Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist noch die Höhe des zu gewährenden Berufsschadensausgleiches (BSA) streitig.

Die am .. .. 1963 geborene Klägerin erlitt nach einer Pockenschutzimpfung vom 16.04.1964 einen Impfschaden. Der Beklagte erkannte durch Teilbescheid vom 28.06.1972 als Schädigungsleiden mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 100 vom Hundert (v. H.) gemäß § 51 Abs. 1 des Bundesseuchengesetzes (BSeuchG) in Verbindung mit den Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) an: "Hirnorganisches Anfallsleiden und hochgradiger Schwachsinnszustand (vom Grade einer Imbezillität) nach Hirnentzündung infolge Pockenschutzimpfung".

Zu diesem Zeitpunkt war die am .. ..1961 geschlossene Ehe der Eltern der Klägerin, des gelernten Landwirts und späteren Geschäftsführers einer X-Versicherungsagentur, X. , und der gesetzlichen Vertreterin der Klägerin, Frau X. (Betreuerin), einer gelernten Kontoristin, bereits geschieden (Scheidung am .. .. 1970). Die Betreuerin erhielt anlässlich der Scheidung von ihrem geschiedenen Mann eine Abfindung, wodurch ihr Unterhalt und der der Klägerin gesichert war. Beide Eltern verfügen über Volksschulbildung; darüber hinaus hat die Betreuerin mit Erfolg die kaufmännische Handelsschule besucht. Am .. .. 1983 brachte sie ein weiteres Kind zur Welt. A. ist die Tochter des Lebensgefährten der Mutter, Y., der nach dem Besuch der Volksschule und erfolgreicher Absolvierung einer Maurerlehre die elterliche Bauunternehmung übernahm, die er nach Angaben der Betreuerin mit großem wirtschaftlichen Erfolg führte.

Durch Bescheid vom 22.06.1983 bezeichnete der Beklagte die Schädigungsfolgen wie folgt: "Hochgradiger Schwachsinnszustand (vom Grade einer Imbezillität) nach Hirnentzündung infolge Pockenschutzimpfung". Die MdE wurde weiter mit 100 v. H. bewertet.

Am 05.12.1984 erteilte der Beklagte einen Bescheid über die Gewährung von Berufsschadensausgleich für die Zeit ab November 1984. Hierbei wurde die Klägerin in die Besoldungsgruppe A 5 des Bundesbesoldungsgesetzes (BBG) nach § 7 Abs. 1 der Berufsschadensausgleichsverordnung (BSchAV) eingruppiert, weil der Beklagte davon ausging, dass die Klägerin ohne den Impfschaden nach ihren Lebensverhältnissen, Kenntnissen und Fähigkeiten voraussichtlich eine Mittelschule oder eine gleichwertige Schule absolviert hätte. Mit ihrem Widerspruch trug die Klägerin vor, es sei davon auszugehen, dass sie mindestens das Abitur abgelegt hätte; auf jeden Fall sei die Entwicklung der damals 1 ½ jährigen Halbschwester bei der Einstufung zu berücksichtigen. Mit Teilabhilfebescheid vom 08.07.1985 wurde der angefochtene Bescheid vom 05.12.1984 unter den Vorbehalt gestellt, dass nach Abschluss des schulischen Werdeganges der jüngeren Schwester geprüft werde, ob bei der Einstufung eine höhere Schulausbildung zugrunde gelegt werden könne.

Den aufrecht erhaltenen Widerspruch wies der Beklagte am 22.01.1986 zurück. Mit der anschließend vor dem Sozialgericht Köln unter dem Aktenzeichen S 15 V 79/86 erhobenen Klage verfolgte die Klägerin ihr Begehren auf eine höhere Einstufung beim Berufsschadensausgleich weiter. Sie vertrat die Ansicht, aufgrund des nachträglich eingefügte Vorbehaltes sei ihr BSA zu erhöhen, falls ihre Halbschwester eine höhere Schulausbildung mit Erfolg absolviere. Nachdem der Beklagte dieser Auffassung widersprach, wurde die Klage im Mai 1986 zurückgenommen. Die Klägerin wies zugleich noch einmal darauf hin, dass nach dem Teilabhilfebescheid des Beklagten vom 08.07.1985 nach Abschluss des schulischen Werdegangs der jüngeren Schwester erneut zu prüfen sei, ob die Einstufung zur Berechnung des Berufsschadensausgleichs zutreffend sei.

