Landessozialgericht Baden-Württemberg - L 8 SB 1808/11 - Urteil vom 27.01.2012
Auch in auf Herabsetzung des GdB und/oder die Entziehung eines Nachteilsausgleichs gerichteten Verfahren obliegt es dem behinderten Menschen, der weiterhin Vorteile nach dem Schwerbehindertenrecht für sich in Anspruch nehmen will, an zumutbaren Untersuchungen zur Feststellung, ob die gesundheitlichen Voraussetzungen hierfür noch vorliegen, mitzuwirken. Kommt er dieser Mitwirkungspflicht schuldhaft nicht nach, greift der allgemeine Rechtsgedanke, dass derjenige, der durch schuldhaftes Handeln oder Unterlassen eine an sich mögliche Beweisführung vereitelt, sich so behandeln lassen muss, als sei die Beweisführung gelungen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Herabsetzung des Grades der Behinderung (GdB) sowie die Aberkennung der Nachteilsausgleiche (Merkzeichen) "G" und "B" streitig.
Bei dem am 1973 geborenen Kläger stellte das Versorgungsamt R. mit Bescheid vom 23.06.1998 wegen einer organischen Persönlichkeitsstörung mit Hydrozephalus internus (Teil-GdB 80), einem Halswirbelsäulensyndrom mit Cervikobrachialgie und chronischen Kopfschmerzen (Teil-GdB 20) sowie Beschwerden nach Erfrierung der Hände (Teil-GdB 10) den GdB mit 90 neu und außerdem die Merkzeichen "G" und "B" fest. Im Rahmen eines Nachprüfungsverfahrens wurde einem Antrag des Klägers auf Erhöhung des GdB und Feststellung der Merkzeichen "RF" und "1. Klasse" - unter Mitberücksichtigung eines im Betreuungsverfahren dem Landgericht Konstanz erstatteten psychiatrischen Gutachtens von Professor Dr. E. vom 01.10.2002 - vom Versorgungsamt R. mit Bescheid vom 09.09.2003 nicht entsprochen.
Im Juli 2008 leitete das zwischenzeitlich zuständige Landratsamt K. - Amt für Versorgung und Rehabilitation - (LRA) ein Nachprüfungsverfahren ein. Nachdem der Kläger keine Angaben zu den ihn behandelnden Ärzte machte, holte das LRA die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. B. vom 22.09.2008 ein, in der mitgeteilt wird, dass nach allgemeiner ärztlicher Erfahrung eine gewisse Stabilisierung der organischen Persönlichkeitsstörung bei Hydrozephalus internus angenommen werden und die Merkzeichen nicht mehr vorausgesetzt werden könnten. Das LRA wies den Kläger mit Schreiben vom 25.09.2008 auf eine Mitwirkungspflicht nach § 60 Abs. 1 SGB I sowie auf § 66 SGB I hin. Der Kläger teilte seinen Hausarzt Dr. R. mit, dessen Praxis von Dr. S. übernommen worden war. Nach einer telefonischen Mitteilung von Dr. S. seien die ärztlichen Unterlagen des Klägers am 07.04.2004 von Dr. R. ausgehändigt worden; bei Dr. S. habe sich der Kläger seit Jahren nicht mehr in ärztlicher Behandlung befunden (Gesprächsnotiz vom 19.11.2011). Das LRA zog vom Klinikum der Universität F. den Befundbericht der letzten Untersuchung des Klägers vom 18.01.1991 bei. Der Kläger teilte mit, weitere Unterlagen lägen nicht vor; eine Behandlung wie früher bei Dr. R. sei ihm nicht mehr möglich (Schreiben vom 15.01.2009). Mit Anhörungsschreiben vom 26.02.2009 teilte das LRA dem Kläger mit, dass beabsichtigt sei, einen Neufeststellungsbescheid zu erlassen (GdB 60; Aberkennung der Merkzeichen "G" und "B"). Hierzu teilte der Kläger mit, eine Besserung sei nicht eingetreten (Schreiben vom 03.03.2009). Mit Bescheid vom 17.04.2009 hob das LRA den Bescheid vom 23.06.1998 gemäß § 48 SGB X auf und stellte fest, dass der GdB wegen einer organischen Persönlichkeitsstörung bei Hydrozephalus internus (Teil-GdB 50), Nervenwurzelreizerscheinungen, Kopfschmerzsyndrom (Teil-GdB 20) und Sensibilitätsstörungen nach Erfrierung der Hände (Teil-GdB 10) nur noch 60 ab dem 23.04.2009 betrage und dass die Voraussetzungen für die Merkzeichen "G" und "B" nicht mehr vorlägen.
