Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der Rechtsanwaltsgebühren für ein Klageverfahren vor dem Sozialgericht Gotha (Az.: S 6 AS 6870/09) streitig. Dort begehrte die Klägerin - nicht bezifferte - höhere Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für Unterkunft und Heizung, Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung des Ehemanns und Anwendung der Rundungsregelung. Am 27. Mai 2011 verhandelte die 6. Kammer des Sozialgerichts von 9:46 bis 11:94 Uhr elf Verfahren der Klägerin und gewährte nach der Niederschrift der Klägerin in diesem Verfahren Prozesskostenhilfe (PKH) und ordnete Rechtsanwältin S. bei. Nachdem die Beklagte die Klage in Höhe von 6,14 Euro anerkannt hatte, nahm Rechtsanwältin S. das Anerkenntnis an und - nach richterlichem Hinweis zu den fehlenden Erfolgsaussichten - im Übrigen die Klage zurück.

In ihrer Kostenrechnung vom 6. Juni 2011 beantragten die Rechtsanwälte N. und S. die Festsetzung von 690,20 Euro: Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV-RVG 170,00 Euro Terminsgebühr Nr. 3106 VV-RVG 200,00 Euro Einigungsgebühr Nr. 1006 VV-RVG 190,00 Euro Post- und Telekommunikation Nr. 7002 VV-RVG 20,00 Euro Summe 580,00 Euro MWSt 110,20 Euro Gesamtsumme 690,20 Euro

Unter dem 28. Juni 2011 kürzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UKB) den Betrag auf 105,20 Euro (Verfahrensgebühr 57,00 Euro, Terminsgebühr 20,00 Euro, Post- und Telekommunikation 11,40 Euro, MWSt 16,80 Euro) und führte aus, die Bedeutung der Angelegenheit für die Klägerin sowie Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit seien deutlich unterdurchschnittlich gewesen. Wegen der Vielzahl gleichgelagerter Verfahren seien Synergieeffekte eingetreten.

Am 14. Juli 2011 hat der Beschwerdeführer Erinnerung eingelegt und u.a. ausgeführt, er könne die Reduzierung der Terminsgebühr nicht nachvollziehen, weil alle Verfahren am 27. Mai 2011 getrennt geladen und verhandelt wurden. Ein Synergieeffekt habe sich allenfalls bei der Anreise ergeben. Hinsichtlich der Einigungsgebühr werde auf den Beschluss des "Sozialgerichts Altenburg" vom 26. November 2008 (Az.: L 6 B 130/08 SF) verwiesen. Der Beschwerdegegner hat in seiner Erwiderung auf die Ausführungen der UKB verwiesen. Hinsichtlich der Einigungsgebühr sei ein gänzliches Versagen unbillig; in Betracht komme allerdings nur die Mindestgebühr.

Mit Beschluss vom 24. Februar 2012 hat das Sozialgericht die zu erstattenden Kosten auf 105,20 Euro festgesetzt. Zu Recht habe die UKB die Verfahrensgebühr in Höhe eines Drittels der Mittelgebühr festgesetzt. Der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit sei unterdurchschnittlich gewesen; zudem seien durch die zehn weiteren Verfahren Synergieeffekte eingetreten. Unterdurchschnittlich seien auch die Bedeutung der Angelegenheit für die Klägerin, die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit und die Vermögensverhältnisse. Eine Erledigungsgebühr sei nicht angefallen, weil ein besonderes Bemühen des Anwalts zur Erledigung nicht ersichtlich sei. Eine Einwirkung auf die Klägerin scheide zudem deshalb aus, weil diese zum Termin nicht erschienen war. Ausreichend sei angesichts des geringen Zeitaufwands im Termin der Ansatz der Terminsgebühr als Mindestgebühr.

Gegen den am 28. Februar 2012 zugestellten Beschluss hat der Beschwerdeführer am 13. März 2012 Beschwerde eingelegt und im Ergebnis seinen Vortrag im Erinnerungsverfahren wiederholt.

Der Beschwerdeführer beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Gotha vom 24. Februar 2012 aufzuheben und seine Gebühren auf 690,20 Euro festzusetzen.

Der Beschwerdegegner hat keinen Antrag gestellt und sich zur Sache nicht geäußert.

Unter dem 6. März 2012 hat die Rechtsanwältin W. geb. S. dem Beschwerdeführer ihre Vergütungsansprüche abgetreten. Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen (Verfügung vom 13. April 2012) und sie dem Thüringer Landessozialgericht vorgelegt.

 

II.

Die Beschwerde gegen die Festsetzung der Rechtsanwaltsgebühren ist nach §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 S. 1 RVG statthaft (ständige Senatsrechtsprechung, vgl. u.a. Beschlüsse vom 15. März 2011 - Az.: L 6 SF 975/10 B, 25 Oktober 2010 - Az.: L 6 SF 652/10 B, 26. Januar 2009 - Az.: L 6 B 256/08 SF) und zulässig. Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 200,00 Euro.