In der Folgezeit unterblieb eine Neufeststellung des Berufsschadensausgleiches unter Berücksichtigung von § 4 BSchAV. Nachdem der Irrtum aufgefallen war, erteilte der Beklagte am 21.04.1997 einen Bescheid nach § 44 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X), mit dem rückwirkend ab 01.01.1993 eine Eingruppierung in die Besoldungsgruppe A 7 erfolgte. Der hiergegen eingelegte Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 04.09.1997). Anschließend erreichte die Klägerin im Wege des Amtshaftungsanspruchs Schadenersatz für die von dem Bescheid vom 21.04.1997 nicht erfasste Zeit vom 01.11.1990 bis 31.12.1992 in Höhe von 8.486 DM.

Im Hinblick auf den voraussichtlichen Schulabschluss der Halbschwester mit Abitur gruppierte der Beklagte die Klägerin mit Bescheid vom 18.09.2001 für die Zeit ab 01.11.1986 in die Besoldungsgruppe A 9 entsprechend dem Vergleichseinkommen für Beamte des gehobenen Dienstes ein. Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch mit dem Begehren, ein höheres Vergleichseinkommen zugrunde zu legen. Zur Begründung führte sie aus, ihre Schwester werde nach dem Abitur ein Studium absolvieren. Auch sie selbst hätte studiert, wenn die Schädigung durch die Pockenschutzimpfung nicht eingetreten wäre.

Am 18.06.2002 bestand die Halbschwester der Klägerin ihr Abitur mit der Durchschnittsnote 1,7. Ab dem Wintersemester 2002/2003 studierte sie mit gutem Erfolg Rechtswissenschaften an der Universität zu M. Zurzeit befindet sie sich im ersten Staatsexamen.

Den Widerspruch der Klägerin wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16.08.2002 zurück. Nach der hier anzuwendenden Sondervorschrift des § 7 Abs. 1 Satz 2 BSchAV sei eine Prognose über den vermutlichen Schulabschluss zu treffen. Das Durchschnittseinkommen werde dann - ähnlich wie bei Selbständigen - aus der Beamtenbesoldung entnommen, einem gestuften und berufsübergreifenden Vergütungssystem, innerhalb dessen die maßgebliche Besoldungsgruppe sich im Wesentlichen nach dem jeweils erreichten Schul- oder Hochschulabschluss richte. Unter Berücksichtigung aller für die Prognose wesentlichen Umstände erweise sich die angefochtene Entscheidung nicht als rechtswidrig. Es entspreche nämlich nach offenkundiger Erfahrung keineswegs dem Regelfall, dass nach erfolgreichem Abschluss einer höheren oder gleichwertigen Schulausbildung eine Hochschulausbildung erfolgreich abgeschlossen werde, wovon die Klägerin offensichtlich ausgehe.

Dagegen hat die Klägerin am 17.09.2002 beim Sozialgericht (SG) Köln Klage erhoben. Sie verfolgt ihr Begehren weiter. Sie vertritt weiterhin die Auffassung, dass sie nach den bestehenden familiären Verhältnissen, insbesondere in Anlehnung an den Werdegang der Halbschwester A., ebenfalls ein Hochschulstudium mit Erfolg absolviert hätte. Im Übrigen würde die Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens unter Hinzuziehung der Halbschwester zum Ergebnis führen, dass sie das gleiche Intelligenzpotenzial wie ihre Halbschwester habe.

Der Beklagte hat darauf hingewiesen, dass nach § 7 Abs. 1 Satz 2 BSchAV in erster Linie für die (nachträgliche) Prognoseentscheidung Veranlagung und Fähigkeiten der Geschädigten maßgebend seien. Lediglich hilfsweise könne als Indiz der familiäre Lebenszuschnitt dafür dienen, ob der behauptete Bildungsabschluss erreicht worden wäre (BSG, Beschluss vom 18.09.2003 - B 9 V 71/02 B -). Aus der sozialen und beruflichen Stellung der Eltern lasse sich ein begründeter Rückschluss auf die entsprechende Veranlagung und die Fähigkeiten der Klägerin nicht gewinnen. Die Eltern hätten weder ein Hochschul- noch einen höheren Schulabschluss. Allein aus den Ausbildungserfolgen (Hochschulstudium) der Halbschwester, die fast 20 Jahre nach der Klägerin geboren worden sei, lasse sich eine entsprechende Veranlagung und Befähigung und ein daraus resultierender Ausbildungserfolg der Klägerin nicht wahrscheinlich machen. Die tatsächlichen schulischen und beruflichen Ausbildungs- und Entwicklungsmöglichkeiten seien generell zu unterschiedlich.

Die Klägerin hat die Zeugnisse ihrer Halbschwester sowie des Lebensgefährten der Betreuerin zu den Akten gereicht.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 13.12.2004 abgewiesen. Auf die Entscheidung wird verwiesen.

