Sächsisches Landessozialgericht - L 7 AS 365/14 - Urteil vom 14.12.2016
Die Überschreitung der Schwellengebühr ist nur dann angezeigt, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war. Durch die Einführung der Schwellengebühr in Nr. 2400 VV RVG wird die Mittelgebühr nicht ersetzt. Vielmehr ist zunächst wie bisher anhand der nicht abschließenden Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG (Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, Bedeutung der Angelegenheit sowie Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, Haftungsrisiko) zu bestimmen, ob es sich um einen durchschnittlichen Normalfall handelt, der die Mittelgebühr rechtfertigt. Dann ist in einem zweiten Schritt nur anhand der in Nr. 2400 VV RVG genannten Kriterien "Umfang und Schwierigkeit der Tätigkeit" zu prüfen, ob diese überdurchschnittlich erfüllt sind: Ist dies bei einem von ihnen der Fall, ist die Mittelgebühr anzusetzen, andernfalls der Schwellenwert. Es wird also die in einem ersten Schritt ausgehend von der Mittelgebühr bestimmte Gebühr in einem zweiten Schritt in Höhe des Schwellenwertes gekappt, wenn weder der Umfang noch die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit mehr als durchschnittlich sind.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Kostenerstattung für den Kläger als Prozessbevollmächtigter im Widerspruchsverfahren, worin von der vom Kläger vertretenen Leistungsbezieherin nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) Erstattungen von bewilligten Leistungen durch den Beklagten beansprucht wurden.
Der Kläger vertrat die 1956 geborene Leistungsbezieherin W ... in vier Widerspruchsverfahren, in welchen der Beklagte von der Leistungsbezieherin für verschiedene Leistungszeiträume Erstattungen von vorläufig bewilligten Leistungen verlangte.
Mit Bescheid vom 25.07.2006 bewilligte der Beklagte der Leistungsbezieherin für die Zeit ab Antragstellung vom 07.06.2006 bis zum 31.12.2006 Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 126,26 EUR monatlich (im Juni 2006 anteilig in Höhe von 89,81 EUR). Mit Änderungsbescheid vom 08.09.2006 nahm der Beklagte für die Zeit vom 01.08.2006 bis 31.08.2006 die Bewilligung von 131,59 EUR und für die Zeit vom 01.09.2006 bis 31.12.2006 die Bewilligung von Leistungen in Höhe von 653,55 EUR monatlich vor, da die Leistungsbezieherin kein Arbeitslosengeld I mehr bezog und dafür ein Zuschlag nach § 24 SGB II in die Berechnung des Leistungsanspruchs eingestellt wurde.
Auf den Folgeantrag der Leistungsbezieherin bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 13.12.2006 für die Zeit vom 01.01.2007 bis 30.06.2007 Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 598,55 EUR monatlich. Ab 30.01.2007 nahm die Leistungsbezieherin eine geringfügige Beschäftigung als Zustellerin auf. Unter Berücksichtigung des tatsächlichen Einkommens bewilligte der Beklagte mit Änderungsbescheid vom 18.06.2007 der Leistungsbezieherin SGB II-Leistungen in Höhe von 598,55 EUR für die Zeit vom 01.02.2007 bis 28.02.2007, in Höhe von 525,12 EUR für die Zeit vom 01.03.2007 bis 31.03.2007, in Höhe von 590,99 EUR für die Zeit vom 01.04.2007 bis 30.04.2007 und in Höhe von 558,06 EUR monatlich für die Zeit vom 01.05.2007 bis 30.06.2007. Zugleich forderte er mit Erstattungsbescheid vom 19.06.2007 Leistungen in Höhe von 161,97 EUR für die Zeit vom 01.03.2007 bis 30.06.2007 zurück.
Gegen die Bescheide vom 18.06.2007 und 19.06.2007 legte die Leistungsbezieherin Widerspruch mit Schreiben vom 28.06.2007 ein. Daraufhin erließ der Beklagte den Abhilfebescheid vom 09.07.2007, nach welchem die Erstattung für den Zeitraum 01.03.2007 bis 30.06.2007 auf 94,58 EUR reduziert und der Änderungsbescheid vom 18.06.2007 geändert wurde.
Auf den Folgeantrag der Leistungsbezieherin bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 05.07.2007 für die Zeit vom 01.07.2007 bis 31.12.2007 vorläufig Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 560,06 EUR monatlich. Mit Änderungsbescheid vom 26.10.2007 nahm der Beklagte für die Monate Juli und Oktober bis Dezember 2007 die Bewilligung von Leistungen i.H.v. jeweils 610,55 EUR monatlich sowie für August 2007 i.H.v. 606,95 EUR und für September 2007 i.H.v. 609,95 EUR wegen der eingereichten Betriebskostenabrechnung, der Erhöhung der Nebenkosten sowie der Verdienstüberrechnungen vor.
Auf den Folgeantrag der Leistungsbezieherin bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 17.12.2007 für die Zeit vom 01.01.2008 bis 30.06.2008 Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 610,55 EUR monatlich. Ab 06.03.2008 war die Leistungsbezieherin in einem auf ein Jahr befristeten Arbeitsverhältnis mit einem Bruttomonatslohn in Höhe von 1.700,00 EUR beschäftigt. Mit Schreiben vom 19.03.2008 teilte der Beklagte mit, dass vorläufig ab 01.04.2008 keine Leistungen nach dem SGB II mehr ausgezahlt werden.
