Tatbestand

Der Kläger begehrt Versorgung nach dem Gesetz über die Aufhebung rechtsstaatswidriger Verwaltungsentscheidungen im Beitrittsgebiet und die daran anknüpfenden Folgeansprüche (verwaltungsrechtliches Rehabilitierungsgesetz - VwRehaG -).

Der 1945 in F. (Schlesien) geborene Kläger arbeitete in der ehemaligen DDR überwiegend in der Gastronomie. Er leitete mit Unterbrechungen mehrere Jahre bis 1986 eine Gaststätte. Danach war er bei der VEB R. als Saatenaufbereiter tätig. Am 01.10.1989 reiste er in die Bundesrepublik Deutschland (BRD) ein.

Der Kläger beantragte im September 1995 Versorgung nach dem VwRehaG. Zur Begründung trug er vor:

Im März 1986 sei er von der Polizei des Volkspolizeikreisamtes H. verhaftet worden, weil er während einer Veranstaltung, für die er das Büffet zubereitet hatte, Mitglieder der SED wegen schlechter Manieren als "Schweine" bezeichnet hatte. Daraufhin sei ihm am nächsten Tag fristlos gekündigt und er sei der Unterschlagung eines größeren Geldbetrages beschuldigt worden. Während der nächsten drei folgenden Wochen sei er täglich verhört und misshandelt worden. Hierauf führte er seine psychische Erkrankung zurück.

Mit Bescheid von Januar 1997 stellte das Ministerium des Innern des Landes Brandenburg fest, dass die körperliche Misshandlung des Klägers durch die Kriminalpolizei des Volkspolizeikreisamtes H. während der Vernehmungen im März 1986 mit tragenden Grundsätzen eines Rechtsstaates schlechthin unvereinbar sind und erklärte diese Maßnahmen für rechtsstaatswidrig.

Der Kläger legte u. a. ein Attest seines behandelnden Neurologen und Psychiaters Dr. D. vor. Anschließend beauftragte der Beklagte die Ärztin Dr. C. mit der Erstellung eines Gutachtens nach ambulanter Untersuchung des Klägers. Anlässlich der Anamnese gab der Kläger an, bereits Ende 1985 sei es wegen großer Arbeitsbelastung zu einer psychischen Dekompensation gekommen mit fünfmonatiger stationärer Behandlung. Bei den Verhören im März 1986 sei er verprügelt und mit Elektroschocks gequält worden. Schon während der Tätigkeit als Gaststättenleiter hätte er unter nervösen Störungen gelitten, die die Ehe stark belastet hätten. Seit Sommer 1996 leide er unter massiven Angstzuständen, Depressionen und Schlafstörungen, die eine nervenärztliche Behandlung erforderten. Die Ärztin gelangte in ihrem Gutachten zu der Einschätzung, dass neben den festgestellten Narben, die keine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) verursachen, keine Schädigungsfolgen anzuerkennen seien. Zur Begründung wies sie darauf hin, dass bereits vor dem schädigenden Ereignis nach den Angaben des Klägers wegen psychischer Störungen eine mehrmonatige stationäre Behandlung erfolgt sei. Mit hoher Wahrscheinlichkeit seien die schädigungsunabhängige neurotische Persönlichkeitskeitsstörung und familiäre Probleme wesentliche Ursachen der psychischen Situation des Klägers.

Mit Bescheid vom 24.06.1997 erkannte der Beklagte nach dem VwRehaG die Gesundheitsstörungen "Narben am Kinn, den beiden Oberarmen, am Rücken und im Bereich des linken Kniegelenkes" als Folge der körperlichen Misshandlung des Klägers durch die Kriminalpolizei des Volkspolizeikreisamtes H. während der Vernehmungen im März 1986 an. Die Gesundheitsstörungen "psychische Erkrankung, Bluthochdruck, Wirbelsäulensyndrom bei Fehlhaltung und Verschleiß und Kniegelenkverschleiß, Fußfehlstatik" seien weder durch schädigende Einwirkungen im Sinne des § 3 VwRehaG entstanden noch verschlimmert.

Im Widerspruchsverfahren trug der Kläger vor, dass er vor 1986 niemals an psychischen Störungen gelitten habe. Insoweit sei das Gutachten von Dr. C. unzutreffend. Er legte den Bericht des Dipl.-Med., FA für Neurologie und Psychiatrie, H. der Kreispoliklinik H. vom 11.04.1986 vor. Dr. C. wies in einer Stellungnahme darauf hin, dass der Kläger anlässlich der ambulanten Untersuchung mitgeteilt habe, dass es 1985 bei hochgradiger Arbeitsbelastung zu einer psychischen Dekompensation mit stationären Krankenhausaufenthalt gekommen sei.