Gegen den Bescheid vom 17.04.2009 legte der Kläger am 24.04.2009 Widerspruch ein. Er führte zur Begründung aus, es mangele an einer tatsächlichen Besserung seiner Gesundheitssituation. Die Einstellung der Praxistätigkeit seines früheren Hausarztes und das Fehlen der Krankenakte rechtfertigten den Erlass des Bescheides nicht. Er sei mitwirkungsbereit gewesen und habe umfangreich zur Klärung der Situation beigetragen. Das LRA (Versorgungsarzt Dr. C. , Stellungnahme vom 13.05.2009) veranlasste eine Begutachtung durch die Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Re. Der Kläger erschien zu Terminen zur gutachtlichen Untersuchung am 22.07.2009 (8:30 Uhr) und am 11.08.2009 (8:15 Uhr) jeweils unentschuldigt nicht. Das LRA holte weitere Stellungnahmen seines Ärztlichen Dienstes (Dr. C. vom 12.08.2009 und der Fachärztin Re. vom 11.08.2009) ein, die mitteilten, dass keine aktuelle Aussage zum Gesundheitszustand bzw. zur Höhe des GdB getroffen werden könne. Nach einem weiteren Hinweisschreiben an den Kläger vom 17.08.2009 wurde der Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 17.04.2009 vom Regierungspräsidium S. - Landesversorgungsamt - mit Widerspruchsbescheid vom 01.10.2009 zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, wegen des Eintritts einer wesentlichen Änderung habe der GdB von bisher 90 auf 60 herabgesetzt und die Merkzeichen "G" und "B" hätten entzogen werden müssen. Nachdem eine Beiziehung aktueller ärztlicher Berichte nicht möglich gewesen sei und eine weitere medizinische Abklärung nicht habe erfolgen können, weil der Kläger den angesetzten Untersuchungen unentschuldigt ferngeblieben sei, müsse an der getroffenen Entscheidung festgehalten werden. Nach Aktenlage sei davon auszugehen, dass die zu erwartende Stabilisierung des psychischen Zustandes und damit eine wesentliche Änderung im Sinne von § 48 SGB X eingetreten sei. Die Festsetzung des GdB auf 60 sowie der Entzug der Merkzeichen "G" und "B" entspreche den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen.
Hiergegen erhob der Kläger am 07.10.2009 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG). Er machte geltend, ohne erkennbaren Grund würden der rechtskräftig festgestellte GdB von 90 auf 60 herabgestuft sowie die Nachteilsausgleiche "G" und "B" aberkannt. Weiter wandte sich der Kläger gegen eine befristete Verlängerung seines Ausweises.
Auf Erinnerung des SG legte der Kläger eine eingeschränkte Erklärung über die Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht vor und machte Angaben über ärztliche Behandlungen und Untersuchungen (Zeitraum "ca. 1998" bis März 2007). Auf richterliche Verfügung vom 08.04.2010 (Hinweise insbesondere zur Mitwirkungspflicht und Frage zur Bereitschaft der Mitwirkung an einer gutachtlichen Untersuchung) mit Aufforderung zur Stellungnahme stellte der Kläger einen Befangenheitsantrag (Schreiben vom 06.05.2010), der mit Beschluss des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 19.05.2010 (L 6 SF 2311/10 AB) zurückgewiesen wurde. Außerdem beantragte der Kläger die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwaltes (Schreiben vom 06.05.2010). Mit richterlicher Verfügung vom 02.07.2010 wurde der Kläger (unter Verweis auf die Ausführungen im Schreiben vom 08.04.2010) aufgefordert, die behandelnden Ärzte unter Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht zu benennen, gegebenenfalls mitzuteilen, seit wann keine ärztlichen Behandlungen, Untersuchungen oder Ähnliches mehr in Anspruch genommen worden seien, sowie mitzuteilen, ob einer durch das Gericht in Auftrag gegebenen gutachtlichen Untersuchung Folge geleistet oder eine derartige Untersuchung abgelehnt werde. Hierzu teilte der Kläger mit, weitere Äußerungen würden nur durch einen ihn vertretenden Rechtsanwalt abgegeben. An den Prozesskostenhilfeantrag werde erinnert (Schreiben vom 10.07.2010).
