Landessozialgericht Hamburg - L 5 AS 42/06 - Urteil vom 31.05.2007
1. Bei der Bestimmung des Begriffs der besonderen Härte kommt es darauf an, ob die Anwendung der Regelvorschriften bezüglich des Vermögenseinsatzes in § 12 Abs. 2 und 3 SGB II wegen des Vorliegens einer Atypik zu einem den Leitvorstellungen der SGB II-Vorschriften nicht entsprechenden Ergebnis führen würde.
2. Zur Verwertbarkeit eines Hausgrundstücks.
Tatbestand:
Im Streit steht die Aufhebung der Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch – Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – SGB II.
Der am XX.XXXXX 1960 geborene alleinstehende Kläger, der seinerzeit Arbeitslosenhilfe bezog, erbte von seinem am 6. September 2004 verstorbenen Vater in ungeteilter Erbengemeinschaft mit seiner Schwester ein mit einem Einfamilienhaus bebautes Grundstück in A. G. bei B., Landkreis L ... Das Grundstück ist mit zwei Hypotheken in Höhe von nominell 42.000.- DM bzw. 12.700.- DM – beide eingetragen am 7. April 1972 – und einer Grundschuld in Höhe von nominell 40.000.- DM – eingetragen am 30. Oktober 1978 – belastet. Das Haus wurde seit dem Erbfall weder durch den Kläger noch durch seine Schwester bewohnt.
Am 28. Oktober 2004 beantragte der Kläger bei der Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Dabei beantwortete er die Frage nach vorhandenem Vermögen dahingehend, dass er gemeinsam mit seiner Schwester ein Haus geerbt habe, dieses aber nicht verwertbar sei, da die Schwester in einen Verkauf nicht einwillige. Diese erklärte unter dem 29. November 2004, dass sie das gemeinsam geerbte Haus voraussichtlich nicht verkaufen oder vermieten werde.
Mit Bescheid vom 9. Dezember 2004 bewilligte ihm die Beklagte zunächst Leistungen für den Zeitraum Januar bis Juni 2005 in Höhe von 615,89 Euro monatlich, hob jedoch mit Bescheid vom 11. Januar 2005 den Bewilligungsbescheid ab Februar 2005 auf und forderte den Kläger auf, Angaben zum Wert der geerbten Immobilie zu machen und sich den ererbten Anteil von seiner Schwester auszahlen zu lassen. Für die Monate Februar, März, April und Juni 2005 wurden ihm mit Bescheiden vom 1. Februar 2005, 24. Februar 2005, 22. März 2005 und 27. Mai 2005 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 4. Juli 2005 darlehensweise Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts gewährt.
Gegen den Bescheid vom 11. Januar 2005 erhob der Kläger Widerspruch, den die Beklagte nach Einholung einer Auskunft des Gutachterausschusses für Grundstückswerte L., in welcher dieser den Verkehrswert des Grundstücks auf rund 122.000.- Euro schätzte, mit Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2005 zurückwies. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, der Kläger sei Erbe eines bebauten Grundstücks, welches nach Auskunft des Gutachterausschusses einen Verkehrswert von 122.000.- Euro habe. Die Verwertung sei weder offensichtlich unwirtschaftlich noch stelle sie eine besondere Härte dar. Da dem Kläger die Hälfte des Erbteils zustehe, sei nach Absetzung von Freibeträgen in Höhe von 7.550.- Euro ein verwertbares Vermögen in Höhe von 53.450.- Euro zu berücksichtigen. Somit sei der Bewilligungsbescheid von Anfang an rechtswidrig gewesen. Sie sei daher dazu befugt gewesen, in Ausübung ihres pflichtgemäßen Ermessens ihre Bewilligungsentscheidung nach § 45 Sozialgesetzbuch – Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – SGB X für die Zeit ab dem 1. Februar 2005 zurückzunehmen. Dem stehe auch kein schutzwürdiges Vertrauen des Klägers entgegen. Die Rücknahme erfolge für eine Zeit, für die ihm noch keine Leistungen ausgezahlt worden seien, so dass auch keine Leistungen verbraucht worden seien. Außerdem sei nicht ersichtlich, dass finanzielle Entscheidungen getroffen worden seien, die nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig gemacht werden könnten. Zugunsten des Klägers sei zwar zu berücksichtigen, dass die fehlerhafte Leistungsbewilligung auf einem Verschulden der Verwaltung beruhe, doch spreche für die Rücknahme, dass Haushaltsmittel nur für die gesetzlich vorgeschriebenen und zugelassenen Zwecke verwendet werden dürften, desweiteren die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit sowie das Gleichbehandlungsgebot und das Willkürverbot. Diesen Gründen komme ein größeres Gewicht zu. Die darlehensweise Bewilligung ergebe sich aus § 9 Abs. 4 SGB II.