Nach einem Anruf des Vermieters der Leistungsbezieherin im April 2008 und einem anschließenden Hausbesuch durch Außendienstmitarbeiter des Beklagten wurde bekannt, dass die Leistungsbezieherin einen manipulierten Mietvertrag bei Antragstellung im Juni 2006 vorgelegt hatte. Tatsächlich hatten die Leistungsbezieherin, der von ihr seit 2003 geschiedene Ehemann und der 1984 geborene gemeinsame Sohn in einem 130 m² großen gemieteten Haus gewohnt, wofür der Ex-Mann Miete zahlte. Im Leistungsantrag hatte die Leistungsbezieherin aber angegeben, allein in einer 43 m² großen Wohnung (mit derselben Adresse: R ...straße in M ...) zu wohnen.
Mit Schreiben vom 05.05.2008 wurde die Leistungsbezieherin zu Erstattungen für die Zeit ab 07.06.2006 angehört. Sie schilderte diesbezüglich mit Schreiben vom 18.05.2008 ihre Lebenssituation und wie es dazu gekommen sei. Zum 31.07.2008 kündigten die Leistungsbezieherin und ihr geschiedener Ehemann das Mietverhältnis über das Haus.
Mit Bescheid vom 30.04.2009 hob der Beklagte die Leistungsbescheide vom 25.07.2006 und 08.09.2006 für den Leistungszeitraum 06.07.2006 bis 31.12.2006 auf und verlangte die Erstattung zu Unrecht erbrachter Leistungen in Höhe von 3.780,46 EUR, also in Höhe der gesamten ausbezahlten Leistungen nach dem SGB II.
Mit Bescheid vom 04.05.2009 hob der Beklagte die Leistungsbescheide vom 13.12.2006, 18.06.2007 und 09.07.2007 für den Leistungszeitraum 01.01.2007 bis 30.06.2007 auf und machte die Erstattung zu Unrecht erbrachter Leistungen in voller Höhe von 4.506,52 EUR geltend.
Mit Bescheid vom 05.05.2009 hob der Beklagte den Leistungsbescheid vom 26.10.2007 für den Leistungszeitraum 01.07.2007 bis 31.12.2007 auf und verlangte die Erstattung zu Unrecht erbrachter Leistungen in voller Höhe von 4.668,50 EUR.
Mit weiterem Bescheid vom 06.05.2009 hob der Beklagte den Leistungsbescheid vom 17.12.2007 für den Leistungszeitraum 01.01.2008 bis 30.06.2008 auf und machte die Erstattung zu Unrecht erbrachter Leistungen in voller Höhe von 2.354,85 EUR für den Zeitraum Januar bis März 2008 geltend.
Gegen diese vier Aufhebungs- und Erstattungsbescheide des Beklagten legte die Leistungsbezieherin mit ihrem Schreiben vom 21.05.2009 Widerspruch ein. Sie habe mit ihrem geschiedenen Ehemann und dem Sohn nicht in einer Bedarfsgemeinschaft gelebt. Vielmehr habe sie zwar den Mietvertrag, die Mietbescheinigung und die Betriebskostenabrechnung gefälscht, aber dadurch nur dem Beklagten verdeutlichen wollen, dass die Bewohner getrennte Haushalte führten. Der Beklagte bestätigte zwar den Eingang des Widerspruchsschreibens am 27.05.2009, setzte eine Mahnsperre betreffend die vier Erstattungsforderungen und fertigte entsprechende Aktenvermerke zur Bearbeitung des Widerspruchs an. Ein Widerspruchsbescheid erging jedoch nicht.
Mit vier Schreiben des Klägers vom 23.02.2011 zeigte dieser fast zwei Jahre später die Vertretung der Leistungsbezieherin an und forderte den Beklagten zur Bescheidung der Widersprüche gegen die vier Aufhebungs- und Erstattungsbescheide bis zum 04.03.2011 auf.
Mit vier Widerspruchsbescheiden vom 01.03.2011, 02.03.2011, 03.03.2011 und 04.03.2011 hob der Beklagte die Aufhebungs- und Erstattungsbescheide vom 30.04.2009, 04.05.2009, 05.05.2009 und 06.05.2009 auf und erklärte, dass die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig entstandenen Kosten erstattet würden. Es hätte zum Zeitpunkt der Widerspruchseinlegung durch die Leistungsbezieherin weiterer Ermittlungen bedurft, ob tatsächlich eine gemeinsame Haushaltsführung angenommen werden könne. In Anbetracht der verstrichenen Zeit und eines im August 2008 erfolgten Wohnungswechsels könnten notwendige Ermittlungen nicht mehr nachgeholt werden. Daher müsse zugunsten der Leistungsbezieherin davon ausgegangen werden, dass tatsächlich kein gemeinsamer Haushalt und damit keine Bedarfsgemeinschaft bestanden habe, weshalb es bei den Leistungsbewilligungen für die streitgegenständlichen Leistungszeiträume verbleibe.
