Tatbestand:

Umstritten ist, ob bei der Klägerin die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "aG" (außergewöhnliche Gehbehinderung) vorliegen.

Die am ... 1953 geborene Klägerin beantragte erstmals am 3. September 1991 die Feststellung von Behinderungen wegen einer angeborenen einseitigen Lähmung rechts, einer unfallbedingten Sprunggelenksverletzung links, Hüftbeschwerden rechts und Kurzsichtigkeit. Nach Einholung von medizinischen Unterlagen schätzte der Beteiligte ärztliche Dienst des Beklagten den Grad der Behinderung (GdB) wegen einer spastischen Lähmung rechts (60), einem Wirbelsäulenschaden mit Funktionsbehinderung (20) und einer Sehbehinderung (10) insgesamt mit 60 ein und hielt die Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr) für gegeben. Dem folgend stellte der Beklagte (damals: Versorgungsamt H.) mit Bescheid vom 25. August 1992 einen Grad der Behinderung von 60 wegen dieser Behinderungen und das Merkzeichen "G" fest. Mit Bescheid vom 25. September 1996 erhöhte der Beklagte den GdB auf 70 und stellte folgende Behinderungen fest: Angeborene spastische Lähmung rechts, Bewegungseinschränkung rechte Schulter, Bewegungseinschränkung der Wirbelsäule, Bewegungseinschränkung rechte Hüfte, Bewegungseinschränkung linkes Sprunggelenk, Sehbehinderung. Als Nachteilsausgleich stellte er weiterhin das Merkzeichen "G" fest. Am 30. November 2000 bescheinigte der Beklagte der Klägerin auf ihren Antrag, dass sie aufgrund ihrer Behinderungen zum Aussteigen auf das vollständige Öffnen der Türen und somit auf Parkmöglichkeiten von besonderer Breite angewiesen ist.

Am 10. September 2009 beantragte die Klägerin die Feststellung eines höheren GdB für die bisher festgestellten Behinderungen und das Merkzeichen "aG". Der Beklagte holte daraufhin von dem Facharzt für Orthopädie Dr. W. einen Befundbericht vom 17. September 2009 ein, dem der ärztliche Entlassungsbericht des Reha-Zentrums Bad S. vom 1. September 2009 über eine vom 28. Juli bis 1. September 2009 durchgeführte stationäre Reha-Behandlung der Klägerin beigefügt war. Dr. W. gab an, die Klägerin seit 1993 wegen progredienter Wirbelsäulen- und Gelenkbeschwerden bei angeborener Hemiparese rechts orthopädisch zu betreuen. Sie sei beim Laufen im Freien auf zwei Unterarmstützen und in geschlossenen Räumen auf eine Unterarmstütze angewiesen. Einen Rollstuhl benötige sie nicht. Im Reha-Entlassungsbericht wurden eine Fehlstatik der Wirbelsäule mit muskulären Dysbalancen cervikal und Funktionseinschränkungen im Bereich der kompletten Wirbelsäule, im rechten Schulter-, Ellbogen- und Handgelenk, Funktionseinschränkungen mit motorischen Störungen der rechten Hand, eine spastisch bedingte Spitzfußstellung mit entsprechenden Funktionseinschränkungen im Oberschenkelgelenk sowie eine Muskelatrophie der rechten unteren Extremität mit entsprechender muskulärer Schwäche mitgeteilt. Einen weiteren Befundschein hat der Beklagte von der Fachärztin für Augenheilkunde Dipl.-Med. L. vom 29. September 2009 eingeholt, wonach der Visus rechts 1/24 und links 0,5 betrage. Als Diagnosen benannte die Ärztin eine Myopathie rechts und einen Zustand nach Vitrektomie links. Schließlich zog der Beklagte medizinische Unterlagen des Rentenversicherungsträgers der Klägerin bei. Der erneut beteiligte ärztliche Dienst des Beklagten schätzte den Gesamt-GdB weiterhin mit 70 ein und vertrat die Auffassung, die Bewegungseinschränkung des linken Hüftgelenkes, beider Kniegelenke und die Beschwerden am linken Ellenbogen sowie die Funktionsminderung beider Hände bedingten keinen GdB bzw. lägen nicht vor. Das Merkzeichen G sei weiterhin gerechtfertigt. Darauf gestützt lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 15. Dezember 2009 den Antrag der Klägerin ab, da Art und Ausmaß der erhobenen Befunde gegenwärtig keinen höheren Grad der Behinderung begründeten und das Merkzeichen aG nicht festzustellen sei. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 12. Januar 2010 Widerspruch ein und machte geltend, sie sei seit dem Jahr 2005 auf zwei Gehstützen bzw. einen Rollator angewiesen. Außerdem trage sie seit 2009 eine Fußorthese rechts und eine Bandage zur Unterstützung des rechten Handgelenkes. Größere Strecken könne sie aufgrund der außergewöhnlichen Behinderungen und der damit verbundenen körperlichen Belastung, vor allem für ihre Wirbelsäule, nicht mehr bewältigen. Deshalb sei sie auf die Benutzung eines Autos angewiesen. Seit Jahren sei sie in ihrer Flexibilität und Lebensqualität erheblich eingeschränkt. Die durchgeführte Rehabilitation in der Klinik B. S. habe zu keiner wesentlichen Verbesserung geführt. Mit Widerspruchsbescheid vom 20. Juli 2010 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück und gab zur Begründung an, die Klägerin sei nach versorgungsärztlicher Beurteilung trotz der bestehenden erheblichen Gehbehinderung nicht zu dem Personenkreis der außergewöhnlich gehbehinderten Menschen zu zählen. Sie sei diesem Personenkreis auch nicht gleichzustellen. Aus den Befundberichten gehe hervor, dass es ihr möglich sei, an zwei Unterarmstützen zu gehen. Die Notwendigkeit eines Rollstuhls werde in den Unterlagen nicht bestätigt. Damit sei sie beim Gehen nicht außergewöhnlich eingeschränkt.