Hiergegen hat der Kläger am 8. Juli 2005 Klage beim Sozialgericht (SG) erhoben. Das SG hat ein Sachverständigengutachten zum Verkehrswert des Grundstücks sowie zur Frage seiner Verwertbarkeit und der offensichtlichen Unwirtschaftlichkeit einer Verwertung eingeholt. Der Gutachter Dipl.-Ing. T. hat in seinem Gutachten vom 21. März 2006 ausgeführt, der Sachwert der Immobilie betrage 182.000.- Euro. Unter Berücksichtigung eines marktangepassten Sachwerts von rund 108.000.- Euro (bzw. 110.000.- Euro) und eines auf der Grundlage des Grundstücksmarktberichtes des Gutachterausschusses ermittelten indirekten Vergleichswertes von rund 134.000.- Euro schätze er den Verkehrswert des bebauten Grundstücks auf rund 128.000.- Euro. Eine Vermietung der Immobilie sei möglich, lasse jedoch keine ausreichende Rendite erwarten. Ergänzend wird auf den weiteren Inhalt des Gutachtens Bezug genommen.
Durch Urteil vom 18. September 2006 hat das SG die Klage abgewiesen. Die mit Bescheid vom 9. Dezember 2004 erfolgte Bewilligung von Leistungen als Zuschuss sei rechtswidrig gewesen, da der Kläger aufgrund seines zu berücksichtigenden Vermögens nicht hilfebedürftig gewesen sei und lediglich Anspruch auf darlehensweise Leistungen gehabt habe. Der Miteigentumsanteil am Hausgrundstück in A. G. stelle Vermögen dar, welches verwertbar sei. Der Miterbe könne nämlich grundsätzlich jederzeit Erbauseinandersetzung verlangen oder über seinen Anteil an dem Nachlass verfügen, z.B. durch Verpfändung. Die Verwertung sei auch nicht offensichtlich unwirtschaftlich. Im Bereich des SGB II sei die Grenze der offensichtlichen Unwirtschaftlichkeit höher als bei 10 % des Substanzwertes anzusetzen und müssten ggf. deutlich höhere Verluste hingenommen werden. Als Ausgangspunkt für die Frage der offensichtlichen Unwirtschaftlichkeit sei der Verkehrswert zugrunde zu legen. Prognosen über die zukünftige Entwicklung des Immobilienmarktes seien dabei nicht anzustellen. Es seien keine Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass der von dem Sachverständigen ermittelte Verkehrswert als Kaufpreis auf dem Markt nicht zu erzielen sei. Selbst wenn es im Wege einer Erbauseinandersetzung zu einer Zwangsversteigerung kommen müsste – was keineswegs gesichert sei –, existiere kein allgemeiner Erfahrungssatz dahin gehend, dass dabei stets nur Preise zu erreichen seien, die so erheblich unter dem Verkehrswert lägen, dass von einer offensichtlichen Unwirtschaftlichkeit auszugehen sei. Gesichtspunkte für eine besondere Härte seien nicht zu erkennen. Der Rücknahme des Bewilligungsbescheides stehe kein schutzwürdiges Vertrauen entgegen, da die Rücknahme der Bewilligung nur für die Zukunft erfolgt sei. Es sei nicht zu erkennen und zu erwarten, dass der Kläger im Vertrauen auf den Fortbestand der Bewilligung Vermögensdispositionen getroffen hätte. Die Beklagte habe auch das ihr zustehende Rücknahmeermessen ohne Ermessensfehler ausgeübt.
