Landessozialgericht Baden-Württemberg - Urteil vom 13.05.2005 - Az.: L 8 VG 1018/04
Bei Beurteilung der Frage, ob die Schädigungsfolgen so schwer sind, dass sie dauernd eine außergewöhnliche Pflege erfordern und deshalb ein Anspruch auf Pflegezulage nach Stufe II besteht, ist ein Beurteilungskriterium die Funktionsfähigkeit der Arme und Beine. Die in den AHP vorgenommene Abstufung zeigt nämlich, dass das Ausmaß der Pflegebedürftigkeit wesentlich von der Gebrauchsfähigkeit der Arme und Hände abhängt. Je stärker Hände und Arme in ihrer Funktion eingeschränkt sind, desto größer sind die Behinderung und desto höher der Pflegaufwand.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG).
Der am geborene Kläger wurde am 30.07.1996 im Rahmen seiner kaufmännischen Tätigkeit Opfer einer Straftat. Er wurde von einem Geschäftspartner niedergeschossen und erlitt hierbei schwere Verletzungen. Der Täter wurde mit Strafurteil der Schwurgerichtskammer des Landgerichts B. vom 25.04.1997 - rechtskräftig seit 03.05.1997 - wegen versuchten Mordes zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt.
Auf den am 10.09.1996 beim Versorgungsamt Stuttgart eingegangenen Antrag des Klägers auf Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem OEG, der an die örtlich zuständige Versorgungsverwaltung des Freistaates Sachsen abgegeben wurde, erließ der Beklagte den Vorbehaltsbescheid vom 26.11.1997, mit dem Grundrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 100 v.H., Pflegezulage Stufe I, Schwerstbeschädigtenzulage Stufe II und halbe Ausgleichsrente gewährt wurden.
Dagegen erhob die Ehefrau und Bevollmächtigte des Klägers Widerspruch mit dem Begehren, dem Kläger eine höhere Pflegezulage, die volle Ausgleichsrente und Berufschadenausgleich zu gewähren.
Nach weiteren Ermittlungen erging der Bescheid vom 27.11.1998, mit dem der Vorbehaltsbescheid vom 26.11.1997 aufgehoben wurde. Als Folgen einer Schädigung nach dem OEG wurden anerkannt: "Versteifung beider Schultergelenke und linkes Ellenbogengelenk. Bewegungseinschränkung rechtes Ellenbogengelenk und beider Handgelenke und der Fingergelenke. Schädigung des Nervus ulnaris links. Bewegungseinschränkung beider Hüftgelenke. Kraftminderung der Arme und Beine. Funktionsbehinderung der Wirbelsäule. Thoraxstarre mit Lungenfunktionsbeeinträchtigung. Verhärtung und Atrophie der Haut am oberen Brustkorb. Multiple Narben an Hals, Brust, Rücken und Armen". Dem Kläger wurde Grundrente nach einer MdE um 100 v.H. ab Juli 1996 gewährt. Außerdem wurde Schwerstbeschädigtenzulage nach Stufe V ab Juli 1996 und ab März 1997 Pflegezulage Stufe I, Ausgleichsrente (halb), Kinderzuschlag sowie ab Juli 1997 Ehegattenzuschlag gewährt. Des weiteren wurde festgestellt, dass Anspruch auf Sonderfürsorge gemäß § 27e BVG ab März 1997 besteht. Zur Begründung wurde ausgeführt, da der Kläger ab dem Tatereignis bis 13.03.1997 ununterbrochen in stationärer Behandlung gewesen sei, stehe ihm ab 01.03.1997 die Pflegezulage Stufe I zu. Weiterhin gelte § 33 Abs. 4 BVG, wonach Empfänger einer Pflegezulage wenigstens die Hälfte der vollen Ausgleichsrente erhielten. Schwerbeschädigte erhielten gemäß § 33a Abs. 1 BVG für den Ehegatten einen Zuschlag, wobei gemäß § 33a BVG Abs. 2 BVG Empfänger einer Pflegezulage den vollen Zuschlag erhielten. Der volle Ehegattenzuschlag werde ab Juli 1997 gewährt, da der Kläger ab 12.07.1997 verheiratet sei.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 28.12.1998 - zunächst nur zur Fristwahrung - Widerspruch ein.
Der Beklagte stellte mit Bescheid vom 22.02.1999 den Versorgungsanspruch des Klägers wegen einer Änderung des gesetzlichen Kindergeldes neu fest.
