LSG Rh-Pfalz - L 4 SB 174/05 - Urteil vom 08.03.2006
Die Höhe der Vergütung des Rechtsanwalts bestimmt sich nach dem VV, das dem RVG als Anlage 1 angefügt ist. Nach Abschnitt 4 (Vertretung in bestimmten sozialrechtlichen Angelegenheiten) Nr. 2500 des VV beträgt die Geschäftsgebühr in sozialrechtlichen Angelegenheiten, in denen im gerichtlichen Verfahren Betragsrahmengebühren entstehen (§ 3 RVG), 40 bis 520 EUR. Im Normalfall, also wenn die Bedeutung der Angelegenheit, der Umfang und die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sowie die Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Auftraggebers nach den Kriterien des § 14 Abs. 1 S. 1 RVG durchschnittlich sind, ist die Mittelgebühr von 280 EUR wegen des Zusatzes zu VV 2500 aber nur anzusetzen, wenn Umfang oder Schwierigkeit über dem Durchschnitt liegen. Die Einschränkung des Zusatzes zu VV 2500 bei "durchschnittlichen" Fällen greift damit nicht ein, wenn die anwaltliche "Tätigkeit umfangreich oder schwierig" war. War sie es nicht, ist statt der Regelmittelgebühr die "Schwellengebühr" von 240 EUR als "billig" i.S.d. § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG anzusetzen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Höhe der Kostenerstattung für ein
Widerspruchsverfahren.
Mit Bescheid vom 20.09.2004 stellte das Amt für soziale Angelegenheiten Koblenz
bei der Klägerin einen Grad der Behinderung (GdB) nach dem Sozialgesetzbuch
Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (SGB IX) von 20 fest.
Hiergegen legte die Klägerin durch ihre Prozessbevollmächtigte Widerspruch ein,
mit dem sie die Feststellung eines GdB von mindestens 30 begehrte, was die
Prozessbevollmächtigte mit Schriftsatz vom 26.11.2004 begründete. Gestützt auf
eine sozialmedizinische Stellungnahme der Ärztin A. stellte der Beklagte mit
Widerspruchsbescheid vom 11.01.2005 einen GdB von 30 fest und teilte mit, die
zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen im
Vorverfahren seien in voller Höhe zu erstatten, wobei die Zuziehung eines
Bevollmächtigten für notwendig erklärt werde.
Mit Rechnung vom 28.01.2005 berechnete die Prozessbevollmächtigte der Klägerin
deren außergerichtlichen Kosten in Höhe von 353,80 EUR (Verfahrensgebühr
Widerspruchsverfahren Nr. 2500 Vergütungsverzeichnis - VV - 280,00 EUR, 10
Kopien 5,00 EUR, Post- und Telekommunikationspauschale 20,00 EUR sowie
Umsatzsteuer 48,80 EUR).
Mit Kostenfestsetzungsbescheid vom 07.03.2005 setzte der Beklagte die zu
erstattenden Kosten auf 237,80 EUR fest, wobei er von einer Gebühr gemäß VV
Ziffer 2500 von 180,00 EUR ausging.
Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein, den der Beklagte mit
Widerspruchsbescheid vom 30.05.2005 zurückwies. Zur Begründung wurde ausgeführt,
unter Berücksichtigung der Widerspruchsbegründung der Klägerin sei der Umfang
der anwaltlichen Tätigkeit durchschnittlich gewesen, die Bedeutung der
Angelegenheit für die Widerspruchsführerin gering, so dass die Voraussetzungen,
die die Gewährung der Regelgebühr rechtfertigten, nicht vorlägen.