Hiergegen hat der Kläger fristgerecht Berufung eingelegt. Zur Begründung führt er aus, das ihm und seiner Schwester in Erbengemeinschaft gehörende Grundstück in A. G. sei nicht als Vermögen zu berücksichtigen, da – in absehbarer Zeit – dessen Verwertbarkeit nicht gegeben sei. Dazu gehöre, dass über den Vermögensgegenstand verfügt werden könne. Seitens seiner Schwester bestehe jedoch weiterhin keine Mitwirkungsbereitschaft zur Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft; ein Erbauseinandersetzungsverfahren vor Gericht würde erhebliche Zeit in Anspruch nehmen. Die vom SG in Betracht gezogene Verpfändung setze voraus, dass die Aktiva und Passiva der Erbengemeinschaft abschließend geklärt seien, insbesondere auch wechselseitige Ansprüche der Erben. Diese Erfordernisse seien nicht erfüllt. Hinzu komme, dass selbst bei Annahme der Verwertbarkeit diese offensichtlich unwirtschaftlich sei. Der Sachverständige habe bei der Bewertung des Grundstücks einen Sachwert ermittelt, den er auf 182.000.- Euro veranschlagt habe. Dabei verkenne das Gericht, dass Alterswertminderungen bei der Bemessung dieses Betrages bereits Eingang gefunden hätten. Als Verkehrswert habe der Sachverständige demgegenüber einen Betrag von 128.000.- Euro zugrunde gelegt. Es sei allgemein anerkannt, dass für die Bewertung von Einfamilienhäusern die Sachwertmethode herangezogen werden müsse. Würde man auf die tatsächliche Marktsituation abstellen, hätte dies zur Folge, dass eine offensichtliche Unwirtschaftlichkeit der Verwertung in keinem Fall bei Grundstücken gegeben wäre. Eine offensichtliche Unwirtschaftlichkeit müsse bejaht werden, wenn – wie hier – der erzielbare Kaufpreis ca. 1/3 unter dem Sachwert liege. Im Übrigen sei derzeit selbst der angenommene Verkehrswert nicht zu erzielen, sondern allenfalls ein Betrag von 100.000.- Euro; der Sachverständige sei nicht in der Lage gewesen, konkrete Interessenten zu benennen. Das SG habe zudem nicht in seine Überlegungen einbezogen, dass er aufgrund des Bezuges von SGB II – Leistungen nur geringfügige Rentenanwartschaften erwerbe. Das Verlangen einer vorzeitigen Veräußerung stelle eine besondere Härte dar, da perspektiv durch die Anbindung des Gebietes B. an den Hamburger Großraum durch Autobahnen ein höherer Preis zu erzielen sein werde und er dann seine Altersbezüge aufstocken könne.
Mit Schriftsatz vom 28. Februar 2007 hat der Kläger mitgeteilt, dass er zusammen mit seiner Schwester das Grundstück am 16. Februar 2007 zu einem Gesamtkaufpreis von 105.000.- Euro verkauft habe. Hierdurch ändere sich allerdings nichts am Streitgegenstand, da es um die Frage der darlehensweisen Gewährung von Leistungen für einen Zeitraum vor Abschluss des Kaufvertrages gehe.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 18. September 2006 sowie den Bescheid der Beklagten vom 11. Januar 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16. Juni 2005 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 18. September 2006 zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 31. Mai 2007 hat der Kläger ergänzend ausgeführt, seine Schwester habe sich erst im September 2006 bereit erklärt, das Grundstück zu verkaufen.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Prozessakten L 5 AS 41/06 und L5 AS 42/06 sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und auch sonst zulässige Berufung (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz – SGG) ist unbegründet. Das SG hat zu Recht die Klage abgewiesen, da die angefochtenen Bescheide der Beklagten rechtmäßig sind. Diese hat den Bewilligungsbescheid vom 9. Dezember 2004 zu Recht zurückgenommen.
Rechtsgrundlage der Rücknahme des Bewilligungsbescheides ist § 45 SGB X. Nach Absatz 1 Satz 1 der Norm darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder die Vergangenheit zurückgenommen werden, soweit er rechtswidrig ist und die Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 der Norm nicht entgegenstehen.
Die durch Bescheid vom 9. Dezember 2004 erfolgte Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts als Zuschuss war rechtswidrig, weil dem Kläger wegen seines zu berücksichtigenden Vermögens kein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Form eines Zuschusses zustand.
Leistungen nach dem SGB II erhalten Personen, wenn sie die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 SGB II erfüllen, insbesondere hilfebedürftig sind (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II). Hilfebedürftig ist nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 SGB II, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann. Hilfebedürftig ist auch derjenige, dem die sofortige Verwertung von zu berücksichtigendem Vermögen nicht möglich ist oder für den dies eine besondere Härte bedeuten würde; in diesem Fall sind die Leistungen allerdings lediglich als Darlehen zu erbringen (§ 9 Abs. 4 SGB II in der bis zum 31.3.2006 geltenden Fassung – jetzt § 23 Abs. 5 Satz 1 SGB II).
Als Vermögen sind alle verwertbaren Vermögensgegenstände zu berücksichtigen (§ 12 Abs. 1 SGB II). Hierzu gehört der vom Kläger im Wege der Erbschaft erlangte Miteigentumsanteil an dem Hausgrundstück in A. G ...
Der Verwertbarkeit des Vermögens stehen weder der Umstand, dass es sich um gemeinschaftliches Vermögen des Klägers und seiner Schwester in ungeteilter Erbengemeinschaft handelt, noch die bis September 2006 behauptete fehlende bzw. eingeschränkte Veräußerungsbereitschaft der Miterbin entgegen. Zu Recht hat das SG darauf verwiesen, dass der Kläger als Miterbe gemäß § 2042 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) grundsätzlich jederzeit Erbauseinandersetzung verlangen oder gemäß § 2033 Abs. 1 Satz 1 BGB über seinen Anteil an dem Nachlass verfügen kann. Der hierfür erforderliche Zeitaufwand begründet nur ein vorübergehendes Verwertungshindernis, dem durch darlehensweise Gewährung von Leistungen nach § 9 Abs. 4 SGB II a.F. Rechnung zu tragen ist. Ob und wie lange die Miterbin zu einer Veräußerung tatsächlich nicht bereit war, spielt dabei keine maßgebliche Rolle.