Mit Schreiben vom 10.09.1999 zeigte der jetzige Prozessbevollmächtigte des Klägers an, dass er die weitere Vertretung des Klägers übernommen habe. Er führte unter Bezugnahme auf den vom früheren Bevollmächtigten des Klägers eingelegten Widerspruch aus, beanstandet werde, dass eine Pflegezulage nur nach der Stufe I gewährt werde. Diese entspreche keinesfalls dem Leidenszustand und der Schwerstpflegebedürftigkeit des Klägers. Der Kläger habe auch Anspruch auf die volle Ausgleichsrente und auf einen Berufsschadensausgleich. Mit einem weiteren Schreiben vom 30.09.1999 ergänzte und vertiefte der Bevollmächtigte des Klägers die Begründung des Widerspruchs. Er machte u.a. geltend, die beim Kläger bestehenden Schädigungsfolgen erforderten zwar nicht dauerndes Krankenlager, wohl aber andauernde und und außergewöhnliche Pflege bei fast allen Verrichtungen des täglichen Lebens. Zweifelhaft könne daher nur sein, ob die Stufe IV der Pflegezulage ausreichend sei.
Der Beklagte stellte zunächst im Anschluss an den Bescheid vom 22.02.1999 mit einem weiteren Bescheid vom 15.12.1999 den Versorgungsanspruch des Klägers wegen einer Änderung des BVG neu fest.
Mit Widerspruchsbescheid vom 14.03.2000 wurde dann der Widerspruch des Klägers zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, ein Anspruch auf höhere Pflegezulage bestehe nicht. Für die Bewertung, ob eine höhere Pflegezulage als bisher zu gewähren sei, sei das versorgungsärztliche Gutachten von Dr. B. (Versorgungsamt Stuttgart) vom 25.08.1998 versorgungsärztlich ausgewertet worden. Gemäß § 35 Abs. 1 BVG sei die Pflegezulage Stufe I zu erhöhen, wenn die vorliegende Gesundheitsstörung so schwer sei, dass sie dauerndes Krankenlager oder dauernd außergewöhnliche Pflege erfordere. Dies sei aber beim Kläger nicht der Fall. Das Gutachten von Dr. B. belege die Notwendigkeit der Hilfe für tägliche Körperpflege, Anziehen sowie Nahrungszubereitung (mundgerecht). Durch ein Spezialbett sowie einen entsprechenden Stuhl habe der Mobilisationsgrad des Klägers erhöht werden können. Der Kläger sei in der Lage, Löffel und Glas zum Mund zu führen, einer Bürotätigkeit nachzugehen und Spaziergänge durchzuführen. Eine höhere Pflegezulage als Stufte I sei somit nicht zu begründen. Der Widerspruch hinsichtlich der Gewährung der vollen Ausgleichsrente und eines Berufschadensausgleiches sei unzulässig. Mit Bescheid vom 27.11.1998 sei der Kläger darauf hingewiesen worden, dass die Prüfung, ob und inwieweit er Anspruch auf weitere einkommensabhängige Leistungen habe, noch nicht abgeschlossen sei. Eine Entscheidung hinsichtlich der Gewährung einer höheren Ausgleichsrente sowie eines Berufschadensausgleiches könne erst getroffen werden, wenn die an den Kläger übersandten Formulare ausgefüllt und unterschrieben wieder zurückgesandt würden.
Dagegen erhob der Kläger am 12.04.2000 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG, S 6 VG 2246/00) mit dem Begehren, ihm Pflegezulage nach Stufe IV und die volle Ausgleichsrente zu gewähren. Zur Begründung legte er eine Aufstellung vom 15.08.2000 sowie die ärztliche Bescheinigung der Ärztin für Innere Medizin und Rheumatologie Dr. J. von der Deutschen Klinik für Diagnostik W. vom 15.08.2000 vor. In letzterem ist ausgeführt, auch wenn der Kläger nicht bettlägerig sei, so handele es sich doch bei ihm um ein außergewöhnliches Pflegebedürfnis, das etwa mindestens dem bei Armamputierten entspreche. Aufgrund dessen werde vorgeschlagen, den Grad der Pflegebedürftigkeit neu zu bewerten. Hierzu legte der Beklagte die versorgungsärztliche Stellungnahme vom 20.11.2000 vor. Darin ist ausgeführt, entsprechend den geltenden Kriterien komme eine Pflegezulage III oder IV nicht in Betracht, da der Kläger einem Ohnhänder nicht gleichgestellt werden könne. Das SG holte zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts das Gutachten des Dr. D., Oberarzt am M. in S., vom 21.11.2001 ein. Darin kam dieser zu dem Ergebnis, die Schädigungsfolgen seien so schwer einzuschätzen, dass sie dauernd "außergewöhnliche Pflege" erforderten.
