LSG Sachsen-Anhalt - L 7 V2/06 - Beschluss vom 01.06.2006
Die Auferlegung von Kosten wegen Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung oder -verteidigung (§ 192 SGG) setzt vom Vorsitzenden die Darlegung der Missbräuchlichkeit unabhängig davon voraus, ob der Beteiligte die Missbräuchlichkeit kennt oder nicht kennt. Die dem Beteiligten gegebene Begründung muss für einen einsichtigen Beteiligten nachvollziehbar sein. Wegen offensichtlicher Aussichtslosigkeit ist die Fortführung des Rechtsstreits nur dann missbräuchlich, wenn tatsächlich keine andere Rechtsauffassung oder Würdigung der erheblichen Tatsachen vertretbar ist.
Gründe
I.
Der Beklagte gewährt dem im November 1934 geborenen Kläger seit 1991 wegen einer Verletzung durch Fundmunition im Jahre 1947 Versorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG). Aufgrund eines Bescheides vom 30. August 1993 bezieht der Kläger auch Berufsschadensausgleich nach § 30 Abs. 3 BVG und aufgrund eines Bescheides vom 23. Dezember 1998 seit 1995 einen ergänzenden Härteausgleich nach § 89 Abs. 1 BVG. In den vorliegenden Verfahren hat der Kläger sich - wie schon in früheren durch rechtskräftige Entscheidungen beendeten Verfahren - gegen Regelungen der Höhe beider Versorgungsleistungen in bestandskräftigen Bescheiden gewendet. Nach Rücknahme der Klagen im Berufungsverfahren begehrt er noch die Aufhebung der Auferlegung von Kosten wegen missbräuchlicher Fortführung des Rechtsstreits in den Urteilen des Sozialgerichts.
Da der Kläger die Schädigung vor Abschluss der Schulausbildung erlitten hat, hatte der Beklagte in dem Bescheid vom 30. August 1993 bei der Berechnung des Vergleichseinkommens § 7 Abs. 1 Berufsschadensausgleichsverordnung (BSchAV) angewendet und das für Beamte des gehobenen Dienstes bestimmte Durchschnittseinkommen nach dem Bundesbesoldungsgesetz zugrunde gelegt. Hiergegen hatte der Kläger eingewendet, die Einstufung müsse sich nach seinem tatsächlichen beruflichen Werdegang nach dem Abschluss der Schulausbildung richten. Seine in den letzten 15 Jahren vor dem Ausscheiden im Jahre 1991 in einem Industriebetrieb ausgeübte Tätigkeit habe einer Hochschulausbildung entsprochen und er hätte ohne die Schädigung wahrscheinlich eine leitende Stellung erreicht. Mit diesem Begehren war er in allen Instanzen bis hin zum Bundessozialgericht (Urteil v. 29. 7. 1998 - 9 RV 14/97 R -) erfolglos geblieben.
Im Januar 2002 hatte der Kläger, der seit August 1998 aufgrund der Feststellung der Gleichwertigkeit seines Fachschulabschlusses in der DDR nach Art. 37 Abs. 1 Einigungsvertrag zur Führung der staatlichen Bezeichnung "Dipl.-Betriebswirt (FH)" berechtigt ist, unter Berufung auf die Nachdiplomierung beim Beklagten beantragt, dem Vergleichseinkommen ein höheres Durchschnittseinkommen zugrunde zu legen. Diesen Antrag hatte der Beklagte im Überprüfungsverfahren nach § 44 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB X) abgelehnt. Nach erfolglosem Widerspruch und erfolgloser Klage hatte das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt (LSG) die Berufung des Klägers mit rechtskräftig gewordenem Urteil vom 26. Mai 2005 - L 7 V 12/04 - zurückgewiesen.