Da diese ganz offensichtlich das Haus nicht selbst bewohnen wollte, jenes aber laufende Kosten verursachte und nach Einschätzung des Sachverständigen nicht wirtschaftlich vermietet werden konnte, war außerdem von vornherein absehbar, dass sie einem Verkauf – wie geschehen – irgendwann zustimmen würde. So hat sie in ihrer Erklärung vom 29. November lediglich von ´voraussichtlich` gesprochen. In der Klageschrift vom 6. Juli 2005 in dem Verfahren S 56 AS 660/05 hat der Kläger mitgeteilt, dass sie mit einem Verkauf einverstanden wäre, wenn ein Erlös von 122.000.- Euro erzielt würde. Selbst wenn sie keinerlei Bereitschaft gezeigt hätte, wäre es im Rahmen einer Erbauseinandersetzung zu einer Verwertung gekommen, nur ggf. später. Durch ihr Verhalten ist nicht die Verwertung als solche, sondern lediglich in zeitlicher Hinsicht eingeschränkt worden.
Die Berücksichtigung des Miteigentumsanteils ist ferner nicht nach § 12 Abs. 3 SGB II ausgeschlossen. Von den in dessen Satz 1 geregelten Tatbeständen, bei deren Erfüllung Vermögen nicht zu berücksichtigen ist, kommt allein die Nr. 6 in Betracht. Die übrigen Privilegierungen sind nicht einschlägig; insbesondere wird das Hausgrundstück nicht selbst genutzt und dient nicht der Alterssicherung im Sinne des § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB II, weil der Kläger nicht von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit ist.
Nach § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 SGB II sind Sachen und Rechte nicht zu berücksichtigen, soweit ihre Verwertung offensichtlich unwirtschaftlich ist oder für den Betroffenen eine besondere Härte bedeuten würde. Die Verwertung des Hausgrundstücks ist jedoch weder offensichtlich unwirtschaftlich noch stellt sie für den Kläger eine besondere Härte dar.
Nach der zum Arbeitsförderungsrecht ergangenen Rechtsprechung des BSG ist bei der Frage der offensichtlichen Unwirtschaftlichkeit einer Verwertung ein rein wirtschaftlich-ökonomischer Maßstab anzulegen (vgl. Urteil v. 3.5.2005, B 7a/7 AL 84/04 R, SozR 4-4220 § 1 Nr. 4, S. 4, 8). Dies gilt entsprechend auch für eine offensichtliche Unwirtschaftlichkeit im Sinne des § 12 Abs. 3 Nr. 6 1. Alt. SGB II, da Zumutbarkeitsgesichtspunkte oder generelle Härtefallerwägungen im Rahmen der Härteklausel des § 12 Abs. 3 Nr. 6 2. Alt. SGB II zu prüfen sind.
Das BSG hat in ständiger Rechtsprechung (vgl. u.a. Urteil v. 25.5.2005, B 11a/11 AL 51/04 R, SozR 4-4220 § 6 Nr. 2, S. 14, 17 m.w.N.) den Begriff ´offensichtliche Unwirtschaftlichkeit` dahingehend definiert, dass diese dann vorliegt, wenn der durch die Verwertung erlangte bzw. zu erzielende Gegenwert in einem (deutlichen) Missverhältnis zum wirklichen Wert des verwerteten bzw. zu verwertenden Vermögensgegenstandes steht oder stehen würde; umgekehrt ist die offensichtliche Unwirtschaftlichkeit der Vermögensverwertung dann nicht gegeben, wenn das Ergebnis der Verwertung vom wirklichen Wert nur geringfügig abweicht. Diese Rechtsprechung ist auf Sachverhalte zugeschnitten, in denen ein direkter Vergleich der Kosten der Anschaffung eines Vermögenswertes mit dem aktuell erzielbaren Verkaufserlös möglich ist wie z.B. bei der Verwertung einer Kapitallebensversicherung.