Der Beklagte zog die Akte der LVA Rheinprovinz, insbesondere das ärztliche Gutachten von Dr. E. - ambulante Untersuchung Mai 1997 - und die OEG-Akte bei. Sodann gab der Kläger anlässlich einer Befragung beim Beklagten an, dass er wahrscheinlich von März bis November 1986 in Haft gewesen sei und im Mai und Juni in der Poliklinik H. behandelt worden sei. Ergänzend teilte der Kläger mit, dass er seine Angabe anlässlich der ambulanten Untersuchung bei Dr. C., er sei Ende 1985 für etwa fünf Monate wegen einer psychischen Erkrankung stationär behandelt worden, korrigieren müsse. Er könne sich diese Angabe nur so erklären, dass er bei der Untersuchung sehr nervös und verwirrt gewesen sei. Die psychiatrische Behandlung sei erst in der BRD erfolgt. Sodann zog der Beklagte den Bericht über die stationäre Behandlung im Kreiskrankenhaus R. vom 28.08. bis 28.09.1986 bei. Im Anschluss an eine versorgungsärztliche Stellungnahme wies der Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 22.04.1998 mit der Maßgabe, dass der "Verlust des Zahnes 21" als weitere Schädigungsfolge anerkannt wird, zurück. Zur Begründung führte der Beklagte aus, dass unter Berücksichtigung der ärztlichen Unterlagen, des Gutachtens von Dr. E. und der zum Teil widersprüchlichen Angaben des Klägers ein ursächlicher Zusammenhang zwischen den Misshandlungen während des mindestens zweiwöchigen Polizeigewahrsams und den feststellbaren Gesundheitsstörungen auf psychiatrischem Gebiet wenig wahrscheinlich sei. Es sei davon auszugehen, dass es sich um eine schädigungsunabhängige, bereits weit vor dem schädigenden Ereignis begonnene Störung der Persönlichkeitsentwicklung mit einer Alkoholproblematik handele.

Hiergegen hat der Kläger am 06.05.1998 Klage beim Sozialgericht (SG) Duisburg erhoben. Zur Begründung hat er umfangreiche Unterlagen und das Gutachten der LVA Rheinprovinz von August 1998 eingereicht.

Das SG hat M. und M. K. zu dem Beweisthema "Entwicklung des Gesundheitszustandes des Klägers seit 1984" gehört. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 05.10.1999 Bezug genommen. Das SG hat die Krankenhausunterlagen des Kreiskrankenhauses R. angefordert. Weitere ärztliche Unterlagen haben bei den behandelnden Ärzten Dr. F., Dr. L., Dr. E. und Dr. K. nicht mehr existiert. Das SG hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens nach Aktenlage von dem Neurologen und Psychiater Dr. R. Eine ambulante Untersuchung hat der Kläger nach Hinweis des SG mit der Begründung abgelehnt, die Krebsoperationen und die Medikation lasse eine mehrstündige Untersuchung nicht zu. Der Sachverständige hat die Ansicht vertreten, die Narbenveränderungen und der Zahnverlust, nicht jedoch die Dysthymie und die Anpassungsstörung seien auf die Inhaftierung 1986 zurückzuführen. Wegen der Einzelheiten wird auf das Gutachten vom 17.01.2001 verwiesen.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 30.04.2001 abgewiesen. Auf die Entscheidung wird Bezug genommen.

Gegen das am 12.06.2001 zugestellte Urteil hat der Kläger am 26.06.2001 Berufung eingelegt. Er verfolgt sein Begehren weiter.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichtes Duisburg vom 30.04.2001 zu ändern und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 24.06.1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22.04.1998 zu verurteilen, eine posttraumatische Belastungsstörung als Schädigungsfolge anzuerkennen und ihm Versorgung nach einer MdE um mindestens 80 vom Hundert zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verweist auf die von Amts wegen eingeholten Gutachten und die Stellungnahme von Dr. S.

Der Senat hat von den behandelnden Ärzten und von Behörden keine Berichte beiziehen können, da der Kläger insoweit kein Einverständnis erteilt hat. Der Senat hat das Gutachten des Dr. A., erstellt im Verfahren L 6 SB 96/01, beigezogen. Sodann hat der Senat Beweis erhoben durch Einholung von Gutachten des Internisten Dr. Ac. und des Psychiaters Privatdozent Dr. B. Dr. B. hat die Voraussetzungen einer posttraumatischen Belastungsstörung verneint. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Gutachten vom 19.05.2004 und 05.06.2004 Bezug genommen.

