Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Neufeststellung des Grades der Behinderung (GdB) nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) streitig.

Der 1947 geborene Kläger ist kroatischer Staatsangehörigkeit und im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung. Bei dem Kläger stellte das Versorgungsamt H., in Ausführung eines im Klageverfahren S 1 SB 2927/03 beim Sozialgericht Heilbronn (SG) geschlossenen Vergleichs, wegen einer koronaren Herzkrankheit, abgelaufenem Herzinfarkt, Stentimplantation und Bluthockdruck (Teil-GdB 30), Schwerhörigkeit beidseits (Teil-GdB 20) und Funktionsbehinderung der Wirbelsäule (Teil-GdB 10) mit Bescheid vom 03.08.2004 den GdB mit 40 sowie eine dauernde Einbuße der körperlichen Beweglichkeit im Sinne des § 33b Einkommensteuergesetz jeweils seit dem 02.07.2002 fest.

Am 21.07.2009 beantragte der Kläger beim nunmehr zuständigen Landratsamt H. - Versorgungsamt - (LRA) die Neufeststellung des GdB wegen Verschlimmerung der berücksichtigten Gesundheitsstörungen. Das LRA holte Befundangaben von Dr. H. vom 03.08.2009 sowie Dr. D. vom 29.07.2009 ein und nahm weitere medizinische Befundunterlagen zu den Akten (Berichte Dr. G. vom 15.07.2009, Diagnosen: Geringe Skoliose, Spondylose der LWS, Spondylarthrose der unteren LWS, Hohlkreuz mit Facettensyndrom; Dr. W./Dr. v. M. vom 23.06.2009, Diagnosen: KHK, 1-Gefäßerkrankung, Zustand nach Vorderwandinfarkt). Nach Auswertung der medizinischen Unterlagen schlug die Versorgungsärztin S. in ihrer gutachtlichen Stellungnahme vom 10.08.2009 wegen einer koronaren Herzkrankheit, abgelaufenem Herzinfarkt, Stentimplantation und Bluthockdruck (Teil-GdB 30), Schwerhörigkeit beidseitig (Teil-GdB 20) und degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule (Teil-GdB 10) den GdB weiterhin mit 40 vor.

Mit Bescheid vom 11.08.2009 entsprach das LRA dem Antrag des Klägers auf Neufeststellung des GdB nicht. Hiergegen legte der Kläger am 07.09.2009 Widerspruch ein. Er machte geltend, seine Wirbelsäulenbeschwerden, Kopfschmerzen, ein sehr wechselhafter Blutdruck und eine deutliche Depressivität seien nicht ausreichend berücksichtigt worden. Das LRA holte den Befundbericht von Dr. G. vom 15.12.2009 ein (Diagnosen: Geringe Skoliose, Spondylose der LWS, Spondylarthrose der unteren LWS, Hohlkreuz mit Facettensyndrom). In der hierzu eingeholten gutachtlichen Stellungnahme vom 11.03.2010 schlug die Versorgungsärztin R. - unter Berücksichtigung von degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule und Wirbelsäulenverformung mit einem Teil-GdB von 20 - den GdB weiterhin mit 40 vor.

Mit Widerspruchsbescheid vom 22.03.2010 wies das Regierungspräsidium S. - Landesversorgungsamt - den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 11.08.2009 zurück. Eine Verschlimmerung, die eine Erhöhung des GdB rechtfertigen könne, lasse sich nicht feststellen.

Hiergegen erhob der Kläger am 19.04.2010 Klage beim SG. Er machte zur Begründung geltend, mit der Bewertung der LWS bestehe Einverständnis. Bei den vorliegenden Teil-GdB von 30 für die Herzkrankheit und die Bluthochdruckerkrankung sowie jeweils 20 für die Schwerhörigkeit und die Wirbelsäulenerkrankung sei die Schwerbehinderteneigenschaft erreicht. Insoweit habe sich auch sein gesundheitliche Situation nicht verändert. Er sei bereits mehrfach zur psychiatrischen Untersuchung und Behandlung gewesen. Es sei von einer mittelschweren psychischen Erkrankung mit einem Teil-GdB von 30 auszugehen. Er habe Altersrente für schwerbehinderte Menschen ab dem 01.07.2010 beantragt. Der Kläger legte ein Tonaudiogramm des Dr. H. vom 02.06.2010 vor.

