Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Neufeststellung des Grades der Behinderung (GdB) mit 50 streitig.

Im Rahmen eines beim Sozialgericht Stuttgart anhängig gewesenen Klageverfahrens (S 18 SB 3552/06) hatten der 1960 geborene Kläger und der Beklagte unter Zugrundelegung einer versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. G., in der ein Bluthochdruck mit einem Einzel-GdB von 20, eine Gicht mit Gelenkbeteiligung, eine Gebrauchseinschränkung beider Beine sowie eine Lymphstauung beider Beine mit einem Einzel-GdB von 20, eine Lungenblähung mit einem Einzel-GdB von 10, eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit einem Einzel-GdB von 10, ein Diabetes mellitus und eine chronische Entzündung der Bauchspeicheldrüse mit einem Einzel-GdB von 20 sowie eine Schwerhörigkeit mit einem Einzel-GdB von 20 berücksichtigt und der Gesamt-GdB mit 40 beurteilt worden war, am 23.01.2007/27.02.2007 einen Vergleich des Inhalts geschlossen, dass der GdB 40 ab 21.04.2005 betrage. In Ausführung dieses Vergleichs hatte der Beklagte mit Bescheid vom 02.04.2007 den GdB mit 40 seit 21.04.2005 festgestellt.

Der Kläger beantragte am 03.07.2008 unter Hinweis auf einen im August 2007 erlittenen Herzinfarkt die Neufeststellung des GdB. Der Beklagte holte Befundberichte der Allgemeinmedizinerin Dr. I. (Verschlechterung des Krankheitsbildes) sowie des Hals-Nasen-Ohren-Arztes L. (unveränderter Befund) ein und zog diverse ärztliche Unterlagen bei. Dr. L. berücksichtigte in einer versorgungsärztlichen Stellungnahme nunmehr einen Bluthochdruck, einen abgelaufenen Herzinfarkt und eine Stent-Implantation mit einem Einzel-GdB von 20 sowie eine Schwerhörigkeit mit Ohrgeräuschen und einen Schwindel mit einem Einzel-GdB von 20 und hielt im Übrigen an der bisherigen versorgungsärztlichen Beurteilung fest. Mit Bescheid vom 29.04.2009 lehnte der Beklagte den Antrag des Klägers ab.

Hiergegen legte der Kläger unter Hinweis auf Schmerzen, Schwindel und Herzminderleistung Widerspruch ein. Dr. K. bestätigte in einer versorgungsärztlichen Stellungnahme die bisher vorgenommene GdB-Bewertung. Mit Widerspruchsbescheid vom 20.07.2009 wies der Beklagte den Widerspruch zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 30.07.2009 Klage beim Sozialgericht erhoben. Das Sozialgericht hat die den Kläger behandelnden Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen gehört und ärztliche Unterlagen beigezogen. Der Internist Dr. Sch. hat über eine einmalige Behandlung des Diabetes mellitus berichtet und sich für sein Fachgebiet der versorgungsärztlichen GdB-Beurteilung angeschlossen. Der Kardiologe Dr. W. hat ein unauffälliges EKG bei 150 Watt Belastbarkeit sowie eine gute linksventrikuläre Funktion berichtet und ausgeführt, über die versorgungsärztlich vorgenommene GdB-Beurteilung für das kardiologische Fachgebiet würde er nicht hinausgehen. Der Gastroenterologe Dr. H. hat über eine einmalige Behandlung wegen Bauchschmerzen berichtet (metabolisches Syndrom bei ausgeprägter Adipositas) und die versorgungsärztliche Auffassung geteilt. Dr. I. hat die Ansicht vertreten, beim Kläger liege eine Verschlechterung des Krankheitsbildes vor. Diese beziehe sich auf den Herzbefund mit ständig geklagten Stenokardien und Herzrasen. Die Zuckerwerte seien trotz intensiver medikamentöser Therapie angestiegen. Außerdem klage der Kläger über ein pelziges Gefühl in beiden Beinen sowie über eine Sehschwäche. Die Blähungen und Bauchbeschwerden zeigten besonders nach einer abgelaufenen Pankreatitis eine steigende Tendenz. Aufgrund seiner Beschwerden sei der Kläger sehr nervös und leide an manisch-depressiven Phasen, Schlaflosigkeit und extremen Potenzstörungen. Die Neurologin Sch.-K. hat über Behandlungen nur bis Oktober 2006 berichtet. Der Orthopäde Dr. Ph. hat die Erkrankung der Wirbelsäule als geringfügig bis leicht und mit einem Einzel-GdB von 10 sowie die Gichtpolyarthropathie mit Gebrauchseinschränkung beider Beine, die diabetischen Füße und das Stauungsödem beider Beine als leicht bis mittelschwer und mit einem Einzel-GdB von 20 eingestuft. Der Hals-Nasen-Ohren-Arzt L. hat für sein Fachgebiet bei weiter unverändertem Befund die versorgungsärztliche Beurteilung geteilt. Der Neurologe und Psychiater Dr. A. hat über zwei Behandlungen im Juli 2003 und März 2010 nach jeweiliger Trennung von seiner Partnerin wegen schwerer depressiver Episoden berichtet.

