Sächsisches LSG - Urteil vom 30. März 2005 - Az.: L 6 V 3/04 -
Einem Beschädigten im Sinne des Bundesversorgungsgesetzes steht gegenüber der Versorgungsverwaltung kein Anspruch auf Erstattung von verauslagten Kosten zur Aufrechterhaltung der Fahrerlaubnis - hier: Begutachtung über die Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeuges - zu. Dies gilt zumindest, wenn der Beschädigte das 65. Lebensjahr vollendet hat und nicht zu dem Personenkreis schwer Gehbehinderter gehört.
Tatbestand
Streitig ist die Erstattung von 95,00 DM durch den Beklagten für verauslagte Kosten zur Aufrechterhaltung der Fahrerlaubnis.
Bei dem am ...1925 geborenen Kläger sind seit Januar 1991 folgende Schädigungsfolgen im Sinne des Bundesversorgungsgesetzes anerkannt: Verlust des Armes links im Oberarm, Narbenbildung linker Oberschenkel mit Substanzverlust der Muskulatur und Sensibilitätsstörungen im Narbenbereich; Narbe rechte Stirnregion. Mit Bescheid vom 01.09.2000 wurden die Schädigungsfolgen bei einer MdE von 90 wie folgt präzisiert: - Verlust des Armes links im Oberarm - umschriebene Hirnverletzungen rechts frontal mit Narbe an der rechen Stirnregion - Narbenbildung linker Oberschenkel mit Substanzverlust der Muskulatur und Sensibilitätsstörung und Einschränkung der Beugefähigkeit im linken Kniegelenk - Verwachsung der fünften Zehe links mit Narbe im Verwachsungsbereich. Der Kläger ist seit dem 15.06.1946 im Besitz einer Fahrerlaubnis für Krafträder; die Führerscheinprüfung für Personenkraftwagen legte er noch nach DDR-Recht ab und erhielt einen DDR-Führerschein der Klasse B am 29.08.1990. Die Fahrerlaubnis war mit folgenden Auflagen versehen: Automatische Kupplung, Lenkradfixierung, Lenkerdrehknopf, Hupe und Blinker rechts, Scheibenwischer mit Fußbedienung, keine Hängerberechtigung, Sonderuntersuchung im Juni 1992. Mit Schreiben vom 28.10.1994 wurde der Kläger "gemäß Gutachten Krankheit und Kraftverkehr Kapitel 11.3 und Sächsischer Eignungsrichtlinie Pkt. 3" durch das Landratsamt Leipziger Land aufgefordert, sich einer Begutachtung über die Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeuges zu unterziehen. Die Begutachtung erfolgte am 01.11.1994 und erbrachte, dass sich keine Änderungen gegenüber der verkehrsmedizinischen Begutachtung vom 14.06.1990 (zur Erlangung des Führerscheins) ergeben hätten. Der medizinische Sachstand sei unverändert und der PKW des Klägers erfülle die Forderungen (Automatikfahrzeug, Servolenkung mit Fahrhilfen, Blinkhilfe rechts und Lenkraddrehknopf, Abblendschalter, Scheibenwischerbedienung rechts müssen zugängig sein, ohne dass das Lenkrad losgelassen werden muss.) Das Tragen der Brille sei auch Bedingung.
Insgesamt entstanden dem Kläger für diese Bescheinigung Kosten in Höhe von 95,00 DM, die er mit Schreiben vom 11.11.1994 dem Beklagten in Rechnung stellte. Bereits mit Schreiben vom 25.09.1994 hatte er verschiedene Kosten für Sonderausstattungen, deren Erstattung mittlerweile unstreitig ist, geltend gemacht.
Mit Bescheid vom 30.01.1995 lehnte der Beklagte u.a. die Übernahme dieser Kosten ab mit der Begründung, die Kosten für die Ausstellung eines Führerscheines seien nicht erstattungspflichtig, da sie im Rahmen der befristeten Feststellung der Fahrtauglichkeit regulär anfielen. Dem widersprach der Kläger mit Schreiben vom 05.02.1995. Es gebe keine gesetzlichen Festlegungen, dass nichtbehinderte Führerscheininhaber oder der gleiche Personenkreis wegen des Alters sich regelmäßig einer Fahrtauglichkeitsprozedur unterziehen müsse. Er habe Anspruch auf Erstattung dieser Kosten. Der Widerspruch wurde mit Bescheid vom 18.05.1995 als unbegründet zurückgewiesen. Für den Nachweis der Erforderlichkeit von Sonderausstattungen sei die Vorlage des Führerscheins mit den eingetragenen Beschränkungen erforderlich gewesen. Daher habe der Führerschein unter Prüfung der Fahrtauglichkeit neu ausgestellt werden müssen. Die Kosten hierfür hätten nicht im Rahmen der Orthopädieverordnung übernommen werden können.
Am 12.06.1995 erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Leipzig. Im Laufe des Klageverfahrens wurden die Hauptstreitpunkte unstreitig gestellt; der verbliebene Streitpunkt - Erstattung der 95,00 DM für die Nachuntersuchung - wurde mit Urteil vom 29.07.2003 erledigt. Das Sozialgericht hat die Klage abgewiesen mit der Begründung, dass die Kraftfahrzeughilfeverordnung der Eingliederung Behinderter in das Arbeitsleben diene und daher für den Kläger, der im Dezember 1990 das 65. Lebensjahr vollendet habe, nicht mehr in Betracht komme.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er darauf hinweist, dass er Probleme bei der Aufnahme in eine Fahrschule gehabt habe. Auf dem Fahrschulauto habe er nämlich die Fahrstunden wegen der fehlenden behindertengerechten Ausrüstung nicht durchführen können. In seinem eigenen Auto, welches vorher behindertengerecht umgebaut worden sei, hätte noch ein Pedaltreter für den Fahrlehrer eingebaut werden müssen. Den behinderungsbedingten Umbau dieses Fahrzeuges habe er selbst finanziert. Eine Kostenrückerstattung für die Ablegung der Fahrprüfung und des Führerscheines habe er nicht geltend gemacht. Er habe einen Anspruch auf Übernahme der Kosten nach § 28 Abs. 2 KFürsV.
Er beantragt,
Der Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Leipzig zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen sowie auf die beigezogenen orthopädischen Akten des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Der Senat konnte gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten sich hiermit einverstanden erklärt haben.
Die - zugelassene - Berufung ist nicht begründet.
Gemäß § 1 Abs. 1 BVG erhält, wer durch eine militärische Dienstverrichtung eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Schädigung auf Antrag Versorgung. Die wirtschaftlichen Folgen der Schädigung sollen durch die Maßnahmen der Kriegsopferfürsorge (§§ 25 bis 27 e BVG) sowie durch die Rente ausgeglichen werden (vgl. Wilke/Fehl, Soziales Entschädigungsrecht, § 1 BVG Rn. 59).
Eine Generalklausel stellt § 1 Abs. 1 BVG nicht dar; Anspruch auf Ersatz der wirtschaftlichen Folgen besteht nur im Rahmen der Gesetze und der aufgrund dieser Gesetze ergangenen Verordnungen; Anspruchsnorm in dem Sinne, dass ein Ersatz- bzw. Erstattungsanspruch immer schon dann gegeben ist, wenn der Kausalzusammenhang zwischen einem Vermögensschaden bzw. einer wirtschaftlichen Mehraufwendung und der Schädigung zweifelsfrei feststeht, ist § 1 Abs. 1 BVG nicht. So verhält es sich auch im Fall des Klägers: Ein Kausalzusammenhang kann nicht mit der Begründung verneint werden, dass unter Umständen die Kosten für die Nachuntersuchung gar nicht hätten erhoben werden dürfen. Denn dadurch, dass Anknüpfungspunkt für die "Aufforderung zur Vorlage eines Gutachtens über die Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeuges" die Kriegsbeschädigung des Klägers war, besteht damit ein unzertrennlicher Kausalzusammenhang.
Diese Aufforderung wurde auf die "Richtlinien für die Prüfung der körperlichen und geistigen Eignung von Fahrerlaubnisbewerbern und -inhabern (Eignungsrichtlinien, bekannt gemacht im Sächsischen Amtsblatt 40/91 vom 10.04.1991 S. 5) gestützt, die ihrerseits ihre Grundlage in den (mittlerweile durch Artikel 2 Nr. 2 V.v. 18.08.1998, BGBl. I, 2214 mit Wirkung vom 01.01.1999 aufgehobenen) §§ 12, 15b und 15c der Straßenverkehrszulassungsordnung (StVZO) hat. Ob hiermit schon eine ausreichende Rechtsgrundlage für die Erhebung von Gebühren besteht, kann dahinstehen (vgl. Bay. VGH, Entscheidung vom 24.03.1962 - 208 III 62 - VdK-Mitt. 1963, 417) wie auch die Frage, ob ein Grund zur regelmäßigen Nachuntersuchung besteht, denn auch wenn die Amputation nach Ziffer 9 der genannten Richtlinien Grund für eine fachärztliche und medizinisch-psychioloigsche Untersuchung ist, so kann eine Nachuntersuchung allenfalls bescheinigen, dass die Schädigungsfolge "Verlust des linken Armes" immer noch besteht und die deswegen bestehenden Beschränkungen und Auflagen in der Fahrerlaubnis nach wie vor ihre Richtigkeit haben. Die Anordnung von Nachuntersuchungen aufgrund eines dahingehenden Generalverdachtes, ob beim Kläger vielleicht mittlerweile andere "Mängel" aufgetreten sind, könnte jedenfalls nicht auf diese Rechtsgrundlage gestützt werden.
