LSG Hamburg - L 5 B 398/05 AS - Beschluss vom 28.11.2007
Eine Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens ist notwendig, weil dieses seit dem In-Kraft-Treten des RVG gebührenrechtlich gesondert zu behandeln und nach § 3 Abs. 1 RVG i.V.m. Nr. 3501 der Anlage 1 zum RVG nach einem Satz von 15 bis 160 Euro zu vergüten ist . Die vor der Neuordnung des Gebührenrechts für Rechtsanwälte ergangene Rechtsprechung, auch des Landessozialgerichts Hamburg, hat darauf abgestellt, dass Verfahren im Sinne des § 193 Abs. 1 Satz 3 SGG das gesamte Prozessgeschehen in einer Instanz meint, das die materielle Entscheidung in der Sache selbst vorbereitet und realisiert Diese Sichtweise ist mittlerweile dadurch überholt, das in § 18 Nr. 5 RVG Beschwerdeverfahren grundsätzlich zu selbständigen Verfahren erklärt wurden, gleichgültig mit welchen anderen Tätigkeiten des Rechtsanwalts sie in Zusammenhang stehen. Der Senat teilt im Übrigen auch die Auffassung des LSG Nordrhein-Westfalen, wonach keineswegs über die Kosten des Beschwerdeverfahrens wegen des Grundsatzes der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung im Rahmen der(angefochtenen) Kostengrundentscheidung bereits mitentschieden sei. Zudem wäre eine bloße Berücksichtigung der Gebühr nach Nr. 3501 der Anlage 1 zum RVG im Rahmen der Kostenfestsetzung nach § 197 SGG nicht sachgerecht, da Kriterien wie das Veranlassungsprinzip oder der Grad des Obsiegens im Beschwerdeverfahren im Rahmen der Kostenfestsetzung nicht beachtet werden können.
Gründe:
Die am 19. Dezember 2005 durch den Antragsteller eingelegte Beschwerde gegen den am 19. November 2005 zugestellten Beschluss des Sozialgerichts Hamburg vom 17. November 2005, der das Sozialgericht nicht abgeholfen und die es dem Senat zur Entscheidung vorgelegt hat (§ 174 Sozialgerichtsgesetz - SGG), ist statthaft und zulässig (§§ 172, 173 SGG) und zum Teil begründet.
Nachdem das Verfahren aufgrund der Erklärung des Antragstellers vom 11. Oktober 2005 erledigt war, war aufgrund seines Antrages entsprechend § 193 Abs. 1 Sätze 1 und 3 SGG durch Beschluss zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Für die nach sachgemäßem Ermessen zu treffende Kostenentscheidung kommt es vor allem auf die summarische Beurteilung an, wie der Rechtsstreit nach dem bisherigen Sach- und Streitstand voraussichtlich ausgegangen wäre. Daneben kann allerdings auch zu berücksichtigen sein, ob bzw. inwieweit der Gegner einen Anlass zur Einlegung des Rechtsmittels gegeben hat (Meyer-Ladewig/Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl., § 193 Rn. 12a, 12b).
Vorliegend entspricht es der Billigkeit, dass die Antragsgegnerin die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers trägt. Hierfür war zum einen maßgeblich, dass der Antrag zu 1) keine Aussicht auf Erfolg hatte und zum anderen, dass der Antrag zu 2) – unabhängig von seiner Erfolgsaussicht – durch das Verhalten der Antragsgegnerin veranlasst wurde.
Der auf die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen das Schreiben vom 6. September 2005 gerichtete Antrag zu 1) hatte keine Aussicht auf Erfolg. Das Sozialgericht hat insoweit zu Recht und mit zutreffender Begründung ausgeführt, dass der Widerspruch bereits unstatthaft war, da es sich bei dem Schreiben der Antragsgegnerin vom 6. September 2005 nicht um einen Verwaltungsakt gehandelt hat. Ein Verwaltungsakt liegt nur vor, wenn die Regelung eines Einzelfalles, also die unmittelbare Setzung einer Rechtsfolge erfolgt (§ 31 S. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz). Das Schreiben der Antragsgegnerin vom 6. September 2005 enthält jedoch erkennbar keine Regelung, sondern lediglich eine Auskunft. Es setzt selbst keine unmittelbaren Rechtsfolgen, sondern weist lediglich auf die Folgen hin, die nach Auffassung der Antragsgegnerin eintreten würden, falls sich der Antragsteller in einer bestimmten Weise verhält.