Hiergegen hat sich die Klägerin mit der am 6. August 2010 beim Sozialgericht (SG) Dessau-Roßlau erhobenen Klage gewendet und an ihrem Begehren festgehalten. Das SG hat medizinische Ermittlungen durchgeführt und zunächst einen Befundbericht der Fachärztin für Innere Medizin Dr. M. vom 8. Oktober 2010 eingeholt und nach Durchführung eines Erörterungstermins am 8. Dezember 2010 mit Beweisanordnung vom 9. Dezember 2010 den Chefarzt der Klinik für Unfall- und Handchirurgie Dr. Z., Städtisches Klinikum D., mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt, das dieser nach ambulanter Untersuchung der Klägerin am 24. Februar 2011 am 17. März 2011 erstattet hat. Als Beschwerden der Klägerin hat der Sachverständige angegeben, die Klägerin könne zurzeit an guten Tagen nur sehr kurze Strecken laufen und komme dabei auf etwa 10 bis 15 m. An manchen Tagen seien es schmerzbedingt nur ein paar Schritte. Den Rollator könne sie allein nicht beherrschen, weil sie damit weder eine Treppe steigen noch durch eine Tür gehen könne. Außerdem habe sie am rechten Schultergelenk seit etwa 10 Jahren Probleme. Es bestünden Schmerzen und eine Bewegungseinschränkung, die sich beim Laufen mit Gehstützen verstärkten. Am rechten Kniegelenk habe sie seit 1998 Probleme und müssen ständig eine Bandage tragen. Mit dem linken Sprunggelenk sei sie 1992 umgeknickt. Seitdem bestehe eine rezidivierende Schwellneigung sowie ein Bewegungs- und Belastungsschmerz, so dass sie nicht richtig auftreten könne. Zum Untersuchungsbefund hat Dr. Z. angegeben, der Klägerin sei aufgrund der Spastik kein freier Gang möglich. Unter Zuhilfenahme von zwei Unterarmgehstützen könne sie wenige Schritte mit einer deutlichen Abrollstörung des rechten Fußes und Minderbelastung des rechten Beines bewältigen. Hierbei würden jedoch Schmerzen in beiden Schultergelenken, rechts mehr als links, sowie im rechten Ellenbogengelenk geklagt. Sämtliche Standvarianten wie Einbein-, Zehen-, Fersenstand seien rechts und links nicht ausführbar. Es bestehe eine mäßige Bewegungseinschränkung des rechten Hüftgelenkes und geringgradig auch des rechten Kniegelenkes. Die aktive Beweglichkeit im rechten oberen Sprunggelenk sei aufgehoben. Bei der passiven Bewegungsprüfung lasse sich nach Überwindung der Spastiken das obere Sprunggelenk in eine neutrale Position bringen. Die Beweglichkeit im rechten unteren Sprunggelenk sei zur Hälfte eingeschränkt; die Zehengelenke rechts seien wackelsteif. Den Gesamt-GdB hat der Sachverständige mit 70 eingeschätzt und zur Frage des Merkzeichens aG ausgeführt, seiner Auffassung nach erreiche die Klägerin dafür die Voraussetzungen nicht, da sie zwar durchaus auf die Benutzung eines Rollstuhls sowie auf die Benutzung von zwei Unterarmgehstützen bzw. eines Rollator angewiesen sei. Sie könne sich aber ohne fremde Hilfe außerhalb ihres Kraftfahrzeugs bewegen und ohne fremde Hilfe ihrer Arbeitsstelle erreichen. Zu berücksichtigen sei auch, dass sie trotz der sehr umfangreichen Behinderung ihren Beruf als Verwaltungsangestellte nachkommen könne.

Gegen das Gutachten hat die Klägerin eingewendet, es komme nicht allein darauf an ob sie noch in der Lage sei, sich ohne fremde Hilfe außerhalb ihres Kraftfahrzeugs zu bewegen. Abzustellen sei vielmehr darauf, ob die Gehfähigkeit in ungewöhnlich hohem Maße eingeschränkt sei, weil sie sich nur unter ebenso großen Anstrengungen oder nur noch mit fremder Hilfe fortbewegen könne wie der Personenkreis der Querschnittsgelähmten, Doppeloberschenkelamputierten, Doppelunterschenkelamputierten, Hüft-exartikulierten oder einseitig Oberschenkelamputierten, die außer Stande seien, ein Kunstbein zu tragen. Entscheidend sei, unter welchen Bedingungen sich der schwerbehinderte Mensch noch außerhalb seines Kraftfahrzeuges zumutbar bewegen könne, nämlich, ob ihm dies nur noch mit fremder Hilfe oder mit großer Anstrengung möglich sei. Hierzu habe der Sachverständige angegeben, dass sie unter Zuhilfenahme von zwei Unterarmgehstützen nur wenige Schritte mit einer deutlichen Abrollstörung des rechten Fußes und Minderbelastung des rechten Beines gehen könne, wobei sie Schmerzen in beiden Schultergelenken habe. Außerdem können sie kurze Strecken auch nur an guten Tagen laufen, andernfalls seien es schmerzbedingt nur ein paar Schritte.