Schon mit seinem Widerspruch gegen die Regelung der Höhe des Berufsschadensausgleichs durch den Bescheid vom 30. August 1993 hatte der Kläger auch beanstandet, dass der Beklagte nach § 8 Abs. 1 BSchAV das Vergleichseinkommen vom 1. November 1991 an auf 75 v.H. herabgesetzt hatte, weil der Kläger in den Vorruhestand eingetreten sei. Mit seinem Einwand, er sei nicht in den Vorruhestand eingetreten, sondern habe Altersübergangsgeld bezogen, hatte der Kläger im Revisionsverfahren Erfolg. In dem genannten Urteil vom 29. Juli 1998 hatte das Bundessozialgericht (BSG) unter Änderung der vorangegangenen Entscheidungen den Beklagten verurteilt, dem Kläger über Oktober 1991 hinaus Berufsschadensausgleich ohne Kürzung des Vergleichseinkommens zu gewähren. In der Begründung hatte es klargestellt, der Beklagte werde nun darüber zu entscheiden haben, ob und ab wann das Vergleichseinkommen des Klägers für die Zeit nach Vollendung des 60. Lebensjahrs wegen der Gewährung von Altersrente wegen Arbeitslosigkeit zu kürzen sei. Der Beklagte hatte daraufhin dem Kläger mit Bescheid vom 9. Oktober 1998 für die Zeit vom 1. November 1991 bis zum 31. Januar 1995 Berufsschadensausgleich unter Zugrundelegung des ungekürzten Vergleichseinkommens bewilligt. Da dem Kläger vom 1. Januar 1995 an Altersrente wegen Arbeitslosigkeit gewährt worden sei, sei das Vergleichseinkommen vom 1. Februar 1995 an auf 70 v.H. zu kürzen. Mit Widerspruch und Klage hatte der Kläger erfolglos verlangt, dem Berufsschadensausgleich bis zur Vollendung seines 65. Lebensjahrs ein ungekürztes Vergleichseinkommen zugrunde zu legen. Auf seine Berufung hatte das LSG mit Urteil vom 19. Juli 2001 - L 5 V 57/99 - aus verwaltungsverfahrensrechtlichen Gründen den Bescheid vom 9. Oktober 1998 und die Folgebescheide insoweit aufgehoben, als der Beklagte für den Zeitraum vom Februar 1995 bis Oktober 1998 das Vergleichseinkommen abgesenkt hatte. Mit seinem weitergehenden Begehren war der Kläger erfolglos geblieben; seine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision hatte das BSG mit Beschluss vom 10. Dezember 2002 - B 9 V 60/01 B - zurückgewiesen.
Die Gewährung der Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung hatte zu einem weiteren Streit geführt, da der Kläger auch eine Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung bezieht und das Zusammentreffen dieser beiden Sozialleistungen mit der Versorgung nach dem BVG zu einer Doppelanrechnung der Verletztenrente führen würde. Mit Zustimmung des damaligen Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung (BMA) vom 30. Oktober 1996 hatte der Beklagte dem Kläger deswegen mit Bescheid vom 23. Dezember 1998 vom Januar 1995 an einen Härteausgleich nach § 89 Abs. 1 BVG gewährt. Auch gegen diesen Bescheid war der Kläger in allen Instanzen erfolglos vorgegangen (Urteil des LSG v. 19. 7. 2001 nach Verbindung mit dem Verfahren - L 5 V 57/99 -; Beschluss des BSG v. 10. 12. 2002 - B 9 V 60/01 B -).
In den durch die Rücknahme der Klagen in der mündlichen Verhandlung des Senats vom 1. Juni 2006 beendeten sechs Verfahren hat der Kläger erneut die ihm in den drei Streitfragen nach seiner Auffassung zustehenden Ansprüche geltend gemacht. Der Beklagte hatte einen erneuten Antrag des Klägers auf Rücknahme der Kürzung des Vergleichseinkommens für die Zeit vom 1. November 1998 bis zum 31. Oktober 1999 mit Bescheid vom 10. November 2004 abgelehnt. Hiergegen hatte der Kläger am 9. Dezember des Jahres Widerspruch erhoben.
Am 29. Dezember 2004 hat der Kläger beim Sozialgericht Halle eine von ihm so genannte "Untätigkeitsklage" erhoben, mit der er die Untätigkeit des Gerichts beanstandet hat und die das Sozialgericht unter dem Aktenzeichen - S 1 V 50/04 - als Klage registriert hat. In der Sache hat er sich mit der gleichen Begründung wie zuvor gegen die Kürzung des Vergleichseinkommens für die Zeit vor Vollendung des 65. Lebensjahrs gewendet. Mit einem als Klage gegen das Land Sachsen-Anhalt bezeichneten, am vom 28. Februar 2005 beim Sozialgericht Halle eingegangenen Schreiben hat der Kläger das gleiche Begehren weiter verfolgt. Das Schreiben ist unter dem Aktenzeichen - S 1 V 7/05 - als Neuklage registriert worden. Der Beklagte hat mit Widerspruchsbescheid vom 29. März 2005 den Widerspruch gegen den Bescheid vom 10. November 2004 zurückgewiesen.
