Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Höhe des Grades der Behinderung (GdB).

Der 1962 geborene Kläger stellte im Juli 2001 einen Antrag auf Feststellung eines GdB.

Der Beklagte erkannte nach Auswertung des Befundberichtes des Unfallchirurgen Dr. P. sowie der beigezogenen Unterlagen der G.- und L.-Berufsgenossenschaft (BG) mit Bescheid vom 25.10.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27.03.2002 einen GdB von 30 fest wegen der Behinderungen "Restbewegungs- und Gefühlsstörungen nach operativ behandeltem Speichenbruch 'rechts".

Hiergegen hat der Kläger am 29.04.2002.KIage erhoben bei dem Sozialgericht (SG) Düsseldorf mit der Begründung, die Folgen des Arbeitsunfalles an der Hand seien weitaus schwerwiegender. Es liege ein GdB von 50 vor.

Das SG hat das neurologische Gutachten sowie das elektroneurographische. Zusatzgutachten des Prof. Dr. M., das chirurgische Gutachten des Dr. B., das neurologischpsychiatrische Gutachten des Dr. W. sowie den Bescheid der BG vom 13.11.2003 beigezogen und ein Gutachten des Handchirurgen Dr. Wi. und des Neurologen und Psychiaters Dr. H. eingeholt.

Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Gutachten vom 25.03.2004 und 19.04.2004 verwiesen.

Das SG hat mit Urteil vom 10.09.2004 den Beklagten verurteilt, einen GdB von 40 festzustellen und die weitergehende Klage abgewiesen. Auf die Entscheidung wird verwiesen.

Gegen das am 20.09.2004 zugestellte Urteil hat der Kläger am 20.10.2004 Berufung eingelegt. Er verfolgt sein Begehren weiter.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichtes Düsseldorf vom 10.09.2004 zu ändern und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 25.10.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27.03.2002 zu verurteilen, ab Januar 2005 einen GdB von 50 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte hat mit Bescheid vom 14.10.2004 in Ausführung des Urteils des SG Düsseldorf vom 10.09.2004 einen GdB von 40 anerkannt. Ergänzend betont der Beklagte, dass auch der nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) gehörte Prof. Dr. F. einen Gesamt-GdB von 40 ermittelt hat.

Der Senat hat die Akte S 14 U 13/04 beigezogen und einen Befundbericht des Dipl.- Psychologen K. eingeholt.

Der Beklagte hat die Unterlagen ausgewertet und den GdB mit 40 eingeschätzt.

Sodann hat der Senat ein Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. A. und ein orthopädisches Gutachten des Dr. M. eingeholt. Abschließend hat der Senat auf Antrag. des Klägers nach § 109 SGG Gutachten der Neurologin und Anästhesistin Dr. Wö., des Handchirurgen Dr. Fe. sowie des Gastroenterologen Prof. Dr. F. eingeholt. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Gutachten vom 30.10.2005, 27.10.2005, 20.04.2006, 15.12.2006 und 01.05.2007 verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze, den übrigen Akteninhalt sowie auf die Verwaltungsakte des Beklagten.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist begründet.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hat der Kläger Anspruch auf Feststellung eines GdB von 50 ab Januar 2005.

Nach § 69 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) wird auf Antrag eines behinderten Menschen das Vorliegen einer Behinderung und des GdB festgestellt. Eine Behinderung ist gemäß § 2 SGB IX die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden Funktionsbeeinträchtigung, die auf einem regelwidrigen, körperlichen, geistigen oder seelischen Zustand beruht und die Teilnahme am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt. Die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigung sind als GdB, nach Zehnergraden abgestuft, von 20 bis100 festzustellen (§ 69 Abs. 1 S. 3 SGB IX). Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen, wie sie bei der Klägerin vorliegen, ist nach § 69 Abs. 3 SGB IX der Gesamt-GdB nach den Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festzustellen. Dabei ist der GdB unter Heranziehung der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (AP) in ihrer jeweils geltenden Fassung festzustellen, da die AP rechtsnormähnliche Wirkung haben und wie untergesetzliche Normen von der Verwaltung und den Gerichten anzuwenden sind (BSG, Urteil vom 09.04.1997, 9 RVs 4/95 m. w. N.).

Nach dem Gesamtergebnis der Beweisaufnahme liegen beim Kläger eine eingeschränkte Handgelenksbeweglichkeit rechts nach Fehlstellung verheiltem Speichenbruch rechts sowie eine Teilschädigung des Nervus medianus mit entsprechender Funktionsbeeinträchtigung vor. Für das Funktionssystem "Arme" ergibt sich unter Berücksichtigung der Vorgaben der Anhaltspunkte (AP) 2005 und in Übereinstimmung mit der Einschätzung des Beklagten ein GdB von 30.

