LSG NRW - Beschluss vom 22.08.2005 - Az.: L 4 B 7/05
Bei einer schriftlichen Auskunft im Sinne von Nr. 200 der Anlage 2 zu § 10 JVEG (Befundbericht) handelt es sich um eine schriftliche Zeugenaussage, für die Schreibauslagen nicht zu ersetzen sind
Gründe
I.
Der Beschwerdeführer zu 2) erstellte auf Anfrage des Gerichts im Klageverfahren einen Befundbericht, der 1.556 Anschläge mit Leerzeichen umfasst. Dem Befundbericht war eine Kopie beigefügt. Der Beschwerdeführer zu 2) stellte als Vergütung einen Betrag in Höhe von 40,20 EUR in Rechnung und zwar:
Honorar 38,00 EUR
Pauschale 0,75 EUR
Kopie 0,50 EUR
Porto 0,95 EUR
Gesamt 40,20 EUR.
Mit Schreiben vom 18.03.2005 kürzte der Kostenbeamte die Entschädigung auf 22,80 EUR. Dabei legte er einen Honorarsatz von 21,00 EUR nach Nr. 200 der Anlage 2 zu § 10 Abs. 1 Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz (JVEG) zugrunde. Die Dokumentenpauschale, Kopie- und Portokosten wurden antragsgemäß erstattet.
Auf Antrag des Beschwerdeführers zu 2) setzte das Sozialgericht (SG) Gelsenkirchen durch Beschluss vom 08.04.2005 die Entschädigung auf 22,05 EUR fest. Der Beschwerdeführer zu 2) habe als sachverständiger Zeuge einen Befundbericht nach Nr. 200 der Anlage zu 2 zu § 10 Abs. 1 JVEG erstellt. Das Honorar sei auf 21,00 EUR festzusetzen, da der Befundbericht nicht außergewöhnlich umfangreich im Sinne von Nr. 201 der Anlage 2 zu § 10 JVEG sei. Ein Honorar nach Nr. 203 der Anlage 2 zu § 10 JVEG sei nicht angefallen, da der Beschwerdeführer zu 2) weder mit der Erstellung einer kurzen gutachterlichen Äußerung beauftragt, noch eine solche von ihm abgeliefert worden sei. Er habe nur über medizinische Tatsachen (Befunde) berichtet. Schreibauslagen fielen für die Urschrift eines Berichts nach Nr. 200 der Anlage 2 zu § 10 JVEG nicht an. Das JVEG sehe Schreibauslagen in § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 JVEG nur für Sachverständige vor, wenn sie für das Gericht ein Gutachten erstatteten. Als besondere Auslagen seien dem Beschwerdeführer zu 2) nach § 7 JVEG lediglich 0,50 EUR für eine Kopie und 0,55 EUR für Porto zu erstatten.
Es hat die Beschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.
Gegen den Beschluss hat der Beschwerdeführer zu 1) am 17.05.2005 Beschwerde eingelegt.
Das SG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
Der Beschwerdeführer zu 1) vertritt die Auffassung, die Frage, ob einem sachverständigen Zeugen zusätzlich zur Vergütung nach Nr. 200 bzw. 201 der Anlage 2 zu § 10 Abs. 1 JVEG eine Dokumentenpauschale (Schreibauslagen) nach § 12 JVEG zu ersetzen ist, bedürfe der grundsätzlichen Klärung. Aus der Begründung zu § 10 JVEG sei der Wille der Gesetzgebers zu entnehmen, dass ein sachverständiger Zeuge nicht nur eine Vergütung nach der Anlage 2, sondern ggf. wie ein Sachverständiger auch Ersatz für die in § 12 JVEG genannten Aufwendungen erhalte. Dass Aufwendungen, vorliegend Schreibauslagen, entstanden seien, sei zu unterstellen. Es sei schon nach den Vorschriften des ZuSEG sachlich nicht zu begründen gewesen, dass zwischen den erstattungsfähigen Auslagen eines niedergelassenen Arztes, der als Sachverständiger einen Befundbericht mit kurzer gutachterlicher Äußerung nach Nr. 4 der Anlage zu § 5 ZuSEG erstattet habe, und einem niedergelassener Arzt, der als sachverständiger Zeuge einen Befundbericht nach Nr. 3 der Anlage zu § 5 ZuSEG erstellt habe, unterschieden worden sei. Während die Schreibauslagen eines Sachverständigen nach § 8 ZuSEG erstattet worden seien, sei nach der Rechtsprechung des Bundessozialgericht (Urteil vom 09.02.2000, B 9 SB 10/98 R) für die Erstattung von Schreibauslagen eines sachverständigen Zeugen als Aufwendungen nach § 11 Abs. 1 ZuSEG der konkrete Nachweis für den Anfall dieser Kosten erforderlich gewesen. Aus Gleichbehandlungsgründen und aus Gründen der arbeitswirtschaftlichen Abrechnung sei von der Gerichtsverwaltung der Nachweis für den Anfall der Schreibauslagen bei der Erstattung eines Befundberichts nach Nr. 3 der Anlage zu § 5 ZuSEG unterstellt worden. Dies sei auf die Regelungen des JVEG übertragbar. Deshalb seien dem Beschwerdeführer zu 2) Schreibauslagen in Höhe von 0,75 EUR nach § 12 JVEG zu erstatten und die Vergütung auf den Betrag von 22,80 EUR zu erhöhen.
