Ein obstruktives oder gemischtförmiges Schlaf-Apnoe-Syndrom mit Notwendigkeit einer kontinuierlichen nasalen Überdruckbeatmung bedingt einen GdB von 20. Ein höherer GdB kommt u.a. nur in Betracht, wenn eine nasale Überdruckbeatmung nicht durchführbar ist. Dabei kommt es für die Beurteilung der Therapieverträglichkeit nicht darauf an, ob der Betroffene aus seiner Sicht meint, die Maske nicht tragen zu können. Entscheidend ist die objektive Therapierbarkeit. Psychische Abnormitäten, wie Zwangs- oder Angstneurosen, können ggf. Berücksichtigung finden. Hier ist aber zu zu fordern, dass sich der Betroffene wegen der behaupteten psychischen Probleme beim Tragen der Atemmaske in psychiatrische Behandlung begeben hat.
Tatbestand
Umstritten ist die Höhe des Grades der Behinderung (GdB) wegen wesentlicher Änderung der Verhältnisse (§ 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB X -).
Mit Bescheid vom 23.06.1986 war bei dem 1943 geborenen Kläger zuletzt ein GdB von 30 festgestellt worden wegen der Behinderungen:
Mit Änderungsantrag von November 2000 machte der Kläger einen höheren GdB
geltend, den er damit begründete, dass sich sein Gesundheitszustand weiter
verschlechtert habe. Insbesondere seien verstärkt Wirbelsäulen- und
Gelenkbeschwerden aufgetreten; zudem habe er Magenprobleme.
Nach Auswertung beigezogener ärztlicher Unterlagen lehnte es der Beklagte mit
Bescheid vom 02.02.2001 ab, einen höheren GdB festzustellen, weil keine
wesentliche Änderung iSd § 48 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB)
eingetreten sei.
Zur Begründung des hiergegen erhobenen Widerspruchs machte der Kläger u.a. eine
zwischenzeitlich in der R.-Klinik E. festgestellte schwere Schlafapnoe geltend.
Hierdurch sei er am Tag oft müde und nicht voll einsatzfähig. Die Auswertung
eines von Prof. Dr. T., Chefarzt der Abteilung Pneumologie der R.-Klinik E.,
beigezogenen Arztbriefes vom 13.03.2001 ergab als weitere Behinderung eine
"Schlaf-Atemstörung" mit einem Einzel-GdB von 20 und einen Gesamt-GdB von
nunmehr 40. Dementsprechend erhöhte der Beklagte mit Bescheid vom 11.04.2001 den
GdB auf 40. Berücksichtigt wurden nunmehr die folgenden Behinderungen:
Im Übrigen wies er den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 27.07.2001 zurück.
Mit der hiergegen am 22.08.2002 eingelegten Klage hat der Kläger weiterhin begehrt, einen GdB von 50 festzustellen. Er hat die Auffassung vertreten, dass seine Behinderungen unzureichend bewertet worden seien. Insbesondere bedinge schon die Schlafapnoe einen GdB von 50, weil die notwendige nasale Überdruckbeatmung nicht durchführbar sei.
Das Sozialgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens des Dr.
S., Arzt für Innere Medizin, Lungen- und Bronchialheilkunde und Arbeitsmedizin,
vom 21.02.2002.
Der Sachverständige hat wegen eines Verschleißleidens der Wirbelsäule und eines
obstruktiven Schlaf-Apnoe-Syndroms mit Einzel-GdB von jeweils 20 einen GdB von
insgesamt 30 vorgeschlagen. Die weiteren Gesundheitsstörungen "Verschleißleiden
des rechten Handgelenkes, Fußfehlform, wiederkehrende Reizerscheinungen im
rechten Knie- und linken Sprunggelenk sowie Refluxkrankheit der Speiseröhre"
bedingten lediglich Einzel-GdB von jeweils 10 und seien nicht geeignet, den GdB
auf über 30 zu erhöhen.
Mit Urteil vom 18.04.2002 hat das Sozialgericht der Klage stattgegeben und den Beklagten verurteilt, ab November 2000 einen GdB von 50 festzustellen. Dabei ist es davon ausgegangen, dass entgegen der Bewertung des Dr. S. das Schlaf-Apnoe-Syndrom nach Nr. 26.8, S. 85 der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz" 1996 (AHP 1996) einen GdB von 50 bedinge, weil die notwendige nasale Überdruckbeatmung nicht durchführbar sei.
