Gründe:

I.

Streitig ist die Höhe der Rechtsanwaltsgebühren für ein Verfahren vor dem Sozialgericht (SG) Altenburg (Az.: S 36 AS 1910/14 ER).

Am 10. Juni 2014 beantragte der von der Beschwerdeführerin vertretene Antragsteller beim SG im Wege der einstweiligen Anordnung, die Antragsgegnerin (Stadt J., ) zu verpflichten, ihm für die Zeit vom 1. Mai bis 31. Oktober 2014 vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 688,70 Euro monatlich zu zahlen. Ihm seien im streitigen Zeitraum lediglich Leistungen in Höhe von 391,00 Euro bewilligt worden, allerdings keine Unterkunftskosten. Ein Anspruch auf Bewilligung der beantragten Leistungen sei überwiegend wahrscheinlich, denn er nutze die angemietete Wohnung tatsächlich. Ein Anordnungsgrund sei gegeben, denn ihm drohe eine fristlose Kündigung wegen Nichtzahlung der Miete für die Monate Mai und Juni 2014. Mit Schriftsatz vom 12. Juni 2014 erklärte sich die Antragsgegnerin bereit, ihm vorläufig Leistungen der Grundsicherung vom 1. Mai bis zunächst 31. Juli 2014 in Höhe von 670,50 Euro zu zahlen; sie trage die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu 75 v.H. Mit Beschluss vom 18. Juni 2014 bewilligte das SG dem Antragsteller Prozesskostenhilfe (PKH) und ordnete die Rechtsanwaltskanzlei Sch. & W. bei. Am 25. Juni 2014 erklärte die Beschwerdeführerin den Rechtsstreit für erledigt.

Unter dem 25. Juni 2014 beantragte sie die Festsetzung folgender Gebühren für das Antragsverfahren: Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV-RVG 300,00 Euro Terminsgebühr Nr. 3106 VV-RVG 280,00 Euro Erledigungsgebühr Nr. 1005 VV-RVG 300,00 Euro Post- und Telekommunikationsentgelt Nr. 7002 VV-RVG 20,00 Euro Zwischensumme 900,00 Euro USt 171,00 Euro Summe 1.071,00 Euro

Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UdG) setzte mit Kostenfestsetzungsbeschluss (richtig: Vergütungsfestsetzungsbeschluss) vom 24. Juli 2014 die der Beschwerdeführerin im Rahmen der PKH zustehende Vergütung auf 714,00 Euro fest (Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV-RVG 300,00 Euro, Terminsgebühr Nr. 3106 VV-RVG 280,00 Euro, Auslagen/Pauschale 20,00 Euro, Umsatzsteuer Nr. 7008 VV-RVG 114,00 Euro) fest. Eine Erledigungsgebühr nach Nr. 1006 VV-RVG stehe ihr nicht zu.

Hiergegen hat die Beschwerdeführerin Erinnerung eingelegt. Die Erledigungsgebühr sei vorliegend in Höhe von 300,00 Euro entstanden. Durch die Einwirkung auf den Antragsteller, das Teilanerkenntnis anzunehmen und den Rechtsstreit vollständig für erledigt zu erklären, liege eine qualifizierte anwaltliche Mitwirkung, die über die reine Begründung des Antrags hinausgehe und eine streitige Entscheidung des SG vermeide. Der Beschwerdegegner hat die Erledigungsgebühr in Höhe der doppelten Mindestgebühr für angemessen erachtet und Erinnerung gegen den Vergütungsfestsetzungsbeschluss vom 24. Juli 2014 insoweit eingelegt, als eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV-RVG in Höhe von 300,00 Euro erstattet werden solle. Nach Vorbemerkung 3 Abs. 4 Satz 3 VV-RVG sei auf die Verfahrensgebühr eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2302 VV-RVG in Höhe von 150,00 Euro (1/2 von 300,00 Euro) anzurechnen, weil die Beschwerdeführerin den Antragsteller auch im Widerspruchsverfahren vertreten habe und der Verfahrensgegenstand des Widerspruchsverfahrens und des Verfahrens auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hinsichtlich des Leistungsanspruchs Mai bis Oktober 2014 derselbe sei. Die Anrechnung der Geschäftsgebühr sei im Eilverfahren grundsätzlich nicht ausgeschlossen. Beanstandet werde weiterhin die Berücksichtigung einer fiktiven Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV-RVG in Höhe von 280,00 Euro. Sie sei nicht entstanden, weil die Voraussetzungen der Ziffern 1. bis 3. zu Nr. 3106 VV-RVG nicht erfüllt seien. Im Verfahren nach § 86b des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) sei eine mündliche Verhandlung nicht vorgeschrieben.