Ein Anspruch gegen den Beklagten, ihn gewissermaßen fürsorglich von allen Ansprüchen und Forderungen Dritter, die mit der Kriegsbeschädigung zusammenhängen, freizustellen - seien sie nun berechtigt oder unberechtigt - besteht allerdings nicht.
Das Sozialgericht hat insoweit zu Recht ausgeführt, dass die Kraftfahrzeughilfeverordnung keine Anwendung finden kann. Hierauf wurde der Kläger auch schon mit Schreiben des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales, Gesundheit und Familie vom 20.07.1995 hingewiesen. Auch die Orthopädieverordnung sieht die Übernahme dieser Kosten nicht vor. § 28 Abs. 1 Nr. 2 KFürsV sieht Hilfen zur Erlangung der Fahrerlaubnis vor, sofern der Beschädigte infolge der Schädigung zur Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft, insbesondere im öffentlichen und kulturellen Geschehen auf die Benutzung eines Kraftfahrzeuges angewiesen ist.
Die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Hilfen nach Abs. 1 Nr. 2 gelten als erfüllt bei Beschädigten, die zum Personenkreis des § 5 Abs. 1 Nr. 1 und 2 der Verordnung zur Durchführung des § 11 Abs. 3 und des § 13 des BVG in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. Januar 1971 (BGBl. I S. 43) zuletzt geändert durch die Verordnung vom 23. August 1976 (BGBl. I S. 2422), gehören. Es handelt sich insoweit um eine statische Verweisung. Die Orthopädieverordnung von 1971 ist inzwischen durch die Verordnung vom 04.10.1989 (BGBl. I S. 1334) ersetzt worden; in der alten Fassung lautete § 5 Abs. 1 Nr. 1 und 2 dieser Verordnung wie folgt:
Abgesehen davon, dass in der zitierten Vorschrift ein "Personenkreis" nicht eindeutig umschrieben wurde und insofern eine Verweisung auf die Nachfolgevorschrift (§ 23 der aktuellen Orthopädieverordnung), in welcher im Wesentlichen der Personenkreis, dem das Merkzeichen "aG" zusteht, beschrieben wird, tunlicher gewesen wäre, ist jedenfalls festzustellen, dass auf einen Personenkreis schwer Gehbehinderter abgestellt wird, zu dem der Kläger zweifelsfrei nicht gehört. Auch die weitere Subsumtion und die Generalklausel des § 28 Abs. 1 Nr. 2 KFürsV ergibt, dass der Kläger einen Anspruch auf Hilfe zur Erlangung der Fahrerlaubnis nicht geltend machen konnte, er ist nicht infolge der Schädigung zur Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft, insbesondere am öffentlichen und kulturellen Geschehen, auf die Benutzung eines Kraftfahrzeuges angewiesen. Einen Antrag auf Übernahme der Kosten für den Erwerb des Führerscheins hat der Kläger auch nicht gestellt. Es ist daher folgerichtig, dass in solchen Fällen eine Übernahme der Kosten für den "Erhalt" des Führerscheins durch den Beklagten - aus welchem Rechtsgrunde auch immer sie anfallen mögen - nicht vorgesehen ist. Mangels einer entsprechenden Rechtsnorm, die einen Anspruch für diesen konkreten Fall konstituiert - auch der Beklagte darf nur Leistungen bewilligen, soweit ein Gesetz es vorschreibt oder zulässt, § 31 SGB I - ist der Kläger auf den Grundrentenanspruch zu verweisen, der auch die Funktion hat, schädigungsbedingten Mehraufwand auszugleichen.
Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 29.07.2003 war daher zurückzuweisen.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 liegen nicht vor.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.