Gegen das ihr am 06.01.2005 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 28.01.2005 Berufung eingelegt, mit der sie ihr Begehren weiterverfolgt. Insbesondere der Werdegang der fast 20 Jahre jüngeren Halbschwester, die ihr juristisches Studium wahrscheinlich mit gutem Erfolg beenden werde, sei ein Hinweis dafür, was aus ihr geworden wäre. Im Übrigen sei die Vorinstanz berechtigterweise davon ausgegangen, dass die leiblichen Eltern die ihnen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten bestmöglich genutzt und sich im Laufe ihres Lebens einen nicht unerheblichen Wohlstand erarbeitet haben. Dies rechtfertige die Schlussfolgerung, dass sie ein Hochschulstudium aufgenommen und abgeschlossen hätte. Zudem könnte durch ein erbbiologisches Gutachten ermittelt werden, wie ihr mutmaßlicher IQ ausgefallen wäre. Sie ist weiterhin der Auffassung, aus dem Vorbehalt im Bescheid vom 08.07.1985 ergebe sich ein Rechtsanspruch auf Zugrundelegung eines Vergleichseinkommens nach der Besoldungsgruppe A 13 ab dem 01.11.1989.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichtes Köln vom 13.12.2004 zu ändern und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 18.09.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16.08.2002 zu verurteilen, ihr Berufsschadensausgleich unter Zugrundelegung eines Vergleichseinkommens nach der Besoldungsgruppe A 13 des Bundesbesoldungsgesetzes ab dem 01.11.1989 nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.

Der Beklagte hat mit auf § 44 SGB X gestütztem Bescheid vom 26.06.2006 den BSA ab dem 01.11.2003 neu berechnet, weil die Klägerin bereits seit November 2003 das 40. Lebensjahr vollendet hat, ohne dass zu diesem Zeitpunkt eine Neuberechnung nach der Besoldungsgruppe A 11 erfolgt sei. Des Weiteren hat er den Erlass des ehemaligen Ministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales vom 28.11.1978 zur Anwendung des § 7 BSchAV zu den Akten gereicht.

Der Senat hat den Beteiligten Unterlagen aus den Statistischen Jahrbüchern 1982 bis 1985 des Statistischen Bundesamtes für die Bundesrepublik Deutschland zur Vorbereitung des Termins übersandt und diese zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 22.02.2007 gemacht.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakten, der Verwaltungsakten des Beklagten sowie der beigezogenen Streitakte S 15 V 79/86 Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist unbegründet.

Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klägerin ist durch die angefochtene Verwaltungsentscheidung nicht beschwert im Sinne des § 54 Absatz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Der Bescheid ist rechtmäßig.

Nach § 51 Abs. 1 Bundesseuchengesetz (jetzt: § 60 Abs. 1 Infektionsschutzgesetz - IfSG -) erhält derjenige, der einen Impfschaden erlitten hat , wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen des Impfschadens auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BVG. Nach § 30 Abs. 3 BVG erhält ein rentenberechtigter Beschädigter, dessen Einkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit durch die Schädigungsfolgen gemindert ist, wegen des Einkommensverlustes Berufsschadensausgleich. Den Einkommensverlust definiert § 30 Abs. 4 BVG als Unterschiedsbetrag zwischen dem derzeitigen Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit zuzüglich der Ausgleichsrente (derzeitiges Einkommen) und dem höheren Vergleichseinkommen. Wie der Einkommensverlust bei einer vor Abschluss der Schulausbildung erlittenen Schädigung, wie vorliegend, zu ermitteln ist, hat die vom Gesetzgeber - jetzt § 30 Abs. 14 Buchst. b BVG - ermächtigte Bundesregierung in der Berufsschadensausgleichsverordnung - BSchAV - in der Fassung vom 29.06.1984 (BGBl I, S. 861 nebst nachfolgenden Änderungen) bestimmt. Das Vergleichseinkommen richtet sich hier nach den Besoldungsgruppen des Bundesbesoldungsgesetzes (§ 2 Abs. 1 Satz 2, § 7 Abs. 1 Satz 1 BSchAV). § 7 BSchAV stellt eine Sonderregelung dar, die vom Regelfall des Eintritts der Schädigung bei einem erwachsenen Menschen, der in der Regel bereits eine Berufsausbildung absolviert bzw. einen Beruf ergriffen hat, abweicht. In welche dieser Besoldungsgruppen die Klägerin einzustufen ist, entscheidet sich nach ihrer Veranlagung und ihren Fähigkeiten, hilfsweise auch unter Berücksichtigung der beruflichen und sozialen Stellung ihrer Eltern und sonstiger Lebensverhältnisse. Bei vermutlichem Abschluss einer höheren oder gleichwertigen Schulausbildung ist das in § 4 Abs. 1 BSchAV für Beamte des gehobenen Dienstes bestimmte, bei vermutlichem Abschluss einer Hochschulausbildung (§ 3 Abs. 5 Satz 2) das in § 4 Abs. 1 für Beamte des höheren Dienstes bestimmte Durchschnittseinkommen maßgeblich (§ 7 Abs. 1 BSchAV). Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 4 BSchAV ist der Berufsschadensausgleich frühestens nach dem vermutlichen Abschluss der beruflichen Ausbildung zu gewähren.