Am 4. März 2005 hat der Kläger beim Sozialgericht Halle unter dem Aktenzeichen - S 1 V 8/05 - eine gegen das Land Sachsen-Anhalt gerichtete dritte Klage erhoben, mit der er wie in den früheren Verfahren unter Berufung auf angebliche Vorgaben des BMA geltend gemacht hat, die Gewährung des Härteausgleichs durch den Bescheid vom 23. Dezember 1998 entspreche diesen nicht.
Nachdem das LSG in dem Verfahren - L 7 V 12/04 - mit Urteil vom 26. Mai 2005 die Berufung des Klägers zurückgewiesen hatte, hat der Kläger mit dem in der Sache gleichen Begehren am 6. Juli 2005 beim Sozialgericht Halle unter dem Aktenzeichen - S 1 V 18/05 - eine gegen das Land Sachsen-Anhalt gerichtete "Untätigkeitsklage" erhoben, mit der er die Eingruppierung nach § 7 BSchAV durch den Bescheid vom 30. August 1993 als "Untätigkeit" gerügt hat.
In der öffentlichen Sitzung vom 16. August 2005 hat das Sozialgericht die bis dahin anhängigen vier Verfahren gemeinsam verhandelt. Nach den protokollierten Anträgen hat der Kläger in dem Verfahren - S 1 V 50/04 - den Bescheid vom 10. November 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. März 2005 angefochten; mit der damit verbundenen Verpflichtungs- bzw. Leistungsklage hat er einen Anspruch auf Abänderung des Bescheides vom 30. August 1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. August 1994 sowie der Regelung der Höhe des Berufsschadensausgleichs in den Folgebescheiden mit Wirkung vom 1. Januar 1991 und einen Anspruch auf Gewährung des Berufsschadensausgleichs aufgrund einer Eingruppierung nach § 3 BSchAV erhoben. Der Beklagte hat hierzu beantragt, die Klage abzuweisen. In dem Verfahren - S 1 V 7/05 - hat der Kläger sich in Übereinstimmung mit seinem bisherigen Vorbringen gegen die Kürzung des Vergleichseinkommens vor Erreichung des 65. Lebensjahrs gewendet. Der Kammervorsitzende hat ihm hierzu den Hinweis erteilt, die Klage sei wegen Fehlens des Vorverfahrens unzulässig. In dem Verfahren - S 1 V 8/05 - hat der Kläger (ebenfalls in Übereinstimmung mit seinem bisherigen Vorbringen) einen den Härteausgleich nach § 89 Abs. 1 BVG betreffenden Antrag gestellt. In dem Verfahren - S 1 V 18/05 - ist in dieser Sitzung die Protokollierung eines Antrags nicht mehr möglich gewesen, weil der Kläger den Vorsitzenden wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt hat, nachdem dieser ihn auf das Fehlen eines erneuten Verwaltungsverfahrens nach § 44 SGB X hingewiesen hatte. Die Ablehnungsgesuche sind erfolglos geblieben.
Ein am 27. September 2005 beim Sozialgericht Halle eingegangenes, vom Kläger als "Klage wegen Untätigkeit" bezeichnetes Schreiben, mit dem dieser, wie schon in dem unter dem Aktenzeichen - S 1 V 8/05 - anhängigen Verfahren, die Regelung des Härteausgleichs in dem Bescheid vom 23. Dezember 1998 beanstandet hat, ist vom Sozialgericht unter dem Aktenzeichen - S 1 V 35/05 - als weitere Neuklage registriert worden. Mit ebenfalls als "Klage wegen Untätigkeit" bezeichnetem Schreiben vom 17. November 2005, das am folgenden Tage beim Sozialgericht Halle eingegangen ist, hat der Kläger nochmals die Eingruppierung beanstandet. Dieses Schreiben ist unter dem Aktenzeichen - S 1 V 44/05 - als Neuklage registriert worden.
Am 20. Januar 2006 hat das Sozialgericht nach gemeinsamer mündlicher Verhandlung in allen sechs Verfahren durch gesonderte Urteile entschieden. Dem Protokoll zufolge hat der Kläger unter Hinweis auf die schon protokollierten Anträge in den Verfahren - S 1 V 50/04, 7/05, 8/05 und 18/05 - "den" Antrag gestellt, "den Beklagten zu verurteilen, für die Zeit vom 01.11.1998 bis 31.10.1999 auf der Grundlage der Entscheidung des Bundessozialgerichts von 1998 Leistungen ohne Anrechnung zu gewähren und den Differenzbetrag nachzuzahlen". In den Verfahren - S 1 V 35/05 und 44/05 - hat der Kläger einen Antrag zu dem Härteausgleich gestellt. Der Beklagte hat zu beiden Anträgen die Abweisung der Klage beantragt. Der Vorsitzende hat den Kläger darauf hingewiesen, dass nur in dem Verfahren - S 1 V 50/04 - ein Bescheid und Widerspruchsbescheid vorlägen und er die Klagen in den übrigen Verfahren wegen Fehlens des Verwaltungsverfahrens für unzulässig halte; wenn der Kläger an seinen Klagen festhalte, müsse "das Gericht auch prüfen, ob ggf. nach § 192 SGG Mutwilligkeit besteht".