Gegen dieses ihm am 09.06.2002 zugestellte Urteil richtet sich die am 24.09.2003 eingelegte Berufung des Beklagten. Gestützt auf vorgelegte versorgungsärztliche Stellungnahmen der Dr. R. meint der Beklagte weiterhin, dass ein höherer GdB als 40 nicht gerechtfertigt sei. Insbesondere bedinge das Schlaf-Apnoe-Syndrom lediglich einen GdB von 20. Die Intoleranz der Atemmaske sei in der Person des Klägers begründet und rechtfertige nicht den nach den AHP nur für Ausnahmen vorgesehenen GdB von 50 bei nicht durchführbarer nasaler Überdruckbeatmung.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 18.04.2002 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Im Berufungsverfahren sind zunächst von der R.-Klinik E. Arztbriefe des Prof.
Dr. T. vom 13.03.2001 und vom 15.02.2001 sowie Befundberichte des Arztes für
Orthopädie Dr. B. vom 20.01.2003 und des HNO-Arztes Dr. H. vom 21.01.2003
beigezogen worden. Schließlich ist weiter Beweis erhoben worden durch Einholung
eines lungenfachärztlichen-schlafmedizinischen Gutachtens des Prof. Dr. T. vom
22.01.2004.
Der Sachverständige hat eine mittelschwere bis schwere obstruktive Schlafapnoe
mit Indikation zur CPAP-Therapie diagnostiziert und hierfür einen GdB von 30 bis
40 vorgeschlagen. Nach den subjektiven Aussagen des Klägers sei eine nasale
Überdruckbeatmung nicht möglich. Objektive Gründe hierfür seien nicht
feststellbar. Extreme Maskensitzprobleme (Maskenleckagen) oder Reizerscheinungen
der Gesichtshaut ließen sich nicht nachweisen.
Zur weiteren Sachverhaltsdarstellung und bezüglich des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist begründet.
Das angefochtene Urteil kann keinen Bestand haben. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts sind die angefochtenen Bescheide nicht zu beanstanden. Der Kläger kann nicht beanspruchen, dass bei ihm die Schwerbehinderteneigenschaft, also ein GdB von 50, festgestellt wird. Eine wesentliche Änderung der Verhältnisse iSd § 48 SGB X, die einen höheren GdB als 40 rechtfertigt, ist gegenüber Juli 1986 nicht nachgewiesen. Das danach neu aufgetretene Schlaf-Apnoe-Syndrom hat sicherlich zu einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes geführt. Diese Änderung bedingt auch unter Berücksichtigung der neben der Schlafapnoe noch vorhandenen weiteren Behinderungen jedoch keinen höheren GdB als den von dem Beklagten bereits festgestellten Gesamt-GdB 40.
Dies folgt zur Überzeugung des Senats aus den Sachverständigengutachten des
Dr. S. und des im Berufungsverfahren gehörten Prof. Dr. T. Unter Würdigung der
von den Sachverständigen erhobenen Befunde sind gegenüber den früheren
Feststellungen für die Bewertung der beim Kläger vorhandenen Beeinträchtigungen
der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft das Wirbelsäulenleiden und das neu
aufgetretene Schlaf-Apnoe-Syndrom für die Bewertung des GdB von Bedeutung. Das
daneben bestehende Verschleißleiden des rechten Handgelenkes, die Fußfehlform,
die wiederkehrenden Reizerscheinungen im rechten Knie- und linken Sprunggelenk
sowie die Refluxkrankheit der Speiseröhre wirken sich nicht auf den Gesamt-GdB
aus. Denn nach der auch den Senat überzeugenden Beurteilung des Dr. S. bedingen
diese weiteren Behinderungen, wie bereits vom Sozialgericht zutreffend
dargelegt, lediglich Einzel-GdB von 10. Die Wirbelsäulenschäden sind in
Anwendung der nach den AHP maßgeblichen Bewertungskriterien mit einem Einzel-GdB
von allenfalls 20 zu bewerten. Nach Nr. 26.18 S.140 AHP 1996 (S. 116 AHP 2004)
ist für Wirbelsäulenschäden mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in
einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende
Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende
und Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) ein GdB von 20 vorgesehen. Schäden mit
bereits eindeutigen mittelgradigen Auswirkungen i.S.d. AHP hat Dr. S. den
Befunden nach nicht festgestellt. Die funktionellen Auswirkungen im Bereich der
Brust-/Lendenwirbelsäule sind entsprechend der überzeugenden Beurteilung des
Sachverständigen als leicht- bis mittelgradig und im Bereich der Halswirbelsäule
als nur leichtgradig anzusehen. Da mehrere Wirbelsäulenabschnitte betroffen
sind, ist der von Dr. S. vorgeschlagene Einzel-GdB 20 vertretbar; wobei es sich
nach Ansicht des Gerichts eher um einen schwachen 20iger Wert handelt. Der im
Berufungsverfahren beigezogene Bericht des Arztes für Orthopädie Dr. B. zeigt
demgegenüber keine neuen Erkenntnisse auf und gibt keinen Anlass zu einer
anderen Beurteilung.