Der Kläger hat dem Ergebnis der Gutachten widersprochen und auf eine Veröffentlichung von Dr. Br. hingewiesen.

In einer ergänzenden Stellungnahme vom 12.07.2004 hat Dr. B. seine Auffassung aufrechterhalten.

Sodann hat der Senat auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein Gutachten der Neurologin und Psychiaterin Dr. Br. eingeholt. Die Sachverständige ermittelt beim Kläger als Folge der Inhaftierung 1986 eine ausgesprägte posttraumatische Belastungsstörung mit zusätzlich depressiver und Angstsymptomatik mit einer MdE um 80 v. H. Wegen der Einzelheiten wird auf das Gutachten vom 20.06.2005 verwiesen.

Der Beklagte hat unter Hinweis auf eine versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. S. dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht zugestimmt. U. a. hat die Psychiaterin betont, dass zum einen eklatante Widersprüche im Vortrag des Klägers bestünden und zum anderen erstmals von Dr. Br. Symptome der posttraumatischen Belastungsstörung erhoben werden.

Dr. B. weist in einer ergänzenden Stellungnahme vom 25.11.2005 darauf hin, dass der Kläger sowohl zu den Vorgängen 1985 als auch zu den damaligen und jetzigen Beschwerden befragt wurde. Dr. B. betont weiter, dass die Schilderungen des Klägers lediglich Realität und Ablauf der Untersuchungssituation wahrheitsgetreu wiedergeben. Es dürften bei einer Begutachtung keinesfalls im Sinne einer gezielten Befragung zu Symptomen einer posttraumatischen Belastungsstörung dem Betroffenen Beschwerden nahegelegt werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die zwischen den Beteiligten gewechselten vorbereitenden Schrifsätze, den übrigen Akteninhalt sowie auf die Verwaltungsakten des Beklagten.


Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Der Kläger wird durch den angefochtenen Bescheid vom 24.06.1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22.04.1998 nicht beschwert. Die Bescheide sind rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung weiterer Gesundheitsstörungen als Folge einer Maßnahme nach § 1 VwRehaG und auch keinen Anspruch auf Gewährung von Versorgung.

Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 VwRehaG hat ein Betroffener, der in Folge einer rechtsstaatswidrigen Verwaltungsentscheidung im Sinne des § 1 VwRehaG eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen dieser Schädigung auf Antrag Anspruch auf Versorgung in entsprechender Anwendung des BVG. Dabei müssen der versorgungsrechtlich geschützte Tatbestand, die gesundheitliche Schädigung sowie die Schädigungsfolgen voll nachgewiesen werden, d. h. sie müssen mit an Sicherheit grenzender, vernünftige Zweifel ausschließender Wahrscheinlichkeit feststehen. Zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung genügt die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs (§ 3 Abs. 5 Satz 1 VwRehaG). Wahrscheinlichkeit im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn unter Berücksichtigung der herrschenden medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen den ursächlichen Zusammenhang spricht.

Ausweislich der Rehabilitierungsbescheinigung nach dem VwRehaG des Landes Brandenburg von Januar 1997 ist die körperliche Misshandlung des Klägers durch die Kriminalpolizei des Volkspolizeikreisamtes H. während der Vernehmungen im März 1986 mit tragenden Grundsätzen des Rechtsstaates schlechthin unvereinbar und die Maßnahmen für rechtsstaatswidrig erklärt worden. Nach den Ausführungen des Beklagten im Widerspruchsbescheid geht der Beklagte davon aus, dass der Kläger ab 26.03.1986 für mindestens zwei Wochen in Polizeigewahrsam genommen und dort anlässlich der Vernehmungen misshandelt wurde (§ 15 VfG-KOV). Der Kläger hat durch diese Maßnahmen die Gesundheitsstörungen "Narben am Kinn, an den beiden Oberarmen, am Rücken und im Bereich des linken Kniegelenkes, Verlust des Zahnes 21" erlitten. Eine posttraumatische Belastungsstörung ist nicht als weitere Schädigungsfolge anzuerkennen.

Eine posttraumatische Belastungsstörung ist nicht mit an Sicherheit grenzender, vernünftige Zweifel ausschließender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen. Die tatsächlichen Voraussetzungen, die bei einer Anerkennung einer psychischen Erkrankung im Einzelnen erfüllt sein müssen, ergeben sich zunächst aus den Vorgaben der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (AP), denen im Interesse einer objektiven und objektivierbaren Bewertung und einer am Gleichheitsgebot orientierten Gleichbehandlung normähnliche Wirkung beizumessen ist (BSGE 72, 285, 286; BSGE 75, 176, 177 f; BSG SozRecht 3 – 3870 § 4 Nr. 19). Des Weiteren sind die die AP ergänzenden Ausführungen des ärztlichen Sachverständigenbeirats beim ehemaligen Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung (Sachverständigenbeirat) vom 12./13.11.1997 zu Punkt 1.1, die im Wesentlichen die von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zusammengestellten ICD 10 (International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems; 10. Revision) zusammenfassen, heranzuziehen.