Das SG hörte vom Kläger benannte behandelnde Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen an. Der Internist und Kardiologe Dr. v. M. teilte in seiner Stellungnahme vom 15.09.2010 den Behandlungsverlauf und die erhobenen Befunde mit. Durch den abgelaufenem Herzinfarkt sei der Kläger in seiner Belastbarkeit nur leichtgradig eingeschränkt. Er stimmte hinsichtlich der kardialen Erkrankung und des Bluthochdrucks der Ansicht des versorgungsärztlichen Dienstes des Beklagten zu. Dr. v. M. legte Befundberichte vom 20.08.2010 und 23.06.2009 vor. Die Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. R. d. L. teilte in ihren Stellungnahmen vom 16.09.2010 und 14.04.2011 den Behandlungsverlauf und die Diagnosen mit (Angst und depressive Störung gemischt). Aufgrund der psychischen Erkrankung sei der Kläger leichtgradig beeinträchtigt. Dr. R. d. L. schätzte den GdB auf 20 und unter Berücksichtigung der übrigen Ansätze (Herzerkrankung und Bluthockdruck Teil-GdB 30, Wirbelsäule Teil-GdB 20 und Schwerhörigkeit Teil-GdB 20) den Gesamt-GdB auf 50 ein. Dr. R. d. L. legte Befundberichte vor. Der HNO-Arzt Dr. H. teilte in seiner Stellungnahme vom 05.10.2010 den Behandlungsverlauf und die Befunde (an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit rechts, mittelgradige Schwerhörigkeit links) mit und schätzte den GdB auf 40 ein. Er legte das Tonaudiogramm vom 02.06.2010 vor.

Der Beklagte trat unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahmen von Dr. B. vom 10.03.2011 und 02.05.2011, der wegen einer koronaren Herzkrankheit, abgelaufenem Herzinfarkt, Stentimplantation und Bluthockdruck (Teil-GdB 20), Schwerhörigkeit beidseitig (Teil-GdB 20), degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule (Teil-GdB 10) und seelische Störung (Teil-GdB 20) den Gesamt-GdB weiterhin mit 40 vorschlug, entgegen. Der von Dr. v. M. am 20.08.2010 erhobene Befund (Belastbarkeit bis 150 Watt über 6 Minuten) rechtfertige nicht länger den bislang festgestellten GdB von 30.

Das SG holte von Amts wegen das HNO-ärztliche Gutachten von Dr. R. vom 06.07.2011 ein. Der Sachverständige gelangte zu dem Ergebnis, nach dem einfachen Gesamtwortverstehen ergebe sich ein Hörverlust für das rechte Ohr von 80 % und für das linke Ohr von 30 %. Weiter bestehe ein Tinnitus aurium mit leichter Verdeckbarkeit und fehlender Dekompensation. Er bewertete den GdB mit 30 und unter Berücksichtigung der anderweitigen Ansätze den Gesamt-GdB mit 40.

Der Beklagte erhob gegen das Gutachten von Dr. R. unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahmen von Dr. W. vom 20.07.2011 und 10.08.2011 Einwendungen. Der angegebene Hörverlust für das rechte Ohr von 80 % sei nicht nachvollziehbar. Es bestehe allenfalls ein Hörverlust von 70 % für das rechte Ohr, was bei einem Hörverlust von 30 % für das linke Ohr einen Teil-GdB von 20 rechtfertige. Hinsichtlich des Wirbelsäulenleidens betrage der Teil-GdB 20 und der Gesamt-GdB weiterhin 40. Auf kardiologischem Gebiet sei allenfalls ein Teil-GdB von 20 begründbar.

Das SG holte die ergänzende gutachtliche Stellungnahme des Dr. R. vom 14.06.2012 ein. In dieser Stellungnahme nahm Dr. R. eine Neubewertung des prozentualen Hörverlustes beider Ohren vor und gelangte in Abweichung zu seinem Gutachten vom 06.07.2011 nunmehr zu dem Ergebnis, dass der korrekte Hörverlust rechts 70 % und links 30 % betrage. Auf dieser Grundlage bewertete Dr. R. - in Zustimmung zu den Ausführungen von Dr. W. - den GdB nunmehr mit 20 und den Gesamt-GdB weiterhin mit 40.

Die Beteiligten trugen weiter streitig vor (Schriftsatz des Klägers vom 09.08.2012 und des Beklagten vom 29.08.2012).