Mit Beschluss vom 5. Juni 2015 hat das SG die aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung nach § 55 Abs. 1 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) auf 559,30 Euro festgesetzt (Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV-RVG 300,00 Euro, Erledigungsgebühr Nr. 1005 VV-RVG 150,00 Euro, Post- und Telekommunikationspauschale nach Nr. 7002 VV-RVG 20,00 Euro, Umsatzsteuer 89,30 Euro) und sinngemäß die weitergehende Erinnerung der Beschwerdeführerin und die Erinnerung des Beschwerdegegners zurückgewiesen.

Gegen den am 7. Juli 2015 zugestellten Beschluss hat die Beschwerdeführerin am 15. Juli 2015 Beschwerde eingelegt und die Festsetzung der aus der Staatskasse zu erstattenden Vergütung unter Berücksichtigung einer Erledigungsgebühr in Höhe von 300,00 Euro begehrt. Diese sei an die Verfahrensgebühr gekoppelt und nicht eigenständig nach den Kriterien des § 14 RVG zu prüfen. Die Mittelgebühr sei nicht unbillig. Der kürzeren Verfahrensdauer stünden in der Regel die getrennte Bearbeitung und die Dringlichkeit gegenüber, sodass insoweit eine Kompensation stattfinde. Überdies stelle ein Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz eine besondere Herausforderung der anwaltlichen Tätigkeit dar: Die Eilbedürftigkeit müsse konkret belegt werden; zudem habe die Angelegenheit besondere Bedeutung für den Antragsteller, da er auf eine schnelle gerichtliche Entscheidung angewiesen sei. Synergieeffekte seien seit der Kostenrechtsmodernisierung aufgrund der nunmehr vorzunehmenden Anrechnung der Gebühren nicht mehr zu berücksichtigen. Ebenso sei eine Terminsgebühr festzusetzen. Die Klarstellung in Vorbemerkung 3 Abs. 3 VV-RVG sei dahingehend zu verstehen, dass sie unabhängig davon entstehe, ob im gerichtlichen Verfahren eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben sei.

Der Beschwerdegegner vertritt die Ansicht, eine Terminsgebühr sei nicht und die Erledigungsgebühr nicht in Höhe der Verfahrensgebühr festzusetzen. Das Verfahren habe aufgrund eines Teilanerkenntnisses geendet, mithin habe die qualifizierte anwaltliche Mitwirkung an der Erledigung des Rechtsstreits nur einen Teil der Angelegenheit betroffen. Nach Anmerkung 2 zu Nr. 1006 VV-RVG sei dann der auf den erledigten Teil der Angelegenheit entfallende Anteil an der Verfahrensgebühr unter Berücksichtigung der in § 14 Abs. 1 RVG genannten Umstände zu schätzen. Allein die überdurchschnittliche Bedeutung der Sache rechtfertige die Festsetzung in Höhe der hälftigen Verfahrensgebühr. Zugleich hat der Beschwerdegegner Anschlussbeschwerde eingelegt soweit die Geschäftsgebühr nicht zur Hälfte auf die Verfahrensgebühr angerechnet wurde. Eine Anrechnung sei auch dann vorzunehmen, wenn das Hauptsacheverfahren entbehrlich und im ER-Verfahren mithin die Hauptsache - wie hier - vorweggenommen werde. Für den Fall, dass eine Anrechnung der hälftigen Geschäftsgebühr nicht stattfinde, seien zumindest Synergieeffekte aufgrund der Befassung im Widerspruchsverfahren zu berücksichtigen, welche Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit im ER-Verfahren kompensiere. Eine Kürzung der Verfahrensgebühr auf 2/3 der Mittelgebühr (200,00 Euro) sei angezeigt. Die Erledigungsgebühr Nr. 1006, 1002 VV-RVG betrage die Hälfte der Verfahrensgebühr und damit lediglich 100,00 Euro. Der Vergütungsanspruch betrage 380,80 Euro. Hiergegen hat die Beschwerdeführerin eingewandt, eine Teilerledigung sei nicht erfolgt. Selbst wenn hiervon auszugehen sei, seien 75 v.H. erledigt, sodass die Erledigungsgebühr auch diesem Anteil entsprechen müsse. Sie habe eine Geschäftsgebühr in Höhe von 300,00 Euro erhalten.

Das SG hat der Beschwerde der Beschwerdeführerin nicht abgeholfen (Verfügung vom 16. Juli 2015) und die Akten dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

Mit Beschluss vom 14. März 2017 hat die Berichterstatterin des Senats das Verfahren nach §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 8 Satz 2 RVG auf den Senat übertragen.

