L 5 B 73/03 RJ PKH LSG Schleswig-Holsteinische - Urteil vom 27.August 2003
1. Nach § 73 a SGG und § 121 Abs. 2 ZPO i. V. m. § 25 EGZPO werden nur Rechtsanwälte und so genannte Kammerrechtsbeistände im Wege der PKH beigeordnet. Es ist nicht möglich, die zitierten Vorschriften erweiternd auszulegen. Sie sind von ihrem Wortlaut her eindeutig und daher nicht weiter auslegbar.
2. Eine analoge Anwendung dieser Vorschriften auf Rentenberater und Prozessagenten ist nicht möglich. Die analoge Anwendung von Vorschriften ist nur dann rechtlich zulässig, wenn der Gesetzgeber eine unbewusste Lücke im Gesetz gelassen hat. Davon kann hier keine Rede sein.
Gründe:
Im Beschwerdeverfahren geht der Streit darum, ob dem Kläger ein Rentenberater und Prozessagent im Wege der Prozesskostenhilfe (PKH) beigeordnet werden kann. Das Sozialgericht hat den entsprechenden Antrag des Klägers mit Beschluss vom 24. Juni 2003 abgelehnt, weil § 73 a Sozialgerichtsgesetz (SGG) i. V. m. § 121 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) nur die Beiordnung von Rechtsanwälten oder in die Rechtsanwaltskammer aufgenommenen Erlaubnisinhabern (so genannte Kammerrechtsbeistände im Sinne von § 25 EGZPO) vorsehe. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers erfülle diese Voraussetzungen nicht.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die frist- und formgerecht eingelegte Beschwerde. Der Kläger trägt vor: Der von ihm bevollmächtigte Rentenberater besitze die Erlaubnis zum mündlichen Verhandeln vor den Sozialgerichten. Es sei davon auszugehen, dass Personen wie er zumindest in sozialgerichtlichen Verfahren den gleichen Wissensstand wie Rechtsanwälte hätten. Es ergäben sich auch verfassungsrechtliche Bedenken, dass Rentenberater und Prozessagenten von der Beiordnung im Sinne der PKH-Vorschriften ausgeschlossen seien.
Der Kläger beantragt,
ihm den bevollmächtigten Rentenberater im Wege der PKH beizuordnen.
Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem zuständigen Senat des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vorgelegt. Auf den weiteren Inhalt der Beschwerdeakte wird verwiesen.
Die Beschwerde ist unbegründet.
Nach § 73 a SGG und § 121 Abs. 2 ZPO i. V. m. § 25 EGZPO werden nur Rechtsanwälte und so genannte Kammerrechtsbeistände im Wege der PKH beigeordnet. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers ist aber weder Rechtsanwalt noch Kammerrechtsbeistand.
Es ist nicht möglich, die zitierten Vorschriften erweiternd auszulegen. Sie sind von ihrem Wortlaut her eindeutig und daher nicht weiter auslegbar.
Eine analoge Anwendung dieser Vorschriften auf Rentenberater und Prozessagenten verbietet sich. Die analoge Anwendung von Vorschriften ist nur dann rechtlich zulässig, wenn der Gesetzgeber eine unbewusste Lücke im Gesetz gelassen hat. Davon kann keine Rede sein. Als der Gesetzgeber das PKH-Gesetz vom 13. Juni 1980 (Bundesgesetzblatt I Seite 677) erließ, war ihm die Prozessvertretung durch andere Personen als Rechtsanwälte bekannt und er hat sich mit dem Problem, ob diese einer bedürftigen Partei beigeordnet werden sollen, auseinander gesetzt. So hat er z. B. die im Gesetzesentwurf ursprünglich vorgesehene Beiordnung von Referendaren im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens gestrichen (Bundestagsdrucksache 8/3694 Seite 21). Die Beiordnung von Steuerberatern im finanzgerichtlichen Verfahren hat er dagegen als Ausnahmevorschrift ausdrücklich in § 142 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung aufgenommen Bundestagsdrucksache 8/3068 Seite 38 und 39). Für das sozialgerichtliche Verfahren hat er die so genannten Verbandsvertreter im Sinne von § 73 Abs. 6 Satz 3 SGG berücksichtigt und bei ihrer Bevollmächtigung Prozesskostenhilfe verweigert (§ 73 a Abs. 2 SGG). Eine entsprechende Regelung findet sich in §§ 11 a und 11 Abs. 3 Arbeitsgerichtsgesetz. Beide Verweisungsketten beziehen sich auf § 157 Abs. 1 ZPO, der andere Personen als Rechtsanwälte vom mündlichen Verhandeln ausschließt. Wenn sich aber der Gesetzgeber mit § 157 Abs. 1 ZPO befasst hat, hat er auch dessen Abs. 3 gesehen, wonach anderen Personen als Rechtsanwälten das mündliche Verhandeln ausnahmsweise durch die Justizverwaltung gestattet werden kann. Lässt er mit all diesen Überlegungen gleichwohl nur Rechtsanwälte zu, die im Wege der PKH beigeordnet werden können (Bundestagsdrucksache 8/3068 Seite 22 und 23), verdeutlicht das klar seinen Willen. Eine unbewusste Gesetzeslücke liegt demnach nicht vor.