Der Beschwerdeführer zu 1) beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
den
Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 08.04.2005 zu ändern und
die Entschädigung für den Beschwerdegegner auf 22,80 EUR festzusetzen.
Der Beschwerdeführer zu 2) hat ebenfalls Beschwerde eingelegt.
Ihm seien für die Erstellung des Befundberichts als Barauslagen u.a. 5,00 Euro für die anteilsmäßige Nutzung des Computersystems sowie 5,50 Euro als anteiliger Stundenlohn der Sekretärin angefallen.
II.
Die Beschwerde des Beschwerdeführers zu 1) ist unzulässig.
Der Beschwerdeführer zu 1) ist nicht beschwerdebefugt. Die Staatskasse ist durch den Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 08.04.2005 nicht beschwert, weil die gerichtliche Festsetzung für sie nicht nachteilig ist.
Die Beschwerde des Beschwerdeführers zu 2) ist zulässig.
Die Beschwerde ist nach § 4 Abs. 3 JVEG statthaft, da das SG die Beschwerde zugelassen hat.
Die Beschwerde ist jedoch unbegründet.
Das SG hat die Vergütung zutreffend auf insgesamt 22,05 EUR festgesetzt.
Das Honorar des Beschwerdeführers zu 2) beläuft sich nach § 10 Abs.1, Nr. 200 der Anlage 2 zu §10 JVEG auf 21,00 EUR. Nach dieser Vorschrift bemisst sich das Honorar eines sachverständigen Zeugen, der Leistungen erbringt, die in der Anlage 2 bezeichnet sind, nach dieser Anlage. Nach Nr. 200 der Anlage 2 zu § 10 JVEG wird die Ausstellung eines Befundscheins oder die Erteilung einer schriftlichen Auskunft ohne nähere gutachtliche Äußerung mit 21,00 EUR vergütet.
Das SG hat zu Recht eine Erhöhung des Honorars auf 38,00 EUR abgelehnt. Denn bei dem Befundbericht handelt es sich weder um eine Leistung nach Nr. 201 der Anlage 2 zu § 10 JVEG noch um eine Leistung nach Nr. 202 der Anlage 2 zu § 10 JVEG. Das Honorar für eine außergewöhnlich umfangreiche schriftliche Auskunft ohne nähere gutachtliche Äußerung kann sich nach Nr. 201 bis auf 44,00 EUR belaufen. Bei der Beurteilung, ob eine umfangreiche Auskunft vorliegt, ist nicht vorrangig auf die Zeilenzahl des Berichtes, die von dessen äußerer Gestaltung abhängt, abzustellen, sondern auf das Ausmaß der aus dem Inhalt zu schließenden Arbeit, die mit der Erstattung der Auskunft verbunden ist. Denn mit dem Honorar nach Anlage 2 zu § 10 JVEG wird die Leistung des Arztes honoriert, die unter anderem die geistiginhaltliche Leistung, also die gedankliche Erarbeitung des Befundberichts, umfasst (siehe BSG, Urteil vom 09.02.2000, B 9 SB 10/98 R m.w.N.). Anhaltspunkte für die Beurteilung des Ausmaßes der aufgewendeten Arbeit können Art und Umfang der Beschreibung sowie die Tatsache sein, ob der Arzt neben den eigenen Unterlagen auch Unterlagen anderer Ärzte ausgewertet hat. Zudem ist zu berücksichtigen, dass der Honorarrahmen für Befundberichte aller ärztlichen Fachgebiete gilt. Erfahrungsgemäß erfordern Berichte, die nach einer umfangreichen Diagnostik, wie z. B. in der Internistik, erstattet sind, eine umfangreichere Darstellung der erhobenen Befunde. Auch ist zu berücksichtigen, ob der Arzt auf Veranlassung des Gerichts in seinem Befundbericht detaillierte Fragen in Form eines Formblatt-Fragebogens beantwortet. (siehe BSG, Urteil vom 8.10.1987, 9 RVs 13/86; LSG NRW, Urteil vom 15.05.1997, L 7 Vs 124/96 m.w.N.). Der vorliegende Befundbericht ist nicht außergewöhnlich