Mit Gerichtsbescheid vom 11.12.2012 wies das SG die Klage ab. Es führte zur Begründung seiner Entscheidung aus, ein höherer GdB als 40 liege nicht vor. Die Funktionsbehinderungen der Wirbelsäule, die Herzerkrankung und der Bluthochdruck, die psychische Erkrankung sowie die Schwerhörigkeit und der Tinnitus seien mit einem Teil-GdB von 20 zu bewerten. Davon ausgehend sei die Einschätzung des Gesamt-GdB mit 40 angemessen und leidensgerecht. Beim Kläger lägen keine dauernden Funktionseinschränkungen vor, die mit den nach den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (VG) einen Gesamt-GdB von 50 bedingenden Funktionseinschränkungen vergleichbar wären.

Gegen den den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 14.12.2012 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die vom Kläger durch seine Prozessbevollmächtigten am 11.01.2013 eingelegte Berufung. Der Kläger hat zur Begründung vorgetragen, das SG sei hinsichtlich des maßgebenden Zeitpunkts für die Bewertung der Einzelgrade der Behinderung von einem unzutreffenden Zeitpunkt ausgegangen und habe die Grundsätze der Bildung des Gesamtgrades der Behinderung verkannt. Das SG habe zu Unrecht für die komplexe Herz- und Bluthochdruckerkrankung einem Teil-GdB von 20 zugrunde gelegt. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Feststellung sei der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, mithin der Widerspruchsbescheid. Zu diesem Zeitpunkt sei der Beklagte zutreffend der Ansicht gewesen, dass eine wesentliche Änderung bezüglich der Herzkreislauferkrankung nicht eingetreten sei und sei zutreffend aufgrund der vorliegenden ärztlichen Unterlagen von einem Teil-GdB von 30 ausgegangen. Eine Verbesserung sei nicht eingetreten. Zudem sei im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, selbst bei unterstellter gesundheitlicher Verbesserung, nicht von einem Teil-GdB von 20, sondern von 30 auszugehen. Eine Änderung des Gesundheitszustandes sei erst ab der Untersuchung durch Dr. v. M. am 18.08.2010 dokumentiert. Bis dahin würden die entsprechenden Einschränkungen und Bewertungen der bisherigen Befundberichte, die zutreffend einen Teil-GdB von 30 zu Grunde gelegt hätten, gelten. Unter Berücksichtigung eines Teil-GdB von 30 und drei Teil-GdB von 20 sei ein Gesamt-GdB von 50 zu bilden.

Der Kläger beantragt, 

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 11. Dezember 2012 sowie den Bescheid des Beklagten vom 11. August 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. März 2010 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, einen Grad der Behinderung von 50 ab dem 14. Juli 2009 festzustellen.

Der Beklagte beantragt, 

die Berufung zurückzuweisen.

Er hat zur Begründung vorgetragen, der klägerischen Argumentation könne nicht gefolgt werden. Den für die Feststellung des Gesamt-GdB zugrunde gelegten Einzelgraden komme keine Bindungswirkung zu. Dies bedeute, dass eine wesentliche Besserung der Herz-Kreislauferkrankung zu berücksichtigen sei bzw. aktuelle Befunde auszuwerten und der Beurteilung zugrunde zu legen seien. Zeitpunkt für die Beurteilung sei nicht der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, sondern der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bzw. der Gerichtsentscheidung. Unter Berücksichtigung der von Dr. v. M. am 20.08.2010 erhobenen Befunde sei für die Herzkreislauferkrankung allenfalls ein Teil-GdB von 20 begründbar. Eine Verschlimmerung sei bislang nicht geltend gemacht worden. Da auch bezüglich der übrigen Funktionseinschränkungen kein höherer Teil-GdB als jeweils 20 angenommen werden könne, sei es grundsätzlich nicht möglich, einen Gesamt-GdB von 50 zu bilden.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz, die Gerichtsakten des SG S 1 SB 2927/03 sowie einen Band Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat gemäß § 124 Abs. 2 SGG mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, aber unbegründet. Der streitgegenständliche Bescheid des Beklagten vom 11.08.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.03.2010 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG ist nicht zu beanstanden.