Auf die hiergegen erhobene Klage hat das Sozialgericht Koblenz den Beklagten mit
Urteil vom 27.07.2005 verurteilt, unter Abänderung der angefochtenen Bescheide
der Klägerin weitere notwendige Aufwendungen im Widerspruchsverfahren in Höhe
von 58,00 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz ab dem 03.03.2005 zu
erstatten. Im Übrigen wurde die Klage zurückgewiesen und die Berufung
zugelassen. Zur Begründung hat das Sozialgericht im Wesentlichen ausgeführt, die
angefochtenen Bescheide seien rechtswidrig, da der Klägerin ein Anspruch auf
Erstattung weiterer Aufwendungen im Widerspruchsverfahren in Höhe von 58,00 EUR
nebst Zinsen zuständen, während die weitergehende, auf Erstattung weiterer
notwendiger Aufwendungen in Höhe von 116,00 EUR nebst Zinsen gerichtete Klage
unbegründet sei. Die Höhe der Gebühren ergebe sich aus dem VV der Anlage 1 zum
Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG), wonach der Rechtsanwalt grundsätzlich die
Gebühr unter Berücksichtigung der in § 14 Abs. 1 S. 1 RVG genannten Kriterien,
Bedeutung der Angelegenheit, Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen
Tätigkeit, Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers und
Haftungsrisiko bestimme. Bei der Bestimmung der Gebühr sei von der so genannten
Mittelgebühr auszugehen, mit der ein Durchschnittsfall abgegolten werde, die
nach Nr. 2500 des VV in sozialrechtlichen Angelegenheiten 280,00 EUR betrage,
wobei allerdings eine Gebühr von mehr als 240,00 EUR nur gefordert werden könne,
wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig gewesen sei. Entgegen der vom
Beklagten vertretenen Auffassung, wonach diese Gebühr von 240,00 EUR in einem
Durchschnittsfall in Ansatz zu bringen sei und bei Abweichungen vom
Durchschnittsfall ausgehend von dem Betrag von 240,00 EUR die angemessene Gebühr
zu bestimmen sei, handele es sich nicht um eine Regelgebühr, die an Stelle der
Mittelgebühr trete, wenn die Tätigkeit des Anwalts nicht umfangreich oder
schwierig sei, sondern nur um eine Kappungsgrenze, also eine Deckelung des
konkreten Honorars in Fällen, in denen die Tätigkeit nicht mindestens
umfangreich oder mindestens schwierig gewesen sei. Die vom Rechtsanwalt
vorgenommene Bestimmung sei nicht verbindlich, wenn die Gebühr vom Dritten zu
erstatten und sie unbillig sei, was hier der Fall sei. Die Bestimmung der
Mittelgebühr durch die Prozessbevollmächtigte der Klägerin sei unter
Berücksichtigung der Kriterien des § 14 Abs. 1 S. 1 RVG zu hoch, da die
Bedeutung der Angelegenheit für die Klägerin unterdurchschnittlich sei. Da die
Klägerin derzeit voll erwerbsgemindert sei, komme auch eine Gleichstellung nach
§ 2 Abs. 3 SGB IX nicht in Betracht, so dass ein GdB von 30 (statt 20) für die
Klägerin zwar nicht von geringer, wohl aber unterdurchschnittlicher Bedeutung
gewesen sei. Der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit sei durchschnittlich gewesen,
auch wenn die Prozessbevollmächtigte der Klägerin sich in der
Widerspruchsbegründung sehr detailliert mit den vorliegenden medizinischen
Unterlagen auseinander gesetzt habe. Der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit gehe
aber vorliegend nicht über denjenigen einer durchschnittlichen sozialrechtlichen
Angelegenheit hinaus, da die durchzuarbeitende Verwaltungsakte nur einen
unterdurchschnittlichen Umfang aufgewiesen habe. Gleiches gelte für die
Schwierigkeit der Angelegenheit, die allenfalls als durchschnittlich angesehen
werden könne. Denn es seien weder rechtliche Probleme zu lösen, noch Fragen der
haftungsbegründenden oder haftungsausfüllenden Kausalität zu klären, wie sie
etwa im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung oder des sozialen
Entschädigungsrechts von Bedeutung seien. Schließlich liege auch kein erheblich
über dem Durchschnitt liegendes Haftungsrisiko der Prozessbevollmächtigten vor,
das eine Abweichung von der Mittelgebühr nach oben rechtfertigen könne. Da die
Bedeutung der Angelegenheit für die Klägerin unterdurchschnittlich gewesen sei
und die übrigen Kriterien des § 14 Abs. 1 S. 1, 3 RVG allenfalls dem
Durchschnitt entsprochen hätten, sei eine unterhalb der Mittelgebühr liegende
Gebühr in Ansatz zu bringen, wobei die Kammer die Bedeutung der Angelegenheit
für die Klägerin zwar als unterdurchschnittlich, aber nicht als gering ansehe,
so dass eine um 50,00 EUR unter der Mittelgebühr liegende Gebühr und damit
insgesamt eine Gebühr in Höhe von 230,00 EUR als angemessen angesehen werde.