Daneben hat das BSG den Begriff der offensichtlich unwirtschaftlichen Verwertung dahin interpretiert, dass der Betroffene nicht gehalten ist, sein Vermögen zu verschleudern (vgl. Urteil v. 25.4.2002, B 11 AL 69/01 R, Rn. 32 – juris – unter Hinweis auf Ebsen in Gagel, AFG, § 137 Rn. 229; auch Bayerisches LSG, Urteil v. 18.8.2006, L 7 AS 81/06, Rn. 18 – juris). Mit dieser Formel sind vor allem die Fälle gut lösbar, in denen eine direkte Kostengegenüberstellung wegen des erforderlichen Ermittlungsaufwandes nicht sinnvoll erscheint, so wenn es – wie hier – um die Verwertung von Immobilien geht, zumal bei der Erlangung des Hausgrundstücks im Wege des Erbfalls beim Kläger keine Anschaffungskosten entstanden sind.
Dieser Maßstab ist auf den Bereich des SGB II übertragbar (vgl. auch SG Reutlingen v. 20.2.2007, S 2 AS 564/07 ER, Rn. 38). Der Senat konnte dahinstehen lassen, ob eine offensichtliche Unwirtschaftlichkeit im Sinne einer Verschleuderung dann anzunehmen ist, wenn ein normal und ökonomisch Handelnder diese Verwertung unterlassen würde (vgl. BSG v. 9.12.2004, B 7 AL 44/04 R, SozR 4-4300 § 193 Nr. 3, S. 11, 16 und B 7 AL 30/04 R, SozR 4-4300 § 193 Nr. 2, S. 1, 5), oder ob – enger – auf die Sichtweise eines Hilfebedürftigen abzustellen ist, der zunächst alles Erforderliche veranlassen muss, um seine Abhängigkeit von Sozialleistungen zu vermeiden (vgl. SG Berlin v. 2.8.2005, S 63 AS 2117/05, Rn. 19 – juris).
Denn auch bei Zugrundelegung der bisherigen Rechtsprechung des BSG war die Verwertung des Hausgrundstücks in A. G. nicht offensichtlich unwirtschaftlich. Zwar liegt der erzielbare (und erzielte) Verkaufspreis unter dem vom gerichtlich bestellten Sachverständigen geschätzten Verkehrswert, doch hätte jeder normal und ökonomisch Handelnde das Grundstück veräußert. Da nach den Feststellungen des Sachverständigen durch eine Vermietung der Immobilie keine ausreichende Rendite erzielt werden könnte, anderseits aber laufende Kosten anfallen und sich zudem der Wert der Immobilie alterungsbedingt vermindern würde, hätte eine Vergleichsperson den Verkauf zeitnah betrieben, und zwar selbst dann, wenn man davon ausgeht, dass bei einem Verkauf im Wege der Zwangsversteigerung – die aus der Sicht zu Beginn des Jahres 2005 möglicherweise notwendig geworden wäre – regelmäßig ein Preis erzielt wird, der hinter dem eines freihändigen Verkaufs zurückbleibt.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt zukünftiger Wertsteigerungen aufgrund eines erwarteten Autobahnbaus. Abgesehen davon, dass künftige, den Verkehrswert nicht aktuell beeinflussende Rendite- oder Gewinnaussichten schon vom Grundsatz her außer Betracht bleiben müssen (Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, § 12 Rn. 253), kommt hinzu, dass zum einen überhaupt nicht bestimmbar ist, ob sich – abhängig vom Baubeginn und der tatsächlichen Streckenführung – aus dem Bau der A 39 überhaupt positive Effekte für den Grundstücksmarkt im Raum A. G. ergeben. Zum anderen hätten etwaige positive Effekte in Zukunft durch die negativen Auswirkungen einer schrumpfenden Bevölkerung und steigender Mobilitätskosten auf die ländlichen Immobilienpreise aufgehoben werden können. Selbst wenn man dem Kläger darin folgen wollte, dass es in ferner Zukunft wegen des erwarteten Baus einer Autobahn zu einer besseren Verwertbarkeit kommen werde, wäre dies nicht unter dem Gesichtpunkt einer Unwirtschaftlichkeit der Verwertung zu berücksichtigen, sondern stünde allenfalls einer sofortigen Verwertung entgegen mit der Folge, dass ihm allein ein Anspruch auf eine darlehensweise Leistungsgewährung zustünde.