Hinsichtlich des zu 2) gestellten Feststellungsantrags ist jedoch – unabhängig von seiner Erfolgsaussicht – zu berücksichtigen, dass dieser maßgeblich durch das Verhalten der Antragsgegnerin veranlasst worden ist, sodass es gerechtfertigt ist, sie insoweit mit den Kosten zu belasten. Der Antragsteller hatte sich nämlich vor der Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes mit seinem Schreiben vom 30. August 2005 direkt an die Antragsgegnerin gewandt und um Auskunft gebeten, ob er verpflichtet sei, die von "Pluspunkt" unterbreitete Vereinbarung zu unterzeichnen. Daraufhin übersandte ihm die Antragsgegnerin das Schreiben vom 6. September 2005, mit dem die Rechtsfolgen der Nichtunterzeichnung einer Eingliederungsvereinbarung nach § 15 Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – erläutert wurden. Da es sich bei einer Vereinbarung mit einem Maßnahmeträger jedoch nicht um eine Eingliederungsvereinbarung handelt, lagen die Hinweise der Antragsgegnerin neben der Sache und haben die von dem Antragsteller gestellte Frage nicht beantwortet, sodass er sich für berechtigt halten durfte, um gerichtliche Klärung nachzusuchen.
Die Kostenentscheidung im Beschwerdeverfahren beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG. Der Senat hält eine Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens für notwendig, weil dieses seit dem In-Kraft-Treten des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) zum 1. Juli 2004 gebührenrechtlich gesondert zu behandeln und nach § 3 Abs. 1 RVG i.V.m. Nr. 3501 der Anlage 1 zum RVG nach einem Satz von 15 bis 160 Euro zu vergüten ist (ebenso: Rohwer-Kahlmann, Aufbau und Verfahren der Sozialgerichtsbarkeit, § 176 Rn. 9; Zeihe, SGG, § 176 Rn. 4g; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 5.8.2007 – L 20 B 132/07 AS – Juris Rn. 7 ff.; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschl v. 27.3.2007 – L 5 B 3/06 VG – Juris Rn. 18; LSG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 30.11.2006 – L 6 B 221/06 SB – Juris Rn. 3; a.A.: Meyer-Ladewig in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl., § 176 Rn. 5; LSG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 12.2.2007 – L 4 B 246/06 R – Juris Rn. 14 ff.). Die vor der Neuordnung des Gebührenrechts für Rechtsanwälte ergangene Rechtsprechung, auch des Landessozialgerichts Hamburg, hat darauf abgestellt, dass Verfahren im Sinne des § 193 Abs. 1 Satz 3 SGG das gesamte Prozessgeschehen in einer Instanz meint, das die materielle Entscheidung in der Sache selbst vorbereitet und realisiert (LSG Hamburg, Beschl. v. 14.2.1985 – 7 Bar 27/84 – Breith 1986, S. 91 f.; LSG Bremen, Beschl. v. 5.2.1982 – L 5 BR 17/81 – Breith 1982, S. 731 f.). Diese Sichtweise ist mittlerweile dadurch überholt, das in § 18 Nr. 5 RVG Beschwerdeverfahren grundsätzlich zu selbständigen Verfahren erklärt wurden, gleichgültig mit welchen anderen Tätigkeiten des Rechtsanwalts sie in Zusammenhang stehen. Der Senat teilt im Übrigen auch die Auffassung des LSG Nordrhein-Westfalen, wonach keineswegs über die Kosten des Beschwerdeverfahrens wegen des Grundsatzes der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung im Rahmen der (angefochtenen) Kostengrundentscheidung bereits mitentschieden sei (so das LSG Rheinland-Pfalz in seinem Beschl. v. 12.2.2007 – a.a.O. Rn. 16). Zudem wäre eine bloße Berücksichtigung der Gebühr nach Nr. 3501 der Anlage 1 zum RVG im Rahmen der Kostenfestsetzung nach § 197 SGG nicht sachgerecht, da Kriterien wie das Veranlassungsprinzip oder der Grad des Obsiegens im Beschwerdeverfahren im Rahmen der Kostenfestsetzung nicht beachtet werden können.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG).