 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben. Das SG hat Dr. B. als sachverständigen Zeugen gehört. Dieser hat unter dem 14.08.2012 mitgeteilt, beim Kläger bestehe eine bipolare Erkrankung. Dieses Krankheitsbild sei durch den Wechsel von depressiven und manischen Phasen gekennzeichnet. Daneben gebe es auch Phasen mit völliger Beschwerdefreiheit. Die Erkrankung sei in der Regel nicht durch eine Einschränkung der Gehfähigkeit gekennzeichnet. Der Kläger hat hierzu vorgetragen, es sei zutreffend, dass seine Gehfähigkeit an sich nicht beeinträchtigt sei. Es bestünden jedoch Zustände „zeitweiliger Orientierungslosigkeit“, verbunden mit einem Schockzustand, in denen er nicht mehr wisse, wo er sei und ihm deshalb auch keinerlei Bewegungen mehr möglich seien. In der ergänzenden Stellungnahme vom 11.09.2012 hat Dr. B. hierzu ausgeführt, im Allgemeinen sei bei der Erkrankung des Klägers die Orientierungsfähigkeit nicht eingeschränkt. Es sei jedoch denkbar, dass es im Rahmen einer schweren depressiven Phase zu einer ausgeprägten Antriebslosigkeit komme, da der Betroffene nicht mehr in der Lage sei, das Haus zu verlassen oder dass seine Bewegungsfähigkeit durch ausgeprägte Phobien eingeschränkt sei. Der Kläger sei jedoch noch nie in einem solchen Zustand angetroffen worden. Weiter vorgelegt wurde ein ärztlicher Befundbericht des Dr. B., wonach aufgrund der Gesamtsituation eine stationäre Behandlung derzeit nicht indiziert sei. Der Kläger hat sodann eine Bescheinigung von Dr. C. vom G. D. M. und W. C., P., vom 14.11.2012 vorgelegt, wonach sich der Kläger derzeit dort in stationärer Behandlung befinde und das Krankenhaus ohne Begleitperson nicht verlassen könne.
Mit Gerichtsbescheid vom 17.12.2012 hat das SG die Klage abgewiesen. Es lägen weder Anhaltspunkte für eine körperliche Erkrankung des Klägers vor, die sich auf das Gehvermögen nachteilig auswirkten, noch sei nachgewiesen, dass das Gehvermögen infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit eingeschränkt sei. Eine nach den Angaben des behandelnden Psychiaters Dr. B. im Rahmen einer schweren depressiven Phase mögliche ausgeprägte Antriebslosigkeit stelle keine Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr dar. Auch aus den sonstigen medizinischen Unterlagen ergebe sich kein Hinweis auf eine Einschränkung der Gehfähigkeit.
Gegen den am 19.12.2012 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 27.12.2012 Berufung eingelegt. Er hat eine Bescheinigung von Dr. C. vom 25.01.2013 vorgelegt. Darin wird ausgeführt, der Kläger sei derzeit im G. D. M. und W. C. in Behandlung. Aufgrund seiner andauernden Desorientierung könne er nicht ohne eine professionellen Hilfe alleine leben, auch könne er nicht alleine reisen wegen Desorientierung. Der GdB sei zwischenzeitlich mit mindestens 80 bis 90 festzustellen. Weiter vorgelegt wurden ein von Dr. B. am 22.12.2008 ausgestelltes ärztliches Attest, ein Vertrag über ambulante Pflegeleistungen vom 26.09.2012 und eine am 27.12.2011 erstellte notarielle General- und Vorsorgevollmacht für seine Mutter, auf die Bezug genommen wird.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 17. Dezember 2012 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheids vom 16. November 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. Mai 2012 zu verurteilen, bei ihm die gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens „G“ ab Antragstellung festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er trägt vor, es lägen keinerlei Anhaltspunkte für eine körperliche Erkrankung des Klägers vor, die sich nachteilig auf die Gehfähigkeit auswirke. Auch sei eine Störung der Orientierungsfähigkeit nicht nachgewiesen, so dass die Voraussetzungen zur Feststellung des Merkzeichens „G“ weiterhin nicht vorlägen.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Beklagtenakten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet.
Gemäß §§ 69 Abs. 4, 145 Abs. 1 Satz 1 SGB IX haben die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für den Nachteilausgleich „G“ festzustellen, wenn ein schwerbehinderter Mensch infolge seiner Behinderung in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt ist. Nach § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX ist in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens (auch durch innere Leiden oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit) nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden. Bei der Prüfung der Frage, ob diese Voraussetzungen vorliegen, kommt es nicht auf die konkreten örtlichen Verhältnisse des Einzelfalls an, sondern darauf, welche Wegstrecken allgemein - d.h. altersunabhängig von nichtbehinderten Menschen - noch zu Fuß zurückgelegt werden. Nach der Rechtsprechung gilt als übliche Wegstrecke in diesem Sinne eine Strecke von etwa zwei Kilometern, die in etwa einer halben Stunde zurückgelegt wird (vgl. BSG, Urteil vom 10.12.1987 - 9a RVs 11/87 - veröffentlicht in juris).
Für die Zeit bis zum 31. Dezember 2008 beinhalteten die vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales herausgegebenen „Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht“ (AHP) in ihrer jeweils geltenden Fassung (zuletzt Ausgabe 2008) konkretisierende Fallgestalten, wann die Voraussetzungen für die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr als erfüllt angesehen werden können. Die AHP besaßen zwar keine Normqualität, weil sie weder auf einem Gesetz noch auf einer Verordnung oder auch nur auf Verwaltungsvorschriften beruhten. Sie waren vielmehr als antizipierte Sachverständigengutachten anzusehen, die in der Praxis wie Richtlinien für die ärztliche Gutachtertätigkeit wirkten, und deshalb normähnliche Auswirkungen hatten. Auch waren sie im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung wie untergesetzliche Normen von den Gerichten anzuwenden (BSG, Urteil vom 18.09.2003 - B 9 SB 3/02 R; vom 23.06.1993 - 9/9a RVs 1/91 - jeweils veröffentlicht in juris).
Ab dem 01.01.2009 ist an die Stelle der AHP die Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV)) getreten. Damit hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales von der Ermächtigung, die ursprünglich in § 30 Abs. 17 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG), mit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes und anderer Vorschriften vom 20.06.2011 (BGBl I 1114) seit dem 01.07.2011 in § 30 Abs. 16 BVG erteilt ist, zum Erlass einer Rechtsverordnung Gebrauch gemacht und die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG aufgestellt. Eine gesetzliche Ermächtigung für den Verordnungsgeber, die Grundsätze für die nach dem Schwerbehindertenrecht zu beurteilenden Nachteilausgleiche durch Verordnung regeln zu können, enthalten jedoch weder § 30 Abs. 17 BVG, der nicht auf die im Schwerbehindertenrecht im SGB IX geregelten Nachteilausgleiche verweist (vgl. Dau, jurisPR-SozR 4/2009), noch andere Regelungen des BVG. Eine Rechtsgrundlage zum Erlass einer Verordnung über Nachteilausgleiche ist auch nicht in den einschlägigen Vorschriften des SGB IX vorhanden. Die Regelungen der VG zum Nachteilausgleich „G“ sind damit mangels entsprechender Ermächtigungsgrundlage rechtswidrig (vgl. Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 23.07.2010 - L 8 SB 3119/08 -; vom 14.08.2009 - L 8 SB 1691/08 -; Urteil des Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen vom 16.12.2009 - L 10 SB 39/09 - jew. veröffentlicht in juris). Den VG lassen sich daher - jedenfalls unmittelbar - keine weiteren Beurteilungskriterien für die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des begehrten Nachteilausgleichs entnehmen. Rechtsgrundlage für die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilausgleichs „G“ sind daher allein die genannten gesetzlichen Bestimmungen der §§ 145, 146 SGB IX und die in ständiger Übung hierzu angewandten Bewertungsgrundsätze, die in den Bestimmungen der AHP fußen. Da diese der Wahrung der Gleichbehandlung aller behinderten Menschen dienten, zieht der Senat die Regelungen der AHP zur Vermeidung von Rechtsnachteilen für die Betroffenen ergänzend zur Ausfüllung der Kriterien der §§ 145, 146 SGB IX weiter heran, insb. da die VG materiell die Grundsätze zum Nachteilausgleich „G“ aus den AHP unverändert übernommen haben (vgl. Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 15.02.2013 - L 11 SB 137/11 - veröffentlicht in juris; vgl. auch Urteil des erkennenden Senats vom 06.07.2011 - L 3 SB 202/09 -).
Die AHP und ihnen nachfolgend die VG gaben bzw. geben an, welche Funktionsstörungen in welcher Ausprägung vorliegen müssen, bevor angenommen werden kann, dass ein behinderter Mensch infolge der Einschränkung des Gehvermögens „in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt ist“ und tragen damit dem Umstand Rechnung, dass das menschliche Gehvermögen keine statische Messgröße ist, sondern von verschiedenen Faktoren geprägt und variiert wird, zu denen neben den anatomischen Gegebenheiten des Körpers, also Körperbau und etwaige Behinderungen, vor allem der Trainingszustand, die Tagesform, Witterungseinflüsse, die Art des Gehens (ökonomische Beanspruchung der Muskulatur, Gehtempo und Rhythmus) sowie Persönlichkeitsmerkmale, vor allem die Motivation, gehören. Von diesen Faktoren filtern die in den AHP und den VG getroffenen Bestimmungen all jene heraus, die nach dem Gesetz außer Betracht zu bleiben haben, weil sie die Bewegungsfähigkeit des behinderten Menschen im Straßenverkehr nicht infolge einer behinderungsbedingten Einschränkung seines Gehvermögens, sondern möglicherweise aus anderen Gründen, erheblich beeinträchtigen.