Mit Beschluss vom 05.04.2011 lehnte das SG die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ab und mit Gerichtsbescheid vom gleichen Tag wies es die Klage ab. Es führte zur Begründung aus, beim Kläger sei der GdB mit 60 ab 23.04.2009 zu bewerten. Ein GdB von weiterhin 90 sei weder in Ansatz zu bringen noch nachgewiesen. Ab diesem Zeitpunkt seien auch die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung der Merkzeichen "G" und "B" nicht mehr gegeben bzw. nicht mehr nachgewiesen. Ein Bescheid im Rahmen von § 66 SGB I wäre im vorliegenden Falle möglich und rechtmäßig gewesen. Dies ändere nichts daran, dass auch die erfolgte Entscheidung im Rahmen des § 48 SGB X zutreffend und nicht zu beanstanden sei. Denn die - wenn auch nur wenigen - ärztlichen Befundunterlagen erbrächten gleichwohl den Nachweis einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse im Sinne einer eingetretenen Besserung. Ohne die gebotene und zumutbare, jedoch vom Kläger ohne triftigen Grund unterlassene Mitwirkung sei eine weitere Aufklärung des medizinischen Sachverhaltes nicht möglich. Die Anforderungen an die Amtsermittlungspflicht verringerten sich, wenn ein Beteiligter seinen Mitwirkungspflichten nicht nachkomme. In einem solchen Falle habe nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast der Kläger die Folgen der Nichtfeststellbarkeit der den Anspruch auf Beibehaltung eines GdB von 90 sowie die weitere Zuerkennung der Merkzeichen "G" und "B" begründenden Tatsachen zu tragen.
Gegen den dem Kläger am 09.04.2011 zugestellten Gerichtsbescheid hat er am 13.04.2011 Berufung eingelegt und gleichzeitig die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwaltes für das Berufungsverfahren beantragt. Der Kläger hat zur Begründung vorgetragen, der Beklagte habe den GdB mit 90 sowie die Merkzeichen "G" und "B" unbefristet gültig festgestellt und einen entsprechenden Ausweis auszustellen. Die Ansicht des Beklagten sei substanzlos und anzuzweifeln. Der Beklagte habe ohne erkennbaren Grund den Schwerbehindertenausweis um 1/3 gekürzt und die Merkzeichen "G" und "B" entzogen. Dieses Vorgehen sei unzulässig und verstoße gegen Art. 3 Abs. 3 Grundgesetz sowie Art. 2a der Landesverfassung Baden-Württemberg. Ungeklärt bliebe auch, aufgrund welcher Sachlage er einer Untersuchung durch eine vom Beklagten festgelegte Psychiaterin zugeführt werden sollte. Offensichtlich herrsche beim Beklagten Willkür. Er habe um kein Gespräch bei einer Psychiaterin ersucht. Es sei befremdlich, einen Körperbehinderten einer Psychiaterin vorstellen zu wollen und einem Bürger zum Nachteil zu gereichen, dass er keinen Arzt mehr aufsuchen könne, weil der Hausarzt seine Praxis aufgegeben habe und zudem keine Krankenversicherung bestehe.
Der Kläger beantragt (sinngemäß),
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 5. April 2011 sowie den Bescheid des Beklagten vom 17. April 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Oktober 2009 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend. Der vorliegende medizinische und rechtliche Sachverhalt sei zutreffend gewürdigt worden. Sachargumente, die eine abweichende Beurteilung begründen könnten, seien dem Berufungsvorbringen des Klägers nicht zu entnehmen.