Statt einer Zugrundelegung des Kriteriums der Verschleuderung einen monetären Vergleich des Sachwertes und des Verkehrswertes vorzunehmen, wie es der Kläger für geboten hält, kommt nicht in Betracht. Der vom Sachverständigen Dipl.-Ing. T. genannte Sachwert von 182.000.- Euro, dessen Berücksichtigung der Kläger begehrt, stellt lediglich ein im Wesentlichen unter Zugrundelegung von Normalherstellungskosten ermitteltes Zwischenergebnis der Wertermittlung dar, wobei in diesen Wert noch nicht die Abschläge für Lage des Grundstücks und Alter des Gebäudes eingeflossen sind (vgl. S. 38 des Gutachtens). Dass der Sachwert des Hausgrundstücks für die Vermögensprüfung ohne Bedeutung ist, folgt im Übrigen aus § 12 Abs. 4 Satz 1 SGB II, welcher bestimmt, dass das Vermögen mit seinem Verkehrswert zu berücksichtigen ist. Hinzu kommt, dass der Verkehrswert nach der Definition des § 194 Baugesetzbuch durch den Preis bestimmt wird, der in dem Zeitpunkt, auf den sich die Ermittlung bezieht, im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach den rechtlichen Gegebenheiten und tatsächlichen Eigenschaften, der sonstigen Beschaffenheit und der Lage des Grundstücks ohne Rücksicht auf ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse zu erzielen wäre. Wenn aber der Verkehrswert damit einen geschätzten Marktwert darstellt, ist er mit einem ebenfalls im Wege der Schätzung zu ermittelnden ´erzielbaren Verkaufserlös` identisch. Daran ändert nichts, dass der Gutachter als Verkehrswert einen unter Zugrundelegung des Vergleichswertes für Ein- und Zweifamilienhäuser angepassten Betrag von 128.000.- Euro geschätzt hat, welcher sich ex post – in Kenntnis des letztlich erzielten Kaufpreises von 105.000.- Euro – als deutlich überhöht erwiesen hat. Abgesehen davon, dass der Gutachter die tatsächliche Marktsituation im Prinzip sehr genau eingeschätzt hat, da er als ´marktangepassten Sachwert´ lediglich einen Betrag in Höhe von 108.000.- Euro angegeben hatte, würde die Diskrepanz nicht etwa eine offensichtliche Unwirtschaftlichkeit zu begründen vermögen, sondern allenfalls die der Schätzung des Verkehrswertes zugrundegelegten Parameter (hier: Gewichtung des Vergleichswertes) in Zweifel ziehen.
Ebenfalls ungeeignet ist eine Gegenüberstellung des Verkehrswertes mit dem tatsächlich erzielten Verkaufserlös. Ein derartiger Vergleich scheitert regelmäßig daran, dass maßgeblicher Bezugszeitpunkt für die Prüfung nach § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 SGB II der Tag ist, an dem der Vermögensgegenstand für das Vorliegen von Hilfebedürftigkeit erstmalig relevant wird (Hengelhaupt a.a.O.,Rn. 257), zu diesem Zeitpunkt die Höhe des erzielten Verkaufserlöses jedoch noch nicht bekannt ist.
Ein für den Kläger günstigeres Ergebnis ergibt sich schließlich nicht unter Berücksichtigung der Durchführungshinweise der Bundesagentur für Arbeit zu § 12 SGB II. Nach der Randnummer 12.37 dieser Hinweise ist die Vermögensverwertung nicht offensichtlich unwirtschaftlich, wenn ´der Verkehrswert nur geringfügig (bis 10%) unter dem Substanzwert (Summe der eingezahlten Beiträge) liegt`. Mit der vom SG getroffenen Feststellung, dass für den Bereich des SGB II eine offensichtliche Unwirtschaftlichkeit generell erst bei höheren Verlusten anzunehmen ist, brauchte sich der Senat nicht näher zu befassen; denn die genannten Durchführungshinweise sind auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar. Die Hinweise sind ersichtlich allein auf die Verwertung von Lebensversicherungen zugeschnitten, wie bereits der Begriff ´Substanzwert` und dessen Definition (´Summe der eingezahlten Beiträge`) verdeutlichen. Zur Anwendung auf die Verwertung nicht selbst genutzter Immobilien wäre sie im Übrigen ungeeignet, da nicht erkennbar ist, wie hier der Begriff ´Substanzwert` mit Leben gefüllt werden soll.
Die Verwertung des Hausgrundstücks stellt für den Kläger keine besondere Härte dar. Wann eine solche vorliegt, ist im Gesetz nicht definiert. Nach dem Sinn und Zweck von Härtefallregelungen begründen nur besondere Umstände des Einzelfalles, nicht jedoch allgemein gültige Verhältnisse eine besondere Härte. Bei der Bestimmung des Begriffs der besonderen Härte kommt es darauf an, ob die Anwendung der Regelvorschriften bezüglich des Vermögenseinsatzes in § 12 Abs. 2 und 3 SGB II wegen des Vorliegens einer Atypik zu einem den Leitvorstellungen der SGB II-Vorschriften nicht entsprechenden Ergebnis führen würde (vgl. LSG Baden-Württemberg v. 7.11.2006, L 13 AL 941/06, Rn. 29 – juris; Radüge in jurisPK-SGB II, 2. Aufl., § 12 Rn. 137).