Das neu aufgetretene Schlaf-Apnoe-Syndrom ist ebenfalls (nur) mit einem
Einzel-GdB von 20 und nicht, wie vom Sozialgericht entgegen der Beurteilung des
Sachverständigen Dr. S. mit einem Einzel-GdB 50 zu berücksichtigen. Der hier
gerechtfertigte Einzel-GdB von 20 entspricht den maßgeblichen
Bewertungskriterien Ziffer 26.8, S. 85 AHP 1996 bzw. S. 70 AHP 2004, wonach ein
obstruktives oder gemischtförmiges Schlaf-Apnoe-Syndrom mit Notwendigkeit einer
kontinuierlichen nasalen Überdruckbeatmung einen GdB von 20 bedingt. Ein höherer
GdB als 20 - und zwar grundsätzlich von wenigstens 50 (die AHP sehen keine
Zwischenwerte vor) - ist nach den AHP nur dann gegeben, wenn eine nasale
Überdruckbeatmung nicht durchführbar ist. Das Sozialgericht hat seiner
Beurteilung vorschnell zugrunde gelegt, dass dies wegen der Mundleckagen nicht
durchführbar sei. Es hat auch nicht beachtet, dass der GdB 50 bei nicht
durchführbarer nasaler Überdruckbehandlung auch nur bei Vorliegen
schwerwiegender Folgeerscheinungen anzunehmen ist (Niederschrift über die Tagung
der Sektion "Versorgungsmedizin" des Ärztlichen Sachverständigenbeirats beim
Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung vom 25./26. November 1998).
Die Annahme, die Schlafapnoe sei mit einer CPAP-Maske nicht behandelbar, trifft schon nicht zu. Jedenfalls ist die Behauptung des Klägers nicht nachgewiesen und die Gründe, die der Kläger diesbezüglich anführt, sind auch nicht glaubhaft. Es kommt für die Beurteilung der Therapieverträglichkeit auch nicht darauf an, ob der Kläger aus seiner Sicht meint, die Maske nicht tragen zu können. Der Senat ist vielmehr davon überzeugt, dass die auftretenden Maskenleckagen einer Therapie der Schlafapnoe des Klägers mittels nasaler Überdruckbeatmung nicht entgegenstehen. Dies folgt aus den überzeugenden Ausführungen des im Berufungsverfahren gehörten Sachverständigen Prof. Dr. T., der eindeutig festgestellt hat, dass die Schlafapnoe trotz der Schwere des Befundes mit einer CPAP-Maske behandelbar sei. Hiernach waren nach Auswertung der Gerätedaten Maskenleckagen zwar nachweisbar, aber nicht in einem solchen Ausmaß, dass hierdurch die Effektivität der Therapie beeinträchtigt oder gar eine nasale Überdruckbeatmung unmöglich ist. Der Sachverständige, der den Kläger bereits im Februar/März 2001 über einen Zeitraum von 5 Wochen behandelt hatte, hat berichtet, dass der Kläger die Maske damals nur insgesamt an 7 Tagen mit einer Nutzungsdauer von 4 Stunden in zwei Nächten getragen, in den weiteren 5 Nächten den Therapieversuch jedoch nach bereits 2 Stunden abgebrochen hat. Er spricht dem Kläger insoweit auch eine Therapieakzeptanz und disziplinierte CPAP-Anwendung ab. Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung angeführt hat, er könne die Atemmaske darüber hinaus auch wegen psychischer Probleme nicht tragen, ist dieser Einwand für den Therapieabbruch nicht geeignet, die Nichtdurchführbarkeit einer nasalen Überdruckbeatmung nachzuweisen. Nach einer in der mündlichen Verhandlung besprochenen Auskunft des BMA vom 10.01.2000 ist für die Beurteilung des Misserfolgs einer Therapie nur der tatsächliche, über einen Zeitraum von 6 Monaten hinaus dauernde Zustand des Betroffenen zu beurteilen. Nur so lässt sich