Mit Schreiben vom 08.03.2011 übersandte der Kläger die Vergütungsabrechnung, wonach er in den vier Widerspruchsverfahren jeweils eine Geschäftsgebühr Nr. 2400 nach Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 (Vergütungsverzeichnis) des Gesetzes über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte - Rechtsanwaltsvergütungsgesetz in der Fassung des Gesetzes vom 22.12.2010 (im folgenden VV RVG) in Höhe von 240,00 EUR nebst Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG in Höhe von 20,00 EUR und Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG in Höhe von 49,40 EUR, insgesamt jeweils 309,40 EUR, geltend macht. Kostenerstattungsansprüche im Widerspruchsverfahren und deren ggf. klageweise Geltendmachung gegen den Beklagten hatte die Leistungsbezieherin an den Kläger abgetreten.
Mit vier Kostenbescheiden vom 16.05.2011 erhielt die Leistungsbezieherin Aufwendungen in Höhe von jeweils 85,68 EUR vom Beklagten für die Inanspruchnahme des Klägers erstattet. Eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2400 VV RVG sei in Höhe der Mittelgebühr nicht gerechtfertigt, da durch den Kläger lediglich die anwaltliche Vertretung angezeigt und der Beklagte zur kurzfristigen Bescheidung der Widersprüche aufgefordert worden war. Eine Widerspruchsbegründung habe der Kläger nicht eingereicht. Akteneinsicht habe er nicht genommen. Daher habe eine umfassende Auseinandersetzung mit Rechtsfragen, wie es in einem durchschnittlichen Widerspruchsverfahren erforderlich sei, nicht stattgefunden. Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit lägen deutlich unter dem Durchschnitt, weshalb von einem Viertel der Mittelgebühr (60,00 EUR) ausgegangen werde. Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit seien sogar noch weniger gewesen als in einem durchschnittlichen Untätigkeitsklageverfahren, wo es darüber hinaus einer Prüfung der Voraussetzungen des § 88 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bedarf. Bei Untätigkeitsklagen sei von einem Drittel der Mittelgebühr auszugehen. Die Gebühr nach Nr. 7002 VV RVG reduziere sich in der Folge auf 20 % der Gebühren, also 12,00 EUR.
Mit Schreiben vom 25.05.2011 legte der Kläger im Namen der Leistungsbezieherin gegen die vier Kostenbescheide vier Widersprüche ein. Es sei entsprechend der Bewertungskriterien des § 14 RVG jeweils von einer mindestens durchschnittlichen Angelegenheit auszugehen. Die rechtliche Schwierigkeit sei überdurchschnittlich gewesen. Dies belege die Länge der Widerspruchsbescheide, die dort genannten rechtlichen Erwägungen und die Dauer der Widerspruchsverfahren. Die Leistungsbezieherin habe geringe Einkommens- und Vermögensverhältnisse, was zu einer überdurchschnittlich bedeutsamen Einschätzung der Angelegenheit führe. Der Umfang sei mindestens durchschnittlich gewesen. Durch die Bezugnahme auf die Argumente der Leistungsbezieherin in deren Schreiben vom 21.05.2009 seien diese Bestandteil der anwaltlichen Begründung geworden. Wegen des Vorliegens gleichgelagerter Fälle sei nur die Schwellengebühr in Höhe von 240,00 EUR in Ansatz gebracht worden. Mit vier Widerspruchsbescheiden vom 09.09.2011 wies der Beklagte die Widersprüche aus den in den Kostenbescheiden genannten Gründen als unbegründet zurück.
Der Kläger erhob im Namen der Leistungsbezieherin am 05.10.2011 gegen die ihm am 14.09.2011 zugegangenen Widerspruchsbescheide Klage zum Sozialgericht Dresden (SG) mit dem Begehren, ihm unter Abänderung der vier Kostenbescheide vom 16.05.2011 jeweils 309,40 EUR abzüglich bereits jeweils geleisteter 85,68 EUR, also insgesamt 894,88 EUR, nebst Zinsen zu zahlen. Er habe die Schwellengebühr der Nr. 2400 VV RVG nicht überschritten, die Mittelgebühr betrage 280,00 EUR. Sowohl Schwierigkeit als auch Bedeutung der Angelegenheit seien überdurchschnittlich gewesen. Für die Leistungsbezieherin sei jede einzelne Rückforderung wegen der Höhe von erheblicher Bedeutung gewesen, sie hätte diese Forderungen nicht begleichen können. Die Schwierigkeit ergebe sich aus den diffizil vorgetragenen Begründungen des Beklagten zum Vorliegen einer Bedarfsgemeinschaft und den daraus resultierenden Beweisschwierigkeiten. Der Kläger habe den vorausgegangenen Schriftverkehr im Verwaltungsverfahren geprüft und ausdrücklich auf die Widerspruchsbegründungen der Leistungsbezieherin Bezug genommen. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Leistungsbezieherin seien durchschnittlich gewesen. Insbesondere wegen der Höhe der jeweiligen Rückforderungen und der Komplexität der Tatsachen und der Gesetzeslage sei von einer überdurchschnittlichen Angelegenheit auszugehen. Die Dauer der Bearbeitungszeit im Widerspruchsverfahren spreche auch dafür. Beim Ansatz der Schwellengebühr habe er beachtet, dass es um vier ähnlich gelagerte Fälle gegangen sei. Diese Erleichterung sei mit dem Ansatz der Schwellengebühr angemessen und ausreichend berücksichtigt worden. Jedes Verfahren sei anwaltlich einzeln zu bearbeiten, vorhandene Synergien dürften nicht überbewertet werden.