Mit Urteil vom 25. Mai 2011 hat das SG die nur noch auf Anerkennung der Voraussetzungen für das Merkzeichen "aG" gerichtete Klage abgewiesen und in den Entscheidungsgründen im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin gehöre nicht zu dem Personenkreis der Schwerbehinderten mit außergewöhnlicher Gehbehinderung, da sie bei der Fortbewegung keine fremde Hilfe benötige. Sie könne den Weg zu ihrer Arbeitsstelle allein zurücklegen. Ihre Gehfähigkeit sei in einem ungewöhnlich hohen Maß eingeschränkt, da sie sich nur mit Gehstützen oder einem Rollator fortbewegen könne. Diese Art der Fortbewegung sei aber nicht mit großen körperlichen Anstrengungen verbunden. Die für das Merkzeichen aG erforderliche große körperliche Anstrengung sei nur gegeben, wenn die Klägerin bereits nach einer kurzen Wegstrecke von etwa 20 m erschöpft wäre und bereits dann eine Pause einlegen müsste. Eine derartige Einschränkung sei in dem Reha-Entlassungsbericht nicht berichtet worden. Auch sei die Klägerin nicht auf einen Rollstuhl angewiesen.

Das ihr am 1. Juni 2011 zugestellte Urteil greift die Klägerin mit der am 29. Juni 2011 beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegten Berufung an. Sie ist weiterhin der Ansicht, Anspruch auf das Merkzeichen aG zu haben, da sich aus dem Reha-Entlassungsbericht vom 10. September 2009 ergebe, dass sie ihre Tätigkeit als Verwaltungsangestellte nur noch unter 3 h täglich ausüben könne, da es an einer Wegefähigkeit fehle. Auch der gerichtliche Sachverständige Dr. Z. habe in seinem Gutachten vom 17. März 2011 angegeben, dass ihr ein freier Gang aufgrund der bestehenden Spastik nicht möglich sei und sie selbst unter Zuhilfenahme von zwei Unterarmgehstützen nur wenige Schritte mit einer deutlichen Abrollstörung des rechten Fußes und Minderbelastung des rechten Beines bewältigen könne. Weil sie nach Feststellung des Sachverständigen selbst an guten Tagen nur kurze Strecken laufen könne und mit dem Rollator weder eine Treppe steigen noch durch eine Tür gehen könne, lägen die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens aG vor. Die Tatsache, dass sie ihrer beruflichen Tätigkeit noch nachgehen könne, spiele für diese Beurteilung keine Rolle. Vor diesem Hintergrund hätte das SG den medizinischen Sachverständigen ergänzend befragen oder weitere Ermittlungen durchführen müssen. Ferner sei die Ausnahmegenehmigung zur Bewilligung von Parkerleichterungen nicht ausreichend, weil diese ausschließlich in Sachsen-Anhalt Wirkung entfalte. Sie sei jedoch darauf angewiesen, auch außerhalb der Landesgrenzen Parkerleichterungen in Anspruch zu nehmen, die sie aufgrund ihrer körperlichen Behinderung dringend benötige. Es sei schon mehrfach vorgekommen, dass sie normale Parkplätze wegen deren geringen Abmessungen nicht habe nutzen können. Es sei ihr nicht möglich gewesen, die Autotür vollständig zu öffnen, worauf sie aber aufgrund der Benutzung der Unterarmgehstützen oder einer Gehhilfe angewiesen sei. Auch unter Berücksichtigung des Gleichbehandlungsgrundsatzes nach Art. 3 Grundgesetz sei sie wie diejenigen Personen zu behandeln, bei denen die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Vergabe des Merkzeichens aG vorliegen. Auch im Hinblick auf das Grundrecht der allgemeinen Handlungs- und Bewegungsfreiheit sei sie auf eine Besserstellung gegenüber den gesunden, am Straßenverkehr teilnehmenden Menschen angewiesen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 25. Mai 2011 sowie den Bescheid des Beklagten vom 15. Dezember 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Juli 2010 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, bei ihr ab 10. September 2009 die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "aG" festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die Zuerkennung des Merkzeichens aG weiterhin für nicht gerechtfertigt und vertritt die Auffassung, angesichts der Tatsache, dass die Internistin Dr. M., die die Klägerin zuletzt Anfang November 2011 gesehen habe, die mit Unterarmgehstützen mögliche Gehstrecke auf etwa 1000 m schätze und der Angabe der Klägerin bei Antritt der Rehabilitation Ende November 2011, sie könne mit zwei Unterarmstützen unter 500 m laufen, lasse sich das begehrte Merkzeichen "aG" nicht ableiten.

