Landessozialgericht Hamburg - Az.: L 5 B 391/05 ER AS - Beschluss vom 31.01.2006
Den Mitgliedern einer Bedarfsgemeinschaft steht es nicht frei, den Höchstwert für die Angemessenheit einer Wohnung für einen Zwei-Personen-Haushalt dadurch zu umgehen, dass sie zwei einzelne Mietverträge über die gesamte Wohnung mit jeweils nur hälftigen Mietkosten abschließen. Bei der Bewertung der Angemessenheit der Kosten der Unterkunft ist die ungeteilte Miete maßgeblich. Die Addition einzelner Mietteile, die für sich gesehen angemessen wären, würde zu eindeutig überhöhten Werten hinsichtlich der Angemessenheit der Gesamtmiete führen.
Gründe:
Die am 2005 eingegangene Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts Hamburg (SG) vom 8. Dezember 2005, der das SG nicht abgeholfen und die es dem Landessozialgericht (LSG) zur Entscheidung vorgelegt hat, ist statthaft (§ 172 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 173 SGG) und auch sonst zulässig. Sie ist jedoch unbegründet. Das SG hat es zu Recht abgelehnt, den Antragstellern Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten zu bewilligen und die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihnen die Übernahme der Kosten für die Wohnung G..-Stieg, G., zuzusichern.
Einstweilige Anordnungen sind zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (§ 86b Abs. 2 Satz 2 SGG). Der durch den beantragten vorläufigen Rechtsschutz zu sichernde Anspruch (Anordnungsanspruch) und die Notwendigkeit einer vorläufigen Sicherung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen. Dies ist im Falle der Antragsteller nicht geschehen.
Das SG ist bei der Bestimmung der Höhe der anzuerkennenden Kosten für Unterkunft und Heizung und seiner darauf gründenden Feststellung, die Aufwendungen der Antragsteller für die o. g. neue Unterkunft seien nicht angemessen, insbesondere zu Recht von einem Zwei-Personen-Haushalt ausgegangen, nicht von zwei Ein-Personen-Haushalten.
Die Antragsteller leben als Partner einer eheähnlichen Gemeinschaft in einer Bedarfsgemeinschaft im Sinne des § 7 Abs. 3 Nr. 3 lit. b Sozialgesetzbuch – Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II). Als solche sind sie in der Vergangenheit gegenüber der Antragsgegnerin aufgetreten und von dieser behandelt worden. So hat die Antragstellerin im Antrag vom 4. März 2005 ihren Familienstand und den des Antragstellers als eheähnliche Gemeinschaft bezeichnet. In ihrem Antrag auf Fortzahlung der Leistungen vom Oktober 2005 hat sie die Frage nach diesbezüglichen Änderungen verneint. Zudem sprechen die gemeinsame Suche nach einer neuen Wohnung und der Wunsch, auch dort zusammenzuleben, für die Absicht der Antragsteller, diese Lebensgemeinschaft als solche fortzusetzen. Die mit der Vorlage zweier Mietverträge über die gesamte Wohnung für jeweils die Hälfte der Gesamtmiete verbundene Ankündigung, künftig zwei Haushalte in einer gemeinsam genutzten Wohnung zu führen, hält der Senat nicht für glaubhaft. Ihr dürfte nicht die Absicht nach einer Herabstufung der Intensität des Zusammenlebens von einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft auf eine bloße Wohngemeinschaft zugrunde liegen, sondern das Bestreben, in den Genuss der Übernahme der Kosten der gemeinsam genutzten Wohnung durch die Antragsgegnerin zu gelangen. Anderenfalls hätte eine räumliche Trennung näher gelegen. Die Ankündigung erfolgte auch erst, nachdem die Antragsgegnerin die Zusage der Kostenübernahme für die Wohnung mit Bescheid vom 13. Oktober 2005 abgelehnt hatte.