Unter Berücksichtigung dieser Voraussetzungen ist die angefochtene Verwaltungsentscheidung des Beklagten nicht zu beanstanden. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die vom Beklagten vorgenommene Eingruppierung nach Besoldungsgruppe 9 (Beamte des gehobenen Dienstes) als großzügig anzusehen ist. Jedenfalls hat der Beklagten zu Recht eine Eingruppierung nach der Besoldungsgruppe A 13, welche bei einem vermutlichen Abschluss einer Hochschulausbildung maßgeblich wäre, abgelehnt.

Die gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 BSchAV an erster Stelle genannten Merkmale, Veranlagung und Fähigkeiten des Beschädigten sind im Falle der Klägerin nicht zu ermitteln, weil sie die Impfschädigung bereits im Alter von fünf Monaten erlitten hat. Hilfsweise sind auch die berufliche und soziale Stellung der Eltern und die sonstigen Lebensverhältnisse des Beschädigten zu berücksichtigen. Aus der sozialen und beruflichen Stellung der Eltern lässt sich ein begründeter Rückschluss auf die entsprechende Veranlagung und die Fähigkeiten der Klägerin nicht gewinnen. Die Eltern haben weder einen Hochschul- noch einen höheren Schulabschluss. Die Hilfserwägung kann allenfalls als Indiz dafür gewertet werden kann, ob die behauptete Hochschulausbildung unter Beachtung des familiären Lebenszuschnitts überhaupt in Betracht zu ziehen ist (vgl. BSG, Beschluss vom 18.09.2003, B 9 V 71/02 B). Aus der beruflichen und sozialen Stellung der Eltern der Klägerin kann zwar geschlossen werden, dass beide Elternteile aus den ihnen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten den bestmöglichen Gebrauch gemacht haben und sich im Laufe ihres Lebens einen nicht unerheblichen Wohlstand erarbeitet haben. Dies rechtfertigt aber nicht die Schlussfolgerung, dass die Klägerin nach vermutlicher Ablegung des Abiturs tatsächlich ein Hochschulstudium aufgenommen und erfolgreich abgeschlossen hätte. Sicherlich hätte die strebsame und um das Wohl beider Kinder bestmöglich sorgende Betreuerin auch der Klägerin jegliche Unterstützung angedeihen lassen und diese wahrscheinlich auch mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln unterstützt, wenn diese sich entschlossen hätte, ein Hochschulstudium aufzunehmen. Ob dies auch tatsächlich geschehen wäre und die Klägerin darüber hinaus auch das Hochschulstudium erfolgreich abgeschlossen hätte, ist fraglich.

Die Klägerin hätte unter Zugrundelegung einer höheren oder gleichwertigen Schulausbildung (Reifeprüfung) ohne den Impfschaden vermutlich im Jahre 1983 ihr Abitur abgelegt. Zu diesem Zeitpunkt gab es, wie auch schon zuvor, eine nicht unerhebliche Anzahl von weiblichen Schulabgängern, die über keine Hochschulreife verfügten oder nach dem Abitur einen Beruf ergriffen haben, der keine Hochschulausbildung erforderte. Der Senat stützt seine Auffassung auf die den Beteiligten übersandten Unterlagen aus den Statistischen Jahrbüchern 1982 bis 1985 des Statistischen Bundesamtes für die Bundesrepublik Deutschland. So haben im Jahre 1983 von 579.536 weiblichen Schulabgängern in der Bundesrepublik Deutschland lediglich 141.710 die Schule mit einer Hochschul- oder Fachhochschulreife abgeschlossen (vgl. Jahrbuch 1985 Seite 357). Dies entspricht einem Anteil von ca. 24,5 %. Der Prozentsatz fällt noch geringer aus, wenn die weiblichen Abgänger mit einer Fachhochschulreife (29.982) unberücksichtigt bleiben. In diesem Fall liegt der Anteil nur noch bei ca. 19,3 %. Darüber hinaus hat von den weiblichen Abiturienten 1983 nicht jede ein Studium aufgenommen. So ergibt sich aus den statistischen Unterlagen, dass ca. 53,5 % der weiblichen Abiturienten 1983 eine Studienabsicht geäußert haben (vgl. Jahrbuch 1984, Seite 363).