Mit Beschluss vom 24.11.2011 (L 8 SB 1808/11) hat der Senat den Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwaltes mangels hinreichender Erfolgsaussicht der Berufung abgelehnt. Eine gegen diesen Beschluss am 13.12.2011 vom Kläger eingelegte Gegenvorstellung ist vom Senat mit - dem Kläger am 31.12.2011 im zweiten Versuch zugestellten - Beschluss vom 19.12.2011 verworfen worden. Am 18.01.2012 hat der Kläger gegen die mitwirkenden Richter des Beschlusses vom 19.12.2011 einen Befangenheitsantrag gestellt und gleichzeitig beantragt, den Termin zur mündlichen Verhandlung am 27.01.2012 aufzuheben. Mit Beschluss vom 23.01.2012 hat das Landessozialgericht den Befangenheitsantrag des Klägers abgelehnt, weshalb der Termin zur mündlichen Verhandlung nicht aufgehoben worden ist. Eine fernmündliche Kontaktaufnahme durch den Senat am 24.01.2012 mit dem Kläger ist gescheitert. Mehrfache Versuche, dem Kläger den Beschluss vom 23.01.2012 unter der zuletzt bekannten Anschrift zuzustellen, sind bislang erfolglos geblieben.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie zwei Band Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Trotz Ausbleibens des Klägers im Termin zur mündlichen Verhandlung hat der Senat verhandeln und entscheiden können, denn der ausweislich der Zustellungsurkunde ordnungsgemäß am 15.12.2011 zum Termin geladene Kläger war in der Terminsbestimmung des Vorsitzenden vom 13.12.2011 auf diese Möglichkeit hingewiesen worden (§ 110 Abs. 1 S. 2 SGG). Der mit dem Befangenheitsantrag verbundene Antrag des Klägers, den Termin zur mündlichen Verhandlung aufzuheben, steht dem nicht entgegen. Der Kläger hat im Hinblick auf seinen Befangenheitsantrag mit einer Terminverlegung nicht rechnen dürfen (vgl. Mayer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, § 62 RdNr. 6d m.w.N.). Vielmehr liegt es gerade bei einem kurzfristig vor einem anberaumten Termin gestellten Befangenheitsantrag nahe, dass in dem Termin zur mündlichen Verhandlung - ohne Mitwirkung der abgelehnten Richter - über den Befangenheitsantrag entschieden wird. Eine Terminsaufhebung hat der Kläger auch nicht erhalten. Deshalb hat der Kläger davon ausgehen müssen, dass der Senat entsprechend dem in der Terminsbestimmung erfolgten Hinweis verfährt. Eine Möglichkeit, dem Kläger die Ablehnung seines Antrags auf Terminsaufhebung mitzuteilen, hat für den Senat nicht bestanden. Nach der Ablehnung des Befangenheitsantrages durch den Beschluss vom 23.12.2012 ist der Kläger trotz Bemühungen des Senats telefonisch nicht zu erreichen gewesen (vgl. Telefonvermerk der Geschäftsstelle vom 24.01.2012). Auch sonst hat für den Senat keine Möglichkeit bestanden, den Kläger vor dem Termin zu unterrichten. Der Kläger war nach der Terminsladung unter der dem Senat bekannten Anschrift postalisch nicht erreichbar, obgleich der Kläger unter der von ihm genannten Anschrift weiter gemeldet ist (Auskunft des Einwohnermeldeamts K. vom 27.01.2012) und nach den vom Senat im Freibeweisverfahren veranlassten polizeilichen Ermittlungen dort auch weiterhin tatsächlich wohnt (Telefonvermerk des Vorsitzenden vom 13.02.2012). Der Kläger hat vorliegend auch nicht darauf vertrauen dürfen, dass ihm eine Entscheidung über seinen Antrag auf Terminaufhebung mitgeteilt wird. Der mit dem Befangenheitsantrag verbundene Antrag auf Terminsaufhebung ist dem Senat erst sieben Werktage vor dem anberaumten Termin zur mündlichen Verhandlung zugegangen. Die Unmöglichkeit, den Kläger kurzfristig zu erreichen, liegt in der Sphäre des Klägers. Es hat deshalb dem Kläger oblegen, sich vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung (etwa fernmündlich) beim Senat zu erkundigen, ob der Termin aufgehoben worden ist. Dies hat der Kläger unterlassen. Dass der Kläger hierzu nicht in der Lage gewesen ist, ist nicht ersichtlich. Einen Antrag auf Vertagung hat der im Termin erschienene Beklagtenvertreter nicht gestellt. Der Senat hat sich hierzu auch nicht von Amts wegen veranlasst gesehen. Nach den Gesamtumständen musste sich dem Senat im Übrigen der Eindruck aufdrängen, dass der Kläger durch den nach der Zustellung des Beschlusses vom 23.01.2012 verzögert gestellten Befangenheitsantrag lediglich den Versuch unternommen hat, unter Ausnutzung der aufschiebenden Wirkung der Berufung eine Entscheidung des Senats im anberaumten Termin zur mündlichen Verhandlung zu seinen Gunsten und zu Lasten der Beklagten zu verhindern.