umfangreich im Sinne von Nr. 201 der Anlage 2 zu § 10 JVEG. Er umfasst zwar ca 1,5 Seiten, bewertet das Ergebnis einer kardiologischen Diagnostik und beantwortet zwei detaillierte Fragen des Gerichts zur Herz- und Blutdruckerkrankung des Klägers. Jedoch ist zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer zu 2) nur seine eigenen Behandlungsunterlagen über eine einmalige Untersuchung des Klägers zur Erstellung des Befundberichts auszuwerten hatte, so dass es sich um einen übersichtlichen Sachverhalt handelte.
Dem Beschwerdeführer zu 2) steht auch kein Anspruch auf ein Honorar nach Nr. 202 der Anlage 2 zu § 10 JVEG zu. Insoweit nimmt der Senat auf die Ausführungen des SG Bezug und sieht von der Darstellung der Gründe ab (vom SG Nr. 203 genannt).
Als sachverständigem Zeugen sind dem Beschwerdeführer zu 2) nach §§ 19, 7 Abs. 2 Satz 1 JVEG die Kosten für eine Kopie in Höhe von 0,50 EUR sowie nach §§ 19, 7 Abs. 1 Satz 1 JVEG Portokosten in Höhe von 0,55 EUR als Entschädigung für sonstige Aufwendungen zu erstatten.
Das SG hat zutreffend den Ersatz von Schreibauslagen abgelehnt. Dem Beschwerdeführer zu 2) steht weder aus § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 JVEG noch aus § 7 Abs. 1 Satz 1 JVEG ein Anspruch auf Ersatz von Schreibauslagen zu. Nach § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 JVEG werden für die Erstellung des schriftlichen Gutachtens 0,75 EUR je angefangenen 1000 Anschläge gesondert ersetzt. Bei einer schriftlichen Auskunft im Sinne von Nr. 200 der Anlage 2 zu § 10 JVEG, wie dem vorliegenden Befundbericht, handelt es sich aber nicht um ein Gutachten eines Sachverständigen, sondern um eine schriftliche Auskunft eines sachverständigen Zeugen, also um eine schriftliche Zeugenaussage nach § 19 Abs. 1 Satz 2 JVEG. Die Bestimmung des § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 JVEG ist auch nicht entsprechend auf sachverständige Zeugen anwendbar, die eine besondere Leistung nach § 10 Abs. 1 Satz 1 JVEG erbringen (Meyer/Höver/Bach, a.a.O. Anlage 2 Rdnr. 26.23 f). Es besteht keine planwidrige, ausfüllungsbedürftige Gesetzeslücke. Nach der Konzeption des JVEG werden Übersetzern, Sachverständigen und sachverständigen Zeugen, die Leistungen nach den Vorschriften der §§ 9 -11 JVEG erbringen, die Aufwendungen nach §§ 5 - 7 JVEG ersetzt. Zusätzlich werden Übersetzern und Sachverständigen die in § 12 JVEG aufgezählten besonderen Aufwendungen nach § 12 JVEG ersetzt. Dabei regelt die Vorschrift des § 12 JVEG abschließend den Ersatz von besonderen Aufwendungen, wobei nach § 12 Abs. 1 Satz 1 JVEG der Anwendungsbereich der Regelung auf die Leistung von Übersetzern und Sachverständige begrenzt ist, also sachverständige Zeugen, die Leistungen nach § 10 Abs. 1 JVEG erbringen, nicht erfasst werden und in § 12 Abs. 2 Satz 1 JVEG je nach Art der Aufwendung zwischen Übersetzern und Sachverständigen unterschieden wird. Der Ersatz von Schreibauslagen nach § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 JVEG ist auf Gutachten, also auf die Leistung eines Sachverständigen beschränkt, Übersetzer haben keinen Anspruch auf Ersatz von Schreibauslagen (Meyer/Höver/Bach, a.a.O., § 12 Rdnr.12.27). Dies entspricht dem Willen des Gesetzgebers, wonach gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 JVEG die mit der reinen Schreibarbeit verbundenen Aufwendungen ersetzt werden, da der Sachverständige für die gedankliche Erarbeitung ein nach Stunden bemessenes Honorar erhält, während sich das Honorar des Übersetzers nach dem Umfang des übersetzten Textes bemisst (BT-Drucks. 