Unter Berücksichtigung der Auslagenpauschale, der Fotokopiekosten sowie der
Umsatzsteuer ergäben sich damit zu erstattende notwendige Aufwendungen im
Widerspruchsverfahren in Höhe von 295,80 EUR und abzüglich des vom Beklagten
bereits gezahlten Betrages von 237,80 EUR ein zu erstattender Differenzbetrag
von 58,00 EUR.
Am 05.09.2005 hat der Beklagte gegen das ihm am 11.08.2005 zugestellte Urteil
Berufung eingelegt.
Der Beklagte trägt vor, entgegen der Ansicht des Sozialgerichts handele es sich
bei dem in Nr. 2500 des VV zu § 2 Abs. 2 RVG festgelegten Betrag in Höhe von
240,00 EUR nicht um eine Kappungsgrenze, sondern vielmehr um eine Regelgebühr,
die an die Stelle der bei der Ausnutzung des Gebührenrahmens eigentlich
vorgegebenen Mittelgebühr von 280,00 EUR trete. Nach der Anmerkung in Nr. 2500
des VV könne eine Geschäftsgebühr von mehr als 240,00 EUR nämlich nur dann
gefordert werden, wenn die anwaltliche Tätigkeit umfangreich oder schwierig
gewesen sei, anderenfalls werde die Gebühr von 240,00 EUR zur Regelgebühr, von
der, bei Prüfung der übrigen Kriterien des § 14 RVG nach unten, aber auch nach
oben abgewichen werden könne. Da - insoweit übereinstimmend mit dem
Sozialgericht- der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit nicht über denjenigen in
einer durchschnittlichen sozialrechtlichen Angelegenheit hinausgehe und auch die
Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit allenfalls als durchschnittlich zu
werten sei, müsse nach der Anmerkung in Nr. 2500 des VV die dort aufgeführte
Regelgebühr von 240,00 EUR statt der höheren Mittelgebühr von 280,00 EUR
eingreifen.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 27.07.2005 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin trägt vor, die in Nr. 2500 des VV ebenso wie an anderen Stellen des
RVG neu aufgenommenen Beträge stellten Schwellenwerte und damit Kappungsgrenzen
dar, wovon das Sozialgericht zu Recht ausgegangen sei. Das Gesetz schreibe in
diesen Fällen vor, dass ein rechnerischer Normalfall, bei dem die Mittelgebühr
anzunehmen sei, nur dann gegeben sei, wenn die Tätigkeit umfangreich oder
schwierig sei. Liege weder eine schwierige noch eine umfangreiche Tätigkeit des
Rechtsanwaltes vor, so erhalte dieser - auch wenn die anderen in § 14 Abs 1 RVG
genannten Kriterien überdurchschnittlich seien - nur eine Gebühr bis zur Höhe
des Schwellenwertes, so dass die Überschreitung des Schwellenwertes dann im
Einzelfall der Begründung durch den Rechtsanwalt bedürfe. Eine solche Begründung
für die Überschreitung des Schwellenwertes habe die Prozessbevollmächtigte
gegeben. Durch sie bzw. ihre Prozessbevollmächtigte werde das Urteil des
Sozialgerichts, das die Kappungsgrenze zu Recht angewandt habe, akzeptiert, auch
wenn sich über die Gebührenbemessung im Einzelfall streiten lasse.