Der Ausschluss der Rentenberater und Prozessagenten von der Beiordnung nach § 121 Abs. 2 ZPO ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Artikel 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) ist nicht verletzt, weil die Beschränkung der Beiordnung auf Rechtsanwälte den grundgesetzlich garantierten Zugang zu den Gerichten nicht erschwert. Eine sachgemäße Vertretung vor Gericht ist durch die Möglichkeit garantiert, einen Rechtsanwalt beigeordnet zu bekommen.
Auch Artikel 12 GG ist nicht verletzt. § 121 Abs. 2 Satz 1 ZPO trifft eine Berufsausübungsregelung, die verfassungsrechtlich nur Zweckmäßigkeitsüberlegungen erfordert. Solche Überlegungen rechtfertigen hier die getroffenen Regelungen. Denn die juristisch qualifizierte Ausbildung der Rechtsanwälte garantiert im Allgemeinen die sachgerechte Prozessvertretung einer bedürftigen Partei. Diese Verallgemeinerung ist erlaubt. Beim Erlass von Gesetzen kann der Gesetzgeber die betroffenen Personenkreise nur pauschalierend betrachten. Es ist deshalb unerheblich, dass es Rentenberater und Prozessagenten gibt, die über ein ausgesprochen großes sozialrechtliches Spezialwissen verfügen. Rentenberater und Prozessagenten haben auch ohne die Möglichkeit, sich im Wege der PKH beiordnen zu lassen, ein ausreichendes Betätigungsfeld. Eine Erdrosselung ihres Berufsstandes durch § 121 Abs. 2 ZPO ist nicht anzunehmen.
Ein Verstoß gegen Artikel 3 GG ist ebenfalls nicht zu erkennen. Auf Grund ihrer unterschiedlichen juristischen Ausbildung dürfen Rechtsanwälte und Rechtsbeistände, Rentenberater und Prozessagenten vom Gesetzgeber unterschiedlich behandelt werden. Eine willkürliche unterschiedliche Behandlung ist besonders deswegen nicht zu erkennen, weil die Rechtsbeistände die Möglichkeit haben, sich nach § 25 EGZPO einem Rechtsanwalt gleichstellen zu lassen.
Mit seiner Rechtsauffassung schließt sich der Senat der herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur an (LSG Niedersachsen rv 1985 Seite 178; LSG Rheinland-Pfalz Breithaupt 1985 Seite 710; OVG Münster Der Rechtsbeistand 1987 Seite 54; OLG Düsseldorf MDR 1989 Seite 1108; OVG Münster in NVwZ?RR 1996 Seite 620; von Maydell NJW 1981 Seite 1182; Bley Die Angestelltenversicherung 1980 Seite 409; Zöller ZPO 23. Aufl. § 121 Rdz. 2; Münchener Kommentar zur ZPO § 121 Anm. I 1; Musielak ZPO 3. Aufl. § 121 Rdz. 7; Stein-Jonas ZPO 21. Aufl. § 121 Rdz. 1; Peters/Sautter/Wolff SGG Anm. 1 d zu § 73 a; Hennig SGG § 73 a Rdz. 47; Krasney/Udsching Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens 3. Aufl. VI Rdz. 67).
Auf den Beschluss des Bayerischen Landessozialgerichts vom 17. Januar 2002 - 20 B 181/01 RJ PKH - kann sich der Kläger nicht stützen. Entgegen den dortigen Ausführungen lässt der Wortlaut des § 121 Abs. 2 Satz 1 ZPO die Beiordnung von Rechtsbeiständen im Wege der PKH nicht zu und auch Artikel 1 Abs. 1 Satz 1 Rechtsberatungsgesetz stellt den Rechtsbeistand einem Rechtsanwalt nicht gleich.
Nach alldem kommt die beantragte Beiordnung nicht in Betracht.