Dem trat der Beklagte entgegen. Der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit sei weit unterdurchschnittlich gewesen sei. Der Widerspruch und dessen Begründung seien von seiner Mandantin selbst eingelegt worden. Auch habe der Kläger weder Akteneinsicht genommen noch sonst inhaltlich rechtlich oder tatsächlich vorgetragen. Die lediglich ausgeführte Tätigkeit des Anmahnens hinsichtlich eines Widerspruchsbescheides liege vom Aufwand her noch unter derjenigen der Erhebung einer Untätigkeitsklage, für welche regelmäßig ein Drittel der Mittelgebühr gewährt werde. Leichtere als die vom Kläger ausgeführten Tätigkeiten seien nicht vorstellbar. Daher sei als Geschäftsgebühr ein Viertel der Mittelgebühr angemessen.
Das SG trennte die Klagen gegen die einzelnen Widerspruchsbescheide mit Beschluss vom 08.11.2011 ab, woraus die Verfahren S 46 AS 5696/11, S 46 AS 6715/11, S 46 AS 6716/11 und S 46 AS 6717/11 entstanden.
Auf einen Hinweis des Gerichts reichte der Kläger am 24.02.2012 vier Überprüfungsanträge beim Beklagten ein, wonach er selbst wegen der erfolgten Abtretung der Ansprüche von der Leistungsbezieherin Gläubiger der Kostenansprüche sei. Am 06.03.2012 erließ der Beklagte den ursprünglichen Kostenbescheiden vom 16.05.2011 entsprechende Kostenbescheide gegenüber dem Kläger selbst. Der Kläger legte gegen diese mit Schreiben vom 13.03.2012 vier Widersprüche ein, welche vom Beklagten mit Widerspruchsbescheiden vom 13.03.2012, 14.03.2012, 15.03.2012 und 16.03.2012 als unbegründet zurückgewiesen wurden.
Am 21.03.2012 hat der Kläger selbst Klage beim SG unter den bekannten, bereits anhängigen Aktenzeichen (S 46 AS 5696/11, S 46 AS 6715/11, S 46 AS 6716/11 und S 46 AS 6717/11) eingelegt und die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von jeweils 309,40 EUR abzüglich bereits geleisteter Zahlung in Höhe von jeweils 85,68 EUR begehrt. Er hat die bereits eingelegte Klage entsprechend auf seine eigene Person als Kläger umgestellt. Der Beklagte hat dem Klägerwechsel zugestimmt. Mit Beschluss vom 08.07.2013 hat das SG die vier Verfahren wieder zu einem verbunden, welches unter dem Aktenzeichen S 46 AS 5696/11 fortgeführt wurde.
Mit Gerichtsbescheid vom 13.02.2014 hat das SG die Klage abgewiesen. Aufgrund des Abtretungsvertrages zwischen der Leistungsbezieherin und dem Kläger sei allein dieser zur Geltendmachung berechtigt gewesen. Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit seien unterdurchschnittlich gewesen. Vorrangiges Interesse der Leistungsbezieherin sei zunächst die Verbescheidung der Widersprüche gewesen ohne dass es in diesem Moment auf die inhaltliche Auseinandersetzung angekommen wäre. Eine solche könne - sofern sie stattgefunden habe - daher nicht gebührenrechtlich honoriert werden. Der Beklagte sei zu Recht von einem Viertel der Mittelgebühr ausgegangen.
Gegen den dem Kläger am 05.03.2014 zugegangenen Gerichtsbescheid hat dieser mit Schreiben vom 05.03.2014 Berufung eingelegt. Keinesfalls komme der Ansatz von einem Viertel der Mittelgebühr in Betracht, insbesondere deshalb nicht, weil sich die überdurchschnittliche Bedeutung der Angelegenheit und die unterdurchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu zwei durchschnittlichen Bewertungskriterien ausglichen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Beklagten unter Abänderung des Gerichtsbescheids des Sozialgerichts Dresden vom 13.02.2014 und der Kostenbescheide vom 06.03.2012 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 13.03.2012, 14.03.2012, 15.03.2012 und 16.03.2012 zu verurteilen, an den Kläger jeweils 273,19 EUR abzüglich der bereits gezahlten 85,68 EUR, also insgesamt 750,04 EUR nebst Zinsen zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Bei den vier Widerspruchsverfahren habe es sich um denselben Mandanten, Lebenssachverhalt und Aufhebungsgrund gehandelt. Sämtliche Schreiben seien inhaltsgleich gewesen, weshalb erhebliche Einspareffekte vorgelegen hätten. Ein besonderes Haftungsrisiko des Klägers sei nicht ersichtlich.
Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Verwaltungsakten des Beklagten (zwei Bände, eine Heftung) sowie die Prozessakten (S 46 AS 5696/11, S 46 AS 6715/11, S 46 AS 6716/11 und S 46 AS 6717/11) beider Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist teilweise begründet. Der Gerichtsbescheid des SG vom 13.02.2014 ist insoweit abzuändern, als dem Kläger über den vom Beklagten bereits gezahlten Betrag (jeweils 85,68 EUR) hinaus weitere 14,28 EUR pro Kostenbescheid, also insgesamt 57,12 EUR zu erstatten sind. Im Übrigen ist die Berufung zurückzuweisen.