Das Gericht hat medizinische Ermittlungen durchgeführt und von der Augenarztpraxis Dr. G. einen Befundbericht vom 30. Januar 2012 eingeholt. Darin wird für das rechte Auge ein Visus von 0,7 und für das linke Auge von 0,5 mitgeteilt. Eindeutige Gesichtsfeldsausfälle lägen nicht vor. Auf dem rechten Auge bestehe eine hochgradige Myopathie, auf dem linken Auge eine Hyperophie, Pseudophakie und ein Zustand nach Yag-Laser-Kapsulotomie. Am rechten Auge bestehe zusätzlich ein zunehmender Cataract, was mit einer dementsprechenden Verschlechterung der Sehschärfe verbunden sei. Einen weiteren Befundbericht hat das Gericht von Dr. M. vom 14. Februar 2012 eingeholt, die über fünf Behandlungen bzw. Untersuchungen der Klägerin im Jahr 2011 berichtet hat. Es bestünden rezidivierende Fußbeschwerden; die Klägerin sei ständig auf Unterarmstützen angewiesen, benötige aber keinen Rollstuhl. Die Gehfähigkeit sei mit Hilfe von Unterarmstützen auf ca. 1000 m einzuschätzen. Das Gangbild sei hinkend, Pausen müssten nach 200 m eingelegt werden, Schmerzen bestünden im linken Fuß. In die Arztpraxis gelange sie mit Hilfe des Autos und müsse dann einen Weg von etwa 50 m in die erste Etage zurücklegen. In einem weiteren Befundbericht vom 16. Februar 2012 hat Dr. W. angegeben, die Befunde hätten sich vor allem in den unteren Extremitäten verschlechtert; die Schmerzen im Fuß hätten sich verstärkt und die Gehstrecke weiter verringert. Die auch von der Bodenbeschaffenheit abhängige Gehstrecke liege unter 50 m, dann seien wegen der Schmerzen im rechten Bein Pausen nötig. Die Klägerin sei noch voll berufstätig und fahre einen umgerüsteten Automatik-Pkw mit Gas- und Bremspedal links und Lenkradknauf. Vor der Arztpraxis befinde sich ein Parkplatz, so dass die Klägerin mit Hilfe zweier Unterarmgehstützen die 20 m ebenso selbst bewältigen könne wie die acht Stufen in die Praxis. Dem Befundbericht des Dr. W. war der Ärztliche Entlassungsbericht des Reha-Zentrums Bad S. vom 10. Januar 2012 über die stationäre Reha-Maßnahme der Klägerin vom 23. November bis 28. Dezember 2011 beigefügt. Darin sind folgende Diagnosen genannt: kongenitale spastische Hemiparese rechts beinbetont mit muskulärer Insuffizienz, rezidivierendes Cervicobrachialsyndrom rechts bei Fehlstatik und muskulärer Dysbalance, pseudoradikuläres Lumbalsyndrom rechts bei Fehlstatik, degenerative Veränderungen und muskulärer Dysbalance, Epicondylitis radialis und ulnaris humeri links, chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren. Subjektive Einschränkungen habe die Klägerin bei längerem Heben, beim Treppensteigen, Einkaufen, bei der Gartenarbeit, Hausarbeit (zum Beispiel Fenster putzen, Wäsche aufhängen) genannt. Ferner beklage sie massive Einschränkungen bei der Teilnahme am gesellschaftlichen Leben, da die Gehstrecke auf unter 500 m eingeschränkt sei und die ständige Nutzung zweier Unterarmgehstützen erforderlich sei. Zur indikationsspezifischen Untersuchung wird unter anderem ausgeführt, die Patientin nutze zwei Unterarmgehstützen im Vier-Punkt-Gang, verfüge über eine Unterschenkelprothese rechts, Knie- und Handgelenksbandagen rechts sowie eine Ellenbogenschiene rechts. Das Auskleiden erfolge im Sitzen. Rechts seien unipedaler Stand und Fersenstand nicht möglich, links uneingeschränkt, Zehenstand rechts unsicher, links uneingeschränkt. Bei den oberen Extremitäten seien die Schulterkonturen unauffällig, die Oberarm- und Unterarmmuskulatur sei seitengleich profiliert, der Nackengriff rechts leicht eingeschränkt, der Schürzengriff uneingeschränkt möglich. Über den Schultergelenken bestünden kein Schmerz und kein isometrischer Spannungsschmerz. Die Beweglichkeit der Schultergelenke wird wie folgt angegeben: Ante-/Retroversion rechts 150/0/40 Grad, links 160/0/40; Abduktion/Adduktion rechts 100/0/40, links 150/0/40, rechts passiv 120/0/40; Außen-/Innenrotation bei 90 Grad, Abduktion rechts 40/0/40, links 90/0/70 sowie passiv rechts 70/0/60. Hinsichtlich der unteren Extremitäten wird ausgeführt, die Beinachsen seien gerade, die Muskelkonturen unauffällig, Umfangsdifferenzen bestünden nicht. Die Leisten seien nicht druckschmerzhaft. Rechts bestünden ein Trochanterklopfschmerz und ein Fersenbeinstauchungsschmerz. Ferner bestehe ein Druckschmerz im gesamten tractus iliotibiasis-Verlauf rechts sowie im mittleren Oberschenkel links. Die Beweglichkeit der Hüftgelenke wird wie folgt angegeben: Streckung/Beugung rechts 0/0/100, links 0/0/120; Außen-/Innenrotation in 90° Hüftbeugung beidseits 50/0/30; Abduktion/Adduktion rechts 30/0/30, links 40/0/30. Die Kniegelenke seien in Form und Funktion unauffällig, frei und schmerzlos beweglich. Bei den oberen und unteren Sprunggelenken sei die Pronation und Supination links schmerzhaft. Bei der neurologischen Untersuchung hätten sich keine sensiblen Störungen im Bereich der oberen und unteren Extremitäten bei unauffälligem Reflexstatus gefunden. Die klinische Untersuchung habe eine Wirbelsäulen-Fehlstatik, muskuläre Dysbalancen, zervikale Funktionseinschränkungen im Bereich der Halswirbelsäule, des rechten Schultergelenkes, Ellenbogengelenkes und Handgelenkes sowie Funktionseinschränkungen mit motorischen Störungen der rechten Hand ergeben. Außerdem bestehe eine spastisch bedingte Spitzfußstellung mit entsprechenden Funktionseinschränkungen im rechten Oberschenkelgelenk, verbunden mit einer deutlichen Muskelatrophie im Bereich der rechten unteren Extremität und entsprechender muskulärer Schwäche. Daneben bestünden leichte Funktionseinschränkungen im linken Oberschenkelgelenk. Zusätzlich fänden sich Funktionseinschränkungen in den Hüftgelenken rechts mehr als links mit entsprechenden muskulären Dysbalancen. In psychologischer Hinsicht sei die Diagnose einer chronischen Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren (F45.41) zu stellen, so dass eine langfristige psychophysische Stabilisierung in ambulanter psychotherapeutischer Behandlung indiziert sei. Infolge der Minderbelastbarkeit bzw. Funktionsstörung der Halswirbelsäule und der Lendenwirbelsäule sowie wegen der zwischenzeitlich massiv auf unter 500 m eingeschränkten Wegefähigkeit bei ständiger Nutzung zweier Unterarmgehstützen infolge der Hemiparese rechts sei die Klägerin zur Zeit nur in der Lage, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes vollschichtig durchzuführen, wobei sie längeres Stehen und Gehen vermeiden solle. Die Klägerin sei am 28. Dezember 2011 regulär und arbeitsfähig aus dem Heilverfahren entlassen worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungsakte des Beklagten und die Gerichtsakten beider Rechtszüge verwiesen, die vorgelegen haben und bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt worden sind.