Mit sechs Urteilen vom 20. Januar 2006 hat das Sozialgericht alle Klagen abgewiesen.
In dem Verfahren - S 1 V 50/04 - hat es die Klage für zulässig, aber unbegründet gehalten. In dem im Tatbestand wiedergegebenen Antrag hat das Sozialgericht den in der mündlichen Verhandlung vom 16. August 2005 in diesem Verfahren gestellten Antrag mit dem in der mündlichen Verhandlung vom 20. Januar 2006 auch in diesem Verfahren gestellten Antrag zusammengefasst. Danach hat es diesem Verfahren zugeordnet: - eine Anfechtungsklage gegen den Bescheid des Beklagten vom 10. November 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. März 2005 - verbunden mit einer auf Abänderung der Regelung der Höhe des Berufsschadensausgleichs in dem Bescheid vom 30.08.1993 und den Folgebescheiden gerichteten Verpflichtungsklage - und einer Leistungsklage, mit welcher der Kläger die beiden die Höhe des Berufsschadensausgleichs betreffenden Begehren weiterverfolgt hat, nämlich die Berechnung nach der von ihm schon in den früheren Verfahren beanspruchten Einstufung und die Nachzahlung von Berufsschadensausgleich für die Zeit vom 1. November 1998 bis 31. Oktober 1999 "ohne Anrechnung" (gemeint: ohne Absenkung des Vergleichseinkommens auf 75 v.H.).
In den fünf weiteren Urteilen vom 20. Januar 2006 hat das Sozialgericht die Abweisung der Klagen damit begründet, sie seien unzulässig, weil zu dem jeweiligen Begehren kein noch nicht bestandskräftiger Bescheid bzw. Widerspruchsbescheid vorliege.
In dem Verfahren - S 1 V 7/05 - hat das Sozialgericht dem Tatbestand zufolge über den Antrag des Klägers entschieden, den Beklagten zu verurteilen, für die Zeit vom 01.11.1998 bis 31.10.1999 auf der Grundlage der Entscheidung des Bundessozialgerichts von 1998 Leistungen ohne Anrechnung zu gewähren und den Differenzbetrag nachzuzahlen. Auch hier hat es die Klage wegen Fehlens eines anfechtbaren Bescheids bzw. Widerspruchsbescheids als unzulässig angesehen. Auf den dem Verfahren - S 1 V 50/04 - zugrunde liegenden Bescheid und Widerspruchsbescheid könne nicht Bezug genommen werden, weil dann eine doppelte Rechtshängigkeit desselben Verfahrensgegenstandes bestünde.
In dem Verfahren - S 1 V 8/05 - hat das Sozialgericht im Tatbestand den in der mündlichen Verhandlung vom 16. August 2005 in diesem Verfahren gestellten Antrag mit dem in der mündlichen Verhandlung vom 20. Januar 2006 auch in diesem Verfahren gestellten Antrag zusammengefasst: Danach hat der Kläger hier zwei Ansprüche geltend gemacht, nämlich einen Anspruch auf einen Härteausgleich, der die Vorgaben des BMA umsetzen solle, und nochmals einen Anspruch auf Nachzahlung von Berufsschadensausgleich für die Zeit vom 1. November 1998 bis 31. Oktober1999 "ohne Anrechnung".
In dem Verfahren - S 1 V 18/05 - soll der Kläger dem Tatbestand zufolge - von seinem dort zuvor wiedergegebenen Vorbringen abweichend - denselben Antrag gestellt haben wie in dem Verfahren - S 1 V 8/05 -. Auch in den Verfahren - S 1 V 35/05 - und - S 1 V 44/05 - hat das Sozialgericht - hier in Übereinstimmung mit dem in der vorangegangenen mündlichen Verhandlung gestellten Antrag, im letztgenannten Verfahren aber vom Vorbringen des Klägers abweichend - über den Antrag zum Härteausgleich entschieden, den der Kläger den Tatbeständen zufolge bereits in den Verfahren - S 1 V 8/05 - und - S 1 V 18/05 - gestellt hatte.