1. Die Berufung ist statthaft. Der Kläger begehrt in der Berufungsinstanz die Zahlung weiterer Aufwendungen der Leistungsbezieherin im Widerspruchsverfahren in Höhe von insgesamt 750,04 EUR. Die Berufung ist daher gemäß § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG statthaft, da der Wert der Beschwer über 750,00 EUR liegt. Sie ist auch fristgemäß nach § 151 Abs. 1 SGG eingelegt.
2. Streitgegenstand sind nach der Klageänderung, in die der Beklagte eingewilligt hatte (§ 99 Abs. 1 SGG), die Bescheide vom 06.03.2012 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 13.03.2012, 14.03.2012, 15.03.2012 und 16.03.2012 und damit die Entscheidung darüber, in welcher Höhe die zu erstattenden Aufwendungen in den einzelnen Widerspruchsverfahren festzusetzen sind. Statthafte Klageart ist die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 4 SGG. Dabei ist der Kläger als im Widerspruchsverfahren von der Leistungsbezieherin bevollmächtigter Rechtsanwalt selbst Kläger, weil die Leistungsbezieherin ihm die Ansprüche auf Aufwendungsersatz im Widerspruchsverfahren nach § 63 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) abgetreten hat. Denn grundsätzlich wäre klageberechtigt im Kostenfestsetzungsverfahren nach § 63 SGB X nur der Beteiligte am Verfahren (Leistungsbezieherin) und nicht der bevollmächtigte Rechtsanwalt selbst. An der Wirksamkeit der Abtretung bestehen keine Zweifel.
3. Die Berufung ist teilweise begründet. Daher ist der Gerichtsbescheid des SG abzuändern und der Beklagte zu verpflichten, dem Kläger weitere Kosten in Höhe von 57,12 EUR zu erstatten.
Die Kostenbescheide des Beklagten vom 06.03.2012 sind teilweise rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten. Der Kläger hat einen Anspruch auf Zahlung weiterer 14,28 EUR für jedes der geführten Widerspruchsverfahren.
Nach § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X hat bei einem erfolgreichen Vorverfahren der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, dem Widerspruchsführer die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Ausgaben zu erstatten. Daher war der Beklagte für die strittige Kostenfestsetzung zuständig. Nach § 63 Abs. 2 SGB X sind die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwaltes oder sonstigen Bevollmächtigten erstattungsfähig, wenn die Zuziehung eines Rechtsanwaltes notwendig war. Der Beklagte hatte in den Widerspruchsbescheiden vom 01.03.2011, 02.03.2011, 03.03.2011 und 04.03.2011 die Zuziehung eines Bevollmächtigten für notwendig anerkannt.
Der Erstattungsanspruch beurteilt sich nach dem RVG, wobei sich die Höhe der Vergütung gemäß § 2 Abs. 2 RVG nach dem Vergütungsverzeichnis der Anlage 1 zum RVG bestimmt. Die Geschäftsgebühr nach Nr. 2400 VV RVG in der vom 01.07.2006 bis 31.07.2013 gültigen Fassung (a.F.) fällt in sozialrechtlichen Angelegenheiten an, in denen im gerichtlichen Verfahren Betragsrahmengebühren entstehen (§ 3 RVG). Betragsrahmengebühren sind in sozialgerichtlichen Verfahren vorgesehen, in denen das Gerichtskostengesetz nicht anzuwenden ist. Dies gilt entsprechend für eine Tätigkeit außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens (§ 3 Abs. 2 RVG). Die Leistungsbezieherin wandte sich in ihrer Eigenschaft als SGB II-Leistungsempfängerin gegen die Erstattung von Leistungen nach dem SGB II und ist damit Leistungsempfängerin im Sinne des § 183 Satz 1 SGG.
Die Geschäftsgebühr entsteht insbesondere für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information. Gemäß Nr. 2400 VV RVG a.F. umfasst die Geschäftsgebühr einen Betragsrahmen von 40,00 EUR bis 520,00 EUR. Eine Gebühr von mehr als 240,00 EUR kann dabei nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war (sogenannte Schwellengebühr). Innerhalb dieses Gebührenrahmens bestimmt der Rechtsanwalt nach § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfanges und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen. Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (§ 14 Abs. 1 Satz 4 RVG). Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sind objektive Kriterien. Zu diesen treten die Bedeutung der Angelegenheit für den Aufraggeber sowie dessen Einkommens- und Vermögensverhältnisse als subjektive Kriterien hinzu. Darüber hinaus ist nach § 14 Abs. 1 Satz 3 RVG bei Verfahren, auf die Betragsrahmengebühren anzuwenden sind, ein besonderes Haftungsrisiko zu berücksichtigen. Das besondere Haftungsrisiko ist lediglich ein weiteres Kriterium für die Bemessung der Betragsrahmengebühren, begründet aber keinen eigenen Gebührentatbestand (vgl. BSG, Urteil vom 01.07.2009 - B 4 AS 21/09 R, Rn. 19, 20).