Umstände, die in diesem Sinne eine besondere Härte begründen könnten, sind nicht ersichtlich. Zu dem Vorbringen des Klägers, das Verlangen nach einer vorzeitigen Veräußerung sei als besondere Härte zu werten, weil perspektiv ein höherer Preis zu erzielen sei und er damit wegen seiner aus der Arbeitslosigkeit resultierenden geringen Rentenanwartschaften seine Altersbezüge aufstocken könne, verweist der Senat auf seine Ausführungen zum rein spekulativen Charakter der klägerischen Annahme und zur Darlehensmöglichkeit.
Einer exakten Bestimmung des Wertes des somit zu berücksichtigenden Vermögens bedarf es nicht, da auch bei Zugrundelegung des niedrigsten denkbaren Verkehrswertes sowie der höchstmöglichen Belastung des Grundstücks und nach Berücksichtigung der Absetzungsbeträge nach § 12 Abs. 2 SGB II Vermögen verbleibt, das Hilfebedürftigkeit weit über die hier strittigen Zeiträume hinaus ausschließt.
Selbst wenn man statt des vom Sachverständigen geschätzten Verkehrswerts von 128.000.- Euro lediglich den tatsächlich erzielten Kaufpreis von 105.000.- Euro zugrunde legt und zugunsten des Klägers die auf dem Grundstück liegenden Lasten in nomineller Höhe – also ohne zwischenzeitlich erfolgte Tilgungen – berücksichtigt, verbleiben nach Abzug der Grundpfandrechte in Höhe von 94.700.- DM bzw. 48.419,16 Euro 56.580,84 Euro, von denen ein hälftiger Anteil – 28.290,42 Euro – auf den Kläger entfällt.
Von diesem Vermögen ist nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 SGB II a.F. ein Grundfreibetrag in Höhe von 200.- Euro je vollendetem Lebensjahr des volljährigen Hilfebedürftigen – mindestens 4.100.-, maximal 13.000.- Euro – abzusetzen; er ist ab dem Monat der Vollendung des Lebensjahres jährlich neu anzusetzen (Brühl in LPK-SGB II, 2. Aufl., § 12 Rn. 13). Bei dem im Juli 1960 geborenen Kläger errechnet sich danach ein Betrag von 8.800.- Euro (44 x 200.-). Hinzu kommt ein Freibetrag in Höhe von 750.- Euro für notwendige Anschaffungen nach § 12 Abs. 2 Nr. 4 SGB II. Weitere Absetzungen, insbesondere nach § 12 Abs. 2 Nr. 3 SGB II, kommen wegen Nichterfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen nicht in Betracht.
Somit verbleibt ein anzurechnendes Vermögen von 18.740, 42 Euro. Legt man den mit Bescheid vom 9. Dezember 2004 für die Monate Januar bis Juni 2005 bewilligten Betrag in Höhe von 615,89 Euro zugrunde, entfiele damit die Bedürftigkeit für gut dreißig Monate. Da somit Hilfebedürftigkeit wegen zu berücksichtigenden Vermögens nicht vorgelegen hat, andererseits jedoch eine sofortige Verwertung nicht möglich war, stand dem Kläger nur ein Anspruch auf eine darlehensweise Leistungsgewährung in Anwendung der Sonderregelung des § 9 Abs. 4 SGB II a.F. zu.
Auch in formell-rechtlicher Hinsicht ist der Aufhebungsbescheid nicht zu beanstanden.
Der Rücknahme des Bewilligungsbescheides vom 9. Dezember 2004 steht kein schutzwürdiges Vertrauen des Klägers entgegen. Gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X darf ein Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Nach Satz 2 ist das Vertrauen in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann.
Ein Verbrauch erbrachter Leistungen entfällt, weil der Bewilligungsbescheid allein mit Wirkung für die Zukunft zurückgenommen worden ist; dass der Kläger im Vertrauen auf den Fortbestand der Bewilligung Vermögensdispositionen getroffen hat, ist weder erkennbar noch angesichts der Funktion von Grundsicherungsleistungen zu erwarten. Bei Abwägung der klägerischen Interessen mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme kommt Letzterem der Vorrang zu. Dem rein finanziellen Interesse des Klägers, die Leistungen auch in Zukunft als verlorenen Zuschuss statt als rückzahlbares Darlehen zu erhalten, steht der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, das Gleichbehandlungsgebot und das Anliegen, die Solidargemeinschaft von ungerechtfertigten Belastungen frei zu halten, ebenso gegenüber wie der Gesichtspunkt, dass die Rücknahme nur mit Wirkung für die Zukunft erfolgt ist und zudem eine Dauerleistung betrifft, bei der generell ein höheres öffentliches Rücknahmeinteresse besteht (Steinwedel in KassKomm., § 45 SGB X Rn. 47 unter Hinweis auf BSGE 60, 147, 152). Schließlich begründet der Umstand, dass die rechtswidrige Leistungsgewährung der Verwaltung anzulasten sein dürfte, weil der Kläger die erforderlichen Angaben gemacht hatte, kein Vertrauen, zumal die Beklagte den Fehler zeitnah korrigiert hat.