In jedem dieser fünf Urteile hat das Sozialgericht dem Kläger "sogenannte Mutwillekosten i.S. des § 192 SGG" in Höhe von 225 EUR auferlegt. Hierfür hat es, teilweise mit Ergänzungen, eine in allen Verfahren gleichlautende Begründung gegeben.
Der Kläger hat mit seiner am 17. März 2006 beim Landessozialgericht eingegangenen Berufungsschrift vom selben Tage gegen die ihm am 24. Februar des Jahres zugestellten sechs Urteile Berufung eingelegt. In der mündlichen Verhandlung am 1. Juni 2006 hat der Senat die Verfahren durch Beschluss zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Der Kläger hat in allen sechs Verfahren die Klage zurückgenommen. Er beantragt sinngemäß, die Auferlegung von Kosten nach § 192 SGG in den Urteilen des Sozialgerichts Halle vom 20. Januar 2006 - S 1 V 7, 8, 18, 35 und 44/05 - aufzuheben.
Der Beklagte hat keinen Antrag auf eine Kostenentscheidung gestellt.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen. Die Akten des Beklagten über den Kläger - Antragsl.-Nr. ...... - und die Akten des Sozialgerichts Halle zu den abgeschlossenen Verfahren - S 1 V 62/94 -, S 1 V 12/02 - und - S 1 V 26/04 - haben dem Senat in der mündlichen Verhandlung vorgelegen und sind der Entscheidung zugrunde gelegt worden.
II.
Da sich durch die Rücknahme der Klagen die Verfahren nach § 102 Satz 2 SGG in der Hauptsache erledigt haben, hatte der Senat nur noch über den Antrag des Klägers nach § 192 Abs. 2 Satz 2 SGG in der Neufassung (n.F.) durch das am 2. Januar 2002 in Kraft getretene Sechste Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes (6. SGGÄndG) vom 17. 8. 2001 (BGBl. I 2144) zu entscheiden.
Als Rechtsgrundlage für die Auferlegung von Kosten in den genannten fünf Urteilen des Sozialgerichts vom 20. Januar 2006 kommt nur § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG n.F. in Betracht. Danach kann das Gericht im Urteil einem Beteiligten ganz oder teilweise die Kosten auferlegen, die dadurch verursacht werden, dass der Beteiligte den Rechtsstreit fortführt, obwohl ihm vom Vorsitzenden in einem Termin die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung oder -verteidigung dargelegt worden und er auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung bei Fortführung des Rechtsstreites hingewiesen worden ist. Die Entscheidungen des Sozialgerichts über die Kostenauferlegung waren aufzuheben, weil die dem Kläger vom Vorsitzenden der Kammer in der mündlichen Verhandlung vom 20. Januar 2006 hierzu erteilten Hinweise nicht den Anforderungen dieser Vorschrift genügen.
1. Der Sinn der in Nr. 2 des § 192 Abs. 1 Satz 1 SGG für den Fall der Kostenpflicht wegen missbräuchlicher Fortführung des Rechtsstreites ausdrücklich vorgeschriebenen vorherigen richterlichen Belehrung in einem Termin erschließt sich im Vergleich mit der früheren Fassung des § 192 SGG. Danach konnte das Gericht unter anderem einem Beteiligten, der durch Mutwillen, Verschleppung oder Irreführung dem Gericht oder einem Beteiligten Kosten verursachte, diese im Urteil ganz oder teilweise auferlegen. "Mutwillen" im Sinne dieser Vorschrift setzte voraus, dass der Beteiligte gegen seine bessere Einsicht handelte (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, 5. Aufl. 1993, § 192 Rdnr. 3 m.w.N.). Andererseits reichte es aus, wenn das Gericht dem Betroffenen vor der Auferlegung von Kosten wegen Mutwillens nach § 62 SGG rechtliches Gehör gewährte.