Im Übrigen wird zur Ergänzung Bezug genommen auf den Inhalt der beigezogenen und
die Klägerin betreffenden Verwaltungsakte des Beklagten (Az.: 40 92 57) sowie
der Gerichtsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung des Beklagten ist hinsichtlich der Nebenforderung
(Zinsen) begründet, im Übrigen aber nicht begründet.
Die vom Sozialgericht zugelassene Berufung des Beklagten gegen das Urteil vom
27.07.2005 ist unbegründet, da das Sozialgericht den Beklagten zu Recht
jedenfalls zur Erstattung weiterer 58,00 EUR im Rahmen der Kostenerstattung des
Widerspruchsverfahrens gegen den Bescheid des Beklagten vom 20.09.2004
verurteilt hat. Soweit das Sozialgericht den Beklagten zur Zahlung von Zinsen
aus dem Erstattungsbetrag verurteilt hat, ist die Berufung dagegen begründet.
Der Anspruch der Klägerin auf Kostenerstattung richtet sich nach § 63 Abs. 1 S.
1; Abs. 2 und Abs. 3 S. 1 SGB X, wonach die Behörde, die die Kostenentscheidung
getroffen hat, den Betrag der zu erstattenden Aufwendungen festsetzt. Dabei
gehören gemäß § 63 Abs. 2 SGB X die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts zu
den zu erstattenden Kosten, nachdem der Beklagte die Zuziehung eines
Rechtsanwalts für notwendig erklärt hat (§ 63 Abs. 3 S. 2 SGB X). Der Umfang der
notwendigen Aufwendungen für die Prozessbevollmächtigte der Klägerin richtet
sich nach dem Gesetz über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte
(Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG) iVm mit dem "Vergütungsverzeichnis" (VV),
Art. 1 und 8 des Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts
(Kostenrechtsmodernisierungsgesetz - KostRMoG) vom 05.Mai 2004 (BGBl I 2004,
S.717ff, 788ff, 850), da der Auftrag zur Vertretung der Klägerin im
Widerspruchsverfahren nach dem 30.06.2004 erteilt worden war.
Nach § 3 Abs. 2 iVm Abs. 1 Satz 1 RVG entstehen in sozialgerichtlichen Verfahren
(auch) außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens Betragsrahmengebühren, sofern
das Gerichtskostengesetz keine Anwendung findet. § 3 RVG gilt auch für das sog.
isolierte Vorverfahren (Göttlich/Mümmler, RVG, Kommentar, 1. Aufl. 2004,
S.844ff, 851f 3d), wie es hier durchgeführt worden war. Da es sich bei der
Klägerin als behinderter Mensch um eine kostenprivilegierte Beteiligte i.S. des
§ 183 Satz 1 SGG handelt, findet das GKG keine Anwendung (§ 197a Abs. 1 Satz 1
1. Halbsatz SGG). Die Höhe der Vergütung bestimmt sich somit nach dem VV, das
dem RVG als Anlage 1 angefügt ist (§ 2 Abs. 2 Satz 1 RVG). Laut Abschnitt 4
(Vertretung in bestimmten sozialrechtlichen Angelegenheiten) Nr. 2500 des VV
beträgt die Geschäftsgebühr in sozialrechtlichen Angelegenheiten, in denen im
gerichtlichen Verfahren Betragsrahmengebühren entstehen (§ 3 RVG), 40,00 bis
520,00 EUR. Einschränkend enthält das Vergütungsverzeichnis zu diesen Beträgen
den Zusatz: "Eine Gebühr von mehr als 240,00 EUR kann nur gefordert werden, wenn
die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war." Die Geschäftsgebühr ersetzt die
frühere Gebühr nach § 118 BRAGO, einschließlich einer evtl. Besprechungsgebühr,
so dass sie einen weiteren Abgeltungsrahmen als nach früherem Recht umfasst.