 

II.

Zuständig für die Entscheidung ist nach dem aktuellen Geschäftsverteilungsplan des Thüringer Landessozialgerichts der 6. Senat.

Anzuwenden ist das RVG in der Fassung ab 1. August 2013 (n.F.), denn die Bestellung und Beiordnung der Beschwerdeführerin sind nach diesem Zeitpunkt erfolgt (§ 60 Abs. 1 S 1 RVG). Die Beschwerde ist nach §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 S. 1 RVG statthaft (ständige Senatsrechtsprechung, vgl. u.a. Beschluss vom 15. März 2011 - L 6 SF 975/10 B) und zulässig. Der Beschwerdewert übersteigt 200,00 Euro. Die Anschlussbeschwerde des Beschwerdegegners ist ebenfalls statthaft. Zur Vollständigkeit wird darauf hingewiesen, dass die Rechtsmittelbelehrung im angegriffenen Beschluss, wonach die Beschwerde binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Beschlusses einzulegen ist, fehlerhaft ist. Tatsächlich muss sie nach § 56 Abs. 2 RVG i.V.m. § 33 Abs. 3 RVG aber innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung der Entscheidung eingelegt werden.

Nach § 3 Abs. 1 S. 1 RVG entstehen in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen das Gerichtskostengesetz (GKG) nicht anzuwenden ist, Betragsrahmengebühren, die dem im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalt aus der Landeskasse zu erstatten sind (§ 45 Abs. 1 RVG). Der Antragsteller war kostenprivilegierter Beteiligter i.S.d. § 183 S. 1 SGG; damit scheidet die Anwendung des GKG aus (§ 197a Abs. 1 S. 1 SGG).

Die Anschlussbeschwerde des Beschwerdegegners ist im tenorierten Umfang begründet, die Beschwerde der Beschwerdeführerin im Ergebnis unbegründet.

Die Höhe der Vergütung errechnet sich nach dem Vergütungsverzeichnis (VV) der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG. Die Höhe der Rahmengebühr bestimmt nach § 14 Abs. 1 RVG der Rechtsanwalt im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen (Satz 1); bei Rahmengebühren ist das Haftungsrisiko zu berücksichtigen (Satz 3). Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (Satz 4), wobei ihm ein Spielraum (sogenannte Toleranzgrenze) von 20 v.H. zusteht (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2009 - B 4 AS 21/09 R m.w.N., nach juris; ständige Senatsrechtsprechung, vgl. u.a. Beschlüsse vom 19. März 2012 - L 6 SF 1983/11 B und 17. Dezember 2010 - L 6 SF 808/10 B; Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, § 73a Rn. 14 f.; Mayer in Gerold/Schmidt, RVG, 22. Auflage 2015, § 14 Rn. 12). Unbilligkeit liegt vor, wenn der Rechtsanwalt die Kriterien des § 14 Abs. 1 S. 1 RVG unter Beachtung des Beurteilungsspielraums objektiv nicht hinreichend beachtet (vgl. Senatsbeschluss vom 17. Dezember 2010 - L 6 SF 808/10 B); dann erfolgt eine Festsetzung - wie hier - nur in Höhe der angemessenen Gebühren.