Bereits unter der Geltung der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung (BRAGO) entwickelt und inzwischen von Literatur und Rechtsprechung einhellig als Grundsatz anerkannt ist für den Durchschnitts- oder Normalfall die Mittelgebühr billige Gebühr im Sinne des RVG. Sie beträgt die Hälfte der Summe von Mindest- und Höchstgebühr des jeweiligen Betragsrahmens, hier also 280,00 EUR (40,00 EUR + 520,00 EUR, geteilt durch 2) und ist in Fällen zugrunde zu legen, in denen sich die Tätigkeit des Rechtsanwalts nicht nach oben oder unten vom Durchschnitt abhebt (vgl. Mayer in Gerold/Schmidt, RVG, § 14 Rn. 10). Hiermit wird zum einen Vereinfachungs- und Zweckmäßigkeitsgründen und zum anderen dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz Rechnung getragen, wesentlich Gleiches gleich und Wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (vgl. BSG, Urteil vom 01.07.2009 - B 4 AS 21/09 R, Rn. 24). Ausgangspunkt der Bestimmung der billigen Gebühr ist daher in jedem Fall die Mittelgebühr.
Andererseits ist auch die Schwellengebühr von 240,00 EUR zu berücksichtigen, deren Überschreitung nur dann angezeigt ist, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war. Durch die Einführung der Schwellengebühr in Nr. 2400 VV RVG wird die Mittelgebühr nicht ersetzt. Vielmehr ist zunächst wie bisher anhand der nicht abschließenden Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG (Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, Bedeutung der Angelegenheit sowie Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, Haftungsrisiko) zu bestimmen, ob es sich um einen durchschnittlichen Normalfall handelt, der die Mittelgebühr rechtfertigt. Dann ist in einem zweiten Schritt nur anhand der in Nr. 2400 VV RVG genannten Kriterien "Umfang und Schwierigkeit der Tätigkeit" zu prüfen, ob diese überdurchschnittlich erfüllt sind: Ist dies bei einem von ihnen der Fall, ist die Mittelgebühr anzusetzen, andernfalls der Schwellenwert (Becker in Hauck/Noftz, SGB, Stand 08/16, § 63 SGB X, Rn. 91; BSG, Urteil vom 05.05.2010 - B 11 AL 14/09 R, Rn. 16; Roos in v. Wulffen/Schütze, SGB X, Anh. zu § 63, Rn. 8). Es wird also die in einem ersten Schritt ausgehend von der Mittelgebühr bestimmte Gebühr in einem zweiten Schritt in Höhe des Schwellenwertes gekappt, wenn weder der Umfang noch die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit mehr als durchschnittlich sind.
Unter Beachtung der - nicht abschließenden - Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG sind somit alle konkreten Umstände des Einzelfalls wertend zu betrachten, um in einer Gesamtschau zu beurteilen, ob von der Schwellen- oder der Mittelgebühr nach oben oder unten und ggf. in welchem Maß abzuweichen ist (vgl. Sächsisches Landessozialgericht (SächsLSG), Beschluss vom 22.04.2013 - L 8 AS 527/12 B KO, Rn. 23). Die in § 14 Abs. 1 RVG aufgezählten Bemessungskriterien stehen selbständig und gleichwertig nebeneinander. Sämtliche Kriterien sind geeignet, ein Abweichen von der Mittelgebühr nach oben oder unten zu begründen. Zudem kann das Abweichen eines Bemessungskriteriums von jedem anderen Bemessungskriterium kompensiert werden (BSG Urteil vom 01.07.2009 - B 4 AS 21/09 R, Rn 38). Eine unterschiedliche Gewichtung der Kriterien findet im Gesetz keine Stütze.
Den konkreten Umständen des zu entscheidenden Falles trägt die Festsetzung einer Geschäftsgebühr nach Nr. 2400 VV RVG in Höhe von 60,00 EUR nicht ausreichend Rechnung. Die beantragte Kostenfestsetzung des Klägers vom 08.03.2011 war bezüglich der anwaltlichen Gebührenbestimmung für die Geschäftsgebühr in Höhe von 240,00 EUR zwar unbillig und daher gemäß § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG nicht verbindlich. Auch die Toleranzgrenze von 20 % für die eigenverantwortliche Festsetzung durch den Rechtsanwalt (vgl. BSG, a.a.O., Rn. 19) ist weit überschritten. Allerdings ist auch die Festsetzung von 60,00 EUR als Geschäftsgebühr nach Nr. 2400 VV RVG - wie vom Beklagten vorgenommen - mit einer wertenden Gesamtbetrachtung nicht vereinbar. Vielmehr ist abweichend von den Festsetzungen des Beklagten und des SG zwar von einem Viertel der Geschäftsgebühr aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls auszugehen. Allerdings sind diese Gebühren von der Mittelgebühr und nicht von der Schwellengebühr der Geschäftsgebühr in Ansatz zu bringen.
Der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit war weit unterdurchschnittlich. Dabei ist der zeitliche Aufwand zu berücksichtigen, den der Rechtsanwalt tatsächlich in der Sache betrieben hat und den er davon objektiv auch auf die Sache verwenden musste. Hinweise auf ein Aktenstudium oder das Anfordern von Unterlagen liegen nicht vor. Es wurde nur mitgeteilt, dass der von der Leistungsbezieherin eingelegte Widerspruch noch nicht beschieden sei. Bei Berücksichtigung des gesamten vorangegangenen Geschehensablaufes war das Aufforderungsschreiben des Klägers vom 23.02.2011 zur Bescheidung des Widerspruchs der Leistungsbezieherin gegen die vier Aufhebungs- und Erstattungsbescheide vom 30.04.2009, 04.05.2009, 05.05.2009 und 06.05.2009 von gänzlich untergeordneter Bedeutung. Bei Bevollmächtigung durch die Leistungsbezieherin hatte der Kläger lediglich zu erkennen, dass der Beklagte auf den von der Leistungsbezieherin eingelegten Widerspruch noch keinen Widerspruchsbescheid erlassen hatte. Darauf hat er den Beklagten unter einer Fristsetzung hingewiesen. Noch innerhalb der kurzen Frist hat der Beklagte die ausstehenden Widerspruchsbescheide erlassen und dem von der Leistungsbezieherin eingelegten Widerspruch gegen die Aufhebungs- und Erstattungsbescheide damit abgeholfen. Das einzelne Schreiben des Klägers ist daher von absolut untergeordneter Bedeutung im Rahmen des gesamten behördlichen Vorverfahrens. Daran ändert sich auch nichts, weil der Kläger tatsächlich vier Schreiben zu den vier Aufhebungs- und Erstattungsbescheiden verfasst hat.
Das Sächsische Landessozialgericht hat bereits entschieden, dass keine grundsätzlichen Bedenken gegen die Berücksichtigung von auf Vor- oder Parallelbefassungen beruhenden Arbeitserleichterungen, die den Umfang der anwaltlichen Tätigkeit nicht nur unerheblich minderten, bestehen (SächsLSG, Beschluss vom 22.04.2013 - L 8 AS 527/12 B KO, Rn. 29 f.; vgl. auch SächsLSG, Urteil vom 08.11.2012 - L 3 AS 1118/11, Rn. 53 ff.). Denn Arbeitserleichterungen können nicht nur durch den Rückgriff auf im Vorverfahren erworbene Informationen und Erkenntnisse, sondern auch durch die parallele Bearbeitung im Wesentlichen gleichgelagerter Fälle desselben Mandanten entstehen. Der Rechtsanwalt kann von Tätigkeiten in einer Angelegenheit in einem gleich oder ähnlich gelagerten Fall in vielfältiger Weise - zum Beispiel durch die Übernahme von Textpassagen aus früheren Schriftstücken oder die Übernahme ganzer Schriftsätze (vgl. SächsLSG, Urteil vom 08.11.2012 - L 3 AS 1118/11, Rn. 53) - profitieren. Auch wenn diese Erleichterungen regelmäßig keine Absenkung in den unteren Bereich des Gebührenrahmens rechtfertigen werden können, sind sie dennoch bei der Bewertung des - insbesondere - Umfangs der anwaltlichen Tätigkeit angemessen einzustellen (vgl. SächsLSG, Beschluss vom 11.09.2013 - L 8 AS 858/12 B KO, Rn. 24).
So liegt es auch hier, denn die vier Aufhebungs- und Erstattungsbescheide waren inhaltlich identisch und unterschieden sich nur in der Höhe der zu erstattenden Leistungen für unterschiedliche Leistungszeiträume. Diese Erleichterungen tragen durchaus eine Absenkung der Geschäftsmittelgebühr auf ein Viertel, da bloß die Bescheiddaten auszuwechseln waren. Festgestellte objektive Arbeitserleichterungen bei - wie hier - zeitgleich erhobenen und parallel geführten Verfahren, in denen keine konkreten Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, in welchem Verfahren die "Hauptarbeit" getätigt wurde, sind gleichmäßig auf alle betroffenen Verfahren aufzuteilen (in diesem Sinne: Bayerisches LSG, Beschluss vom 06.06.2013 - L 15 SF 190/12 B, Rn. 10 f.; SächsLSG, Urteil vom 08.11.2012 - L 3 AS 1118/11, Rn. 56), denn sie erleichterten die Bearbeitung aller parallel geführten Verfahren gleichermaßen.
Auch die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit ist vorliegend als unterdurchschnittlich zu bewerten. Gemeint ist damit die Intensität der Arbeit im Sinne der Bearbeitung eines Routinefalles. In dem Stadium, in dem der Kläger in das Verfahren als Bevollmächtigter "eingestiegen" ist, hatte er lediglich festzustellen, dass über den Widerspruch der Leistungsbezieherin gegen die Aufhebungs- und Erstattungsbescheide noch keine Entscheidung durch den Beklagten ergangen war. Die Kenntnis der Rechtsprechung zum Vorliegen einer Bedarfsgemeinschaft in Abgrenzung zu einer bloßen Haushaltsgemeinschaft war für die Aufforderung an den Beklagten, über den von der Leistungsbezieherin eingelegten Widerspruch zu entscheiden, nicht notwendig. In einem solchen Fall sind keine Gesichtspunkte erkennbar, die zu einem sozialrechtlichen Routinefall führen könnten.
Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Leistungsbezieherin, die nur über ein geringfügiges Erwerbseinkommen aus Zustelltätigkeit verfügte, sind gemessen an den Durchschnittsverhältnissen der Gesamtbevölkerung als unterdurchschnittlich anzusehen.
Ein besonderes Haftungsrisiko ist nicht erkennbar. Soweit die Erstattungsforderungen ein Haftungsrisiko begründen können, wäre dieses bei Unkenntnis der zugrunde liegenden Bescheide einem Überprüfungsverfahren ohne die Kostenfolge des § 63 SGB X zuzuordnen.