Darüber hinaus hat das SG das psychovegetative Syndrom; die leichte posttraumatische Belastungsstörung und die Persönlichkeitsstörung zutreffend mit einem GdB von 20 berücksichtigt. Dies folgt für den Senat aus dem Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. H.. Beim Kläger besteht eine Störung der Persönlichkeitsstruktur im Sinne einer Reifeverzögerung mit phobischen Ängsten und depressiven Reaktionsbereitschaften, die der Sachverständige im Grenzbereich zu stärker behinderten Störung im Sinne von Nr. 26.3 Seite 48 AP 2005 ansieht. Da somit die Beeinträchtigung eine Tendenz zur stärker behindernden Störung (GdB 30 bis 40) aufweist, ist der Spielraum für die leichtere psychovegetative oder psychische Störung mit einem GdB von 0 bis 20 voll auszuschöpfen. Der GdB von 20 ist voll erreicht.

Der Senat vermochte sich daher nicht der Einschätzung des Neurologen und Psychiaters Dr. A. anschließen, der den GdB für das Funktionssystem "Psyche" als "soeben erreicht" einschätzte. Dagegen spricht zum einen, dass der Sachverständige bei der von ihm als psychovegetative Störung im Rahmen einer posttraumatischen Belastungsreaktion bezeichnete Behinderung von einer Beeinträchtigung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit beim Kläger beschreibt und die Behinderung bei der Bildung des Gesamt-GdB erhöhend berücksichtigt. Zum anderen befindet sich der Kläger wegen dieser Behinderung in psychotherapeutischer Behandlung bei dem Dipl.-Psychologen K. Aus dem Behandlungsbericht von Juni 2005 ergibt sich, dass in den 20 therapeutischen Sitzungen eine langfristige Stabilisierung und Reduktion der Symptome der posttraumatischen Belastungsstörung nicht erreicht werden konnte.

Zusätzlich besteht beim Kläger die von Prof. Dr. F. beschriebene chronisch entzündliche Damerkrankung. Das Beschwerdebild ist gekennzeichnet von Durchfällen in wechselnder Häufigkeit und Bauchschmerzen, die zu einer Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit und zu einem vermehrten Aufsuchen der Toilette sowie daraus folgend zu einer vermehrten Bindung an das Haus führen. Erste Anzeichen dieser Erkrankung beschreibt Prof. Dr. F. bereits seit Mitte 2001, die dauerhafte Diagnose lässt sich seit Anfang 2005 durch den endoskopischen Befund sichern. Die Colitis ulcerosa charakterisiert der Sachverständige unter Berücksichtigung der anamnestischen Angaben des Klägers und der Untersuchungsbefunde mit einer Stuhlfequenz von zweimal pro Tag einhergehend mit Rumoren im Bauchraum mit Verschlimmerung der Symptome bis zu einer Stuhlfrequenz von fünf bis sechs Durchfällen pro Tag und stärkeren abdominellen Schmerzen bei Auftreten einer psychischen Belastung. Da eine Colitis ulcerosa mit geringer Auswirkung (geringe Beschwerden, keine oder geringe Beeinträchtigung des Kräfte- und des Ernährungszustandes, selten Durchfälle) mit einem GdB von10 bis 20 und mit mittelschwerer Auswirkung (häufig rezidivierende oder länger anhaltende Beschwerden, geringe bis mittelschwere Beeinträchtigung des Kräfte- und Ernährungszustandes häufiger Durchfälle) mit einem GdB von 30 bis 40 bewertet wird, ist unter Berücksichtigung des Beschwerdebildes die Bewertung des GdB von Prof. Dr. F. mit 20 (voll erreicht) angemessen.

Nach den AP 2004 ist ausgehend von der schwerwiegendsten Gesundheitsstörung zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Funktionsbeeinträchtigungen vergrößert wird. Dabei ist zu berücksichtigen, dass leichte Gesundheitsstörungen, die einen GdB von 10 bedingen, in der Regel nicht zu einer wesentlichen Zunahme des Ausmaßes der Gesundheitsbeeinträchtigungen führen und dass es vielfach bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 nicht gerechtfertigt ist, eine Erhöhung vorzunehmen. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.

Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben liegt beim Kläger ein GdB von 50 ab Januar 2005 vor. Zutreffend hat das SG ausgehend von den Behinderungen in den Funktionssystemen "obere Extremitäten" und "Psyche" den GdB von 40 bewertet. Hinzugekommen ist nunmehr seit Januar 2005 im Funktionssystem "Verdauungsorgane" die Colitis ulcerosa, die einen weiteren GdB in Höhe von 20 (voll erreicht) bedingt. Der GdB von 40 ist auf 50 zu erhöhen. Das Ausmaß der Behinderung wird hierdurch größer. Denn die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen sind voneinander unabhängig und betreffen ganz verschiedene Bereiche im Ablauf des täglichen Lebens. Beispielhaft sei angeführt, dass die psychische Beeinträchtigung mit Hinweisen auf eine poststraumatische Belastungsstörung zu Alpträumen und Schlafstörungen führt. Die Darmerkrankung hingegen führt zu einer häufigen Stuhlfrequenz mit abdominellen Beschwerden und zusätzlich bei vermehrter psychischer Beeinträchtigung zu einer weiteren Beschwerdezunahme. Eine Überschneidung der Funktionsbeeinträchtigungen, die der Bildung eines Gesamt-GdB von 50 entgegenstehen würden, ist somit nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.