Der Senat hat auch unter Mitwirkung der abgelehnten Richter verhandeln und entscheiden können. Der Befangenheitsantrag des Klägers ist - wie oben genannt - durch Beschluss des Landessozialgerichtsgerichts vom 23.01.2012 abgelehnt worden, weshalb die abgelehnten Richter im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht mehr gehindert gewesen sind, mitzuwirken. Dem steht nicht entgegen, dass dieser Beschluss dem Kläger nicht hat zugestellt werden können. Denn der Beschluss vom 23.01.2012 ist an die Beteiligten am 24.01.2012 abgesandt und damit wirksam geworden. Selbst wenn hiervon nicht ausgegangen wird, hat der Beschluss durch die Zustellung an den Beklagten am 25.01.2012 Wirksamkeit erlangt.
Die gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung des Klägers ist zulässig. Richtige Klageart ist die reine Anfechtungsklage, da der Kläger sich gegen die Herabsetzung des GdB von 90 auf 60 sowie den Entzug der Merkzeichen "G" und "B" wendet. Dem entspricht der im Berufungsverfahren gestellte Antrag des Klägers.
Die Berufung ist in der Sache nicht begründet. Das SG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Der streitgegenständliche Bescheid des Beklagten vom 17.04.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 01.10.2009 ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Aufhebung des angegriffenen Bescheides, weil von einer wesentlichen Änderung gegenüber dem maßgeblichen Vergleichsbescheid vom 23.06.1998 auszugehen ist, die die Herabsetzung des GdB auf 60 sowie den Entzug der Merkzeichen "G" und "B" ab dem 23.04.2009 rechtfertigt.
Die streitgegenständlichen Bescheide sind nicht formell rechtswidrig. Der Kläger ist vor Erlass dieser Bescheide vom Beklagten gemäß § 24 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ordnungsgemäß angehört worden (Anhörungsschreiben vom 26.02.2009 und Hinweisschreiben vom 17.08.2009).
Die streitgegenständlichen Bescheide sind auch materiell rechtmäßig. Rechtsgrundlage ist § 48 SGB X. Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den rechtlichen und tatsächlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Eine wesentliche Änderung im Hinblick auf den GdB gegenüber einer vorausgegangenen Feststellung liegt nur dann vor, wenn im Vergleich zu den den GdB bestimmenden Funktionsausfällen, wie sie der letzten Feststellung des GdB tatsächlich zugrunde gelegen haben, insgesamt eine Änderung eingetreten ist, die einen um wenigstens 10 geänderten Gesamt-GdB bedingt und die Voraussetzungen für die Zuerkennung von Merkzeichen entfallen sind. Dabei ist die Bewertung nicht völlig neu, wie bei der Erstentscheidung, vorzunehmen. Vielmehr ist zur Feststellung der Änderung ein Vergleich mit den für die letzte bindend gewordene Feststellung der Behinderung oder eines Nachteilsausgleiches (Merkzeichen) maßgebenden Befunden und behinderungsbedingten Funktionseinbußen anzustellen. Eine ursprünglich falsche Entscheidung kann dabei grundsätzlich nicht korrigiert werden, da die Bestandskraft zu beachten ist. Sie ist lediglich in dem Maße durchbrochen, wie eine nachträgliche Veränderung eingetreten ist. Rechtsverbindlich anerkannt bleibt nur die festgestellte Behinderung mit ihren tatsächlichen Auswirkungen, wie sie im letzten Bescheid in den Gesamt-GdB eingeflossen, aber nicht als einzelne (Teil-)GdB gesondert festgesetzt worden sind. Auch der Gesamt-GdB ist nur insofern verbindlich, als er im Sinne des § 48 Abs. 3 SGB X bestandsgeschützt ist, nicht aber in der Weise, dass beim Hinzutreten neuer Behinderungen der darauf entfallende Teil-GdB dem bisherigen Gesamt-GdB hinzuzurechnen ist (vgl. BSG SozR 1300 § 48 Nr. 29). Die Verwaltung ist nach § 48 SGB X berechtigt, eine Änderung zugunsten und eine Änderung zuungunsten des Behinderten in einem Bescheid festzustellen und im Ergebnis eine Änderung zu versagen, wenn sich beide Änderungen gegenseitig aufheben (BSG SozR 3-3870 § 3 Nr. 5). Maßgeblich ist dabei hinsichtlich des GdB der dem Bescheid vom 09.09.2003 zugrunde liegende Behinderungszustand des Klägers, da mit diesem Bescheid ein Neufeststellungsantrag des Klägers abgelehnt und damit - konkludent - der GdB mit 90 bestätigt wurde, hinsichtlich der Merkzeichen "G" und "B" der Bescheid vom 23.06.1998.