Die Beklagte hat das ihr zustehende Ermessen in nicht zu beanstandender Weise ausgeübt. § 45 Abs. 1 Satz 1 SGB X stellt die Rücknahme von Verwaltungsakten in das Ermessen der Verwaltung. Auch unter Berücksichtigung des § 330 Abs. 2 Sozialgesetzbuch – Drittes Buch – Arbeitsförderung – SGB III i.V.m. § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II, welcher diese Vorschrift auch für den Bereich der Grundsicherung für anwendbar erklärt, kann nicht von einer gebundenen Entscheidung ausgegangen werden. Nach § 330 Abs. 2 SGB III ist, wenn die in § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X genannten Voraussetzungen für die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes vorliegen, dieser auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Diese Vorschrift ist dahingehend zu verstehen, dass bei Vorliegen von Bösgläubigkeit i.S.d. § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X eine Rücknahmeentscheidung weder mit Wirkung für die Vergangenheit noch für die Zukunft eine Ermessensausübung erfordert. Der Senat schließt sich der entsprechenden Auffassung des 7a-Senats des BSG (Urteil vom 5.9.2006, B 7a AL 66/05 R, Rn. 26 – juris) ausdrücklich an. Im Umkehrschluss ergibt sich daraus, dass bei Fehlen von Bösgläubigkeit stets Ermessen auszuüben ist. Ein Anhalt dafür, dass der Kläger bösgläubig im Sinne des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 bis 3 SGB X war, liegt jedoch nicht vor. Insbesondere hat er die für die Entscheidung der Beklagten erforderlichen Angaben gemacht; eine Kenntnis der Rechtswidrigkeit des Bewilligungsbescheides konnte man von ihm angesichts der schwierig zu beurteilenden Frage des Verwertbarkeit des Hausgrundstücks nicht erwarten.
Ausweislich des Widerspruchsbescheides (´in Ausübung ihres pflichtgemäßern Ermessens`) war die Beklagte sich dessen bewusst, dass sie eine Ermessensentscheidung zu treffen hatte. Dass der Bescheid nachfolgend neben ausführlichen Vertrauensschutzerwägungen keine gesonderten Ermessenserwägungen enthält, ist unschädlich, weil sich letztere in einer bloßen Wiederholung der Vertrauensschutzerwägungen erschöpft hätten. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes (vgl. Urteil vom 25.9.1992, 8 C 68 und 70.90 = BVerwGE 91, 82, 90 m.w.N.), der sich der Senat anschließt, entfällt eine Begründungspflicht dann, wenn der zu treffenden Entscheidung durch das einschlägige Fachrecht eine bestimmte Richtung vorgegeben ist, d.h. kraft dieses Fachrechts das Ermessen im Regelfall fehlerfrei nur durch eine bestimmte Entscheidung – hier durch eine Entscheidung für die Rücknahme des Verwaltungsaktes – ausgeübt werden kann (sog. ´intendiertes Ermessen`) und ein vom Regelfall abweichender Sachverhalt nicht vorliegt. Trifft das nämlich zu, bedarf es, wenn in dem durch das Gesetz vorgegebenen Sinne entschieden wird, keiner Abwägung des ´Für und Wider`; damit entfällt zugleich auch eine entsprechende Begründungspflicht. Da das Grundsicherungsrecht – wie zuvor das Sozialhilferecht (vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 7.6.2002, 13 K 6127/99, Rn. 36 - juris) – fast ausschließlich gebundene Ansprüche kennt, ist im Gegenzug die Bewilligung einer zu Unrecht gewährte Leistung im Regelfall zurückzunehmen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für die Rücknahme erfüllt sind, insbesondere kein Vertrauensschutz entgegensteht und im Einzelfall keine Besonderheiten vorliegen. So liegt der Fall auch hier.
Die nach § 24 Abs. 1 SGB X erforderliche Anhörung des Klägers ist zwar im Verwaltungsverfahren unterblieben, doch ist dieser Fehler nach § 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X im Widerspruchsverfahren geheilt worden. Da die Beklagte im Aufhebungsbescheid die aus ihrer Sicht maßgeblichen Tatsachen genannt hat, hatte der Kläger im Widerspruchsverfahren die Möglichkeit, sich wie bei einer Anhörung zu äußern (vgl. Wiesner in von Wulffen, SGB X-Kommentar, 5. Aufl., § 41 Rn. 8).
Nach alledem war daher die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache.
Der Senat hat die Revision gegen das Urteil zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG (grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache) vorliegen.