Die Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gaststätten (BGN) anerkannte den Angriff auf den Kläger am 30.07.1996 als Versicherungsfall in der gesetzlichen Unfallversicherung und gewährte dem Kläger aufgrund dieses Versicherungsfalles ebenfalls Leistungen. Mit Bescheid vom 01.12.2000 entschied die BGN, dass dem Kläger Pflegegeld nach § 44 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) ab 14.03.1997 mit Ausnahme der Zeit der stationären Behandlung zusteht. Daraufhin erließ der Beklage gegenüber dem Kläger den Bescheid vom 17.01.2001, mit dem das von der BGN gezahlte Pflegegeld auf die nach dem BVG gezahlte Pflegezulage angerechnet wurde und den Bescheid vom 18.01.2001, mit dem der Versorgungsanspruch des Klägers neu berechnet wurde.
Mit Bescheid vom 03.04.2001 entschied die BGN über die Gewährung einer Verletztenrente auf unbestimmte Zeit gemäß § 62 SGB VII. Sie gewährte dem Kläger wegen des Versicherungsfalls vom 30.07.1996 Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 100 v.H. ab 27.01.1998 bis auf weiteres. Das beklagte Land erließ im Hinblick auf diesen Bescheid der BGN die Bescheide vom 12.04.2001 und 08.05.2001, mit denen es feststellte, dass die Zahlung der Versorgungsbezüge vom 01.01.1998 bis 31.05.2001 (Bescheid vom 08.05.2001) und für die Zeit ab 01.06.2001 (Bescheid vom 08.05.2001) unter Anrechnung der von der BGN gezahlten Verletztenrente erfolgt und der Bescheid vom 27.11.1998 und alle Folgebescheide insoweit abgeändert werden. Die gegen die Bescheide vom 12.04.2001 und 08.05.2001 eingelegten Widersprüche des Klägers wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 09.08.2001 als unbegründet zurück. Rechtsbehelfe gegen diesen Widerspruchsbescheid wurden nicht eingelegt.
Nachdem die BGN die dem Kläger aus der gesetzlichen Unfallversicherung zustehenden Leistungen mit Bescheid vom 15.11.2001 für die Zeit ab 30.07.1996 der Höhe nach neu und - nach Vorliegen der hierfür benötigten Einkommensnachweise erstmals nicht nur vorläufig, sondern endgültig - berechnet hatte, erließ der Beklagte den Bescheid vom 26.11.2001, mit dem einerseits die mit Bescheid der BGN vom 15.11.2001 festgestellte höhere Verletztenrente auf die Versorgungsbezüge nach dem BVG angerechnet wurden und andererseits die Ansprüche des Klägers nach dem BVG wegen Änderung dieses Gesetzes für die Zeit ab Juli 2001 neu festgestellt wurden. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gaststätten habe die Verletztenrente ab 27.01.1998 neu berechnet. Nach § 65 BVG führe die Verletztenrente zum Ruhen der Versorgungsbezüge nach dem BVG. Über die Ruhensvorschriften sei der Kläger mit Bescheid vom 12.04.2001 sowie mit dem Bescheid vom 08.08.2001 informiert worden. In Höhe der Überzahlung von 33.890,00 DM für die Zeit von Januar 1998 bis Dezember 2001 bestehe eine Erstattungsanspruch gegenüber der BGN. Somit entfalle die Forderung an den Kläger, die zuviel gezahlten Versorgungsbezüge zurückzuerstatten. Ab 01.01.2002 ruhe der Anspruch nach dem OEG in voller Höhe; somit ergebe sich kein Zahlbetrag mehr. In der Rechtsbehelfsbelehrung wurde darauf hingewiesen, dass dieser Bescheid nach § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des anhängigen Klageverfahrens wird.