 

Entscheidungsgründe:

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht erhobene Berufung der Klägerin ist unbegründet.

Sie verfolgt ihren Anspruch auf Feststellung des Merkzeichen aG mit einer zulässigen Anfechtungs- und Verpflichtungsklage nach § 54 Abs. 1 SGG. Doch ist die Klage insoweit unbegründet.

Anspruchsgrundlage für die begehrte Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen aG ist § 69 Abs. 4 (SGB IX). Danach stellen die zuständigen Behörden die gesundheitlichen Merkmale fest, die Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen für schwerbehinderte Menschen sind. Zu diesen Merkmalen gehört auch die außergewöhnliche Gehbehinderung im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 14 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) oder entsprechender straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften, für die in den Schwerbehindertenausweis das Merkzeichen aG einzutragen ist (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 Schwerbehindertenausweisverordnung - SchwbAwV). Diese Feststellung zieht straßenverkehrsrechtlich die Gewährung von Parkerleichterungen im Sinne von § 46 Abs. 1 Nr. 11 Straßenverkehrsordnung (StVO) nach sich, wobei Ausgangspunkt für die Feststellung der außergewöhnlichen Gehbehinderung die in der allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur StVO (VwV-StVO) enthaltenen Regelungen sind. Nach Abschnitt II Nr. 1 VwV-StVO zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 StVO sind als schwerbehinderte Menschen mit außergewöhnlicher Gehbehinderung solche Personen anzusehen, die sich wegen der Schwere ihres Leidens dauernd nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung außerhalb ihres Kraftfahrzeuges bewegen können. Dazu zählen Querschnittsgelähmte, Doppeloberschenkelamputierte, Doppelunterschenkelamputierte, Hüftexartikulierte und einseitig Oberschenkelamputierte, die dauernd außerstande sind, ein Kunstbein zu tragen, oder nur eine Beckenkorbprothese tragen können oder zugleich unterschenkel- oder armamputiert sind, sowie andere schwerbehinderte Menschen, die nach versorgungsärztlicher Feststellung, auch aufgrund von Erkrankungen, dem vorstehenden Personenkreis gleichzustellen sind. Ein Betroffener ist gleichzustellen, wenn seine Gehfähigkeit in ungewöhnlich hohem Maße eingeschränkt ist und er sich nur unter ebenso großen Anstrengungen wie die in Abschnitt II Nr. 1 Satz 2 erster Halbsatz VwV-StVO zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 StVO aufgeführten schwerbehinderten Menschen oder nur noch mit fremder Hilfe fortbewegen kann (vgl. BSG, Urteil vom 29. März 2007, B 9 a SB 5/05 R, juris). Entscheidend ist dabei nicht, über welche Gehstrecken ein schwerbehinderter Mensch sich außerhalb seines Kraftfahrzeuges zumutbar noch bewegen kann, sondern, unter welchen Bedingungen ihm dies nur noch möglich ist: nämlich nur noch mit fremder Hilfe oder mit großer Anstrengung. Wer diese Voraussetzungen - praktisch von den ersten Schritten außerhalb seines Kraftfahrzeuges an - erfüllt, qualifiziert sich für den entsprechenden Nachteilsausgleich auch dann, wenn er gezwungenermaßen auf diese Weise längere Wegstrecken zurücklegt (vgl. BSG, Urteil vom 10. Dezember 2002, B 9 SB 7/01 R, juris sowie ständige Rechtsprechung des erkennenden Senates, vgl. nur Urteil vom 25. September 2012, L 7 SB 29/10, juris).