Bei der Prüfung dieser Voraussetzungen beurteilt sich die Begründetheit der vom Kläger gegen die streitgegenständlichen Bescheide erhobenen Anfechtungsklage zum Zeitpunkt des Abschlusses des Widerspruchsverfahrens, hier dem Widerspruchsbescheid vom 01.10.2009. Danach eingetretene Änderungen sind nicht zu berücksichtigten (vgl. BSG, Urteil vom 10.09.1997 - 9 RVs 15/96 -, SozR 3-3870 § 3 Nr. 7). Hierüber wäre im Rahmen eines Neufeststellungsverfahrens wegen Verschlimmerung zu befinden, das nicht Gegenstand des vorliegenden Berufungsverfahrens ist.
Hiervon ausgehend hat der Beklagte zu Recht das Vorliegen einer wesentlichen Änderung im Sinne einer Besserung festgestellt, die es rechtfertigt, ab dem 23.04.2009 den GdB auf 60 herabzusetzen und die Nachteilsausgleiche "G" und "B" abzuerkennen, wovon auch das SG im angefochtenen Gerichtsbescheid ausgeht.
Der Beklagte war gehalten, beim Kläger ein Nachprüfungsverfahren einzuleiten. Nach Aktenlage ist beim Kläger davon ausgehend, dass sich seine gesundheitlichen Verhältnisse gebessert haben, wie auch das SG im angefochtenen Gerichtsbescheid zutreffend angenommen hat. Nach der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. B. vom 22.09.2008 können nach allgemeiner ärztlicher Erfahrung eine gewisse Stabilisierung der organischen Persönlichkeitsstörung bei Hydrozephalus internus angenommen und die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Merkzeichen ("G" und "B") nicht mehr vorausgesetzt werden. Besserungstendenzen lassen sich auch dem im Betreuungsverfahren dem Landgericht Konstanz erstatteten psychiatrischen Gutachtens von Professor Dr. E. vom 01.10.2002 entnehmen. Auch der Umstand, dass sich der Kläger nach den - von ihm bestätigten - Angaben von Dr. S. seit Jahren nicht mehr in regelmäßiger ärztlicher Behandlung befunden hat, spricht für eine Besserung seines Behinderungszustandes. Im Übrigen liegt einen Nachweis, dass der Kläger nicht krankenversichert ist, wie er behauptet, nicht vor und ist auch sonst nicht ersichtlich. Auch das vom Kläger im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren gezeigte Handeln und Vorbringen drängt nicht zu der Annahme, dass eine Besserung nicht eingetreten ist.