Zudem schließt nicht jeder Studienanfänger, gleich welcher Fachrichtung, die Hochschule mit Erfolg ab. So brechen z. B. junge Frauen ihr Studium ab, weil sie eine Familie gründen wollen und sich der Familie und der Kindererziehung widmen wollen. Nach alledem ergibt sich zur Überzeugung des Senats lediglich eine Möglichkeit, dass die Klägerin ein Hochschulstudium überhaupt begonnen und auch mit Erfolg zu Ende gebracht hätte. Angesichts der vielfältigen anderen denkbaren Möglichkeiten kann keinesfalls vom vermutlichen Abschluss einer Hochschulausbildung der Klägerin ausgegangen werden.

Eine andere Beurteilung ist auch nicht unter Berücksichtigung des Werdeganges der Halbschwester, die voraussichtlich ihr juristisches Studium mit gutem Erfolg beenden wird, gerechtfertigt. Allein aus den Ausbildungserfolgen (Hochschulstudium) der Halbschwester, die fast 20 Jahre nach der Klägerin geboren wurde, lässt sich eine entsprechende Veranlagung und Befähigung und ein daraus resultierender Ausbildungserfolg der Klägerin nicht wahrscheinlich machen. Die tatsächlichen schulischen und beruflichen Ausbildungs- und Entwicklungsmöglichkeiten sind generell zu unterschiedlich. So durchlaufen selbst Kinder von leiblichen Eltern höchst unterschiedliche Schulausbildungen und schlagen unterschiedliche berufliche Wege ein.

Die Einholung eines medizinischen Gutachtens war nicht geboten. Selbst wenn sich aus einem erbbiologischen Gutachten ein der Halbschwester vergleichbarer IQ ableiten ließe, könnte auch daraus eine günstigere Entscheidung für die Klägerin nicht hergeleitet werden. Die Klägerin stammt nicht aus einer Akademikerfamilie. Bis auf die Halbschwester hat kein anderer Verwandter eine Hochschulausbildung absolviert. Zudem ist die Halbschwester fast 20 Jahre jünger, sodass unter Berücksichtigung gesellschaftlicher Veränderungen auch nur bedingt Rückschlüsse bezüglich der Aufnahme und eines erfolgreichen Abschluss eines Studiums durch die Klägerin gezogen werden können.

Ein Rechtsanspruch kann aus dem Vorbehalt im Bescheid vom 08.07.1985 nicht abgeleitet werden. Dem Wortlaut des Vorbehalts kann nicht entnommen werden, dass vom Beklagten bei einem Abschluss des Hochschulstudiums der Halbschwester bei der Klägerin eine dahingehende Prognose getroffen wird, dass auch diese eine Hochschulausbildung abgeschlossen hätte.

Schließlich entspricht die Gewährung des BSA ab dem 01.11.1986 unter Berücksichtigung der Besoldungsgruppe A 9 dem Erlass des ehemaligen Ministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes NRW vom 28.11.1978. Danach ist unter Berücksichtigung der durchschnittlichen Berufsausbildung bei vermutlichem Abschluss einer höheren oder gleichwertigen Schulausbildung (Reifeprüfung) vom 23. Lebensjahr an ein Einkommensverlust anzunehmen. Der Erlass steht im Einklang mit § 7 Abs. 1 Satz 4 BSchAV, wonach die Leistung erst nach dem vermutlichen Abschluss der beruflichen Ausbildung zu gewähren ist. Die im Erlass zugrunde gelegten Zeiten hält der Senat unter Berücksichtigung, dass der Durchschnitt der Abiturienten zwischen dem 18. und 19. Lebensjahr das Abitur ablegt und eine Ausbildung zwischen zwei bis drei Jahren dauert, wobei sich die Ausbildung nicht nahtlos an die Schulausbildung anschließen muss, für angemessen. Der Beklagte ist daher zu Recht von einem Einkommensverlust ab dem 23. Lebensjahr unter Zugrundelegung einer Hochschulreife ausgegangen. Gegen diese Vorgaben sind auch von Seiten der Klägerin keine Einwendungen erhoben worden. Sie geht vielmehr selbst davon aus, dass beim vermutlichen Abschluss einer Hochschulausbildung vom 26. Lebensjahr - wie im Erlass vorgesehen - ein Einkommensverlust anzunehmen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.