Die Beschwerde ist teilweise begründet.

Nach § 3 Abs. 1 S. 1 RVG entstehen in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen das Gerichtskostengesetz (GKG) nicht anzuwenden ist, Betragsrahmengebühren, die dem im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalt aus der Landeskasse zu erstatten sind (§ 45 Abs. 1 RVG). Die Klägerin, der hier PKH gewährt wurde, war kostenprivilegierte Beteiligte i.S.d. § 183 S. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Damit scheidet die Anwendung des GKG aus (§ 197a Abs. 1 S. 1 SGG). Die Höhe der Vergütung errechnet sich nach dem Vergütungsverzeichnis (VV) der Anlage 1 zum RVG. Die Höhe der Rahmengebühr bestimmt nach § 14 Abs. 1 RVG der Rechtsanwalt im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen (Satz 1); bei Rahmengebühren ist das Haftungsrisiko zu berücksichtigen (Satz 3). Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (Satz 4), wobei ihm nach allgemeiner Meinung ein Spielraum (sogenannte Toleranzgrenze) von 20 v.H. zusteht (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2009 - Az.: B 4 AS 21/09 R m.w.N., nach juris; ständige Senatsrechtsprechung, vgl. u.a. Beschlüsse vom 17. Dezember 2010 - Az.: L 6 SF 808/10 B, 26. November 2008 - Az.: L 6 B 130/08 SF, 19. Juni 2007 - Az.: L 6 B 80/07 SF, 14. März 2001 - Az.: L 6 B 3/01 SF; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage 2012, § 73a Rdnr. 13f.; Mayer in Gerold/Schmidt, RVG, 19. Auflage 2010, § 14 Rdnr. 12). Unbilligkeit liegt vor, wenn der Rechtsanwalt die Kriterien des § 14 Abs. 1 S. 1 RVG unter Beachtung des Beurteilungsspielraums objektiv nicht hinreichend beachtet (vgl. Senatsbeschluss vom 17. Dezember 2010 - Az.: L 6 SF 808/10 B); dann erfolgt eine Festsetzung nur in Höhe der angemessenen Gebühren.

Hier hat der Beschwerdeführer bei der Verfahrens-, Termins- und Erledigungsgebühr die Toleranzgrenze um mehr als 20 v.H. überschritten.

Im Ergebnis kommt eine höhere als die von der Vorinstanz zuerkannte Verfahrensgebühr (§ 2 Abs. 2 S. 1 RVG i.V.m. Nr. 3103 VV-RVG) in Höhe von 57,00 Euro nicht in Betracht. Beim Umfang der anwaltlichen Tätigkeit ist vor allem der zeitliche Aufwand im Verfahren (auch vor der Beiordnung, vgl. u.a. Senatsbeschlüsse vom 6. Juni 2011 - Az.: L 6 SF 159/11 B und 18. März 2011 - Az.: L 6 SF 1418/10 B) zu berücksichtigen, den der Rechtsanwalt im Vergleich mit den übrigen beim Sozialgericht anhängigen Verfahren (nicht eingeschränkt auf Verfahren nach dem SGB II) tatsächlich in der Sache betrieben hat und objektiv auf die Sache verwenden musste (vgl. Senatsbeschlüsse vom 18. August 2011 - Az.: L 6 SF 872/11 B und 18. März 2011 - Az.: L 6 SF 1418/10 B; Mayer in Gerold/Schmidt, RVG, 19. Auflage 2010, § 14 Rdnr 15). Mit vier Schriftsätzen lag die anwaltliche Tätigkeit noch unter dem Durchschnitt. Zu berücksichtigen ist zusätzlich, dass die Klagebegründung in großen Teilen identisch ist mit der anderer Verfahren, die ebenfalls am 27. Mai 2011 verhandelt wurden; in diesem Fall sind erhebliche Synergieeffekte zu berücksichtigen (vgl. Senatsbeschluss vom 5. Juli 2011 - Az.: L 6 SF 252/11 B). Die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit war deutlich unterdurchschnittlich. Zur Vollständigkeit wird darauf hingewiesen, dass - entgegen der Ansicht der UKB - an dieser Stelle Synergieeffekte durch ähnliche Verfahren nicht berücksichtigt werden können, denn die Fertigung gleichlautender Schriftsätze ändert nichts an der Schwierigkeit einer Tätigkeit (vgl. BSG, Beschluss vom 22. Februar 1993 - Az.: 14b/4 Reg 12/91 zur BRAGO, nach juris). Schwierig ist eine Tätigkeit, wenn erhebliche, im Normalfall nicht auftretende Probleme auf juristischem oder tatsächlichem Gebiet auftreten (vgl. BSG, Urteil vom 5. Mai 2010 - Az.: B 11 AL 14/09 R, nach juris); unerheblich ist, ob der Anwalt aufgrund seiner Erfahrung oder Fachkenntnisse das Mandat leichter als andere bewältigen kann (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2009 - Az.: B 4 AS 21/09 R, nach juris) oder woher er diese Erfahrung hat (z.B. aus Parallelverfahren). Die Bedeutung der Angelegenheit für die Klägerin war deutlich unterdurchschnittlich. Eine besondere Bedeutung kann nicht allein daraus hergeleitet werden, dass im Hauptsacheverfahren um Ansprüche nach dem SGB II und damit das soziokulturelle Existenzminimum gestritten wurde; wesentlich ist vielmehr die Höhe des dort geltend gemachten Anspruchs. Nachdem sie im Klageverfahren nicht beziffert wurde, scheidet eine durchschnittliche Bedeutung aus (vgl. Senatsbeschluss vom 18. März 2011 - Az.: L 6 SF 1418/10 B). Darauf hinzuweisen ist zudem, dass die Annahme des Anerkenntnisses in Höhe von 6,14 Euro deutlich die unterdurchschnittliche Bedeutung belegt. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Klägerin sind deutlich unterdurchschnittlich und können nicht kompensiert werden. Ein besonderes Haftungsrisiko ist nicht ersichtlich.

Keine Bedenken bestehen gegen die festgesetzte Terminsgebühr. Hier beträgt der Betragsrahmen nach § 2 Abs. 2 S. 1 RVG i.V.m. Nr. 3106 VV-RVG 20,00 bis 380,00 Euro. Der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit im Termin war nach der Niederschrift sehr gering und deren Schwierigkeit (Annahme eines Anerkenntnisses und Rücknahme der Klage nach einem deutlichen richterlichen Hinweis) unerheblich. Hinsichtlich der Bedeutung der Angelegenheit für die Klägerin, ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse und das Haftungsrisikos wird auf die Ausführungen zur Verfahrensgebühr verwiesen.

Der Beschwerdeführer hat allerdings Anspruch auf eine Erledigungsgebühr Nr. 1006 VV-RVG. Der Senat (nicht das Sozialgericht Altenburg) hat am 26. November 2008 - Az.: L 6 B 130/08 SF entschieden, dass die von der ganz herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur zu Recht geforderte qualifizierte anwaltliche Mitwirkung bei der Erledigung (vgl. u.a. BSG, Urteile vom 7. November 2006 - Az.: B 1 KR 22/06 R und Az.: B 1 KR 23/06; BFH, Beschluss vom 12. Februar 2007 - Az.: II B 140/06, alle nach juris; Müller-Rabe in Gerold-Schmidt, RVG, 19. Auflage 2010, VV 1002 Rdnr. 38 ff.) nicht nur vorliegt, wenn der Rechtsanwalt auf seinen Mandanten eingewirkt hat, sich mit dem Teilanerkenntnis zufrieden zu geben, sondern auch dann, wenn er in diesem Fall den Rechtsstreit auf Grund des eigenen Ermessensspielraums ohne Rücksprache mit dem Mandanten für erledigt erklärt. Auch dann liegt ein auf die Erledigung gerichtetes ursächliches Tätigwerden vor, das über die reine Begründung des Antrags hinausgeht und eine streitige Entscheidung des Sozialgerichts vermeidet. An dieser Rechtsprechung wird festgehalten. Dann ist es unerheblich, dass die Klägerin an der Sitzung des Sozialgerichts nicht teilgenommen hat. Hinsichtlich der Gebührenhöhe ist der Mindestgebühr (30,00 Euro) angemessen. Die Bedeutung der Angelegenheit war nach dem Teilanerkenntnis der Beklagten nur noch marginal, denn es ging nur noch um die angegriffene Rundungsregelung im Centbereich und den allerdings schon im Widerspruchsbescheid berücksichtigten Mehrbedarf für die kostenaufwändige Ernährung des Ehemanns. Gleiches gilt für den Umfang und die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit.

Zusätzlich zu erstatten sind die Pauschale für Post- und Telekommunikation und die MWSt.

Damit errechnen sich folgende Gebühren: Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV-RVG 57,00 Euro Terminsgebühr Nr. 3106 VV-RVG 20,00 Euro Erledigungsgebühr Nr. 1006 VV-RVG 30,00 Euro Post- und Telekommunikation Nr. 7002 VV-RVG 20,00 Euro Summe 127,00 Euro MWSt 24,13 Euro Gesamtsumme 151,13 Euro

Die Beschwerde ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 S 2 und 3 RVG).

Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt (§§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 4 S. 3 RVG).