Mit Bescheid vom 11.10.2001 stellte der Beklagte u.a. fest, für die Zeit ab 15.05.2001 bestehe Anspruch auf Heilbehandlung nach § 10 Abs. 1 und 2 BVG auch für Gesundheitsstörungen, die nicht als Folge einer Schädigung anerkannt seien, wobei der Anspruch auf Heilbehandlung für Schädigungsfolgen nach § 10 Abs. 1 BVG in Höhe entsprechender berufsgenossenschaftlicher Leistungen ruhe. Aufwendungen für die private Krankenversicherung, die bereits sei 01.10.1967 wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze eingegangen worden sei, könnten jedoch mangels Rechtsgrundlage nicht erstattet werden. Der hiergegen vom Kläger erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 27.05.2002 zurückgewiesen.
Am 21.06.2002 erhob der Kläger Klage zum SG (S 6 VG 2883/02) gegen den Bescheid des Beklagten vom 11.10.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.05.2002 mit dem Begehren, den Beklagten zu verurteilen, den Beginn der Heilbehandlung auf den Zeitpunkt der Gewalttat am 30.07.1996 festzusetzen und ihm die von ihm gezahlten Beiträge zur privaten Krankenversicherung ab August 1996 sowie die gezahlte Selbstbeteiligung ab Januar 2002 nebst Zinsen zu erstatten.
In der ersten mündlichen Verhandlung vor dem SG am 17.10.2002 erzielten die Beteiligten Einvernehmen darüber, dass die Ansprüche des Klägers gegen den Beklagten auf die Gewährung einkommensabhängiger Leistungen wie Berufsschadensausgleich und Ausgleichsrenten nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits sind. In der zweiten mündlichen Verhandlung am 12.12.2003 erging der Verbindungsbeschluss, wonach die Streitsachen S 6 VG 2246/00 und S 6 VG 2823/02 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter der Geschäftsnummer S 6 VG 2246/00 verbunden wurden.
Mit Urteil vom 12.12.2003 wies das SG die Klagen ab. In den Entscheidungsgründen ist ausgeführt, das Begehren des Klägers auf Gewährung von Pflegezulage nach Stufe IV sei nicht begründet. Soweit Dr. D. in seinem Gutachten eine "außergewöhnliche Pflegebedürftigkeit" angenommen habe, könne dies das Klagebegehren nicht stützen, da sich seine Ausführungen nicht an den einschlägigen versorgungsrechtlichen Kriterien orientierten, wie diese z.B. in Nr. 50 der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht " - herausgegeben vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung - ausgeführt seien. Demgegenüber überzeugten die Ausführungen von Dr. K. vom 28.03.2002, die sich zudem auf die wesentlich detaillierteren Darstellungen stützen könnten, wie diese von Dr. B. anlässlich seines Hausbesuches beschrieben worden seien. Danach sei der Kläger nicht bettlägerig. Er habe Termine zur mündlichen Verhandlung wahrnehmen können und verfüge auch über soviel Mobilität, dass er mit den Schädigungsfolgen in der Vergangenheit zumindest zweimal nach Florida/USA habe reisen können. Des weiteren erscheine auch plausibel, dass der Kläger trotz seiner gesundheitlichen Behinderungen in gewissem Umfange zu Hause noch Schreibtischtätigkeiten verrichten könne. Da dem Kläger somit Pflegezulage nicht nach einer höheren Stufe als Stufe I zustehe, könne er auch nicht die volle Ausgleichsrente beanspruchen, da hierfür mindestens Pflegezulage nach Stufe III erforderlich sei (§ 33 Abs. 4 BVG). Auch der Widerspruchsbescheid vom 27.05.2002, mit dem das Begehren des Klägers, den Beginn der Heilbehandlung gemäß §§ 10 ff. BVG auf den Zeitpunkt der Gewalttat am 30.07.1976 festzusetzen und ihm die von ihm gezahlten Beiträge zur privaten Krankenversicherung ab August 1996 sowie die ab Januar 2002 gezahlte Selbstbeteiligung nebst Zinsen zu erstatten abgelehnt worden sei, sei rechtmäßig.
Gegen das dem Kläger am 24.02.2004 zugestellte Urteil hat der Kläger am 11.03.2004 Berufung eingelegt. Er verfolgt sein Begehren weiter und trägt ergänzend vor, was die Reisen nach Florida/USA anbelangten, sei zu berücksichtigen, dass Schwerbehinderte bzw. Querschnittsgelähmte mit dem Rollstuhl bis zum Flugzeug gebracht und am Ankunftsort auch wieder mit dem Rollstuhl abgeholt würden. Die äußerst schwierige Anfahrt und Abfahrt zum Gericht zwecks Teilnahme an der mündlichen Verhandlung sei im Urteil nicht erwähnt worden; ebenso wenig die äußerst sorgfältige und tatkräftige Unterstützung durch seine Ehefrau. Er verrichte auch nicht "in gewissem Umfang" noch Schreibtischtätigkeiten, sondern er sei froh, wenn er zu Hause nicht immer im Bett liegen müsse. Die anerkannten Schädigungsfolgen schlössen eine Schreibtischtätigkeit aus. Das SG habe es auch versäumt, bei der Pflegezulage eine klare Abgrenzung zwischen Stufe I und Stufe II vorzunehmen, was erforderlich gewesen wäre. Dr. D. habe in seinem Gutachten eine "außergewöhnliche Pflege" angenommen und auch im unfallchirurgischen Fachgutachten vom 18.09.2001 habe Prof. Dr. D. eine außergewöhnliche Pflege gleichfalls bestätigt und diese mit 80 v.H. des Höchstbetrages eingestuft. Er sei insbesondere bei Körperpflege, Mobilität und hauswirtschaftlicher Versorgung auf ständige Hilfe angewiesen. Die entsprechenden Funktionseinschränkungen seien einem Gliedmaßenverlust oder einer Lähmung von Gliedmaßen gleichzusetzen. In den AHP Nr. 50 würden vorwiegend Amputierte und Blinde als Beispiele genannt. Aber auch die inneren Schäden und die Nervenschäden müssten bei der Beurteilung der Pflegezulage-Stufen berücksichtigt werden. Daher sei bei ihm mindestens die Stufe III angemessen. Das Verfahren S 6 VG 2883/02 habe u.a. seinen Anspruch auf Heil- und Krankenbehandlung - auch für Nichtschädigungsfolgen - beinhaltet. Soweit ihm ein eigenes Verschulden angelastet werden solle, so müsse mit Nachdruck darauf hingewiesen werden, dass er nach der Gewalttat mehr als 100 Tage im Koma gelegen habe mit einem ununterbrochenen Krankenhausaufenthalt von fast 18 Monaten. Unvermeidbare Umstände im Sinne der §§ 18 ff. BVG seien also ohne weiteres gegeben. Die Gewalttat habe sich am 30.07.1996 ereignet. Bereits am 04.09.1996 sei von seiner späteren Ehefrau ein OEG-Entschädigungsantrag gestellt worden. Das sei innerhalb der Jahresfrist des § 60 Abs. 1 Satz 2 BVG erfolgt. Auf telefonische Rückfrage sei seiner späteren Frau ausdrücklich bestätigt worden, dass der Antrag sämtliche Leistungen nach dem OEG umfasse. Entgegen der Auffassung des SG sei ihm ein erheblicher materieller Schaden entstanden aufgrund der Beiträge zur Krankenkasse und dem Selbstbehalt. Dieser Schaden sei unmittelbar auf die zunächst fehlende, dann bewusst unklare und sogar falsche Auskunft des Beklagten bzw. seiner Bediensteten zurückzuführen. Er habe nie einen Bundesbehandlungsschein erhalten. Nicht der Beklagte, sondern die private Krankenversicherung habe versucht, ihn sofort zur Kündigung seines Versicherungsverhältnisses zu veranlassen. Dem sei er nicht gefolgt. Den "Vorteil" habe der Beklagte gehabt. Aufgrund dessen sei es gerechtfertigt, wenn der Beklagte ihm seine gezahlten Beiträge zur Krankenversicherung ab August 1996 erstatte und die von ihm gezahlte Selbstbeteiligung nebst Zinsen übernehme.
