Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten steht die Höhe des Grades der Behinderung (GdB) und die Bezeichnung von Behinderungen im Streit.

Bei dem am 12.07.1957 geborenen Kläger war im April 2002 ein papilläres Mikro-Karzinom (Größe: 3 mm) im linken Schilddrüsenlappen, Tumorstatium pT 1 , diagnostiziert worden. Operativ wurde die komplette Schilddrüse mit Nebenschilddrüsen entfernt. Auf seinen Antrag vom 08.10.2003 stellte das Versorgungsamt durch Bescheid vom 13.10.2003, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 27.01.2004, wegen der Funktionsstörungen "Operierte Schilddrüsenerkrankung mit totaler Schilddrüsen- und Nebenschilddrüsenentfernung 4/2002 im Stadium der Heilungsbewährung" einen GdB von 50 fest. Das anschließende Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Duisburg S 22 SB 47/04 endete am 09.03.2005 auf der Grundlage der von dem gerichtlichen Sachverständigen Dr. W. in seinem Gutachten vom 27.04.2004 getroffenen Feststellungen mit einem gerichtlichen Vergleich. In Ausführung dieses Vergleiches (Ausführungsbescheid vom 30.03.2005) wurde der GdB ab Antragstellung auf 60 angehoben, die zugrunde liegenden Funktionsstörungen wurden wie folgt gefasst:

1. Totale Schilddrüsenentfernung (Stadium der Heilungsbewährung) und zusätzlich Nebenschilddrüsenentfernung

2. Erhöht reizbare Bronchialschleimhaut, Allergie

3. Gesichtsnervenlähmung links, rückfällige Kopfschmerzen

4. Schleimhautfunktionsstörung des Mundgebietes.

Im Mai 2007 leitete das Versorgungsamt die Überprüfung des GdB ein. Nach Auswertung eines Befundberichts des Hausarztes Dr. N. und zahlreicher vom Kläger eingereichter medizinischer Unterlagen, unter anderem eines Berichtes des Marienhospitals W. vom 02.01.2006, in dem es mit Blick auf das Tumorleiden heißt, es liege ein unauffälliger Nachsorgeuntersuchungsbefund vor, kam der Ärztliche Dienst in seiner Stellungnahme vom 03.08.2007 zu dem Ergebnis, dass der GdB nunmehr nach Ablauf der Heilungsbewährung wegen folgender Gesundheitsstörungen :

1. Totale Schilddrüsen- und Nebenschilddrüsenentfernung 04/2002 bei Tumorleiden nach Eintritt der Heilungsbewährung, Calciumstoffwechselstörung (Einzel-GdB 20)

2. Allgergieneigung, erhöht reizbare Bronchialschleimhaut (Einzel-GdB 20)

3. Gesichtsnerventeillähmung links, rückfällige Kopfschmerzen (Einzel-GdB 10)

4. Schleimhautfunktionsstörung des Mundgebietes (Einzel-GdB 10)

5. Nierensteinleiden (Einzel-GdB 10)

mit 30 zu bewerten sei und hörte den Kläger an. Dieser vertrat die Auffassung, der GdB sei nicht herab-, sondern mit 70 höher festzusetzen. Nach der im Jahre 2002 durchgeführten Schilddrüsenoperation müsse er fünf Mal pro Tag Schilddrüsen- und Nebenschilddrüsenhormone einnehmen um zu leben.

Unter dem 08.10.2007 erließ das Versorgungsamt den angekündigten Bescheid. Dem widersprach der Kläger: Die bisher maßgebliche Feststellung des GdB auf 60 beruhe auf dem im Gerichtsverfahren geschlossenen Vergleich. Wenn überhaupt, dann habe das "Stadium der Heilungsbewährung" - wie aus dem Bescheid vom 30.03.2005 ersichtlich - nur die Schilddrüse mit seinem bösartigen Karzinom nach der Tschernobyl-Havarie betroffen. Infolge der Operation sei es aber zu dem Funktionsverlust der Nebenschilddrüse gekommen, der mit der Tumorerkrankung nichts zu tun habe. Hier sei keine Heilungsbewährung zu erwarten. Deshalb seien die "totale Schilddrüsenentfernung bei bösartigem Tumor" und der "Nebenschilddrüsenfunktionsverlust" getrennt zu bewerten. Den Widerspruch wies die Bezirksregierung Münster mit Widerspruchsbescheid vom 21.02.2008 zurück .