Dabei geht der Senat weiter davon aus, dass - wenn keine besonderen Umstände
vorliegen - auch in Verfahren nach dem Schwerbehindertenrecht nach dem
Sozialgesetzbuch -Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (SGB IX) bei
der Abrechnung nach dem RVG in der Regel die Mittelgebühr als angemessen
anzusehen ist (vgl. BSG, Behindertenrecht 1992, 142; Urteil des Senats vom
30.03.1990, AnwBl 1990, 523; Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom
08.05.2001, L 15 SB 69/00), wovon auch der Gesetzgeber ausgegangen ist (vgl.
BR-Drucksache 830/03, S. 117).
Die Einschränkung im Vergütungsverzeichnis, die schon im ursprünglichen
Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 07.11.2003 (BR-Drucksache 830/03, S. 117)
enthalten war, bezweckt wie die gleiche Regelung zu VV 2400 eine Begrenzung bzw.
Kappung der sog. "Mittelgebühr", die ansonsten für durchschnittliche Fälle mit
280 EUR zu berechnen wäre. Die Bestimmung der als Betragsrahmengebühr
ausgestalteten Geschäftsgebühr nach § 3 Abs. 1 S. 1 RVG erfolgt dabei nur
teilweise nach Maßgabe des § 14 Abs. 1 S. 1 RVG. Danach hat der Rechtsanwalt die
Rahmengebühr unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der Bedeutung
der Angelegenheit, des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit
sowie der Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Auftraggebers, nach billigem
Ermessen zu bestimmen. Im Normalfall, also wenn die Bedeutung der Angelegenheit,
der Umfang und die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sowie die Vermögens-
und Einkommensverhältnisse des Auftraggebers nach den Kriterien des § 14 Abs. 1
S. 1 RVG durchschnittlich sind, ist daher die Mittelgebühr wegen des Zusatzes zu
VV 2500 nur anzusetzen, wenn Umfang oder Schwierigkeit über dem Durchschnitt
liegen (ebenso die Gesetzesbegründung zum wortgleichen VV 2400, BR-Drucks.
830/03 S. 257 f; vgl. Wahlen in: AnwK-RVG, 2. Aufl., § 3 RVG Rdn. 99 mwN). Das
bedeutet, dass die Einschränkung des Zusatzes zu VV 2500 bei
"durchschnittlichen" Fällen nicht eingreift, wenn die anwaltliche "Tätigkeit
umfangreich oder schwierig" war. War sie es nicht, ist statt der
Regelmittelgebühr (280 EUR) die "Schwellengebühr" (BR-Drucks. 830/03 S. 257) von
240 EUR als "billig" i.S.d. § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG anzusetzen. Die Einschränkung
im Zusatz zu VV 2500 führt somit dazu, dass die Mittelgebühren bei der VV 2500
zwar theoretisch 280 EUR betragen und Ausgangspunkt der Berechnung der
angemessenen Vergütung sind, wegen der amtlichen Anmerkung aufgrund einer
Kappung für "Durchschnittsfälle" aber nur 240 EUR erreichen können.
In Übereinstimung mit dem Sozialgericht geht der Senat im vorliegenden Fall
nicht davon aus, dass die anwaltliche "Tätigkeit umfangreich oder schwierig"
war, wobei auf das Urteil des Sozialgerichts Bezug genommen wird (§ 153 Abs. 2
SGG). Auch die nach der Rechtsprechung (vgl. BSG, Behindertenrecht 1992, 142;
Urteil des Senats vom 30.03.1990, AnwBl 1990, 523) dem Rechtsanwalt eingeräumte
Beurteilungsbandbreite von 20 vH bei der Festsetzung der "billigen" Gebühr führt
nicht dazu, dass der Schwellenwert überschritten werden kann.