Ob für die Prüfung des Vorliegens einer außergewöhnlichen Gehbehinderung ergänzend die im Wesentlichen inhaltsgleichen Bestimmungen in Teil D Ziffer 3 der Anlage zu § 2 der seit dem 1. Januar 2009 geltende Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10. Dezember 2008 in ihrer jeweils geltenden Fassung heranzuziehen sind, kann dahinstehen. Denn ungeachtet der Frage, ob die Regelungen der VersMedV zum Merkzeichen aG rechtswirksam erlassen worden sind (vgl. hierzu verneinend: LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 23. Juli 2010, L 8 SB 3119/08, juris), liegen die gesundheitlichen Voraussetzungen für den von der Klägerin begehrten Nachteilsausgleich auch unter Berücksichtigung dieser Regelungen nicht vor.

Die Klägerin gehört nicht zum ausdrücklich genannten Personenkreis der außergewöhnlich Gehbehinderten. Auch eine Gleichstellung der Klägerin mit dem vorgenannten Personenkreis ist nicht möglich. Ihr Gehvermögen ist nicht in ungewöhnlich hohem Maße eingeschränkt bzw. sie kann sich nicht nur unter ebenso großen Anstrengungen wie die in der straßenverkehrsrechtlichen Verwaltungsvorschrift bzw. in der Anlage zu § 2 VersMedV genannten Personen oder nur noch mit fremder Hilfe fortbewegen. Dies ergibt sich aus einer Gesamtbetrachtung der medizinischen Einschätzungen des gerichtlichen Sachverständigen Dr. Z., der Internistin Dr. M. im Bericht vom 14. Februar 2012 und der Ärzte des Reha-Zentrums Bad S. Den Diagnosen und Befundmitteilungen ist eine schwere Gehbehinderung infolge der angeborenen Hemiparese rechts mit Fußdeformation (Spitzfußstellung) zu entnehmen, in deren Folge die Klägerin zur Fortbewegung auf zwei Unterarmgehstützen und ggf. zusätzlich einen Rollator angewiesen ist. Ferner ist durch diese Behinderung ihre Gehstrecke im Vergleich zu der eines gesunden Menschen deutlich herabgesetzt, wobei es nicht entscheidungserheblich ist, ob die ihr noch mögliche Gehstrecke bei ca. 1000 m (Dr. M.), ca. 500 m (so die Klägerin selbst in ihrer Anamnese im Reha-Zentrum Bad S. Ende 2011) oder nur bei 50 m liegt (Dr. W. im Befundbericht vom 16. Februar 2012). Denn es kann hier keine auf das schwerste eingeschränkte Gehfähigkeit angenommen werden. Dagegen sprechen nicht nur die im aktuellen Reha-Entlassungsbericht vom 10. Januar 2012 mitgeteilten Untersuchungsbefunde mit Bewegungsmaßen für die oberen und unteren Extremitäten, nach denen eine so schwere Einschränkung der Gehfähigkeit wie bei dem Personenkreis nach Abschnitt II Nr. 1 VwV-StVO zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 StVO nicht plausibel ist. Auch die Tatsache, dass die Klägerin offenbar ohne größere Schwierigkeiten in der Lage ist, die Arztpraxis von Dr. M. in der ersten Etage sowie auch die des Dr. W. mit Überwindung von acht Stufen aufzusuchen spricht gegen eine besonders schwere Einschränkung der Gehfähigkeit. Anders als die Klägerin meint, ist deshalb auf der Grundlage des Gleichbehandlungsgrundsatzes des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz bei ihr keine Gleichbehandlung mit dem vorgenannten Personenkreis geboten, weil der sachliche Unterschied darin besteht, dass sie gewisse Gehstrecken noch ohne übermäßige Beschwerden, Schmerzen und häufige Pausen zurücklegen kann, während dies dem genannten Personenkreis nicht möglich ist. Es ist nicht zu erkennen, dass bei der Fortbewegung der Klägerin wesentliche Pausen und Erschöpfungszustände auftreten; darüber enthalten weder das Gutachten des Dr. Z. noch sämtliche Befundunterlagen hinreichenden Feststellungen. Auch dem Vorbringen der Klägerin sind derart weit gehende Einschränkungen nicht zu entnehmen. Lediglich Dr. W. hat eine massiv eingeschränkte Gehfähigkeit auf unter 50 m berichtet, wobei diese Angabe widersprüchlich ist, weil er an anderer Stelle seines Befundberichtes ausführt, nach maximal 50 m Gehstrecke mit Hilfsmitteln sei eine Pause wegen Schmerzen im rechten Bein, vor allem im rechten Knie- und Fußgelenk und bedingt durch muskuläre Insuffizienz im rechten Bein nötig. Damit ist auch nach seiner Einschätzung eine Wegstrecke von insgesamt mehr als 50 m möglich und zusätzlich auch die Bewältigung von acht Stufen in die ärztliche Praxis (Bericht vom 16. Februar 2012). Auch nach dieser Darstellung kann von einer Einschränkung der Gehfähigkeit praktisch von den ersten Schritten außerhalb eines Kraftfahrzeuges nicht ausgegangen werden. Damit sind die vorliegenden Gehbehinderungen der Klägerin in ihren Auswirkungen nicht mit denen vergleichbar, für die nach Abschnitt II Nr. 1 VwV-StVO zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 StVO eine außergewöhnliche Gehbehinderung anzunehmen ist.