Allerdings konnte der Beklagte im Verwaltungsverfahren ärztliche Befundunterlagen über den aktuellen Gesundheitszustand des Klägers nicht beziehen. Auch das vom LRA in Auftrag gegebene Gutachten durch die Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Re. kam nicht zustande. Damit lagen dem Beklagten zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt (Widerspruchsbescheid vom 01.10.2009) keine medizinischen Unterlagen vor, die eine fundierte Aussage zum tatsächlichen Gesundheitszustand des Klägers und damit zum Ausmaß der Verbesserung des Gesundheitszustandes des Klägers ermöglichten. Davon gehen auch der Ärztliche Dienst des Beklagten (Dr. C. in seiner Stellungnahme vom 12.08.2009) sowie die Fachärztin Re. in ihrer Stellungnahme vom 11.08.2009 übereinstimmend aus.
Für die Tatsache, dass eine relevante Besserung im Gesundheitszustand eingetreten ist, trägt nicht der Kläger, sondern die Beklagte die objektive Beweislast. Allein der Umstand, dass zum maßgeblichen Zeitpunkt der Beurteilung der Sach- und Rechtslage aktuelle medizinische Befundunterlagen (mangels Behandlung des Klägers) nicht beigebracht werden konnten und sich der Kläger einer (deswegen) in Auftrag gegebenen Begutachtung bei der Fachärztin Re. ohne Entschuldigungsgründe nicht unterzogen hat, rechtfertigt eine Umkehr der Beweislast zu Lasten des Klägers (noch) nicht (vgl. BSG, Beschluss vom 04.04.1998 - B 2 U 304/97 -, juris).
In rechtlicher Hinsicht ergeben sich jedoch aus dem Verhalten des Klägers, der vom Beklagten in Auftrag gegebenen Begutachtung durch die Fachärztin Re. unentschuldigt fernzubleiben, Konsequenzen für die Beweiswürdigung. Dabei kann sich der Kläger nicht mit Erfolg darauf berufen, der Beklagte habe willkürlich seine Begutachtung durch die Fachärztin Re. angeordnet. Verlässliche medizinische Unterlagen zum konkreten Gesundheitszustand des Klägers konnten, wie ausgeführt, vom Beklagten nicht beigezogen werden. Damit blieb dem Beklagten zur Klärung dieser Frage nur die Möglichkeit, den Kläger begutachten zu lassen, wozu der Beklagte im Rahmen des Amtsermittlungsgrundsatzes auch gehalten war. Ausgehend von der gutachtlichen Stellungnahme des Ärztlichen Dienstes (Dr. B. vom 22.09.2008) dass nach allgemeiner ärztlicher Erfahrung eine gewisse Stabilisierung der im Bescheid vom 23.08.1998 als Behinderung mit einem Teil-GdB von 80 berücksichtigten Persönlichkeitsstörung bei Hydrocephalus internus angenommen werden kann, liegt die Einholung eines Gutachtens auf psychiatrischem Fachgebiet nahe. Von einer willkürlichen Anordnung einer Begutachtung des Klägers auf psychiatrischem Fachgebiet durch die Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Re. kann bei dieser Sachlage keine Rede sein.
Der Kläger war zur Mitwirkung bei der Begutachtung auch verpflichtet. Die Pflicht zur Mitwirkung ergibt sich allerdings nicht aus der unmittelbaren Anwendung der Vorschriften der §§ 60 ff. Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I). Denn im vorliegenden Rechtsstreit ist keine Sozialleistung (§ 11 SGB I) streitig, sondern die feststellende Tätigkeit der Versorgungsbehörde zur Höhe des GdB und zum Vorliegen der Voraussetzungen der Merkzeichen "G" und "B" (vgl. Hess. Landessozialgericht, Urteil vom 21.01.2009 - L 4 SB 36/08 -, juris). Offen bleiben kann vorliegend, ob die Vorschriften der §§ 60 ff SGB I entsprechend anzuwenden sind, da der Beklagte seine Entscheidung hierauf nicht gestützt hat. Für das Sozialrechtsverhältnis besteht jedenfalls ein allgemeiner Mitwirkungsgrundsatz zwischen einem Antragsteller oder Versicherten und einem Sozialleistungsträger, der aus dem auch im öffentlichen Recht Anwendung findenden Grundsatz von Treu und Glauben resultiert. Die aus diesem Mitwirkungsgrundsatz sich ergebenden Mitwirkungspflichten bestehen darin, dass der Antragsteller oder Versicherter und der Versicherungsträger alles in ihren Kräften stehende und zumutbare zu tun haben, um sich gegenseitig von vermeidbaren, das Sozialrechtsverhältnis betreffende Nachteile oder Schäden zu bewahren. Diese letztlich auf den im gesamten öffentlichen Recht anzuwendenden Grundsatz von Treu und Glauben zurückzuführende Grundsätze gelten auch im Schwerbehindertenrecht (vgl. zum Vorstehenden auch, BSG, Urteil vom 12.02.1997 - 9 RVs 2/96 -, SozR 3-3870 § 4 Nr. 17, m.w.N.).