Das SG hat in der angefochtenen Entscheidung die für den Rechtsstreit maßgeblichen Rechtsvorschriften und Grundsätze vollständig und zutreffend dargestellt. Hierauf nimmt der Senat Bezug. Es hat weiter ausführlich und zutreffend begründet, dass ein höherer GdB als 40 nicht vorliegt. Die Funktionsbehinderungen der Wirbelsäule, die Herzerkrankung und der Bluthochdruck, die psychische Erkrankung sowie die Schwerhörigkeit und der Tinnitus sind jeweils mit einem Teil-GdB von 20 zu bewerten. Davon ausgehend ist die Einschätzung des Gesamt-GdB mit 40 angemessen und leidensgerecht. Beim Kläger liegen keine dauernden Funktionseinschränkungen vor, die mit den nach den VG einen Gesamt-GdB von 50 bedingenden Funktionseinschränkungen vergleichbar wären. Der Senat gelangt nach eigener Überprüfung zu demselben Ergebnis. Er nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Entscheidungsgründe im angefochtenen Gerichtbescheid vollumfänglich Bezug, die er sich zur Begründung seiner eigenen Entscheidung zu Eigen macht (§ 153 Abs. 2 SGG).

Ergänzend und im Hinblick auf das Berufungsvorbringen bleibt auszuführen:

Das (rechtliche) Vorbringen des Klägers, maßgeblicher Zeitpunkt für die Feststellung sei der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, mithin der Widerspruchsbescheid, steht nicht im Einklang mit der einheitlichen und gefestigten sozialgerichtlichen Rechtsprechung. Bei einer Klage auf Neufeststellung eines höheren GdB, wie sie der Kläger erhoben hat, ist maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bzw. der Gerichtsentscheidung, worauf der Beklagte in seiner Berufungserwiderung zutreffend hinweist. Ein Ausnahmefall liegt nicht vor.

Allerdings ist dem Vorbringen des Klägers insoweit zu folgen, dass für den Fall einer wesentlichen Änderung im Verlaufe des gerichtlichen Verfahrens, die wesentliche Änderung der Sach- oder Rechtslage gegebenenfalls für einen Teil-Zeitraum zu berücksichtigen wäre. Dies bedeutet vorliegend, dass dann, wenn erstmals durch den Befundbericht des Dr. v. M. vom 20.08.2010 eine Besserung der Herzkreislauferkrankung des Klägers dokumentiert wäre, diese Besserung erst ab der Befunderhebung (18.08.2010) zu berücksichtigen wäre, falls ein früherer Zeitpunkt der Besserung nicht nachgewiesen ist, worauf der Kläger zur Begründung seiner Berufung maßgeblich abstellt. Unter diesen Voraussetzungen käme vorliegend in Betracht, unter Berücksichtigung von Teil-GdB-Werten von 30 für die Herzerkrankung und den Bluthochdruck, sowie von jeweils 20 für die Schwerhörigkeit und Tinnitus, das Wirbelsäulenleiden und die seelische Störung den Gesamt-GdB mit 50 bis 17.08.2010 festzustellen. Ein solcher Sachverhalt liegt jedoch nicht vor. Nach dem bereits im Klageverfahren S 1 SB 2927/03 vom SG eingeholten Befundbericht des Dr. v. M. vom 05.12.2003 konnte der Kläger eine Ergometrie bis 150 Watt beschwerdefrei und ohne Ischämiereaktion absolvieren. Der von SG im Verfahren S 1 SB 2927/03 schriftlich als sachverständige Zeuge gehörte Internist Dr. D. bestätigte in seiner Stellungnahme vom 01.03.2004 diese Befunde (für den 18.11.2003). Damit ist eine wesentliche Besserung der Herzerkrankung des Klägers erst ab dem 18.08.2010 nicht belegt. Nach dem Befundbericht von Dr. v. M. vom 20.08.2010 war der Kläger am 18.08.2010 ebenfalls bis 150 Watt über 6 Minuten belastbar, wobei der Abbruch wegen peripherer Erschöpfung ohne ischämieverdächtige Veränderungen unter Belastung und in der Nachbelastungsphase erfolgte. Dr. v. M. bestätigt in seinem Befundbericht vom 20.08.2010 einen unveränderten kardialen Befund. Dem entsprechen auch die Befundangaben von Dr. v. M. im Befundbericht vom 23.06.2009. Eine wesentliche Besserung der Herzerkrankung erst im Verlauf des Klageverfahrens kann der Kläger damit nicht mit Erfolg geltend machen.