Aufgrund des OEG-Antrages vom 04.09.1996 sei auch Heil- und Krankenbehandlung ab dem Zeitpunkt der Gewalttat zu gewähren. Die entsprechenden Maßnahmen hätten von der Verwaltungsbehörde durchgeführt werden müssen. Das "Nichtstun" der Versorgungsverwaltung sei ein grober Verstoß gegen ihre Fürsorgepflicht gewesen. Darauf sei das Fortbestehen der privaten Krankenversicherung zurückzuführen. Die Beiträge und der jährliche Selbstbehalt seien daher als besondere Leistung zu erstatten. Zum Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses sei er privat krankenversichert gewesen, was auch im Erstantrag vom 04.09.1996 angegeben worden sei. Bei dieser Versicherung sei ein jährlicher Selbstbehalt in Höhe von 2.000,- DM vereinbart. Nach dem schädigenden Ereignis sei diese private Krankenversicherung bei entsprechenden Beitragszahlungen auch weitergeführt worden und von der privaten Krankenversicherung seien auch zunächst die Heilbehandlungskosten getragen worden. Die BGN habe dann später dem Versicherungsunternehmen die diesbezüglichen Aufwendungen erstattet. Er selbst habe von der BGN den Selbstbehalt für die Jahre 1996 bis 2001 in voller Höhe erstattet bekommen; offen sei noch der Selbstbehalt für die Jahre 2002 bis 2005. Am 10.07.2000 habe seine Ehefrau beim Versorgungsamt Chemnitz vorgesprochen und in diesem Zusammenhang beantragt, die Übernahme der Kosten dieser Versicherungsbeiträge zur privaten Krankenversicherung (seinerzeit 681,80 DM monatlich) zu übernehmen, zumal er das private Krankenversicherungsverhältnis nicht auflösen wolle.
Der Kläger stellt den Antrag,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 12. Dezember 2003 aufzuheben, die Bescheide des Beklagten vom 27. November 1998, 22. Februar 1999 und 15. Dezember 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. März 2000 abzuändern, den Bescheid vom 26. November 2001 aufzuheben, den Bescheid des Beklagten vom 11. Oktober 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Mai 2002 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger Pflegezulage mindestens nach Stufe III und zugleich die volle Ausgleichsrente nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren, den Beginn der Heil- und Krankenbehandlung auf den Zeitpunkt der Gewalttat vom 30. Juli 1996 festzusetzen, ihm die von ihm gezahlten Beiträge zur privaten Krankenversicherung ab August 1996 und die von ihm gezahlte Selbstbeteiligung für die Jahre 2002 bis 2005 nebst Zinsen zu erstatten und die Grundrente gemäß § 31 BVG sowie die Schwerstbeschädigtenzulage und die weiteren Geldleistungen zur Auszahlung zu bringen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und trägt ergänzend vor, entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen könne dem Kläger Heil- und Krankenbehandlung gemäß § 10 Abs. 1 und 2 BVG erst ab 15.05.2001 gewährt werden. Der entsprechende Antrag sei am 31.07.2001 (Eingang 02.08.2001) gestellt worden. Nach § 18a Abs. 2 Satz 1 BVG stehe Heilbehandlung vom 15. des zweiten Monats des Kalendervierteljahres, das der Antragstellung vorausgegangen sei, zu. Eine Erstattung der an private Krankenversicherungsunternehmen gezahlten Beiträge und des jährlichen Selbstbehaltes, wie dies ebenfalls vom Kläger begehrt werde, habe der Gesetzgeber nicht vorgesehen. Aufgrund der höheren Verletztenrente, die der Kläger von der Berufsgenossenschaft beziehe, ruhe ab 01.01.2002 der Anspruch auf Versorgungsbezüge nach dem OEG in voller Höhe. Denn die Verletztenrente werde aus gleicher Ursache gezahlt, weshalb die Verletztenrente gemäß § 65 Abs. 1 Nr. 1 BVG auf die Versorgungsbezüge nach dem OEG anzurechnen sei, wobei grundsätzlich keine Unterscheidung der Versorgungsbezüge vorgenommen würden. Nur Leistungen zur Abgeltung eines besonderen Aufwandes (Pflegezulage, Kleiderverschleißpauschale, Führzulage) sowie Leistungen der Heilbehandlung seien von dieser Anrechnung ausgenommen, soweit keine entsprechende Leistung aus der gesetzlichen Unfallversicherung bezogen werde.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten des Beklagten, der Akten des SG Stuttgart und der Senatsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143, 144 SGG statthaft und zulässig
Streitgegenstand des Berufungsverfahrens sind nur Ansprüche des Klägers auf Gewährung einer höheren Pflegezulage, Übernahme der Prämien für die private Krankenversicherung und Zahlung des in der privaten Versicherung vereinbarten Selbstbehalts sowie die vom Beklagten vorgenommene Anrechnung der Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung auf die Ansprüche des Klägers nach dem OEG. Nicht Streitgegenstand ist der erstmals im Berufungsverfahren geltend gemachte Anspruch auf Gewährung einer Schwerstbeschädigtenzulage nach Stufe VI. Dieser Anspruch wurde weder im Vorverfahren noch im Klageverfahren erhoben, über ihn hat das SG auch nicht entschieden und überdies haben sich die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat darauf geeinigt, dass mit Eingang des Berufungsschriftsatzes beim Landessozialgericht (LSG) am 05.04.2004 Antrag auf Zuerkennung der Schwerstbeschädigtenzulage nach Stufe VI gestellt wurde, der Beklagte hierüber einen Bescheid erlassen wird und diese Leistung nicht Streitgegenstand des Berufungsverfahrens sein soll.