Nach diesen Maßstäben obliegt es dem Behinderten, der weiterhin Vorteile nach dem Schwerbehindertenrecht für sich in Anspruch nehmen will, an zumutbaren Untersuchungen zur Feststellung, ob die gesundheitlichen Voraussetzungen hierfür noch vorliegen, mitzuwirken. Entgegen seiner Mitwirkungspflicht hat der Kläger im Rahmen (des vom Beklagten berechtigt eingeleiteten Nachprüfungsverfahren) durch sein unentschuldigtes Fernbleiben zu zwei Untersuchungsterminen eine notwendige Begutachtung durch die Fachärztin Re. vereitelt. Entschuldigungsgründe hat der Kläger nicht vorgetragen und sind auch nicht ersichtlich. Die Untersuchungen waren auch zumutbar. Entsprechend pflichtwidrig hat er sich im Übrigen auch im Klageverfahren vor dem SG verhalten. Trotz richterlicher Aufforderungen hat er brauchbare Angaben, die für das SG zu weiteren Ermittlungen Ansätze hätten geben können, nicht gemacht. Die Bereitschaft, an einer Begutachtung mitzuwirken, hat der Kläger im Klageverfahren nicht erklärt. Seine vorgelegte Entbindungserklärung war eingeschränkt auf ärztliche Untersuchungen in der Vergangenheit. Dies gilt auch für Angaben seiner behandelnden Ärzte. Auf das richterliche Schreiben vom 02.06.2010 hat der Kläger lediglich mitgeteilt, weitere Angaben durch einen Rechtsanwalt zu machen. In einem solchen Fall kommt der auch im Sozialgerichtsprozess aus § 444 ZPO entwickelte allgemeine Rechtsgedanke zum Tragen, dass derjenige, der durch schuldhaftes Handeln oder Unterlassen eine an sich mögliche Beweisführung vereitelt, wie dies beim Kläger zutrifft, sich gegebenenfalls so behandeln lassen muss, als sei die Beweisführung gelungen (vgl. BSG, Beschluss vom 13.09.2005 - B 2 U 365/04 B -, m.w.N, juris).
Danach ist davon auszugehen, dass der Kläger durch sein pflichtwidriges Verhalten bei der Klärung des entscheidungserheblichen medizinischen Sachverhaltes versucht, eine tatsächlich eingetretene Besserung seines Behinderungszustandes, der die Herabsetzung des GdB auf 60 sowie die Aberkennung der Merkzeichen "G" und "B" rechtfertigt, zu verheimlichen. Der Kläger ist vom Beklagten vor Erlass des Bescheides vom 17.04.2009 im Anhörungsschreiben vom 26.02.2009 sowie im Hinweisschreiben vom 17.08.2009 jeweils darauf hingewiesen worden, dass die Herabsetzung des GdB auf 60 sowie der Entzug der Merkzeichen "G" und B" beabsichtigt ist bzw. als korrekt angesehen wird. Der Kläger muss sich so behandeln lassen, dass diese ihm mitgeteilten Bewertungen des Beklagten den Tatsachen entsprechen. Die Einschätzung des Ausmaßes der funktionellen Beeinträchtigung mit einem GdB von 60 nach Dr. B. beruht im Übrigen auch auf versorgungsärztlichem Erfahrungswissen, was keinen rechtlichen Bedenken unterliegt. Dies gilt auch für die Beurteilung des Wegfalls der Voraussetzungen für die Merkzeichen. Dem entgegen stehende Umstände hat der Kläger nicht vorgetragen und sind auch sonst nicht ersichtlich.
Verstöße gegen das Grundgesetz bzw. die Verfassung des Landes Baden-Württemberg liegen bei dieser Sachlage nicht vor.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben.