LSG B-W - L 6 VS 880/05 - Urteil vom 16.03.2006
Der mit dem Wehrdienst zusammenhängende Weg des Soldaten nach und von der Dienststelle ist versorgungsrechtlich schützt. Das gilt nicht, wenn der Soldat bei einem vorsätzlichen Verkehrsverstoß zu Schaden kommt. Der versorgungsrechtliche Schutz entfällt aber nicht, wenn der Schaden infolge einer im Straßenverkehr alltäglichen fahrlässigen Verhaltensweise eintritt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin am 14.03.2001 eine
Wehrdienstbeschädigung (WDB) erlitten und deshalb Anspruch auf Ausgleich und die
Erstattung von Sachschäden und besonderen Aufwendungen hat.
Die 1979 geborene Klägerin ist seit ....... 1998 Soldatin auf Zeit. Ursprünglich
sollte ihre Dienstzeit am ........ 2002 enden, zwischenzeitlich hat sie sich
jedoch für weitere vier Jahre verpflichtet, sodass das voraussichtliche Ende
ihrer Dienstzeit der ....... 2006 ist. Am 14.03.2001 verursachte die Klägerin
gegen 15:20 Uhr einen Verkehrsunfall. Sie fuhr auf der Gemarkung A. über die K
1029 aus Richtung B. in Richtung der B 28, als sie an einer Stopp-Stelle ohne
anzuhalten in die B 28 einfuhr und mit einem Fahrzeug, das von rechts kam,
zusammenstieß. Die Klägerin zog sich dabei eine Schädelprellung rechts, eine
Wadenbeinprellung rechts sowie eine Daumenprellung links zu (Brief des
Kreiskrankenhauses C. vom 14.03.2001). An ihrem Fahrzeug, einem VW-Golf, den sie
etwa 1 Jahr zuvor für 9.000,- DM gekauft hatte, entstand Totalschaden. Die
Klägerin hatte am Unfalltag gegen 05:00 Uhr morgens ihren Dienst angetreten. Sie
hatte zunächst einen Soldaten in D. abzuholen und zum Flugplatz E. zu fahren und
anschließend den Oberfeldarzt Dr. F. von der Sanitätsakademie in G. abzuholen
und zurück nach H. zu bringen. Insgesamt hatte die Klägerin eine dienstliche
Fahrstrecke von 829 km am Unfalltag zu bewältigen. Nach ihrer Rückkehr nach H.
fuhr die Klägerin, die sog. "Heimschläferin" war, nach Hause. Angaben dazu,
warum sie die Stoppstelle überfahren hatte, konnte die Klägerin nicht machen.
Die vom Beklagten beigezogene Akte der Staatsanwaltschaft J. (Aktenzeichen 3253
VRs 70 Js 22045/01) enthält die Niederschrift über die Vernehmung des Zeugen I.
vom 14.03.2001, bei der dieser angab, er habe gesehen, wie die Klägerin an die
Kreuzung herangefahren sei und ohne anzuhalten die Stoppstelle überfahren habe.
Die Klägerin gab in einem unter dem 23.05.2001 ausgefüllten Fragebogen
"Unaufmerksamkeit" als mögliche Unfallursache an. Gegenüber der
Staatsanwaltschaft äußerte sie sich dahingehend, dass ihre Erinnerung an den
Unfall ca. 150 m im Bereich einer dort befindlichen Kurve ausgesetzt und erst
nach dem Unfall wieder bruchstückhaft vorhanden sei. Möglicherweise habe für ihr
Verhalten jedoch eine Rolle gespielt, dass sie einen vollen Arbeitstag hinter
sich und berufsbedingt eine erhebliche Fahrstrecke zurückgelegt habe. Mit
Strafbefehl des Amtsgerichts K. vom 30.05.2001 (rechtskräftig seit 16.06.2001)
wurde die Klägerin wegen eines Vergehens der fahrlässigen Gefährdung des
Straßenverkehrs gem. § 315 c Abs. 1 Nr. 2 a, Abs. 3 Nr. 2 Strafgesetzbuch (StGB)
und eines Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung gem. §§ 229, 230 StGB zu
einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen á 50 DM verurteilt. Die Fahrerlaubnis wurde
ihr entzogen. Die Verwaltungsbehörde wurde angewiesen, ihr vor Ablauf von 6
Monaten keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen. Nachdem sich die Klägerin mit
Schreiben vom 11.12.2001 an den Wehrbeauftragten gewandt hatte, holte die
Beklagte von OFA Dr. F. die Stellungnahme vom 16.05.2002 und von Oberstleutnant
L. vom Sanitätskommando IV die Stellungnahme vom 12.06.2002 ein. Mit Bescheid
vom 12.09.2002 lehnte die Beklagte die Gewährung von Ausgleich nach § 85
Soldatenversorgungsgesetz (SVG) und Sachschadenerstattung nach § 86 SVG ab. Die
bei der Klägerin durch den Unfall am 14.03.2001 eingetretenen
Gesundheitsstörungen seien nicht Folge einer WDB im Sinne des § 81 SVG. Die
Klägerin habe den Unfall grob verkehrswidrig und rücksichtslos verursacht, indem
sie unter Missachtung eines Stoppschildes ohne anzuhalten nahezu ungebremst in
die B 28 eingefahren sei. Damit seien nicht die versorgungsrechtlich geschützten
allgemeinen Gefahren des Straßenverkehrs, sondern das eigene grob
verkehrswidrige und rücksichtslose Verhalten wesentliche Bedingung für den
Unfall gewesen. Den "Widerspruch" der Klägerin wies der Beklagte mit
Beschwerdebescheid vom 15.01.2003 zurück.