Die dargestellten kardiologischen Befunde rechtfertigen hinsichtlich der Herzerkrankung des Klägers nach den vom SG zutreffend dargestellten Bewertungsvorgaben der VG einen Teil-GdB von 0 bis 10. Nach den VG Teil B 9.1.1 ist erst bei einer Leistungsbeeinträchtigung bei mittelschwerer Belastung (z. B. forsches Gehen [5-6 km/h], mittelschwere körperliche Arbeit), Beschwerden und Auftreten pathologischer Messdaten bei Ergometerbelastung mit 75 Watt (wenigstens 2 Minuten) ein GdB von 20 bis 40 gerechtfertigt. Eine solche Leistungsbeeinträchtigung ist beim Kläger im vorliegend streitigen Zeitraum ab dem 14.07.2009 - wie bereits ausgeführt - nicht belegt. Auch der zusätzlich zu berücksichtigende Bluthochdruck des Klägers rechtfertigt keinen Teil-GdB von 30. Nach den VG Teil B 9.3 beträgt bei einer Hypertonie (Bluthochdruck) leichter Form keine oder geringe Leistungsbeeinträchtigung (höchstens leichte Augenhintergrundveränderungen) der GdB 0 bis 10 und bei mittelschwere Form mit Organbeteiligung leichten bis mittleren Grades (Augenhintergrundveränderungen - Fundus hypertonicus I-II - und/oder Linkshypertrophie des Herzens und/oder Proteinurie), diastolischer Blutdruck mehrfach über 100 mmHg trotz Behandlung, je nach Leistungsbeeinträchtigung der GdB 20 bis 40. Eine Bluthochdruckerkrankung mittelschwerer Form mit Organbeteiligung ist beim Kläger nicht belegt. Zwar sind beim Kläger mehrfach diastolische Blutdruckwerte von über 100 trotz medikamentöser Behandlung dokumentiert (Befundberichte Dr. v. M. vom 20.08.2010 RR 150/110 mmHg und vom 23.06.2009 RR 180/110 mmHg). Eine Organbeteiligung leichten oder mittleren Grades ist jedoch beim Kläger nicht ersichtlich und wird von ihm auch nicht geltend gemacht. Danach kann hinsichtlich des Bluthochdrucks des Klägers allenfalls von einem schwachen Teil-GdB von 20 ausgegangen werden, der sich durch die geringgradigen Auswirkungen der Herzerkrankung nicht auf über 20 erhöht.

Dass der Beklagte zum Zeitpunkt des Ergehens des Widerspruchsbescheids vom 22.03.2010 hinsichtlich der Herzerkrankung sowie des Bluthochdrucks von einem Teil-GdB von 30 ausgegangen ist (zuletzt versorgungsärztliche Stellungnahme Dr. R. vom 11.03.2010) und erst im Klageverfahren, gestützt auf den Befundbericht von Dr. v. M. vom 20.08.2010, nunmehr den Teil-GdB lediglich mit 20 angenommen hat (versorgungsärztliche Stellungnahme Dr. B. vom 10.03.2011), rechtfertigt keine dem Kläger günstigere Entscheidung. Auf Vertrauensschutz kann sich der Kläger nicht mit Erfolg berufen. An die ursprüngliche Bewertung des Teil-GdB für die Herz- und Bluthochdruckerkrankung mit einem Teil-GdB von 30 ist der Beklagte, wie das Gericht, nicht gebunden. Denn die den einzelnen Behinderungen zugrunde gelegten Teil-GdB-Sätze - welche ihrerseits nicht zum sogenannten Verfügungssatz des Bescheides gehören - erwachsen nicht in Bindungswirkung (BSG, Urteil vom 10.09.1997 - 9 RVs 15/96 - BSGE 81, 50 bis 54). Hierbei handelt es sich vielmehr nur um einen Bewertungsfaktor, der wie der hierfür (ausdrücklich) angesetzte Teil-GdB nicht der Bindungswirkung des § 77 SGG unterliegt (vgl. auch z.B. Urteil des Senats vom 20.09.2013 - L 8 SB 1640/12 - S. 9, nicht veröffentlich).