Die beantragte Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV-RVG in Höhe der Mittelgebühr (300,00 Euro) war unbillig; angemessen war nur eine Gebühr in Höhe von 225,00 Euro (3/4 der Mittelgebühr). Der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit war im Vergleich mit den übrigen beim Sozialgericht anhängigen Verfahren (nicht eingeschränkt auf Verfahren nach dem SGB II) unter dem Durchschnitt. Zu berücksichtigen ist vor allem der zeitliche Aufwand im Verfahren, den der Rechtsanwalt für die Sache tatsächlich betrieben hat und objektiv verwenden musste (vgl. Senatsbeschlüsse vom 18. August 2011 - Az.: L 6 SF 872/11 B und 18. März 2011 - Az.: L 6 SF 1418/10 B). Die Beschwerdeführerin fertigte einen Schriftsatz, schilderte dort den Sachverhalt und nahm dann zu den Rechtsfragen (Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund) auf ca. zweieinhalb Seiten Stellung. Darüber hinaus nahm sie in zwei kurzen Schriftsätzen das Teilanerkenntnis an und erklärte die Erledigung. Die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit war noch durchschnittlich. Die Bedeutung der Angelegenheit war für den Antragsteller überdurchschnittlich, denn er begehrte weitere Leistungen in Höhe von 297,70 Euro monatlich für den Zeitraum vom 1. Mai bis 31. Oktober 2014. Seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse sind unterdurchschnittlich und kompensieren die überdurchschnittliche Bedeutung der Angelegenheit. Ein besonderes Haftungsrisiko ist nicht ersichtlich. Die Geschäftsgebühr Nr. 2302 VV-RVG in Höhe von 300,00 Euro ist auf die Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV-RVG anzurechnen. Nach der Vorbemerkung 3 Abs. 4 wird sie zur Hälfte, soweit wegen desselben Gegenstands eine Geschäftsgebühr nach Teil 2 entsteht, auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens angerechnet; bei Betragsrahmengebühren beträgt der Anrechnungsbetrag höchstens 175,00 Euro. Sind mehrere Gebühren entstanden, ist für die Anrechnung die zuletzt entstandene Gebühr maßgebend. Bei einer Beitragsrahmengebühr ist nicht zu berücksichtigen, dass der Umfang der Tätigkeit im gerichtlichen Verfahren infolge der vorangegangenen Tätigkeit geringer ist. Anrechnungsvorschriften sollen verhindern, dass die gleiche - oder annähernd gleiche - Tätigkeit zweimal honoriert wird, wenn sie hinsichtlich unterschiedlicher Angelegenheiten anfällt, z.B. zunächst außergerichtlich und später gerichtlich (vgl. Müller- Rabe in Gerold/Schmidt, RVG, 22. Auflage 2015 unter Hinweis auf die Motive zum 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz (2. KostRMoG) vom 23. Juli 2013 in Bundesdrucksache (BT-Drs.) 17/11471, Seite 274, Seite 273). Der Senat sieht keinen Anlass aufgrund der Änderungen des RVG durch das 2. KostRMoG von seiner bisherigen ständigen Rechtsprechung zur Frage der Berücksichtigung einer im Vorverfahren verdienten Geschäftsgebühr bei der Festsetzung der Verfahrensgebühr in einem inhaltlich damit zusammenhängenden gerichtlichen Eilverfahren abzurücken und schließt sich damit der Rechtsprechung des Hessischen LSG im Beschluss vom 31. Mai 2016 - L 2 AS 603/15 B (nach juris) an. Mit Beschluss vom 6. Juni 2011 (Az.: L 6 SF 159/11 B) hatte der erkennende Senat entschieden, dass Nr. 3103 VV-RVG (in der bis zum 31. Juli 2013 gültigen Fassung (a. F.)) auch für Gebühren eines Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes nach § 86b SGG Anwendung findet. Während durch die Nrn. 3102 bzw. 3103 VV-RVG a.F. eine indirekte Anrechnung der vorherigen anwaltlichen Tätigkeit aufgrund des geringeren Gebührenrahmens der Nr. 3103 VV-RVG erfolgte, hat das 2. KostRMoG eine direkte Abrechnung eingeführt, wonach ein Teil der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr anzurechnen ist. Der Zweck der Regelung ist allerdings gleich geblieben. Mit der Vorbemerkung 3 Abs. 4 Satz 3 soll klargestellt werden, dass der durch die vorangegangene Tätigkeit ersparte Aufwand ausschließlich durch die nunmehr vorgeschriebene Anrechnung berücksichtigt werden soll und nicht nochmals bei der konkreten Bestimmung der Gebühr für das nachfolgende Verfahren (vgl. BT-Drs. 17/11471, Seite 273). Insoweit wird deutlich, dass es bei der Anrechnung weniger um dogmatische Überlegungen zum exakten Inhalt des (Streit-)Gegenstandsbegriffs geht (vgl. Hessisches LSG, Beschluss vom 31. Mai 2016 - L 2 AS 603/15 B, nach juris). Mit der für die Sozialgerichtsbarkeit neu eingeführten Anrechnung wird vielmehr der gleiche Zweck verfolgt - die Berücksichtigung des ersparten Arbeitsaufwandes - wie mit der vorherigen abgesenkten Rahmengebühr aus Nr. 3103 VV-RVG a.F. Dementsprechend geht z.B. Hartmann (Kostengesetze, 45. Aufl. 2015, VV 3100 Rn. 56 Stichwort "Eilverfahren") von einem weiten Verständnis des Begriffs "derselbe Gegenstand" in Absatz 4 der Vorbemerkung 3 VV-RVG aus. Mit Blick auf den Regelungskontext steht tatsächlich nicht der rechtlich-dogmatische, sondern der inhaltliche Zusammenhang der jeweiligen Verfahren im Vordergrund, der zu der Arbeitsersparnis führt, die durch die Regelung berücksichtigt werden soll (vgl. Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt, RVG, 22. Auflage 2015, Anh. II, Rn. 133 und 135).