Hiergegen hat der Kläger am 25.03.2008 beim SG Duisburg Klage erhoben. Das SG hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens, das der Internist Dr. K. unter dem 30.05.2008 erstellt hat. Danach bedingen die beim Kläger festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen:

1. Entfernung der Schilddrüse und Nebenschilddrüse bei papillärem Schilddrüsenkarzinom im Stadium der abgelaufenen Heilungsbewährung: (GdB20)

2. chronisch-obstruktives Atemwegs-Syndrom, allergische Diathese: (GdB 20)

3. rezidivierende Arthralgien, Epicondylitis lateralis linksseitig: (GdB 10)

4. Nierensteindiathese: (GdB 10)

5. Chronische Mundtrockenheit: (GdB 10)

einen GdB insgesamt von 30. Auf die Einwendungen des Klägers hat der Sachverständige in seiner vom Gericht angeforderten ergänzenden Stellungnahme vom 20.10.2008 an dieser Einschätzung festgehalten und ausgeführt, dass es sich bei (den Auswirkungen) der Entfernung der Schilddrüse und der Nebenschilddrüsen um einen einheitlichen Leidenskomplex handele, dieser sei auch einheitlich zu beurteilen. Bei der vom Kläger gewünschten Trennung sei für jeden einzelnen Komplex lediglich ein GdB von 10 anzusetzen, so dass sich am Gesamtergebnis nichts ändere.

Das SG hat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung die Klage durch Urteil vom 25.02.2009 abgewiesen. Die Klage sei unzulässig, soweit der Kläger die Feststellung und Bewertung von Einzelbehinderungen begehre. Die Bezeichnung von Behinderungen und deren gutachterliche Bewertung mit einem Einzel-GdB diene lediglich der Begründung des Gesamt-GdB. Einzel-Behinderungen würden nicht individuell festgestellt. Solche Feststellungen habe das Versorgungsamt auch nicht getroffen. Von daher fehle es an einem angreifbaren Verwaltungsakt, den das Gericht überprüfen könne. Im Übrigen sei die Klage unbegründet. Ausgehend von den Einschätzungen des Sachverständigen Dr. K. habe das Versorgungsamt zutreffend festgestellt, dass der GdB des Klägers ab Zugang des Herabsetzungs-Bescheides vom 08.10.2007 aufgrund des Ablaufs der Heilungsbewährung nur noch 30 betrage. Daraus ergebe sich unmittelbar auch, dass kein GdB von 70 festzustellen sei.

Gegen das am 28.02.2009 zugestellte Urteil hat der Kläger am 30.03.2009 Berufung eingelegt. Er wiederholt im Wesentlichen seinen Vortrag aus dem Widerspruchs- und erstinstanzlichen Gerichtsverfahren. Er verweist auf einen ärztlichen Überweisungsschein des Dr. N. vom 14.10.2009, in dem dieser einen Zustand nach Strahlenexposition beim Tschernobyl-Gau aufführt. Der Kläger ist der Auffassung, das SG habe verfahrensfehlerhaft nicht nach den Ursachen des Schilddrüsenverlustes einerseits und der Nebenschilddrüsenstörung andererseits differenziert.

Der Kläger beantragt ,

das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 25.02.2009 abzuändern und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 08.10.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.02.2008 zu verurteilen, bei ihm einen Grad der Behinderung von mindestens 50 festzustellen und statt der "Allergieneigung" eine "allergische Diathese bei vielfältiger Allergie mit wiederholten allergischen Hautreaktionen, allergischen Reaktionen des Bronchialsystems und allergischen Allgemeinreaktionen" als Behinderung und die Behinderung zum Verlust der Schilddrüse einerseits und zum Verlust der Nebenschilddrüse andererseits getrennt aufzuführen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig und sieht sich durch die Entscheidung des SG bestätigt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und. Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Prozess- und der Verwaltungsakten des Beklagten sowie der Gerichtsakte SG Duisburg S 22 SB 47/04. Dieser ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist zulässig. Richtiger Beklagter im Berufungsverfahren ist seit dem 01.01.2008 der für den Kläger örtlich zuständige Kreis Wesel (vgl. zur Kommunalisierung der Versorgungsverwaltung Bundessozialgericht - BSG - Urteile vom 23.04.2009, B 9 SB 3/08 R, und vom 11.12.2008 B 9 VS 1/08 R, sowie Urteile des erkennenden Senats vom 12.02.2008 - L 6 SB 101/06, vom 11.03.2008 - L 6 V 28/07 sowie vom 11.03.2008 - L 6 (10) VS 29/07 ; im Internet abrufbar bei www.sozialgerichtsbarkeit.de).

Die Berufung ist unbegründet. Das Urteil des SG vom 25.02.2009 ist nicht abzuändern, das Gericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 08.10.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.02.2008 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten im Sinne von § 54 Abs. 1 Satz 2 SGG. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat auf die überzeugenden Ausführungen im angefochtenen Urteil und sieht insoweit von weiteren Darstellungen ab (§ 153 Abs. 2 SGG). Das SG hat die für den Ablauf der Heilungsbewährung nach den Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (AHP) maßgeblichen Kriterien zutreffend dargestellt. Nichts anderes folgt aus den die AHP ablösenden und hier inhaltsgleichen "Versorgungsmedizinischen Grundsätzen" (VMG), Anlage zu § 2 Versorgungsmedizin-Verordnung vom 10.12.2008, Anlageband BGBl. I Nr. 57 , vom 15.12.2008, die mit Blick auf die vom Kläger geltend gemachte Anhebung des GdB anwendbar sind.