Die Voraussetzungen für die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr infolge einer behinderungsbedingten Einschränkung des Gehvermögens sind hiernach als erfüllt anzusehen, wenn auf die Gehfähigkeit sich auswirkende Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und/oder der Lendenwirbelsäule bestehen, die für sich einen GdB von wenigstens 50 bedingen. Darüber hinaus können die Voraussetzungen bei Behinderungen an den unteren Gliedmaßen mit einem GdB von unter 50 gegeben sein, wenn diese Behinderungen sich auf die Gehfähigkeit besonders auswirken, z.B. bei Versteifung des Hüftgelenkes, Versteifung des Knie- oder Fußgelenks in ungünstiger Stellung, arteriellen Verschlusserkrankungen mit einem GdB von 40. Auch bei inneren Leiden kommt es bei der Beurteilung entscheidend auf die Einschränkung des Gehvermögens an. Dementsprechend ist eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit vor allem bei Herzschäden mit Beeinträchtigung der Herzleistung wenigstens nach Gruppe 3 und bei Atembehinderung mit dauernder Einschränkung der Lungenfunktion wenigstens mittleren Grades anzunehmen. Auch bei inneren Leiden mit einer schweren Beeinträchtigung der körperlichen Leistungsfähigkeit, z.B. chronische Niereninsuffizienz mit ausgeprägter Anämie, sind die Voraussetzungen als erfüllt anzusehen (Ziff. 30 Abs. 3 (S.137 f) der AHP; vgl. auch Teil D 1 d (S.139 f) der VG). Störungen der Orientierungsfähigkeit, die zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit führen, sind bei allen Sehbehinderten mit einem GdB von wenigstens 70 und bei Sehbehinderungen, die einen GdB von 50 oder 60 bedingen, nur in Kombination mit erheblichen Störungen der Ausgleichsfunktion (z.B. hochgradige Schwerhörigkeit beiderseits, geistige Behinderung) anzunehmen. Bei Hörbehinderungen ist die Annahme solcher Störungen nur bei Taubheit oder an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit im Kindesalter (in der Regel bis zum 16. Lebensjahr) oder im Erwachsenenalter bei diesen Hörstörungen in Kombination mit erheblichen Störungen der Ausgleichsfunktion (z.B. Sehbehinderung, geistige Behinderung) gerechtfertigt (Ziff. 30 Abs. 5 (S.138) der AHP; vgl. auch Teil D 1 f (S.140) der VG).
In Anlegung dieser Maßstäbe besteht beim Kläger keine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr. Denn an den unteren Gliedmaßen und an der Wirbelsäule liegen bei ihm keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen vor. Auch bestehen keine innere Leiden wie z.B. Herzschäden, Störungen der Lungenfunktion oder chronische Niereninsuffizienz, die sich auf das Gehvermögen auswirken.
Beim Kläger liegt auch keine weitere, in den AHP bzw. den VG genannte gesundheitliche Beeinträchtigung vor, welche die Zuerkennung des Merkzeichens „G“ rechtfertigen könnte. Bei ihm bestehen insbesondere keine hirnorganischen Anfälle oder Seh- oder Hörbehinderungen. Der Kläger leidet vielmehr an einer bipolaren affektiven Psychose, wie den Auskünften des behandelnden Arztes Dr. B. sowie den von Dr. S. und Dr. A. erstatteten Gutachten, die im Wege des Urkundenbeweises verwertet werden, entnommen werden kann. Diese kann zwar in akuten schweren depressiven Phasen zu einer ausgeprägten Antriebslosigkeit führen bzw. durch ausgeprägte Phobien die Bewegungsfähigkeit einschränken. Eine Einschränkung der Orientierungsfähigkeit ist damit jedoch nicht verbunden (so auch BSG, Beschluss v. 10.05.1994 - 9 BVs 45/94 - juris Rn. 3), zudem besteht dieser Zustand nur zeitweilig und vorübergehend in akuten schweren depressiven Phasen, wie der Auskunft von Dr. B. vom 11.09.2012 entnommen werden kann.
Schließlich sind in den AHP und den VG nur Menschen mit geistiger Behinderung, nicht jedoch Menschen mit einer sonstigen Erkrankung des Nervensystems oder der Psyche genannt, denen aufgrund der Schwere und der Auswirkungen ihrer Erkrankung das Merkzeichen „G“ zuzuerkennen ist. Danach sind bei geistig behinderten Menschen entsprechende Störungen der Orientierungsfähigkeit vorauszusetzen, wenn die behinderten Menschen sich im Straßenverkehr auf Wegen, die sie nicht täglich benutzen, nur schwer zurechtfinden können. Unter diesen Umständen ist eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit bei geistigen Behinderungen mit einem GdB von 100 immer und mit einem GdB von 80 oder 90 in den meisten Fällen zu bejahen. Bei einem GdB unter 80 kommt eine solche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit nur in besonders gelagerten Fällen vor (Ziff. 30 Abs. 5 AHP bzw. Teil D 1 f) VG).
Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht unter Zugrundelegung der Auskünfte des Dr. C. vom 14.11.2012 und 25.01.2013. Denn sie enthalten keine Diagnosen, welche die Annahme begründen könnten, beim Kläger liege eine tägliche und andauernde Desorientierung vor, welche die Zuerkennung des Merkzeichens „G“ rechtfertigen könnte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.