Synergieeffekte bestehen auch im Verhältnis von Vorverfahren und gerichtlichem Eilverfahren, wenn im gerichtlichen Eilverfahren der Anspruch vorläufig durchgesetzt oder ein Eingriff in die Rechtsposition vorläufig abgewendet werden soll. Sowohl im Widerspruchs- als auch im vorläufigen Rechtsschutzverfahren - hier beim Anordnungsanspruch - muss die Rechtswidrigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes vorgetragen werden. Nachdem sowohl im Rahmen von § 86b Abs. 1 als auch von §86b Abs. 2 SGG Überlegungen zu den Erfolgsaussichten in der Hauptsache regelmäßig von erheblichem Gewicht sind (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 12. Auflage 2017, § 86b Rn. 12f. bzw. 12i für die Abwägungsentscheidung nach § 86b Abs. 1 SGG und Rn. 27 und 29 für die einstweilige Anordnung nach § 86b Abs. 2 SGG), hat die im Widerspruchsverfahren zu entwickelnde Begründung regelmäßig einen weiten Überschneidungsbereich mit der im gerichtlichen Eilverfahren. Dies zeigt sich auch hier. Die Begründung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 23. April 2014 weist erhebliche Ähnlichkeiten mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auf. Soweit im einstweiligen Rechtsschutzverfahren im Hinblick auf den Anordnungsgrund (§ 86b Abs. 2 SGG) bzw. die Interessenabwägung (§ 86b Abs. 1 SGG) auch andere Fragen eine Rolle spielen, begründet dies keine nachhaltige Zweifel daran, dass im Verhältnis eines Vorverfahrens und eines inhaltlich zusammenhängenden gerichtlichen Eilverfahrens typischerweise Synergieeffekte auftreten, die die Anwendung von Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV-RVG rechtfertigen (vgl. Hessisches LSG, Beschluss vom 31. Mai 2016, a.a.O.).

Das SG hat zutreffend den Anfall einer Terminsgebühr nach Nr. 3106 Nr. 3 VV-RVG verneint. Diese Vorschrift ist in Verfahren nach § 86b SGG nicht anwendbar (vgl. Senatsbeschluss vom 13. Januar 2017 - Az.: L 6 SF 1616/15 B m.w.N., nach juris). Sie entsteht nach Vorbemerkung 3 Abs. 3 S. 2 VV-RVG für außergerichtliche Termine und Besprechungen u.a. für die Mitwirkung an Besprechungen, die auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichtet sind, unabhängig davon, ob die Durchführung einer mündlichen Verhandlung im Verfahren (§ 124 SGG) vorgeschrieben ist, nicht aber für Besprechungen mit dem Auftraggeber (Nr. 2). Im Gegensatz zur bisherigen Rechtslage kann also eine Besprechungsgebühr auch in Verfahren nach § 86b SGG anfallen (BT-Drs. 17/11471 S. 275). Die Durchführung einer entsprechenden Besprechung hat die Beschwerdeführerin aber nicht vorgetragen und ist nicht ersichtlich.

Die Erledigungsgebühr Nrn. 1005, 1006 VV-RVG ist zwischen den Beteiligten nicht mehr streitig. Es besteht auch kein Anhalt dafür, dass sie nicht zu berücksichtigen wäre. Sie ist in Höhe der Verfahrensgebühr in Höhe von 225,00 Euro festzusetzen. Die Beschwerdeführerin hat den zu Grunde liegenden Rechtsstreit nach dem Teilanerkenntnis des Antragsgegners mit Schriftsatz vom 24. Juni 2014 insgesamt für erledigt erklärt. Die Einigung oder Erledigung betrifft also nicht nur einen Teil der Angelegenheit, wie es in der Anmerkung (2) zu Nr. 1006 VV-RVG heißt, sondern die ganze Angelegenheit.

Zu vergüten sind weiter die zwischen den Beteiligten nicht streitige Pauschale Nr. 7002 VV-RVG und die Umsatzsteuer Nr. 7008 VV-RVG. Damit errechnet sich die aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung wie folgt: Verfahrensgebühr Nr. 3102 i.V.m. 1008 VV-RVG 225,00 Euro Anrechnung Geschäftsgebühr Vorbemerkung 3 Abs. 4 - 150,00 Euro Erledigungsgebühr nach Nr. 1006, 1005 VV-RVG 225,00 Euro Post- und Telekommunikationsentgelt Nr. 7002 VV-RVG 20,00 Euro Zwischensumme 320,00 Euro USt 60,80 Euro Summe 388,80 Euro

Die Beschwerde ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 S 2 und 3 RVG). Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt (§§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 4 S. 3 RVG).