Demgegenüber hat der Gesetzgeber in § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG einerseits der Missbräuchlichkeit der Fortführung des Rechtsstreites, die an die Stelle des Mutwillens und der Irreführung getreten ist, einen objektivierten Maßstab zugrunde gelegt. Sowohl die Begründung des Entwurfs der Bundesregierung (BT-Drucks. 14/5943, S. 28) als auch Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung (BT-Drucks. 14/6335, S. 35), auf den die Gesetz gewordene Fassung zurückgeht, haben sich insoweit an § 34 Abs. 2 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) angelehnt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts liegt ein Missbrauch im Sinne dieser Vorschrift unter anderem dann vor, wenn die Verfassungsbeschwerde offensichtlich unzulässig oder unbegründet ist und ihre Einlegung von jedem Einsichtigen als völlig aussichtslos angesehen werden muss (vgl. etwa Kammerbeschluss v. 12. 9. 2000 - 2 BvR 1466/00 - EuGRZ 2000, 493, m.w.N.). Dem entsprechend hat im Gesetzgebungsverfahren der Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung die offensichtliche Aussichtslosigkeit der Rechtsverfolgung oder -verteidigung als keiner ausdrücklichen Regelung bedürftigen Unterfall der Missbräuchlichkeit im Sinne des § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG zugeordnet (BT-Drucks. 14/6335, S. 35). Mit dieser Anknüpfung an einen objektivierten Maßstab setzt die Missbräuchlichkeit im Sinne des § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG jedenfalls nicht mehr wie der Mutwillen im Sinne der früheren Fassung des § 192 SGG ein Handeln des Beteiligten wider bessere Einsicht voraus (vgl. Knittel in Hennig, Komm. z. SGG und Nebenrecht, § 192, Stand Sept. 2002, Rdnr. 12; Sächsisches LSG v. 31. 3. 2005 - L 2 U 124/04 - juris Rdnr. 40; ob bzw. inwieweit auch ein subjektives Element vorliegen muss, ist streitig).
Andererseits hat der Gesetzgeber in § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG zum verfahrensrechtlichen Ausgleich der Objektivierung des materiellen Maßstabs die Auferlegung von Kosten von einer richterlichen Belehrung abhängig gemacht, die sich von der Anhörung nach § 62 SGG durch strengere formale und weitergehende inhaltliche Anforderungen unterscheidet (vgl. Knittel, a.a.O. Rdnrn. 10, 16). Die Anknüpfung an den objektivierenden Maßstab des § 34 Abs. 2 BVerfGG bedarf dieses Korrektivs, weil dessen Auslegung an der besonderen Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts orientiert ist, grundsätzliche Verfassungsfragen zu entscheiden, die für das Staatsleben und die Allgemeinheit wichtig sind, und - (nur) wo nötig - die Grundrechte des Einzelnen durchzusetzen (vgl. auch hierzu den Beschluss v. 12. 9. 2000 - 2 BvR 1466/00 - a.a.O.).
Speziell der Verringerung des Abstandes zwischen dem objektiven Maßstab für die rechtliche Beurteilung der Missbräuchlichkeit und der Rechtsauffassung des im Einzelfall Betroffenen dient die in § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG vorgeschriebene Darlegung der Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung oder -verteidigung durch den Vorsitzenden. Sie soll dem Betroffenen ermöglichen, die Missbräuchlichkeit der Fortführung des Rechtsstreits einzusehen, und muss dazu geeignet sein (vgl. LSG Berlin v. 10. 6. 2004 - L 3 U 15/04 - in juris Rdnrn. 23, 25). Sie müsste im jeweiligen Fall zumindest einen einsichtigen Verfahrensbeteiligten voll überzeugen können. Durch den in § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG zusätzlich vorgeschriebenen Hinweis auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung soll auch der unbelehrbare Beteiligte vor der Kostenfolge einer Fortführung des Rechtsstreits gewarnt werden. Wegen dieser Warnfunktion darf der Vorsitzende auch schon bei der vorangegangenen Belehrung an der Missbräuchlichkeit einer Fortführung des Rechtsstreits keinen Zweifel lassen (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig, SGG, 8. Aufl. 2005, § 192 Rdnr. 10 m.w.N.). Er muss bei der Darlegung der Missbräuchlichkeit den Standpunkt eines jeden Einsichtigen in Anspruch nehmen.
Wegen offensichtlicher Aussichtslosigkeit ist demnach die Fortführung des Rechtsstreits nur dann missbräuchlich, wenn tatsächlich keine andere Rechtsauffassung oder Würdigung der erheblichen Tatsachen vertretbar ist. Dies muss der Vorsitzende dann aber auch bei der Belehrung ohne jede Relativierung zum Ausdruck bringen. Zwar gibt er damit zu erkennen, dass er sich hierzu eine abschließende Meinung gebildet hat. Wenn aber wegen der völligen Aussichtslosigkeit einer Fortführung des Rechtsstreits insoweit die Voraussetzungen für die Auferlegung der Kosten nach § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG erfüllt sind, gibt der Vorsitzende nicht nach § 60 Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 42 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) einen Grund zur Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit, wenn er seiner Pflicht, dies darzulegen, nachkommt. In einem solchen Ausnahmefall kann der betroffene Beteiligte von seinem Standpunkt aus bei vernünftiger Würdigung aller Umstände allein wegen der Belehrung keine berechtigten Bedenken gegen die Unparteilichkeit des Richters haben.