Nach Nr. 71 AP 1996/2004 kommen durch psychische Traumen bedingte Störungen sowohl nach lang dauernden psychischen Belastungen (z. B. Kriegsgefangenschaft, rechtsstaatswidriger Haft in der DDR) als auch nach relativ kurz dauernden Belastungen (z. B. bei Geiselnahme, Vergewaltigung) in Betracht, sofern die Belastungen ausgeprägt und mit Erleben von Angst und Ausgeliefertsein verbunden waren. Die Störungen können nach ihrer Art, Ausprägung, Auswirkung und Dauer verschieden sein; sie können kurzfristigen reaktiven Störungen mit krankheitswertigen (häufig depressiven) Beschwerden entsprechen; bei einer Dauer von mehreren Monaten bis zu zwei Jahren sind sie in der Regel durch typische Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung charakterisiert, ohne diagnostisch auf diese begrenzt zu sein; sie treten gelegentlich auch nach einer Latenzzeit auf. Anhaltend kann sich eine Chronifizierung oder eine Persönlichkeitsveränderung mit Misstrauen, Rückzug, Motivationsverlust, Gefühl der Leere und der Entfremdung ergeben. Anhaltende Störungen setzen tief in das Persönlichkeitsgefüge eingreifende und in der Regel lang dauernde Belastungen voraus.

Diese nach den AP für die Diagnose einer chronifizierten Belastungsstörung erforderlichen Voraussetzungen werden von der ICD 10 (F 43.1) und dem Sachverständigenbeirat nicht nur gefordert, sondern weiter differenziert. Danach müssen für die Anerkennung einer posttraumatischen psychischen Erkrankung vor allem folgende Kriterien nachgewiesen sein, nämlich dass

  1. die betroffene Person Opfer oder Zeuge eines Ereignisses war, bei dem das eigene Leben oder das anderer Personen bedroht war oder eine ernste Verletzung zur Folge hatte oder eine Bedrohung für die eigene physische Unversehrtheit oder für die anderer Personen darstellte, und dass die Reaktion des/der Betroffenen Gefühle intensiver Angst, Hilflosigkeit oder Entsetzen beinhaltete,
  2. ein ständiges Wiedererleben des traumatischen Erlebnisses auf mindestens einer der im DSM IV (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders) genannten Arten geschildert wird,
  3. eine anhaltende Vermeidung von Stimuli, die mit dem Trauma in Verbindung stehen, oder eine Einschränkung der allgemeinen Reagibilität, die vor dem Trauma nicht vorhanden war, in mindestens drei der im DSM IV genannten Merkmale zum Ausdruck kommt,
  4. anhaltende Symptome eines erhöhten Erregungsniveaus vorliegen, die vor dem Trauma nicht vorhanden waren und die durch mindestens zwei der DSM IV genannten Merkmale gekennzeichnet sind.

Diese Voraussetzungen sind nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens nicht nachgewiesen. Zwar ist davon auszugehen, dass das unter a) beschriebene Kriterium erfüllt ist. Der Kläger ist Opfer von Misshandlungen geworden. Er wurde verletzt und erlebte eine Bedrohung der eigenen körperlichen Unversehrtheit. Die Haft, die Vernehmungen und die Misshandlungen, die den Verlust eines Zahnes und Narben hinterlassen haben, bewirkten nach den Angaben des Klägers Gefühle von intensiver Angst. Die im Laufe des Verfahrens stets und wiederholt seit der Antragstellung gemachten Angaben des Klägers sind insoweit als glaubhaft anzusehen (§ 15 VfG/KOV).