Der Klägerin ist zuzugestehen, dass die Notwendigkeit der Benutzung von zwei Unterarmgehstützen ihre Gehfähigkeit erschwert. Es trifft auch zu, dass sie deshalb Schwierigkeiten beim Ein- und Aussteigen hat, da sie mit Hilfe der Gehhilfen das Fahrzeug verlassen muss. Ferner ist bei diesem Vorgang auch ein großer Öffnungswinkel der Fahrertür erforderlich, wodurch das Ein- und Aussteigen in engen Parklücken zusätzlich erschwert oder sogar unmöglich ist. Auch durch diese erschwerenden Umstände ist aber noch nicht die Zuerkennung des Merkzeichens "aG" gerechtfertigt. Es trifft zu, dass die mit der Anerkennung des Merkzeichens "aG" verbundenen erweiterten Möglichkeiten, einen für sie geeigneten Parkplatz zu finden, für ihre Behinderung eine spürbare Erleichterung bedeuten würde. Auf der Grundlage der Ermächtigung in § 6 Abs. 1 Nr. 14 StVG hat der Verordnungsgeber in § 45 Abs. 1b Nr. 2 StVO den Straßenverkehrsbehörden die Befugnis eingeräumt, die notwendigen Anordnungen im Zusammenhang mit der Kennzeichnung von Parkmöglichkeiten für schwerbehinderte Menschen mit außergewöhnlicher Gehbehinderung oder anderer - hier nicht in Frage kommender - Beeinträchtigungen zu treffen; die Anlage 2 Abschnitt 3 zur StVO sieht hierfür die Ergänzung der Zeichen 314 (Parken) und 315 (Parken auf Gehwegen) um ein Zusatzzeichen mit Rollstuhlfahrersinnbild vor. Diese Behindertenparkplätze müssen gemäß Abschnitt IX Rdnr. 18 zu § 45 Abs. 1 bis 14 VwV-StVO i. V. m. DIN 18024-1 so gebaut werden, dass an der Längsseite des Fahrzeugs eine Bewegungsfläche mit einer Breite von 1,50 m bleibt. Damit ist bei einem Behindertenparkplatz immer gewährleistet, dass die Klägerin ihr Fahrzeug so einparken kann, dass sich die Fahrertür unabhängig von anderen Fahrzeugen, die vorschriftsmäßig parken, bis zum Anschlag öffnen lässt. Darüber hinaus hätte die Klägerin mit dem Merkzeichen "aG" die Möglichkeit, Parkerleichterungen in Form von Befreiungen von Halteverboten nach Abschnitt I zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 VwV-StVO zu erlangen. Die dadurch verfügbaren zusätzlichen Parkplätze wären zwar nicht zwangsläufig behindertengerecht, würden aber ihre Möglichkeiten, einen für sie geeigneten Parkplatz zu finden, erhöhen (vgl. Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 29. Februar 2012, L 16 SB 151/11, juris).