Das Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren gibt keinen Anlass für eine andere Beurteilung:

Soweit der Kläger beantragt, "statt der "Allergieneigung" eine "allergische Diathese bei vielfältiger Allergie mit wiederholten allergischen Hautreaktionen, allergischen Reaktionen des Bronchialsystems und allergischen Allgemeinreaktionen" als Behinderung und die Behinderung zum Verlust der Schilddrüse einerseits und zum Verlust der Nebenschilddrüse andererseits getrennt aufzuführen", ist dieses auf die Einzelfeststellung von Behinderungen gerichtete Begehren - darauf hat auch das SG zutreffend abgestellt - unzulässig. Anders oder erweitert formulierte Bezeichnungen der Behinderung sind gerichtlich nicht einklagbar (LSG NRW, Beschluss vom 26.11.2007 - L 10 B 22/07 SB, juris). Im Bescheid nach § 69 Abs. 1 SGB IX wird allein über die Feststellung des Gesamt-GdB entschieden. Angesichts dieser gesetzlichen Vorgabe besteht ein Anspruch nur auf die Feststellung des (zutreffenden) Gesamt-GdB, nicht aber auf die Feststellung einzelner Normabweichungen (BSG, Urteile vom 24.06.1998 - B 9 SB 17/97 R und B 9 SB 18/97 R; LSG NRW, Beschlüsse vom 15.08.2000 - L 10 B 8/00 SB, vom 16.09.2002 - L 10 B 13/02 und vom 27.10.2003 - L 10 B 12/03, jeweils in: juris). Die Bezeichnung von Behinderungen und deren gutachterliche Bewertung mit einem Einzel-GdB im Vorfeld dieser Entscheidung dient allein der Begründung des Gesamt-GdB. Hiervon abweichend hat der Beklagte auch keine solchen Einzel-Feststellungen getroffen; damit fehlt es - so auch das SG - an einem angreifbarem, gerichtlich überprüfbaren Verwaltungsakt.

Dementsprechend hat der Kläger auch keinen Anspruch darauf hat, dass die Nebenschilddrüsenfunktionsstörung selbstständig aufgeführt und bewertet wird. Dies hat das SG ausgehend von dem internistischen Gutachten des Sachverständigen Dr. K. vom 30.05.2008 zutreffend ausgeführt. Auch die neuere Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 30.09.2009 - B 9 SB 4/08 R in: juris) führt zu keiner anderen Beurteilung. Danach bleibt es dabei, dass auch bei einer durch eine Operation wegen eines Hauptleidens (hier: der Schilddrüsenentfernung wegen Krebs) hervorgerufenen weiteren Beeinträchtigung (hier: Verlust der Nebenschilddrüsen) für die Feststellung des GdB allein auf die Auswirkungen auf die Teilhabefähigkeit abzustellen ist. Insoweit sind die Gesundheitsstörungen den in den AHP bzw. den hier inhaltsgleichen VMG nach der Versorgungsmedizin-Verordnung genannten Funktionssystemen zuzuordnen und jeweils mit einem Einzel-GdB zu bewerten. Der Schilddrüsenverlust nach Krebserkrankung ist dem Funktionssystem "Stoffwechsel, innere Sekretion" (Nr. 26.15 AHP/Teil B Nr. 15 VMG) zugeordnet, der Verlust der Nebenschilddrüsen ebenfalls (vgl. Teil B Nr. 15.6 VMG). Der Nebenschilddrüsenfuktionsverlust ist mithin entgegen dem klägerischen Vorbringen beim GdB nicht separat zu würdigen und wäre nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. K. dann auch nicht geeignet, einen höheren GdB zu begründen.

Für die Feststellung des (Gesamt)-GdB ist nach der o.a. Rechtsprechung des BSG daran festzuhalten, dass seit jeher im Schwerbehindertenrecht das - kausalunabhängige - Finalitätsprinzip gilt (zum Rechtszustand nach dem Schwerbehindertengesetz BSG SozR 3870 § 57 Nr. 1 RdNr. 20). Dies ist sowohl im Behinderungsbegriff des § 2 Abs. 1 SGB IX als auch in den Prinzipien zur Feststellung des GdB nach § 69 Abs. 1 und Abs. 3 SGB IX festgeschrieben. Danach sind alle dauerhaften Gesundheitsstörungen unabhängig von ihrem Entstehungsgrund zu erfassen und ihre Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu berücksichtigen (siehe etwa auch BSG, Urteil vom 11.12.2008 - B 9/9a SB 4/07 R in: juris).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2 SGG), sieht der Senat nicht.