Die Bedeutung der Angelegenheit ist für die Leistungsbezieherin überdurchschnittlich. Hier kommt es auf eine unmittelbare tatsächliche, ideelle, gesellschaftliche, wirtschaftliche oder rechtliche Bedeutung für den Auftraggeber, nicht aber für die Allgemeinheit an (vgl. BSG, Urteil vom 01.07.2009 - B 4 AS 21/09 R, Rn. 37). Da die Leistungsbezieherin mehreren Erstattungsforderungen aus vier verschiedenen Leistungszeiträumen mit einer Forderungshöhe von insgesamt 15.310,33 EUR ausgesetzt war, kam es ihr existenzentscheidend darauf an, gegen diese Ansprüche des Beklagten vorzugehen.
Unter Abwägung aller Kriterien des § 14 RVG, die überwiegend als weit unterdurchschnittlich zu bewerten sind, kommt der anwaltlichen Tätigkeit des Klägers im Widerspruchsverfahren eine insgesamt deutlich unterdurchschnittliche Bedeutung zu, so dass der Ansatz einer Gebühr von 70,00 EUR (= ein Viertel der Mittelgebühr) angemessen erscheint. Dabei gleichen sich die unterdurchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse mit der überdurchschnittlichen Bedeutung der Angelegenheit für die Leistungsbezieherin aus.
Der Beklagte und das SG haben bei der Bemessung der Geschäftsgebühr übersehen, dass nicht von der Schwellengebühr als Mittelgebühr auszugehen ist, sondern von der Mittelgebühr (vgl. BSG, Urteil vom 05.05.2010 - B 11 AL 14/09 R, Rn. 16). Daher sind nicht 60,00 EUR (als ein Viertel von 240,00 EUR), sondern 70,00 EUR (als ein Viertel von 280,00 EUR) anzusetzen.
Damit hat der Kläger die Toleranzgrenze von bis zu 20 % beim Ansatz einer Gebühr von 240,00 EUR (20 % von 70,00 EUR = 14,00 EUR) bei weitem überschritten und der Ansatz einer Gebühr von 240,00 EUR ist unbillig.
Zur Geschäftsgebühr kommt die Post- und Telekommunikationspauschale nach Nr. 7002 VV RVG in Höhe von 14,00 EUR (20 % der Gebühren, also von 70,00 EUR) und die Umsatzsteuer von 19 % nach Nr. 7008 VV RVG hieraus (15,96 EUR) hinzu. Das ergibt insgesamt 99,96 EUR. Davon hat der Beklagte bereits 85,68 EUR gezahlt, so dass die Differenz in Höhe von jeweils 14,28 EUR, insgesamt 57,12 EUR noch an den Kläger zu erstatten ist.
Zinsen für die nachzuzahlenden Beträge sind dem Kläger nicht zu zahlen. Zinsen gehören nicht zu den Aufwendungen, die nach § 63 Abs. 1 SGB X zu erstatten sind, soweit der Widerspruch erfolgreich war. Sie unterscheiden sich gerade von der Forderung auf Kostenerstattung. Es handelt sich um eine Nebenforderung im Verhältnis zu dem in § 63 SGB X geregelten Hauptanspruch. Ein Zinsanspruch ist nicht automatisch mit der Regelung der zu verzinsenden Forderung gegeben, (vgl. BSG, Urteil vom 25.06.1986 - 9a RVs 22/84, Rn. 8). § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO ist nicht - auch nicht analog - auf die Erstattung von Vorverfahrenskosten nach § 63 SGB X entsprechend anwendbar (vgl. BSG, Urteil vom 25.06.1986 - 9a RVs 22/84, Rn. 13).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 154 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), wonach der unterliegende Beteiligte die Kosten des Verfahrens und eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels zu tragen hat. Dabei ist auch ein teilweises Obsiegen/Unterliegen mit einer entsprechenden Kostenbeteiligung zu würdigen. Die Regelung des § 193 SGG ist entgegen der Meinung des SG nicht anwendbar.
Die Privilegierung des § 183 Satz 1 SGG kommt dabei dem Kläger nicht zugute. Zwar wäre die Leistungsempfängerin in dieser Eigenschaft als Klägerin von Kosten befreit. Sie hat den Kostenerstattungsanspruch nach § 63 SGB X aber an den Kläger abgetreten, weshalb dieser den Anspruch nunmehr als eigenen Anspruch, aber nicht als Leistungsempfänger verfolgt. Er gehört als prozessbevollmächtigter Rechtsanwalt nicht zu dem in § 183 Satz 1 SGG genannten Personenkreis. Bei Rechtsnachfolge ist aber nach dem Gesetzeswortlaut des § 183 Satz 1 SGG nur der Sonderrechtsnachfolger nach § 56 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) durch die Kostenbefreiung privilegiert, nicht aber derjenige, der einen Leistungsanspruch von einem Leistungsempfänger durch Abtretung erwirbt (vgl. Leitherer in Meyer/Ladewig, SGG, § 183, Rn. 6a; BSG, Urteil vom 01.07.2010 - B 11 AL 6/09 R, Rn. 24). Im Rechtsstreit geltend gemacht wird der Anspruch des Rechtsnachfolgers einer Leistungsempfängerin, ohne dass ein Fall der Sonderrechtsnachfolge (§ 56 SGB I) oder der Verfahrensaufnahme durch den Rechtsnachfolger (§ 183 Satz 2 SGG) eingetreten ist.
5. Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.