Das Bedürfnis nach einer möglichst weit geöffneten Fahrertür rechtfertigt jedoch nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung allein noch nicht die Zuerkennung des Merkzeichens "aG". Das BSG hat in einem vergleichbaren Fall - in dem ein Kläger wie im vorliegenden Fall nur ein- und aussteigen konnte, wenn die Wagentür vollständig geöffnet war - (Urteil vom 3. Februar 1988; Az. 9/9a RVs 19/86 = SozR 3870 § 3 Nr. 28) entschieden, dass das Merkzeichen "aG" allein aus diesem Grund nicht zuerkannt werden könne. Der Gesetzgeber hat durch die Formulierung in § 3 Abs. 1 Nr. 1 der SchwbAwV insoweit straßenverkehrsrechtliche Vorschriften für maßgeblich erklärt. Zum Ausgleich von Nachteilen beim Ein- und Aussteigen hat der Bundesminister für Verkehr die Ausnahmegenehmigung nicht geschaffen. Sie ist vielmehr dazu gedacht, den Schwerbehinderten mit dem Pkw möglichst nahe an sein jeweiliges Ziel fahren zu lassen. Der Nachteilsausgleich solle allein die neben der Personenkraftwagenbenutzung unausweichlich anfallende tatsächliche Wegstrecke soweit wie möglich verkürzen. Dies bedeute zugleich, dass der Personenkreis eng zu fassen sei. Denn mit der Ausweitung des Personenkreises steigt die Anzahl der Benutzer. Diesem Umstand kann nur begrenzt mit einer Vermehrung entsprechender Parkplätze begegnet werden, denn mit jeder Vermehrung der Parkflächen wird dem gesamten Personenkreis eine durchschnittlich längere Wegstrecke zugemutet, weil ortsnaher Parkraum nicht beliebig geschaffen werden kann. Dieser besondere Bedarf der Klägerin an einer weit geöffneten Fahrer- oder Beifahrertür wird jedoch in erster Linie durch die besondere Beschaffenheit des Parkraums und nicht durch die eingeschränkte Gehfähigkeit verursacht (vgl. LSG Berlin, Urteil vom 20. April 2004 L 13 SB 30/03, juris). Bloße Schwierigkeiten beim Verlassen des Kraftfahrzeuges bleiben für die Feststellung des Merkzeichens "aG" ohne Bedeutung (BSG, Urteil vom 5. Juli 2007, B 9/9a SB 5/06 R Rdnr. 21, juris). Diese sind im Übrigen auch von der Art und Ausstattung des Fahrzeuges abhängig (vgl. Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 29. Februar 2012, L 16 SB 151/11, juris).

Der Senat hält diese Rechtsprechung für zutreffend und schließt sich ihr in ständiger Rechtsprechung an (vgl. nur Urteil vom 25. September 2012, L 7 SB 29/10, juris). Sowohl die Parkmöglichkeiten für schwerbehinderte Menschen mit außergewöhnlicher Gehbehinderung als auch die Befreiungen von Haltverboten für diesen Personenkreis verfolgen in erster Linie den Zweck, möglichst kurze Gehstrecken vom Parkplatz bis zum Ziel zu ermöglichen. Dieser Zweck ist nur zu erreichen, wenn der Kreis der Berechtigten so eng wie möglich gezogen wird, weil ein besetzter Behindertenparkplatz für denjenigen, der einen Parkplatz sucht, keinen Wert hat. Deshalb müssen bei der Überlegung, ob ein schwerbehinderter Mensch, der den in Abschnitt II Nr. 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 StVO genannten Gruppen von Schwerstgehbehinderten nicht gleichzustellen ist, aber Schwierigkeiten beim Ein- und Aussteigen aus dem Pkw hat, das Merkzeichen "aG" erhalten soll, nicht nur dessen Vorteile bei der Benutzung von Behindertenparkplätzen, sondern auch die aus der Ausweitung des Benutzerkreises resultierenden Nachteile berücksichtigt werden (vgl. Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 29. Februar 2012, a.a.O.).

Darüber hinaus hätte die Klägerin die Möglichkeit, durch Benutzung eines Fahrzeugs mit Schiebetür auf der Fahrerseite die Schwierigkeiten beim Ein- und Aussteigen zu umgehen. Fahrzeuge mit Schiebetür auf der Fahrerseite sind zwar ab Werk kaum verfügbar (vgl. bis 2009 z.B. Peugeot 1007), jedoch ist ein Umbau sonstiger Wagen durch Spezialfirmen möglich und kann unter bestimmten Voraussetzungen auch von der Sozialversicherung oder der Sozialhilfe finanziert werden (vgl. § 55 Abs. 2 Nr. 1 und § 33 Abs. 8 Nr. 1 SGB IX i. V. m. § 7 Kraftfahrzeughilfe-Verordnung). Im Gegensatz zu Schwerstgehbehinderten könnte die Klägerin durch die Wahl eines Fahrzeugs mit Schiebetüren bzw. einen entsprechenden Umbau viele Probleme beim Aus- und Einsteigen vollständig lösen. (vgl. Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 29. Februar 2012, L 16 SB 151/11, juris).

Die von der Klägerin erstrebten Vorteile aus der Benutzung von Behindertenparkplätzen dürften jedenfalls wesentlich geringer als für diejenigen Personengruppen sein, die sich nur wenige Meter zu Fuß fortbewegen können und deshalb dringender auf einen möglichst nahe gelegenen Parkplatz angewiesen sind. Eine Aufweichung dieser zweifellos strengen Kriterien würde den Kreis der Berechtigten erheblich ausweiten, wenn allein die Notwendigkeit, die Türe vollständig beim Ein- und Aussteigen zu öffnen, ausreichen würde, um einen Anspruch auf das Merkzeichen "aG" auszulösen; insbesondere wäre dann zu erwarten, dass auch viele Menschen mit Wirbelsäulenproblemen oder Adipositas in den Genuss dieses Merkzeichens gelangen würden, was die Chancen der Schwerstgehbehinderten, einen günstig gelegenen Parkplatz zu erhalten, drastisch verringern könnte (vgl. Bayerisches Landessozialgericht a.a.O.). Dies wäre auch rechtspolitisch nicht wünschenswert. Der Senat sieht deshalb keinen Anlass, von der Rechtsprechung des BSG und anderer Landessozialgerichte sowie seiner eigenen gefestigten Rechtsprechung abzuweichen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zu zulassen, weil Zulassungsgründe nicht gegeben sind (§ 160 Abs. 2 SGG).