2. Hier hat der Vorsitzende der Kammer in der mündlichen Verhandlung vom 20. Januar 2006 ausweislich des Protokolls in den gemeinsam verhandelten Verfahren - S 1 V 7/05, 8/05, 18/05, 35/05 und 44/05 - vor dem Hinweis auf die Möglichkeit einer Kostenauferlegung durch die Kammer den für diese fünf Verfahren gleichlautenden Hinweis erteilt, "nach seiner Einschätzung" lägen keine Bescheide bzw. Widerspruchsbescheide vor, die zu einer Überprüfung anstünden, so dass die Klagen in diesen Verfahren "nach seiner Einschätzung unzulässig sein dürften".
Die Unzulässigkeit der Klagen, auf die der Vorsitzende abgestellt hat, kann zwar nach § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG die Missbräuchlichkeit der Fortführung des Rechtsstreits begründen, aber nur dann, wenn diese deswegen offensichtlich aussichtslos ist. Dass auch diese besondere Voraussetzung einer Auferlegung von Kosten erfüllt ist, hat der Vorsitzende nach der Wiedergabe seines Hinweises in dem Protokoll nicht dargelegt. Im Gegenteil hat er sowohl den Hinweis auf die Unzulässigkeit der Klagen als auch die Begründung für die Unzulässigkeit, nämlich das Fehlen anfechtbarer Bescheide, durch die Floskel "nach seiner Einschätzung" relativiert. Demnach hat er gerade nicht dargelegt, die Klagen seien offensichtlich unzulässig, so dass die Rechtsverfolgung von jedem Einsichtigen als völlig aussichtslos angesehen werden müsse.
Der auf den wiedergegebenen Hinweis folgende Vorhalt des Vorsitzenden, bei Berücksichtigung der vom Kläger vertretenen Rechtsauffassung "wären ja die Klagen unzulässig", genügt erst recht nicht dem Maßstab einer jedem Einsichtigen erkennbaren Aussichtslosigkeit, weil sie sich hypothetisch auf den Boden eines Rechtsirrtums des Klägers stellt.
Das Sozialgericht hat zwar in den fünf Urteilen seine Begründung der Auferlegung von Kosten der Begründung anzupassen versucht, die der erkennende Senat in seinem Urteil vom 26. Mai 2005 - L 7 V 12/04 -, durch das er die Berufung des Klägers gegen ein früheres Urteil der Kammer zurückgewiesen hat, für die Auferlegung von Kosten gegeben hat. Hierdurch wird aber eine ordnungsgemäße Belehrung nicht nachgewiesen. Das Sozialgericht hat in den Entscheidungsgründen zunächst wegen der in der mündlichen Verhandlung vom 20. Januar 2006 erteilten Hinweise auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen. Dann folgt in allen diesen Urteilen gleichlautend der Satz (Interpunktion vom Senat berichtigt): "Der Vorsitzende hat dem Kläger dargelegt, dass die Rechtsverfolgung missbräuchlich ist, wenn sie von jedem Einsichtigen als völlig aussichtslos angesehen werden muss, und ihm mitgeteilt, dass dies nach Auffassung der Kammer hier der Fall ist." Bis auf die Ersetzung der Worte "des Senats" durch die Worte "der Kammer" ist dieser Satz wörtlich aus dem genannten Urteil des Senats übernommen worden. Die Behauptung einer Belehrung dieses Inhalts ist hier schon deshalb ohne Beweiskraft, weil die in § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG vorgeschriebenen Hinweise zu den wesentlichen Vorgängen gehören, die nach § 122 SGG in Verbindung mit § 160 Abs. 2 ZPO im Protokoll aufzunehmen sind (vgl. Leitherer, a.a.O.). Zudem scheint der Kammervorsitzende, der aus dem Urteil des Senats auch die Auferlegung des nach § 184 Abs. 2 SGG für das Verfahren von den Landessozialgerichten geltenden Mindestbetrags in Höhe von 225 EUR unbesehen übernommen hat, den Unterschied zwischen seinen protokollierten Hinweisen und der in dem zitierten Satz beschriebenen Vorgehensweise gar nicht bemerkt zu haben.