Den Mitgliedern einer Bedarfsgemeinschaft und damit den Antragstellern steht es nicht frei, den Höchstwert für die Angemessenheit einer Wohnung für einen Zwei-Personen-Haushalt dadurch zu umgehen, dass sie zwei einzelne Mietverträge über die gesamte Wohnung mit jeweils nur hälftigen Mietkosten abschließen. Bei der Bewertung der Angemessenheit der Kosten der Unterkunft ist die ungeteilte Miete maßgeblich. Die Addition einzelner Mietteile, die für sich gesehen angemessen wären, würde zu eindeutig überhöhten Werten hinsichtlich der Angemessenheit der Gesamtmiete führen (OVG Hamburg, Beschluss vom 16.01.1998 - Az. BS IV 156/97, Juris, zur Einsatzgemeinschaft im Sinne des früheren Bundessozialhilfegesetzes; Oestreicher/Schmidt, SGB XII/SGB II, Stand: Juni 2005, § 22 SGB II Rn. 47).
Die Ausführungen der Antragsteller zur Begründung ihrer Beschwerde beinhalten eine Wiederholung und Vertiefung ihrer Ausführungen im Verfahren vor dem SG und gebieten im Ergebnis keine andere Einschätzung des Sachverhalts. Sie geben lediglich Anlass zu folgender Ergänzung.
Ein Anordnungsanspruch fehlt nach Auffassung des Senats schon deshalb, weil nicht glaubhaft gemacht ist, dass es den Antragstellern wegen der Haltung der beiden Hunde nicht gelungen ist bzw. gelingen konnte und gelingen kann, eine günstigere Wohnung – zu angemessenen Kosten – anzumieten. Es mag zutreffen, dass die Hundehaltung – wie sie im Beschwerdeverfahren unter Hinweis auf entsprechende Ausführungen des SG vorgetragen haben – die Wohnungssuche erschwert hat. Dies allein begründet jedoch nicht die Notwendigkeit der Anmietung der von ihnen ins Auge gefassten Wohnung zu unangemessenen Kosten. Sie haben zwar behauptet, dass ihre bisherigen umfangreichen Bemühungen stets an der Hundehaltung gescheitert seien, dies jedoch nicht belegt. Es gibt auch keinen Anlass für eine Vermutung dieses Inhalts. Immerhin hat der Antragsteller die beiden Hunde in der vormals genutzten und nun zu räumenden Wohnung Q..-Strasse - wie man unterstellen darf: mit der Erlaubnis des Vermieters – gehalten. Zudem weist die Datenbank Immonet - im Internet unter www.immonet.de zugänglich -, in der 4559 freie Wohnungen in Hamburg gespeichert sind, in der für die Antragsteller in Frage kommenden Kategorie: 2 Zimmer – 60 qm – bis zu 350 EUR Netto-Kalt Miete (bei monatlichen Betriebskosten ohne Heizung – wie in der Wohnung H.-Stieg - in Höhe von 60 EUR) 296 freie Wohnungen aus, von denen in 30 jedenfalls die Tierhaltung ausdrücklich erlaubt ist.
Der Senat sieht sich in seiner Skepsis gegenüber den Behauptungen der Antragsteller dadurch bestärkt, dass das Amtsgericht Hamburg-Wandsbek in seinem Beschluss vom 19. April 2005 (Az. 711 C 4242/04 / 711 M 5/05), mit dem es die Vollstreckung aus den beiden Räumungsurteilen einstweilen eingestellt hatte, sogar Belege für die dort vom Antragsteller vorgetragenen Bemühungen um anderweitigen Wohnraum vermisst, und in seinem Beschluss vom 30. August 2005 (711 M 12/05), mit dem es den Antrag auf Aussetzung der Vollstreckung bis zum 30. Oktober 2005 abgelehnt hatte, die diesbezüglichen Angaben des Antragstellers als vage bezeichnet hat.
Bei der vorliegenden Sach- und Rechtslage brauchte sich der Senat nicht mit der Frage zu befassen, ob die Haltung der Hunde für die Sicherheit des Antragstellers notwendig ist.
Die vom Senat vorgenommene Würdigung des Sachverhalts gebietet auch die Zurückweisung der Beschwerde der Antragsteller gegen die Ablehnung ihres Antrags auf PKH; denn diesem konnte wegen unzureichender Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung nicht entsprochen werden (§ 73a SGG i. V. m. § 114 Zivilprozessordnung).
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG und trägt dem Ausgang des Verfahrens Rechnung.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).