nach Ansicht des Senats feststellen, ob die CPAP-Maske objektiv unverträglich ist. Erkenntnisse über eine aussagekräftige Therapie liegen danach nicht vor. Im Übrigen liegen auch keine ärztlichen Befunde darüber vor, dass der Kläger unter psychischen Abnormitäten, wie beispielsweise Zwangs- oder Angstneurosen, leidet. Dies verdeutlicht auch die Einlassung des Klägers im Termin vor dem Senat, wonach er bislang noch nicht auf die Idee gekommen sei, sich wegen der behaupteten psychischen Probleme beim Tragen der Atemmaske in psychiatrische Behandlung zu begeben. Es scheint vielmehr so, dass dem Kläger eine ernst gemeinte Therapiebereitschaft fehlt, auch weil ihm die nasale Überdruckbeatmung unbequem und lästig ist. Schließlich begegnen die vom Kläger im Zusammenhang mit der Schlafapnoe gemachten Angaben Zweifeln und scheinen im Hinblick auf das Erreichen der angestrebten Schwerbehinderteneigenschaft eher ziel- und zweckgerichtet zu sein. So hat der Kläger, worauf auch Prof. Dr. T. hingewiesen hat, bei der stationären Aufnahme in der R.-Klinik am 07.02.2001 als Beschwerdesymptomatik lediglich eine Monotonieintoleranz angegeben und eine Tagesmüdigkeit oder eine Leistungseinbuße verneint. Bereits am 20.02.2001 hat er in seiner Widerspruchsbegründung vorgetragen, dass er wegen der Schlafapnoe am Tage oft müde und nicht voll einsatzfähig sei. Wie von Prof. Dr. T. dargelegt, ist aber die Entwicklung einer solchen Symptomatik in nur wenigen Tagen nicht möglich.
Entgegen dem Vorschlag von Prof. Dr. T. rechtfertigt die Schlafapnoe auch nicht einen Einzel-GdB von 30 bis 40. Der Senat vermag sich dieser Beurteilung schon angesichts der Bewertungsmaßstäbe der AHP nicht anzuschließen. Der GdB 20 für ein Schlaf-Apnoe-Syndrom mit der Notwendigkeit einer kontinuierlichen nasalen Überdruckbeatmung stellt zwar nur einen Anhaltswert dar, von dem der Gutachter im Einzelfall beim Vorliegen schwerwiegender Folgeerscheinungen begründet abweichen darf (Auskunft des BMA vom 10.01.2000). Schwerwiegende Folgeerscheinungen werden vom Sachverständigen jedoch nicht beschrieben. Sein Untersuchungsergebnis spricht gerade nicht für eine vermehrte Tagesschläfrigkeit und es hat sich auch keine pathologisch verkürzte Einschlafneigung nachweisen lassen. Eine Rückfrage beim Sachverständigen zur Erläuterung seines GdB Vorschlags hält der Senat nicht für erforderlich. Denn selbst wenn man mit Prof. Dr. T. für die Schlafapnoe einen Einzel-GdB von 30 bis 40 annimmt, bedingen die beim Kläger insgesamt nachweisbaren Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft jedenfalls keinen höheren Gesamt-GdB als 40. Unter Berücksichtigung der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit und ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander (vgl Nr. 19 AHP) vermag der für den Gesamt-GdB allein noch relevante schwache GdB von 20 für die Wirbelsäulenschäden auch einen GdB von 30 bis 40 für die Schlafapnoe jedenfalls nicht auf 50 zu erhöhen. Dies gilt auch für die mit einem Einzel-GdB 10 bewerteten Gesundheitsstörungen. Diese sind nicht geeignet, das Gesamtausmaß der Behinderung zu erhöhen (vgl. Nr. 19 Abs. 4 AHP 1996 und 2004).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG) als nicht gegeben angesehen.