15/1971 S.184). Auch aus der Begründung zu § 10 JVEG lässt sich nicht der Wille des Gesetzgebers entnehmen, dass die Regelung des § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 JVEG auf sachverständige Zeugen, die die besonderen Leistungen nach § 10 Abs. 1 JVEG erbringen, ausgedehnt werden soll. Zwar ist in der Gesetzesbegründung zu § 10 JVEG, wie der Beschwerdeführer zu 1) zutreffend ausgeführt hat, dargelegt, dass Abs. 1 der Vorläufervorschrift des § 5 Abs. 1 ZuSEG entspricht und der sachverständige Zeuge - ebenso wie nach dem früher geltenden Recht - nicht nur eine Vergütung nach der Anlage 2, sondern gegebenenfalls wie ein Sachverständiger auch Ersatz für die in § 12 JVEG-E genannten besonderen Aufwendungen erhält (BT-Drucks. 15/1971 S.183). Dieser Wille hat aber zum einen im Wortlaut der Vorschrift des § 12 JVEG keinen Ausdruck gefunden, zum anderen hatte ein sachverständiger Zeuge, der einen Befundbericht erstattete, nach dem ZuSEG keinen Anspruch auf Ersatz der originären Schreibleistung, da die Entschädigung nach Nr. 3 der Anlage zu § 5 ZuSEG die gesamte Leistung des Arztes abgalt. Sie umfasste die geistig-inhaltliche Leistung des Befundberichtes, die originäre Schreibleistung, Vorbereitungsmaßnahmen und das Absenden des Berichtes (siehe BSG, Urteil vom 09.02.2000, B 9 SB 10/98 R). Schreibauslagen waren nur dann als sonstige Aufwendungen nach § 11 Abs. 1 ZuSEG erstattungsfähig, wenn der Arzt die Notwendigkeit dieser Auslagen nach Grund und Höhe nachwies (BSG, Urteil vom 26.11.1991, 9a RV 25/90).
Da der Beschwerdeführer zu 2) die Notwendigkeit von Schreibauslagen auch nicht konkret, etwa durch Vorlage einer Quittung, nachgewiesen hat, sind die geltend gemachten Schreibauslagen auch nicht als sonstige Aufwendungen nach §§ 19, 7 Abs. 1 Satz 1 JVEG erstattungsfähig. Bei den vom Beschwerdeführer zu 2) geltend gemachten Barauslagen einer anteiligen Nutzung des Computersystems sowie eines anteiligen Stundenlohns der Sekretärin für die Erstellung des Befundberichts handelt es sich um allgemeine Praxiskosten, die durch die Vergütung nach Nr. 200 der Anlage 2 zu § 10 JVEG mit abgegolten werden (siehe zu § 5 Abs. 1 Nr. 3 ZuSEG, BSG, Urteil vom 09.02.2000, B 9 SB 10/98 R).
Selbst wenn dem Beschwerdeführer zu 2) die Erstattung von Schreibauslagen in Höhe von 0,75 EUR mit der Befundberichtsanforderung durch das SG in Aussicht gestellt worden sein sollte, entfaltet diese Zusicherung des Gerichts über den Ersatz einer bestimmten Aufwendung keine Bindungswirkung gegenüber der Staatskasse. Die Staatskasse ist an eine vorherige Zusicherung des Gerichts auf eine bestimmte Vergütung, auch unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes, nicht gebunden. Das Gericht kann die Staatskasse nicht im Voraus zur Zahlung einer bestimmten Vergütung verpflichten (siehe Meyer/Höver/Bach,a.a.O., § 8 Rdnr. 8.6 m.w.N.; LSG Erfurt, Beschluss vom 14.01.2001, L 6 B 38/01 SF; SGb 2002, 282).
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 4 Abs. 5 JVEG).