II.
Die Berufung ist jedoch nur teilweise begründet. Der Kläger hat ab 01.03.1997 Anspruch auf Gewährung einer Pflegezulage nicht nur nach Stufe I, sondern nach der Stufe II. Im Übrigen sind die mit der Klage und der Berufung geltend gemachten Ansprüche nicht gegeben. Insoweit ist die Berufung gegen das Urteil des SG unbegründet.
1. Rechtsgrundlage des vom Kläger geltend gemachten Anspruchs auf eine (höhere) Pflegezulage ist § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG i.V.m. § 35 BVG. Gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 BVG hat ein Beschädigter, solange er infolge der Schädigung hilflos ist, Anspruch auf Zahlung einer monatlichen Pflegezulage der Stufe I. Hilflos iS des Satzes 1 ist der Beschädigte, wenn er für eine Reihe von häufig und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen zur Sicherung seiner persönlichen Existenz im Ablauf eines jeden Tages fremder Hilfe dauernd bedarf (§ 35 Abs. 1 Satz 2 BVG). Diese Voraussetzungen sind nach Satz 3 dieser Bestimmung auch erfüllt, wenn die Hilfe in Form einer Überwachung oder Anleitung zu den in Satz 2 genannten Verrichtungen erforderlich ist oder wenn die Hilfe zwar nicht dauernd geleistet werden muss, jedoch eine ständige Bereitschaft zur Hilfeleistung erforderlich ist. Ist die Gesundheitsstörung so schwer, dass sie dauerndes Krankenlager oder dauernd außergewöhnliche Pflege erfordert, so ist die Pflegezulage je nach Lage des Falles unter Berücksichtigung des Umfangs der notwendigen Pflege auf (derzeit) 448, 635, 816, 1060, oder 1304 Euro (Stufen II, III, IV, V und VI) zu erhöhen (§ 35 Abs. 1 Satz 4 BVG).
§ 35 Abs. 1 BVG ist seit dem 1. April 1995 mehrfach neu gefasst worden. Das ist hier jedoch nicht rechtserheblich, denn der Maßstab für den Inhalt des Begriffs "hilflos" hat sich dadurch nicht geändert. Erforderlich ist stets, dass die anerkannten Schädigungsfolgen jedenfalls eine annähernd gleichwertige Mitursache für den Gesamtzustand bilden, der bei der Prüfung von Hilflosigkeit von Bedeutung ist (vgl. insoweit bereits BSGE 41, 80, 83 f = SozR 3100 § 35 Nr. 2). Zu den von § 35 Abs. 1 BVG erfassten Verrichtungen zählt nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 2. Juli 1997 in SozR 3-3100 § 35 Nr. 6) nicht der Hilfebedarf bei hauswirtschaftlichen Verrichtungen. Bei den zu berücksichtigenden Verrichtungen handelt es sich um solche, die im Ablauf des täglichen Lebens unmittelbar zur Wartung, Pflege und Befriedigung wesentlicher Bedürfnisse des Betroffenen gehören sowie häufig und regelmäßig wiederkehren (vgl. dazu auch Bürck, ZfS 1998, 97, 100). Dazu zählen zunächst die auch von der Pflegeversicherung (vgl. § 14 Abs. 4 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI)) erfassten Bereiche der Körperpflege (Waschen, Duschen, Baden, Zahnpflege, Kämmen, Rasieren, Darm- und Blasenentleerung), Ernährung (mundgerechtes Zubereiten und Aufnahme der Nahrung) und Mobilität (Aufstehen, Zubettgehen, An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen, Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung). Hinzu kommen nach der Rechtsprechung des BSG (vgl. SozR 3-3100 § 35 Nr. 12 und BSGE 72, 285 = SozR 3-3870 § 4 Nr. 6) Maßnahmen zur psychischen Erholung, geistige Anregungen und Kommunikation (Sehen, Hören, Sprechen und Fähigkeit zu Interaktionen). Hilflosigkeit iSd § 35 Abs. 1 BVG ist beim Kläger unstreitig gegeben. Daher hat ihm auch der Beklagte eine Pflegezulage nach der Stufe I bewilligt.