§ 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG verlangt vom Vorsitzenden die Darlegung der Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung oder -verteidigung unabhängig davon, ob der Beteiligte die Missbräuchlichkeit kennt oder nicht kennt. Schon deshalb ist es unerheblich, ob dem Kläger, wie das Sozialgericht in den Urteilen zu den Verfahren - S 1 V 18/05 - und - S 1 V 44/05 - zur Begründung ergänzend angeführt hat, die Missbräuchlichkeit seines Klagebegehrens aus dem genannten Urteil des Senats vom 26. Mai 2005 bekannt war.
Schließlich genügten die in der mündlichen Verhandlung vom 20. Januar 2006 vom Vorsitzenden erteilten Hinweise auch nicht den inhaltlichen Anforderungen an die Darlegung der Aussichtslosigkeit der Rechtsverfolgung. Es reicht nicht aus, dass der Hinweis, alle diese fünf Klagen seien unzulässig, im Ergebnis zutreffend war. Auch die Begründung dieses Ergebnisses muss in jedem der Verfahren für einen einsichtigen Beteiligten nachvollziehbar gewesen sein. Denn die offensichtliche Aussichtslosigkeit ist für jedes Verfahren individuell zu prüfen und darzulegen (vgl. LSG Thüringen v. 18. 8. 2005 - L 2 R 130/05 - juris Rdnr. 41). Ob und aus welchen Gründen eine Klage unzulässig ist, kann erst beurteilt werden, wenn ihr Streitgegenstand geklärt ist. Die elementarste Voraussetzung für die Darlegung der Unzulässigkeit einer Klage ist daher, dass der Vorsitzende das nach § 123 SGG maßgebliche Begehren des Klägers zutreffend erfasst und, soweit möglich, gemäß § 106 Abs. 1 SGG auf die Erläuterung unklarer Anträge und die Stellung sachdienlicher Anträge hingewirkt hat.
Daran fehlt es hier. Während sich in den insgesamt sechs am 20. Januar 2006 entschiedenen Verfahren die drei vom Kläger wieder aufgegriffenen Streitfragen nach dessen Vorbringen den verschiedenen Verfahren eindeutig zuordnen lassen und deshalb auch zu klären war, in welchen vom Sozialgericht als Neuklagen registrierten Verfahren die erneute Erhebung des Anspruchs bereits wegen der zuvor nach § 94 SGG eingetretenen Rechtshängigkeit unzulässig war, hat das Sozialgericht in den Tatbeständen und in den Anträgen die drei Begehren nicht ausreichend unterschieden und teils auch den Verfahren nicht nachvollziehbar zugeordnet. In dem Verfahren - S 1 V 7/05 - ist das Sozialgericht zwar in Übereinstimmung mit dem schriftlichen Vorbringen des Klägers davon ausgegangen, dass die Klage die Kürzung des Vergleichseinkommens vor Vollendung des 65. Lebensjahrs betraf. Es hat aber verkannt, dass dieser Klageanspruch schon unter dem Aktenzeichen - S 1 V 50/04 - rechtshängig geworden war, weil es den "Gegenstand der Klage" im Sinne des § 95 SGG nicht von dem für die Rechtshängigkeit maßgeblichen "Streitgegenstand" unterschieden hat (vgl. dazu Leitherer in Meyer-Ladewig, a.a.O., § 95 Rdnrn. 1, 4 ff.). Soweit das Sozialgericht, das die sechs Verfahren nicht durch einen Beschluss nach § 113 Abs. 1 SGG zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden hat, in den beiden mündlichen Verhandlungen zu mehreren Verfahren den gleichen Antrag zu Protokoll genommen hat, ist weder den Protokollen noch den Entscheidungsgründen zu den jeweiligen Urteilen zu entnehmen, dass es beachtet hat, ob durch die protokollierten Anträge die Klagen geändert wurden und inwieweit sie wegen Rechtshängigkeit unzulässig waren. Wenn aber selbst die schriftlichen Entscheidungsgründe den Anforderungen an eine schlüssige und treffende Begründung der Unzulässigkeit nicht voll genügen, kann der Kammervorsitzende auch in der mündlichen Verhandlung vom 20. Januar 2006 nicht in der Lage gewesen sein, in jedem der Verfahren die Unzulässigkeit der Klage konkret so zu begründen, dass er einen einsichtigen Beteiligten hätte überzeugen können.
Dieser Beschluss ist nach § 177 SGG unanfechtbar.