Dagegen erhob die Klägerin am 06.02.2003 Klage vor dem Sozialgericht Reutlingen
(SG). Sie machte geltend, die von ihr begangene fahrlässige
Straßenverkehrsgefährdung habe den versorgungsrechtlichen Schutz auf ihrer
Heimfahrt vom Dienst nicht beseitigen können. Dies gelte insbesondere auch, wenn
man die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum Bereich der gesetzlichen
Unfallversicherung heranziehe. So habe das BSG in einer Entscheidung vom
04.06.2002 entschieden, dass auch bei Vorliegen einer vorsätzlichen
Straßenverkehrsgefährdung der Versicherungsschutz nicht entfalle.
Mit Urteil vom 02.02.2004 hob das SG die angefochtenen Bescheide auf und stellte
fest, dass der Zustand nach Schädelprellung, Wadenprellung rechts,
Daumenprellung links Folge einer Wehrdienstbeschädigung im Sinne des § 81 SVG
sei und verpflichtete die Beklagte, über den Antrag der Klägerin auf Erstattung
von Sachschäden unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu
entscheiden. Die Klägerin habe am 14.03.2001 einen Dienstunfall erlitten. Seine
Entscheidung begründete es u. a. damit, dass sich nicht überzeugend darstellen
lasse, dass ein Soldat als Verkehrsteilnehmer einen geringeren
versorgungsrechtlichen Schutz genieße, als ein gegen das Risiko des
Arbeitsunfalls Versicherter, so lange nicht eine "betriebsfremde
Handlungstendenz" in Betracht gezogen werden müsse und erwiesen sei. Dies sei
bei der Klägerin nicht der Fall. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung
wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.
Gegen das ihr am 09.03.2004 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 19.03.2004
Berufung eingelegt, die zunächst unter dem Aktenzeichen L 8 VS 1149/04 geführt
wurde. Im Hinblick auf ein beim Bundessozialgericht anhängiges
Revisionsverfahren, dessen Ausgang abgewartet werden sollte, ist mit Beschluss
vom 19.04.2004 das Ruhen des Verfahrens angeordnet worden.
Nach Ergehen der Entscheidung des BSG vom 16.12.2004 (B 9 VS 1/04 R), mit der
das BSG entschieden hat, dass durch ein gefahrerhöhendes, als vorsätzliches
Vergehen strafbares Verhalten der Versorgungsschutz eines Soldaten auf dem
Heimweg von der Kaserne unterbrochen wird, hat die Klägerin am 24.02.2005 das
Verfahren wieder angerufen. Sie vertritt die Auffassung, dass die Entscheidung
des BSG auf ihren Fall keine Anwendung finden könne, da bei ihr gerade keine
vorsätzliche Gefährdung des Straßenverkehrs vorliege.
Die Beklagte ist der Auffassung, dass auch unter Berücksichtigung der neuen
Entscheidung des BSG ihre ablehnende Entscheidung zutreffend gewesen sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 02.02.2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Der Senat hat das Land Baden-Württemberg mit Beschluss vom 09.02.2006 zum
Rechtsstreit beigeladen. Der Beigeladene hat sich der Argumentation und
Antragstellung der Beklagten/Berufungsklägerin in vollem Umfang angeschlossen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der
Beteiligten wird auf die Akten des SG und des Senats sowie die Verwaltungsakten
der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die form und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig.
Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht
vor.
Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das SG hat zu Recht festgestellt, dass der
Zustand nach Schädelprellung, Wadenprellung rechts und Daumenprellung links
Folge einer Wehrdienstbeschädigung im Sinne des § 81 SVG ist und es hat die
Beklagte auch zu Recht verpflichtet, über den Antrag auf Erstattung von
Sachschäden unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu
entscheiden. Denn die Klägerin war bei dem Verkehrsunfall am 14.03.2001
versorgungsrechtlich geschützt.
Eine Wehrdienstbeschädigung ist eine gesundheitliche Schädigung, die durch eine
Wehrdienstverrichtung, durch einen während der Ausübung des Wehrdienstes
erlittenen Unfall oder durch die dem Wehrdienst eigentümlichen Verhältnisse
herbeigeführt worden ist ( § 81 Abs. 1 SVG ). Als Wehrdienst gilt auch das
Zurücklegen des mit dem Wehrdienst zusammenhängenden Weges nach und von der
Dienststelle (§ 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 SVG ). Auf einem solchen
versorgungsrechtlich geschützten Weg hat sich die Klägerin zum Unfallzeitpunkt
befunden.
Das Zurücklegen eines Weges hängt mit dem Wehrdienst zusammen, wenn zwischen
beidem ein innerer Zusammenhang besteht (ständige Rechtsprechung, zuletzt BSGE
88, 247 , 248 = SozR 3-3200 § 81 Nr. 19 mwN; ebenso zum Unfallversicherungsrecht
der 2. Senat des BSG: SozR 3-2200 § 550 Nr. 21 und SozR 3-2700 § 8 Nr. 10). Bei
der Feststellung dieses inneren Zusammenhangs geht es um die Ermittlung der
Grenze, bis zu welcher der Versorgungsschutz in der Soldatenversorgung reicht.
Es ist wertend zu entscheiden, ob das Handeln des Soldaten noch zum "Zurücklegen
des mit dem Wehrdienst zusammenhängenden Weges" gehört, ob beides so aufeinander
bezogen ist, dass es sachlich zusammenzufassen ist. Entscheidend ist, ob der
eingetretene Schaden dem Soldaten persönlich - also dessen privater Sphäre -
oder seinem Dienstherrn - also der dienstlichen Sphäre - zuzurechnen ist (BSGE
88, 247 , 248 = SozR 3-3200 § 81 Nr. 19 mwN).
Der innere Zusammenhang zwischen der primär geschützten Tätigkeit (Wehrdienst)
und dem Zurücklegen des Weges setzt voraus, dass der Weg wesentlich dazu dient,
den Ort der Tätigkeit oder nach Beendigung der Tätigkeit die eigene Wohnung oder
einen anderen Endpunkt des Weges von dem Ort der Tätigkeit zu erreichen.
Maßgebend ist dabei die Handlungstendenz des Versicherten/Soldaten, so wie sie
insbesondere durch die objektiven Umstände des Einzelfalls bestätigt wird. Fehlt
es an einem solchen inneren Zusammenhang, scheidet ein
Versicherungs-/Versorgungsschutz selbst dann aus, wenn sich der Unfall auf
derselben Strecke ereignet, die der Versicherte/Soldat auf dem Weg nach oder von
dem Ort der Tätigkeit gewöhnlich benutzt (BSG SozR 3-2200 § 550 Nr. 14).
In seiner Entscheidung vom 16.12.2004 (B 9 VS 1/04 R = BSGE 94, 133 = SozR
4-3200 § 81 Nr. 2), in der es um den versorgungsrechtlichen Schutz eines
Soldaten ging, dessen Überholmanöver im Überholverbot strafrechtlich als
Gefährdung des Straßenverkehrs gem. § 315c Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b, Abs. 3 Nr. 1
StGB (also Vorsatztat mit fahrlässig herbeigeführtem Erfolg) geahndet worden
war, hat das BSG ausgeführt, das Kriterium der Handlungstendenz erfasse nur
diejenigen Fälle sachgerecht, in denen der Versicherte/Soldat von dem rechtlich
geschützten Weg in räumlicher (z. B. durch Umwege) oder zeitlicher (z. B. durch
Unterbrechungen) Hinsicht abweiche. Dabei lasse sich das realisierte Risiko nach
dem Kriterium der - objektivierbaren - Handlungstendenz wertend entweder der
privaten Sphäre des Versicherten/Soldaten oder aber der
betrieblichen/dienstlichen Sphäre zuordnen. Dieser Maßstab versage aber bei
"qualitativen" Abweichungen vom geschützten Weg. In diesen Fällen sei nicht
fraglich, ob das Zurücklegen des Weges dazu diene, die Dienststelle oder die
Wohnung zu erreichen. Fraglich sei, ob die - riskante - Art und Weise, in der
dies geschehe, noch dem Schutz des Versorgungsrechts unterfalle. Bei einem
solchen "qualitativen" Verlassen des geschützten Weges sei zuerst danach zu
fragen, wer die Abweichung veranlasst habe. Habe der Soldat das Risiko ohne
dienstliche Gründe erhöht, so sei ihm der eingetretene Erfolg an sich
zuzurechnen.
Allerdings reiche nicht jedes beliebige gefahrerhöhende, selbstgefährdende
Alltagsverhalten aus, um den Versorgungsschutz entfallen zu lassen. Es müssten
weitere besondere Umstände hinzutreten, wobei § 81 Abs 7 SVG nur einen
speziellen Fall (absichtlich herbeigeführte gesundheitliche Schädigung)
ausdrücklich regle.
Solche besondere Umstände lägen - jedenfalls - dann vor, wenn die Risikoerhöhung
durch ein vorsätzliches Verhalten herbeigeführt werde, das als Vergehen oder
Verbrechen strafbar sei. Dies ergebe sich einerseits aus der grundsätzlich auch
im SVG geltenden Regel des Unfallversicherungsrechts, dass verbotswidriges
Handeln den Versicherungsfall nicht ausschließe (§ 7 Abs. 2 Siebtes Buch
Sozialgesetzbuch (SGB VII)), andererseits aus § 101 Abs. 2 SGB VII , § 52
Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) und § 104 Abs. 1 Sechstes Buch
Sozialgesetzbuch (SGB VI). Diese Normen seien Ausdruck eines notwendig auch im
Soldatenversorgungsrecht zu leistenden Ausgleichs widerstreitender Grundsätze:
Das Sozialrecht habe keine strafrechtlichen Funktionen wahrzunehmen und keine
"Nebenstrafe" auszusprechen. Es widerspräche aber der Einheit der Rechtsordnung,
wenn "der Staat" ein strafbares Verhalten leistungsrechtlich belohnen würde.
Nach § 101 Abs. 2 SGB VII , § 52 SGB V und § 104 Abs. 1 SGB VI könne die
Erbringung von Leistungen dann ganz oder teilweise ausgeschlossen werden, wenn
der Versicherungsfall bei einem Verbrechen oder vorsätzlichen Vergehen
eingetreten sei. Die diesen Normen zu Grunde liegende Wertung gelte auch im
Soldatenversorgungsrecht, sofern die Straftat gerade das risikoerhöhende
Verhalten beinhalte, also nicht nur bei dessen Gelegenheit begangen werde. Denn
auch im Soldatenversorgungsrecht wäre es widersprüchlich, bestrafte der Staat
einerseits ein Dritte gefährdendes (oder sogar verletzendes) Handeln und
entschädigte zugleich den Täter für die ihn treffenden Folgen derselben Straftat
aus Steuermitteln. Hier führe dies - auf Tatbestandsebene - unmittelbar zum
Ausschluss des Versorgungsschutzes; im Recht der gesetzlichen Unfall-, Kranken-
und Rentenversicherung bestehe für die Sozialleistungsträger als Normanwender
insoweit - auf der Rechtsfolgenebene - ein Ermessensspielraum (§ 101 Abs. 2 SGB
VII, § 52 SGB V, § 104 Abs. 1 SGB VI). Diese gesetzliche Differenzierung sei
wegen der unterschiedlichen Regelungszwecke des SVG und des SGB VII nicht
gleichheitswidrig im Sinne des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG)).
Das BSG hat die durch das vorsätzlich falsche Überholen verursachte
Risikoerhöhung nicht (mehr) der dienstlichen, sondern (bereits) der privaten
Sphäre des Klägers zugerechnet. In dem Unfall habe sich nicht eine allgemeine
Gefahr des Straßenverkehrs realisiert, die vom Versorgungsschutz umfasst sei,
sondern eine erhöhte Gefahr, die der Kläger selbst vorsätzlich in strafrechtlich
verantwortlicher Weise gesetzt habe. Im Hinblick auf die Entscheidung des 2.