Jedoch ist das weitere Kriterium - ständiges Wiedererleben des traumatischen Erlebnisses auf mindestens einer der im DSM IV genannten Arten – nicht gegeben. Ein ständiges Wiedererleben im Sinne von Nachhallerinnerungen, Flashbacks, Träumen oder Alpträumen ist durch die Einlassungen des Klägers nicht nachgewiesen. Seit der Antragstellung hat der Kläger weder in Formularen noch bei Befragungen detailliert den Ablauf der Vernehmungen oder der Misshandlungen geschildert. Er teilte lediglich mit, mit Elektroschocks "gequält" worden zu sein. Die Vernehmungen der Zeuginnen ergaben auch keine zusätzlichen Hinweise. Anlässlich der Befragung im Termin vom 05.10.1999 gab die Ehefrau des Klägers an, dass dieser nach März 1986 Alkoholprobleme hatte, fortan depressiv war und Angstzustände hatte. Alpträume o. Ä. hat sie nicht beschrieben. Demgegenüber äußerte die Tochter des Klägers, damals Alpträume beim Vater bemerkt zu haben. Den Angaben der Tochter, die im Erörterungstermin zu dem Gesundheitszustand des Klägers seit 1984 befragt wurde, kann kein erheblicher Beweiswert zugebilligt werden. Dies beruht darauf, dass die Zeugin 1984 acht Jahre alt war und nach allgemeiner Lebenserfahrung kaum unterscheiden konnte, ob das Verhalten des Klägers ursächlich auf familiäre Probleme, Alkoholprobleme oder aber auf Misshandlungen zurückzuführen war. Im Verwaltungsverfahren und gegenüber Privatdozent Dr. B. gab der Kläger lediglich an, unter nächtlicher Angst und Unruhe zu leiden, die ihn "aus dem Bett treibe". Allgemeine Durchschlafstörungen sind nicht als Alpträume zu qualifizieren. Konkrete Schilderungen des Klägers anlässlich der Begutachtung bei Dr. B., dass er ständig unter Alpträumen leide oder sogenannte Flashbacks erlebe, erfolgten nicht. Details über den Inhalt der Träume werden nicht mitgeteilt, erlebnisbezogene Angstträume nicht erzählt. Auch die weiteren Merkmale sind nicht erwiesen. Ein anhaltendes Vermeiden von Stimuli, die mit dem Trauma in Verbindung stehen oder anhaltende Symptome eines erhöhten Erregungsniveaus, die vor den Traumata nicht vorhanden waren, sind nicht belegt. Bis zur Begutachtung durch Dr. Br. schildert der Kläger kein Vermeidungsverhalten gegenüber Reizen, Anlässen, die mit den Ereignissen 1986 in Verbindung stehen.

Die Darlegungen von Dr. Br. vermögen den Senat nicht zu überzeugen. Zwar sind die Ausführungen in der Anamnese derart, dass die Subsumtion der Merkmale einer posttraumatischen Belastungsstörung leicht fällt. Dort sind erstmals Aussagen und Angaben des Klägers enthalten, die die Diagnose der posttraumatischen Belastungsstörung zulassen. Der Kläger hat aber weder im Verwaltungsverfahren noch bei Dr. B. zu der Frage nach dem 1986 konkret und im Einzelnen erlittenen Unrecht und den momentanen Beschwerden eindeutige Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung geschildert. Für den Senat ist nicht nachvollziehbar, dass der Kläger zur Begründung, warum er erst jetzt im Einzelnen Angaben zu den heute noch vorliegenden Beeinträchtigungen und dem Wiedererleben macht, mitteilt, dass er Dr. B. "das habe gar nicht erzählen können". Des Weiteren fällt auf, dass die Sachverständige während der Anamneseerhebung bereits eigene Wertungen einfließen lässt. Außerdem sind die Angaben des Klägers für den Senat in zahlreichen Punkten nicht glaubhaft, da diese in vielen Details widersprüchlich sind, worauf Dr. S. in der Stellungnahme vom 25.10.2005 zutreffend hinweist. Beispielhaft sei erwähnt, dass der Kläger unterschiedliche Sachverhalte zu den Umständen und der Dauer der Verhaftung sowie der Art der Misshandlungen geschildert hat. Zudem räumt auch Dr. Br. ein, dass die Aussagen des Klägers zum Teil in sich widersprüchlich und zweckgerichtet sind.

Der Senat misst den früheren Angaben des Klägers größeren Beweiswert zu. Dabei geht der Senat in Übereinstimmung mit dem BSG (BSG, Urteil vom 11.11.2003 - B 2 U 41/02 R -) davon aus, dass der objektive Beweiswert einer Erklärung nicht allein nach dem zeitlichen Abstand zu einem Ereignis bestimmt wird. Vielmehr misst der Senat nach Berücksichtigung und Wertung der Umstände des Einzelfalles den zeitlich früheren Aussagen des Klägers aufgrund des Gesichtspunktes, dass sie von irgendwelchen leistungsrechtlichen Überlegungen noch unbeeinflusst waren, einen höheren Beweiswert als den späteren Angaben zu.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Voraussetzung für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.