Dr. R. hat in seiner sein Gutachten vom 06.07.2011 ergänzenden Stellungnahme vom 14.06.2012 nachvollziehbar und überzeugend dargelegt, dass auf der Grundlage des Sprachaudiogramms entgegen seiner ursprünglichen Bewertung im Gutachten vom 06.07.2011 hinsichtlich des rechten Ohrs des Klägers lediglich von einem Hörverlust von 70 % (und nicht wie ursprünglich angenommen von 80 %) ausgegangen werden kann, was unter Berücksichtigung eines Hörverlustes von 30 % für das linke Ohr nach den VG Teil B 5.2.4 einen Teil-GdB von 20 (statt 30) rechtfertigt. Dr. R. hat sich damit den vom Beklagten gegen die Bewertung des Teil-GdB im Gutachten vom 06.07.2011 erhobenen Einwendungen (versorgungsärztliche Stellungnahme Dr. W. vom 20.07.2011) angeschlossen. Die von Dr. R. korrigierte Bewertung des Teil-GdB für die Hörstörung entspricht den rechtlichen Vorgaben der VG, der sich der Senat anschließt. Einwendungen hat der Kläger hiergegen im Übrigen auch nicht erhoben. Die Bewertung des Teil-GdB für die Hörstörung auf der Grundlage eines Tonaudiogramms ist vorliegend nicht möglich. Nach den VG Teil B 5 richtet sich der GdB für eine Störung der Hörfähigkeit grundsätzlich nach der Herabsetzung des Sprachgehörs ohne Hörhilfe (Sprachaudiogramm). Nur sofern ein Sprachaudiogramm z.B. aufgrund sprachlicher Probleme nicht erhoben werden kann, kann ein Tonaudiogramm nach VG Teil B 5.2.2 zugrunde gelegt werden (Rechtsprechung des Senats, Urteil vom 19.04.2013 - L 8 SB 3009/11 - S. 12, nicht veröffentlicht). Ein solcher Ausnahmefall liegt beim Kläger nicht vor. Der Tinnitus aurium ist nach den VG Teil B 5.3 mit einem Teil-GdB von 0 bis 10 zu bewerten. Ein höherer Teil-GdB wäre nur bei erheblichen psychovegetativen Begleiterscheinungen des Tinnitus möglich, was beim Kläger jedoch nicht gegeben ist. Nach den überzeugenden Ausführungen von Dr. R. in seinem Gutachten löst das Tinnitusleiden beim Kläger keine psychosozialen Fehlreaktionen aus und ist als geringfügig einzustufen. Dem schließt sich der Senat an. Damit ist eine Erhöhung des Teil-GdB von 20 für die Hörstörung durch den Tinnitus nicht gerechtfertigt. Der abweichenden Bewertung von Dr. H. in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 05.10.2010 (GdB 40) kann nicht gefolgt werden, wie Dr. R. in seinem Gutachten überzeugend ausgeführt hat. Zudem stützt Dr. H. seine Bewertung auf tonaudiometrische Messungen, was nicht den rechtlichen Vorgaben der VG entspricht.

Gesichtspunkte, die entgegen der Ansicht des SG hinsichtlich des Wirbelsäulenleidens sowie der seelischen Störung einen höheren Teil-GdB als 20 rechtfertigen, sind nicht ersichtlich und hat der Kläger im Berufungsverfahren auch nicht dargetan.

Unter Berücksichtigung der Teil-GdB-Werte von jeweils 20 für die Herzerkrankung und den Bluthochdruck, die Schwerhörigkeit beidseitig und Tinnitus, die Wirbelsäulenerkrankung und die seelische Störung ist die Feststellung des Gesamt-GdB von 50 beim Kläger nicht gerechtfertigt. Nach den vom SG im angefochtenen Gerichtsbescheid zutreffend dargestellten Grundsätzen zu Bildung des Gesamt-GdB ist es bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen. Nach der Rechtsprechung des Senats (z.B. Urteile vom 25.03.2011 - L 8 SB 4762/08 - und 05.03.2010 - L 8 SB 5038/08 -, m.w.N., jeweils unveröffentlicht) ist es daher - von seltenen Ausnahmefällen abgesehen, z.B. bei gegenseitiger, die Lebensqualität erheblich beeinträchtigender Verstärkung - nicht möglich, bei Vorliegen mehrerer Behinderungen mit einem Teil-GdB von 20, wie dies beim Kläger zutrifft, einen Gesamt GdB von 50 zu bilden und damit die Schwerbehinderteneigenschaft festzustellen. Eine solche Wertigkeit kommt den vom Verordnungsgeber als leichte Behinderungen eingestuften Funktionseinschränkungen in der Regel nicht zu. Hierauf hat der Beklagte in der Berufungsbegründung zutreffend hingewiesen. Umstände, wie etwa das besonders ungünstige Zusammenwirken von Behinderungen, die eine Ausnahme zulassen, liegen beim Kläger nicht vor.

Anlass zu weiteren Ermittlungen besteht nicht. Für den Senat ist der für die Entscheidung relevante Sachverhalt durch die vom SG durchgeführten Ermittlungen und die zu den Akten gelangten medizinischen Befundunterlagen geklärt. Gesichtspunkte, die Anlass zu weiteren Ermittlungen geben, hat der Kläger nicht aufgezeigt.

Die Berufung war deshalb zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.