Dr. K. hat in seiner von dem Beklagten vorgelegten versorgungsärztlichen Stellungnahme den Diabetes mellitus und ein metabolisches Syndrom mit einem Einzel-GdB von 20 sowie unter Aufrechterhaltung der bisherigen versorgungsärztlichen Beurteilung den Gesamt-GdB weiterhin mit 40 beurteilt.

Nachdem der Kläger auf ein neu aufgetretenes Muskelzittern hingewiesen hat, hat das Sozialgericht weitere schriftliche sachverständige Zeugenauskünfte eingeholt. Die Neurologin Dr. S.-G. hat über zwei Behandlungen wegen einer möglicherweise diabetisch bedingten Polyneuropathie sowie des Verdachts auf ein Restless-legs-Syndrom berichtet, die von ihr festgestellten Gesundheitsstörungen als leicht bezeichnet und die Auffassung des versorgungsärztlichen Dienstes geteilt. Der Urologe C. hat über Behandlungen im September und Oktober 2008 sowie Februar und Dezember 2010 berichtet sowie ausgeführt, die Miktionsbeschwerden ließen sich häufig nach einer bestimmten Zeit relativ gut beherrschen und die erektilen Beschwerden oder Potenzstörungen seien meistens mit modernen Möglichkeiten der konservativen Therapie gut kontrollierbar.

Mit Gerichtsbescheid vom 03.11.2011 hat das Sozialgericht die Klage nach vorangegangener Anhörung abgewiesen. Das metabolische Syndrom mit Diabetes mellitus Typ II, arterieller Hypertonie und erheblichem Übergewicht sei nach übereinstimmender Einschätzung der behandelnder Ärzte Dr. W. und Dr. H. vom Beklagten zutreffend bewertet worden. Die Polyneuropathie sei in Übereinstimmung mit Dr. S.-G. noch als leicht einzuschätzen. Eine chronische Entzündung der Bauchspeicheldrüse liege nach Dr. H. nicht vor, so dass hierfür kein Einzel-GdB anzusetzen sei. Nach den Angaben des Hals-Nasen-Ohren-Arztes L. betrage der Einzel-GdB 20 für die beidseitige Innenohrschwerhörigkeit mit Ohrgeräuschen. Für die auf urologischem Fachgebiet vorliegenden Beeinträchtigungen sei ein Einzel-GdB von 20 angemessen. Der Kläger leide nach dem Urologen C. an einer abakteriellen Prostatopathie (nicht bakteriellen Entzündung der Prostata) mit andauernden Miktionsstörungen und einer erektilen Dysfunktion. Für die erektile Dysfunktion sei eine erfolglose Behandlung nicht nachgewiesen worden. Ferner sei für die Gichtpolyarthropathie mit Gebrauchseinschränkung beider Beine, Senk-Spreiz-Füße beidseits, venösen Umlaufstörungen beider Beine und diabetischen Füße ein Einzel-GdB von 20 anzusetzen. Dies ergebe sich aus den Angaben des Dr. Ph ... Die Funktionsbeeinträchtigung der Wirbelsäule sei mit einem Einzel-GdB von 10 angemessen bewertet, da Dr. Ph. nur geringfügige bis leichte Einschränkungen mitgeteilt habe und sich aus den Angaben der Neurologin Sch.-K. keine weiteren funktionellen Auswirkungen ergäben. Da eine Veränderung oder Verschlechterung der Lungenblähung weder geltend gemacht noch ersichtlich sei, sei hierfür ein Einzel-GdB von 10 anzusetzen. Für die beim Kläger vorliegenden Gesundheitsstörungen der Schulter und der Kniegelenke sei nach den Angaben des Dr. Ph. kein weiterer GdB anzusetzen. Auf psychiatrischem Fachgebiet lägen keine GdB-relevanten Funktionsstörungen vor. Denn aus den Angaben des Dr. A. lasse sich eine mehr als nur akute Beeinträchtigung nicht ableiten. Insbesondere habe seit August 2010 keine weitere fachärztliche Behandlung stattgefunden. Eine Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit von mehr als 6 Monaten Dauer sei nicht nachgewiesen.

Gegen den seinen Prozessbevollmächtigten am 08.11.2011 zugestellten Gerichtsbescheid des Sozialgerichts hat der Kläger am 08.12.2011 Berufung beim Sozialgericht eingelegt. Er stützt sich dabei auf die Angaben der Dr. I ... Der GdB auf kardiologischem Fachgebiet sei mit 30 einzuschätzen. Dasselbe gelte für die Erkrankung auf internistisch-gastroenterologischem Fachgebiet. Ferner hätten sich die Miktionsbeschwerden nicht verbessert. Unzutreffend sei, dass auf psychiatrischem Fachgebiet keine GdB-relevanten Beeinträchtigungen vorlägen. Er leide nämlich an einer dauerhaften schweren Depression. Aus alledem ergebe sich ein Gesamt-GdB von 50.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 3. November 2011 und den Bescheid des Beklagten vom 29. April 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Juli 2009 aufzuheben sowie den Beklagten zu verurteilen, den Bescheid vom 2. April 2007 abzuändern und den Grad der Behinderung mit 50 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die Berufung für unbegründet.

Der Berichterstatter hat die Sach- und Rechtslage am 29.03.2012 mit den Beteiligten erörtert.

Der Kläger hat daraufhin ärztliche Unterlagen über die Behandlungen durch Dr. W., im Bürgerhospital St. und durch den Neurologen und Psychiater Dr. P. vorgelegt. Dr. W. hat die linksventrikuläre Globalfunktion als weiterhin gut bezeichnet, aber ausgeführt, die pektanginöse Beschwerdesymptomatik in der Kälte spreche für eine Verschlechterung der koronaren Situation. Er hat ferner ein Unterschenkelödem sowie einen Gichtanfall beschrieben und ausgeführt, der Diabetes mellitus werde nicht medikamentös behandelt. Dr. J., Oberärztin am Bürgerhospital St, hat ausgeführt, nach nun erfolgter teilstationärer Therapie des Diabetes mellitus, insbesondere mit Metformin, hätten sich die Blutzuckertagesprofile in den Zielbereich absenken lassen. Das Belastungs-EKG habe klinisch eine Angina pectoris ab 75 Watt ohne signifikante ST-Senkungen ergeben. In der Langzeit-Blutdruckmessung habe der Blutdruck weitgehend im Zielbereich gelegen. Ferner sei eine psychotherapeutische Maßnahme erforderlich bei depressiver Verstimmung. Der Kläger leide seit der Trennung von seiner Ehefrau zunehmend an einer Depression und kompensiere dies durch Essen. Dr. P. hat den Kläger als bewusstseinsklar, allseits orientiert, ohne psychotische Symptomatik, affektiv deutlich depressiv verstimmt, nervös, angespannt, mit Schlafstörungen, ohne akute Suizidalität beschrieben und eine rezidivierende Depression (Tod des 15-jährigen Hundes), eine Polyneuropathie bei Diabetes mellitus und äthyltoxischer Genese sowie eine Lumboischialgie mit chronischem Schmerz-Syndrom diagnostiziert.

Dr. G. hat in seiner von dem Beklagten vorgelegten versorgungsärztlichen Stellungnahme dargelegt, die bisherige Bewertung der koronaren Herzkrankheit mit einem Einzel-GdB von 20 erfasse eine Leistungsbeeinträchtigung auf dem 75-Watt-Niveau. Der Diabetes mellitus sei auch unter Berücksichtigung des metabolischen Syndroms mit einem Einzel-GdB von 20 ausreichend bewertet. Hinsichtlich der depressiven Symptomatik sei der weitere Behandlungsverlauf abzuwarten.

In dem sodann vom Kläger vorgelegten Arztbrief der Psychologischen Psychotherapeutin B., Bürgerhospital St., wird ausgeführt, der Kläger sei nach sechswöchiger teilstationärer Behandlung mit gebesserter depressiver Symptomatik regulär entlassen worden. In dem daraufhin vom Senat beigezogenen Entlassungsbericht der Prof. Dr. E.-H., Ärztliche Direktorin am Bürgerhospital St., wird dargelegt, insgesamt habe durch die Behandlung eine deutliche Verbesserung der depressiven Symptomatik erreicht werden können. Der Kläger habe ein besseres Krankheitsverständnis erlangt und einen Umgang mit seiner impulsiven Aggressivität erlernt. Darüber hinaus habe er seine abendlichen (Frust-)Essattacken besser kontrollieren und reduzieren können. Sie hat eine gegenwärtig schwergradige rezidivierende depressive Störung, eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung vom impulsiven Typ und ein Binge-Eating (Essstörung mit periodischen Fressanfällen) diagnostiziert. Schließlich hat der Senat Prof. Dr. N., Ärztlicher Direktor am Katharinenhospital St., schriftlich als sachverständigen Zeugen über die Ende 2012 durchgeführte Herzuntersuchung gehört. Er hat unter Beifügung diverser Befundberichte ausgeführt, der Kläger habe sich in einem guten Allgemeinzustand mit leichtgradiger Bewegungseinschränkung durch eine massive Adipositas permagna befunden. Aus kardiologischer Sicht habe sich nach Durchführung eines Ruhe-EKGs, eines Belastungs-EKGs und einer transthorakalen Echokardiographie kein sichererer Hinweis auf eine progressive koronare Herzkrankheit finden lassen. Aus dem sodann durchgeführten Kardio-Stress-MRT habe sich kein Anhalt für das Vorliegen einer hämodynamisch relevanten Koronarstenose und somit keine Indikation für eine erneute invasive kardiologische Abklärung mittels einer Herzkatheter-Untersuchung ergeben. Die vom Kläger angegebenen unklaren rezidivierenden thorakalen Druckbeschwerden seien am ehesten psychogen bedingt. Außer einer Adipositas permagna seien keine relevanten Gesundheitsstörungen nachzuweisen.

Dr. R. hat in seiner vom Beklagten vorgelegten versorgungsärztlichen Stellungnahme ausgeführt, nach der erfolgten Rechtsänderung sei der mit nicht zu Unterzuckerungen führenden Präparaten behandelte Diabetes mellitus nicht mehr mit einem GdB zu bewerten. Berücksichtige man das metabolische Syndrom, wäre gegebenenfalls von einem Einzel-GdB von 10 auszugehen. Für die seelische Störung werde ein Einzel-GdB von 20 vorgeschlagen, da im Behandlungsverlauf eine deutliche Besserung der depressiven Symptomatik habe erreicht werden können. Im Belastungs-EKG habe der Kläger eine Leistung bis 100 Watt über 1 Minute und 23 Sekunden erreicht, so dass hierfür weiterhin ein Einzel-GdB von 20 zu vergeben sei. Der Gesamt-GdB betrage damit weiterhin 40.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten des Beklagten und der Gerichtsakten beider Instanzen verwiesen.

 

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143 und 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte, nach § 151 Abs. 2 SGG form- und fristgerechte sowie auch im Übrigen zulässige Berufung, über die der Senat aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist unbegründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Abänderung des Bescheides vom 02.04.2007.

Die Abänderung von Verwaltungsakten wegen einer Gesundheitsverschlechterung richtet sich nach § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X).

Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben (§ 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit die Änderung zu Gunsten des Betroffenen erfolgt (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X).

Der Anwendung dieser Vorschrift steht insbesondere nicht der beim Sozialgericht Stuttgart am 23.01.2007/27.02.2007 geschlossene Vergleich (S 18 SB 3558/06) entgegen. Denn der Vergleich kann nur den Streitgegenstand regeln, der ihm durch den Lebenssachverhalt, also hier die Funktionseinschränkungen zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses, d.h. den gegenwärtigen Gesundheitszustand, vorgegeben wird. Daraus folgt gerade im Sozialrecht der beschränkte Regelungscharakter eines solchen Vergleichs. Durch den Vergleich soll lediglich eine Rücknahme nach § 45 SGB X (so auch Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 10. Aufl. 2012, § 101 Rz. 15a; Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil vom 01.09.1999 - L 8 U 23/99 - NZS 2000, 259) bzw. eine Überprüfung nach § 44 SGB X ausgeschlossen werden (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 09.06.2011 - L 10 R 3494/08 juris), nicht aber eine Neufeststellung nach § 48 SGB X. Wenn sich nämlich der medizinische Lebenssachverhalt - wie häufig - wesentlich ändert, ist der Beklagte sogar nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X verpflichtet, dies mit Wirkung für die Zukunft zu berücksichtigen. Wollten sich die Vertragspartner dieser rechtlichen Verpflichtung begeben, so müsste demzufolge aufgrund des Regel-Ausnahme-Verhältnisses sogar eine entsprechende Klausel in den Vergleich aufgenommen werden, dass keine Abänderung nach § 48 SGB X, sondern nur die Vertragsanpassung nach § 59 SGB X möglich ist, wobei dann weiter zu prüfen wäre, ob die Vertragsparteien überhaupt gesetzliche Pflichten in einem Vergleich abbedingen können. Dem steht nämlich aus Sicht des Senats bereits die Vorschrift des § 53 Abs. 1 Satz 2 SGB X entgegen, wonach die Behörde nur anstatt eines ansonsten zu erlassenden Verwaltungsakts einen öffentlich-rechtlichen Vertrag schließen kann. Die Behörde darf daher im Vertrag nicht mehr regeln, als ihr an Verwaltungsaktsbefugnis zukommt. Durch Verwaltungsakt kann sie aber nicht die Anwendbarkeit des § 48 SGB X ausschließen. Es wird daher zumindest in einem Vergleich in den üblichen durch Verwaltungsakt geregelten Materien - wie vorliegend bei der Feststellung des GdB - konkludent die Anwendung des eine Anpassung eines Vergleichsvertrages regelnden § 59 SGB X abbedungen, wenn - wie vorliegend - nichts dafür spricht, dass der Einigung eine höhere Bestandskraft zukommen soll (Steinwedel in Kasseler Kommentar, SGB X, § 48 Rz. 12). Das entspricht auch dem Regelungswillen der Parteien, die nämlich nur eine Einigung über den gegenwärtigen Gesundheitszustand erzielen, aber keine Regelung für die Zukunft treffen und sich insbesondere nicht des Rechts begeben wollten, auf Änderungen durch Herabsetzung oder - wie vorliegend - durch Neufeststellungsantrag zu reagieren. Wenn man dem Vergleich die Bedeutung zumessen wollte, dass sich seine Abänderung nur nach § 59 SGB X richten könnte, hätte das aber zur Folge, dass jeder Neufeststellungsantrag ausgeschlossen wäre und die Parteien ohne die Filterfunktion des Verwaltungsverfahrens eine gerichtliche Klärung der Anpassung und Kündigung vornehmen müssten, was überdies auf besondere Fälle beschränkt wäre und im Ermessen stünde. Das widerspräche auch der jahrzehntelangen Praxis in der Sozialgerichtsbarkeit.

Vergleichsmaßstab, ob sich die Verhältnisse geändert haben, ist und muss der in Ausführung des Vergleichs ergangene Ausführungsbescheid vom 02.04.2007 sein, denn andernfalls liefe das Neufeststellungsverfahren in Ermangelung einer überprüfbaren Verwaltungsentscheidung ins Leere. Zwar wird in der noch zum alten § 96 SGG ergangenen Rechtsprechung einem solchen, ohne eigenen Entscheidungsspielraum lediglich eine Verpflichtung nachvollziehenden Ausführungsbescheid in der Regel kein Regelungscharakter und damit keine Verwaltungsaktqualität im Sinne des § 31 SGB X beigemessen (so BSG, Beschluss vom 18.09.2003 - B 9 V 82/02 B juris) und soll dies anders nur bei unter selbständiger Feststellung weiterer Merkmale oder Leistungen getroffenen Ausführungsbescheiden sein (vgl. BSG, Urteil vom 06.05.2010 - B 13 R 16/09 R juris). Eine solche zusätzliche von dem Ausführungsbescheid getroffene Regelung kann vorliegend allenfalls darin bestehen, dass dem Kläger eine Einbuße der körperlichen Beweglichkeit nach § 33 Einkommenssteuergesetz bescheinigt wird. Eine Regelung ist aber darüber hinaus aus Sicht des Senats auch darin zu sehen, dass der Ausführungsbescheid den Vergleich richtig umsetzt, mit der Folge, dass jeder Ausführungsbescheid Regelungscharakter hat (so auch Waschull in Nomos-Kommentar, SGB X, § 31 Rz. 68). Dafür spricht der äußere Schein des Ausführungsbescheides, der Regelungswille des Beklagten und auch der Empfängerhorizont. Deswegen muss der Kläger, falls der Beklagte dieser Verpflichtung nicht nachkommt, auch die Möglichkeit der Überprüfung des Ausführungsbescheides haben. Das hat andererseits zur Folge, dass sich der Vergleich durch den Erlass des Ausführungsbescheides analog § 39 Abs. 2 SGB X auf andere Weise erledigt hat. Daher ist es auch Verwaltungspraxis, dass erst der den Vergleich umsetzende Verwaltungsakt Vollstreckungsgrundlage ist, der Beklagte damit seiner gesetzlichen Verpflichtung nachkommt, den GdB festzustellen und demzufolge nur dieser und nicht der Vergleich in die Verwaltungsakten Eingang findet.

In den Verhältnissen, die dem Bescheid vom 02.04.2007 zu Grunde gelegen haben, ist eine einen GdB von mehr als 40 bedingende und damit eine wesentliche Änderung in den gesundheitlichen Verhältnissen des Klägers nicht eingetreten.

Die Feststellung des GdB richtet sich nach den Vorschriften des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX).

Auf Antrag des behinderten Menschen stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest (§ 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 SGB IX). Die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach Zehnergraden abgestuft festgestellt, wobei eine Feststellung nur dann zu treffen ist, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt (§ 69 Abs. 1 Sätze 3 und 6 SGB IX). Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt (§ 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX). Die Feststellung des GdB ist eine rechtliche Wertung von Tatsachen, die mit Hilfe von medizinischen Sachverständigen festzustellen sind. Dabei ist grundsätzlich die seit 01.01.2009 an die Stelle der bis zum 31.12.2008 im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung als antizipierte Sachverständigengutachten angewandten Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX) 2008" (AHP) getretene und seither mehrfach geänderte Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG vom 10.12.2008 - BGBl. I. S. 2412 (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) anzuwenden (siehe hierzu noch unten).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze lässt sich beim Kläger kein höherer GdB als 40 feststellen. Dies hat das Sozialgericht in der angefochtenen Entscheidung zutreffend und umfassend dargestellt. Der Senat schließt sich diesen Ausführungen nach eigener Prüfung an und verweist gemäß § 153 Abs. 2 SGG zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Gerichtsbescheides. Der Senat hält die Ausführungen des Sozialgerichts, dass und warum der Einzel-GdB von 20 für das Funktionssystem Beine (Gichtpolyarthropathie mit Gebrauchseinschränkung beider Beine, Senk-Spreiz-Füße beidseits, venöse Umlaufstörungen beider Beine, diabetische Füße), der Einzel-GdB von 20 für das Funktionssystem Ohren (beidseitige Innenohrschwerhörigkeit mit Ohrgeräuschen), der Einzel-GdB von 20 für das Funktionssystem Geschlechtsapparat (abakterielle Prostatopathie mit andauernden Miktionsstörungen, erektile Dysfunktion), der Einzel-GdB von 10 für das Funktionssystem Atmung (Lungenblähung) und der Einzel-GdB von 10 für das Funktionssystem Rumpf (Funktionsbeeinträchtigung der Wirbelsäule) zutrifft, nach nochmaliger Prüfung für zutreffend.

Auch unter Berücksichtigung des Vorbringens im Berufungsverfahren und der vom Senat durchgeführten Ermittlungen ist gegenüber der angefochtenen Entscheidung des Sozialgerichts eine andere Beurteilung nicht gerechtfertigt.

Die Ermittlungen im Berufungsverfahren haben zwar weitere Behinderungen ergeben. Sie führen jedoch zur Überzeugung des Senats nicht zu einer Heraufsetzung des Gesamt-GdB.

Für das Funktionssystem Gehirn einschließlich Psyche ist der Einzel-GdB mit 20 zu beurteilen. Nach den VG, Teil B, Nr. 3.7 beträgt bei Neurosen, Persönlichkeitsstörungen oder Folgen psychischer Traumen bei leichteren psychovegetativen oder psychischen Störungen der GdB 0 bis 20 und bei stärker behindernden Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (beispielsweise ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) der GdB 30 bis 40. Dass beim Kläger auf psychiatrischem Fachgebiet keine stärker behindernden Störungen vorliegen, entnimmt der Senat den Ausführungen der Psychologischen Psychotherapeutin B. und der Prof. Dr. E.-H ... Danach ist der Kläger aus der im Bürgerhospital St. durchgeführten teilstationären Behandlung mit gebesserter depressiver Symptomatik regulär entlassen worden und hat durch diese Behandlung eine deutliche Verbesserung der depressiven Symptomatik erreicht werden können. Damit ist die von Dr. P. beschriebene rezidivierende Depression keine stärkere Behinderung im Sinne der VG, zumal auch er den Kläger als bewusstseinsklar, allseits orientiert, ohne psychotische Symptomatik und ohne akute Suizidalität beschrieben hat. Die von ihm angenommene affektiv deutliche depressive Verstimmung, Nervosität und Anspannung mit Schlafstörungen rechtfertigt demgemäß keinen GdB von mehr als 20.

Für das Funktionssystem Herz-Kreislauf lässt sich weiterhin kein höherer Einzel-GdB als 20 berücksichtigen. Nach den VG, Teil B, Nr. 9.1.1 beträgt bei einer Einschränkung der Herzleistung bei einer Leistungsbeeinträchtigung bei mittelschwerer Belastung (beispielsweise forsches Gehen [5 bis 6 km/h], mittelschwere körperliche Arbeit), Beschwerden und Auftreten pathologischer Messdaten bei Ergometerbelastung mit 75 Watt (wenigstens 2 Minuten) der GdB 20 bis 40. Dass die Funktionseinschränkung im Fall des Klägers im unteren Bereich dieses GdB-Rahmens anzusiedeln ist, ergibt sich zuletzt aus den überzeugenden Angaben des Prof. Dr. N ... Er hat den Kläger als in einem guten Allgemeinzustand befindlich beschrieben und nach einer ausführlichen kardiologischen Untersuchung in Form der Durchführung eines Ruhe-EKGs, eines Belastungs-EKGs sowie einer transthorakalen Echokardiographie und damit schlüssig einen sichereren Hinweis auf eine progressive koronare Herzkrankheit verneint, zumal das durchgeführte Kardio-Stress-MRT keinen Anhalt für das Vorliegen einer hämodynamisch relevanten Koronarstenose ergeben hat. Die ursprünglich von Dr. W. in Betracht gezogene Verschlechterung der kardialen Situation hat sich mithin nicht bestätigen lassen. Damit hat sich der positive Verlauf nach dem am 30.08.2007 erlittenen Hinterwandinfarkt bestätigt, der bereits in der Rehabilitationsmaßnahme im Spätherbst 2007 in der Klinik H.-K. zu beobachten war, wo der Kläger bereits bis 100 Watt ohne Hinweis auf eine Belastungskoronarinsuffizienz belastbar war.

Die Störungen im Funktionssystem innere Sekretion und Stoffwechsel haben zu keinem Zeitpunkt einen höheren Einzel-GdB als 10 bedingt. Der Diabetes mellitus bedingt keinen höheren GdB als 10. Formal betrachtet sind vorliegend ab Stellung des Verschlimmerungsantrages durch den Kläger für die Zeit vom 03.07.2008 bis zum 31.12.2008 die AHP und für die Zeit vom 01.01.2009 bis zum 21.07.2010 die VG in der Fassung vom 10.12.2008 heranzuziehen. Nach der Rechtsprechung des BSG sind diese Vorschriften jedoch nicht zur GdB-Bewertung bei Diabetes mellitus geeignet. Insoweit kann auf die Neufassung der VG, Teil B, Nr. 15.1 in der Fassung vom 14.07.2010, in Kraft getreten am 22.07.2010, zurückgegriffen werden. Denn, obgleich die Änderung der VG formal keine Rückwirkung entfaltet und Gerichte und Verwaltung für den Zeitraum bis zum 21.07.2010 nicht bindet, ist ihr Inhalt als antizipiertes Sachverständigengutachten bedeutsam. Für die Zeit ab dem 22.07.2010 sind die VG, Teil B, Nr. 15.1 in der Fassung vom 14.07.2010 zur GdB-Bewertung bei Diabetes mellitus unmittelbar anzuwenden (zum Ganzen BSG, Urteil vom 02.12.2010 -B 9 SB 3/09 R - juris Rz. 20, 38; BSG, Urteil vom 25.10.2012 - B 9 SB 2/12 R - juris Rz. 30; BSG, Urteil vom 17.04.2013 - B 9 SB 3/12 R - juris Rz. 32). Nach den am 22.07.2010 in Kraft getretenen VG, Teil B, Nr. 15.1 in der Fassung vom 14.07.2010 beträgt bei an Diabetes erkrankten Menschen, deren Therapie eine Hypoglykämie auslösen kann, die durch Einschnitte in die Lebensführung beeinträchtigt sind und somit durch den Therapieaufwand eine signifikante Teilhabebeeinträchtigung erleiden, der GdB 20. Beim Kläger wurde und wird weder eine Insulintherapie, noch eine Therapie, die eine Hypoglykämie auslösen kann, durchgeführt. Dies ergibt sich aus den Angaben der Dr. J., wonach eine Therapie mit Metformin, mit der Folge, dass sich die Blutzuckerspiegel haben senken lassen, durchgeführt wird. Mithin kann für seine Diabetes-Erkrankung kein GdB vergeben werden. Hinzu kommt das metabolische Syndrom des Klägers. Anhaltspunkte dafür, dass dieses in einer Zusammenschau mit dem Diabetes mellitus einen höheren als den von Dr. R. versorgungsärztlich angenommenen Einzel-GdB von 10 bedingt, hat der Senat nicht.

Unter Berücksichtigung der dargelegten Einzel-GdB-Werte (Einzel-GdB 20 für das Funktionssystem Gehirn einschließlich Psyche, Einzel-GdB 20 für das Funktionssystem Herz-Kreislauf, Einzel-GdB 20 für das Funktionssystem Beine, Einzel-GdB 20 für das Funktionssystem Ohren, Einzel-GdB 20 für das Funktionssystem Geschlechtsapparat, Einzel-GdB 10 für das Funktionssystem innere Sekretion und Stoffwechsel, Einzel-GdB 10 für das Funktionssystem Atmung, Einzel-GdB 10 für das Funktionssystem Rumpf) beträgt der Gesamt-GdB nicht mehr 40. Dabei war zu berücksichtigen, dass eine Überschneidung der Funktionsbeeinträchtigungen vorliegt sowie nach den VG, Teil A, Nr. 3, a, ee leichte, nur einen GdB von 10 bedingende Gesundheitsstörungen von Ausnahmefällen abgesehen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung führen und es auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 vielfach nicht gerechtfertigt ist, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen.

Die Berufung war nach alledem zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.