Da das Sozialgericht der Klägerin über die vom Beklagten im Bescheid vom
07.03.2005 festgesetzten außergerichtlichen Kosten ausgehend von einer als
angemessen bzw. billig erachteten Geschäftsgebühr von 230 EUR weitere 58 EUR
zugesprochen und die Klägerin keine Berufung gegen das Urteil eingelegt hat, ist
die Berufung des Beklagten insoweit zurückzuweisen.
Hinsichtlich der vom Sozialgericht der Klägerin zugesprochenen Nebenforderung
von 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus dem zusätzlichen Erstattungsbetrag
seit dem 03.03.2005 ist die Berufung des Beklagten aber begründet. Für einen
solchen Anspruch besteht keine Rechtsgrundlage. § 63 SGB X regelt lediglich die
Erstattung der notwendigen Aufwendungen. Zu diesen Aufwendungen gehören nicht
die Zinsen. Diese können erst entstehen, wenn ein Kostenerstattungsanspruch
besteht. Daher ist eine besondere Regelung erforderlich, aus der sich die
Verpflichtung zur Verzinsung des Kostenerstattungsanspruches herleiten lässt.
Hieran fehlt es. Wie das Bundessozialgericht bereits mehrfach entschieden hat,
gibt es im Verwaltungsrecht keinen allgemeinen Grundsatz, der zur Zahlung von
Verzugszinsen verpflichtet.
Entgegen der Ansicht des Sozialgericht ergibt sich ein solcher Anspruch nicht
aus §§ 202 SGG; 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO i.V.m. § 247 BGB. Nach § 104 Abs 1 S 2 ZPO
sind die gemäß § 103 ZPO festgesetzten Prozesskosten auf Antrag zu verzinsen. §
202 SGG verbietet aber eine Anwendung der Vorschriften der ZPO, wenn die
grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies ausschließen, was
hier der Fall ist. Das Vorverfahren nach den §§ 78 ff SGG ist zwar dem
Gerichtsverfahren vorgeschaltet, und die Erstattung der Kosten gemäß § 63 SGB X
orientiert sich auch an der Ersetzung von Prozesskosten. Dennoch wird eine
entsprechende Anwendung des § 104 Abs. 1 S. 2 ZPO auf die Kostenerstattung für
das Vorverfahren durch die grundsätzlichen Unterschiede beider Verfahrensarten
ausgeschlossen. § 104 ZPO ist auf ein förmliches gerichtliches Verfahren
zugeschnitten, während es sich bei dem Vorverfahren um einen Teil des
Verwaltungsverfahrens handelt. Wegen der grundsätzlichen Unterschiede dieser
beiden Verfahrensarten können die prozessrechtlichen Vorschriften über die
Verzinsung von Prozesskosten nicht angewandt werden (vgl. BSG, SozR 1300 § 63
Nr. 9; BSG, Urteil vom 24.07.1986, Az.: 7 RAr 86/84; Beschluss des erkennenden
Senats vom 30.03.1990, Az: L 4 Vs 3/89 = AnwBl 1990, 523-525).
Für die Verzinsung von Vorverfahrensaufwendungen findet auch § 44 SGB I keine
Anwendung, weil die Erstattung von Vorverfahrenskosten nicht Gegenstand eines
"sozialen Rechts" und damit keine Geldleistung i.S. des § 44 SGB I ist (BSG,
a.a.O.). Der Anspruch auf Erstattung von Kosten für das Vorverfahren dient nicht
der Verwirklichung sozialer Rechte des Einzelnen i.S. von § 11 SGB I.
Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf § 193 SGG.
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (§ 160 Abs. 2 SGG).