Senats des BSG vom 04.06.2002 (B 2 U 11/01 R = SozR 3-2700 § 8 Nr. 10), in der
für den Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung trotz Vorliegens einer
vorsätzlichen Straßenverkehrsgefährdung der Wegfall des Versicherungsschutzes
auf dem Weg zur Arbeitsstätte verneint worden ist, ist Kritik an der Auffassung
des 9. Senats des BSG geäußert worden (vgl. Keller, jurisPR-SozR 9/2005 Anm. 6;
Schmitt, SGb 2005, 419/420). Ob der dargelegten Auffassung des 9. Senats in den
Fällen gefolgt werden kann, in denen der vorsätzlich begangene Verkehrsverstoß
zu einer - vorsätzlichen oder fahrlässigen - Gefährdung des Straßenverkehrs
geführt hat, lässt der Senat hier jedoch dahinstehen. Jedenfalls ist sie nicht
auf die Fälle, in denen ein fahrlässiger Verkehrsverstoß vorliegt, zu
erstrecken. In seiner Entscheidung vom 16.12.2004 hat das BSG diese Frage offen
gelassen, indem es formuliert hat, eine den Versorgungsschutz ausschließende
Risikoerhöhung liege jedenfalls dann vor, wenn sie durch ein vorsätzliches
Verhalten herbeigeführt werde. Auch eine frühere Entscheidung, in der ebenfalls
der Versorgungsschutz verneint worden ist, betraf einen vorsätzlichen
Verkehrsverstoß (Urteil vom 10.10.1994 = BSGE 75, 180 = SozR 3-2200 § 81 Nr.
12). Würde man jedoch jedes fahrlässige Verhalten, das zu einer Risikoerhöhung
führt, genügen lassen, um den Versorgungsschutz zu versagen, würde die
gesetzliche Regelung des § 81 Abs. 4 Nr. 2 SVG, die den mit dem Wehrdienst
zusammenhängenden Weg nach und von der Dienststelle versorgungsrechtlich
schützt, weitgehend leer laufen, da von dieser Vorschrift praktisch
ausschließlich Verkehrsunfälle erfasst werden. Auch das BSG hat dargelegt, dass
nicht jedes beliebige gefahrerhöhende, selbstgefährdende Alltagsverhalten den
Versorgungsschutz entfallen lässt. Dies betrifft nach Auffassung des Senats
gerade die im Straßenverkehr alltäglichen fahrlässigen Verhaltensweisen, die,
wenn sie mit anderen ungünstigen Umständen zusammentreffen, weitreichende
Auswirkungen haben können.
Die Beklagte hat im vorliegenden Fall übersehen, dass der Klägerin im
Strafbefehl gerade kein vorsätzlicher, sondern ein fahrlässiger Verkehrsverstoß
zur Last gelegt worden ist. Denn die Verurteilung nach § 315c Abs. 1 Nr. 2
Buchst. b, Abs. 3 Nr. 2 StGB erfasst fahrlässiges Handeln hinsichtlich des
Verkehrsverstoßes und fahrlässige Verursachung der Gefahr. Bei Vorsatz
hinsichtlich des Verkehrsverstoßes und fahrlässiger Verursachung der Gefahr
liegt ein Fall des Abs. 3 Nr. 1 vor. Anhaltspunkte dafür, dass diese Wertung im
Strafbefehl falsch gewesen sein könnte, hat der Senat nicht. Das Überfahren
einer Stoppstelle kann durchaus im Rahmen einer kurzen Unaufmerksamkeit
geschehen, insbesondere wenn - wie hier - aufgrund der zuvor zurückgelegten
Fahrstrecke ein Nachlassen der Konzentration durchaus nachvollziehbar ist.
Deshalb ist trotz des von der Klägerin begangenen Verkehrsverstoßes der
Versorgungsschutz auf dem Weg von der Dienststelle nach Hause nicht entfallen.
Das SG hat die Beklagte auch zu Recht verurteilt, über den Antrage der Klägerin
auf Erstattung von Sachschäden unter Beachtung der Rechtsauffassung des SG
erneut zu entscheiden.
Gem. § 86 Abs. 1 SVG kann Ersatz geleistet werden, wenn bei einem während der
Ausübung des Wehrdienstes erlittenen Unfall Kleidungsstücke oder andere
Gegenstände, die der Beschädigte mit sich geführt hat, beschädigt oder zerstört
worden oder abhanden gekommen sind. Es handelt sich hierbei um eine
Ermessensentscheidung. Die Beklagte hat eine solche nicht getroffen, da sie eine
Ersatzleistung mit der Begründung abgelehnt hat, es liege keine WDB vor. Da
diese Auffassung unzutreffend ist, hat die Beklagte nunmehr eine
Ermessensentscheidung über die Gewährung des beantragten Ersatzes zu treffen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.