Darüber hinaus steht zur Überzeugung des Senats ferner fest, dass die Schädigungsfolgen so schwer sind, dass sie dauernd eine außergewöhnliche Pflege erfordern und deshalb ein Anspruch auf Pflegezulage nach Stufe II besteht. Nach den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX), Ausgabe 2004" (AHP), die als antizipierte Sachverständigengutachten zur Beurteilung der Pflegestufen herangezogen werden können, ist beim Verlust beider Beine im Oberschenkel die Stufe II, beim Verlust beider Hände oder Unterarme die Stufe III und beim Verlust beider Arme im Oberarm die Stufe IV angemessen, sofern nicht besondere Umstände eine höhere Einstufung rechtfertigen (AHP Kapitel 50 Seite 166). Die in den AHP vorgenommene Abstufung zeigt, dass das Ausmaß der Pflegebedürftigkeit wesentlich von der Gebrauchsfähigkeit der Arme und Hände abhängt. Dies ist ohne weiteres nachvollziehbar und entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung. Je stärker Hände und Arme in ihrer Funktion eingeschränkt sind, desto größer die Behinderung und desto höher der Pflegaufwand. Durch die beim Kläger als Schädigungsfolgen anerkannte Versteifung beider Schultern und des linken Ellenbogengelenks, die Bewegungseinschränkung am rechten Ellenbogengelenk und beider Handgelenke und der Fingergelenke ist gerade die Funktion der oberen Extremitäten erheblich eingeschränkt. Wie Dr. D. in seinem für das SG erstatteten Gutachten vom 21.11.2001 unter Bezugnahme auf sein für die BGN erstattetes Gutachten vom Dezember 2000 dargelegt hat, resultiert aus der Einsteifung im linken Schultergelenk und der Funktionseinschränkung der linken Hand eine weitgehende Gebrauchsunfähigkeit der linken oberen Extremität. Dazu kommt, dass auch die rechte obere Extremität durch die Einsteifung im rechten Schultergelenk und den Bewegungseinschränkungen im rechten Ellenbogengelenk, im rechten Handgelenk und in den Fingergelenken in ihrer Gebrauchsfähigkeit stark eingeschränkt ist. Die Behinderung des Klägers ist damit zwar nicht dem eines Ohnhänders gleichgestellt, weil der Kläger z.B. mit der rechten Hand telefonieren und schreiben kann, sodass die Voraussetzungen für eine Pflegezulage nach Stufe III noch nicht erfüllt sind. Der Kläger ist aber aufgrund der Einschränkungen der oberen Extremitäten und unter zusätzlicher Berücksichtigung der durch die übrigen Schädigungsfolgen bedingten Behinderungen dauernd außergewöhnlich pflegebedürftig. So ist es dem Kläger, wie Dr. D. in seinem für den Beklagten erstellten Gutachten vom 25.04.2005 schreibt, nicht möglich, eine aktive Ausrichtung aus der Rückenlage vorzunehmen. Der Senat schließt sich daher der Beurteilung durch Dr. D. an, der in seinen Gutachten eine außergewöhnliche Pflegebedürftigkeit bejaht hat. Besondere Umstände, die eine höhere Einstufung rechtfertigen, liegen nicht vor. Der Kläger kann sich z.B. - davon konnte sich der Senat in der mündlichen Verhandlung überzeugen - ohne fremde Hilfe auf einen Stuhl setzen, wieder aufstehen und mehrere Meter ohne Gehilfe gehen und er kann den rechten Arm im rechten Ellenbogen noch soweit bewegen, dass er die rechte Hand zum Mund führen kann. Der Kläger hat nicht vorgetragen Linkshänder zu sein, sodass gerade dadurch, dass der rechte Arm und die rechte Hand einen Teil ihrer Gebrauchsfähigkeit behalten haben, eine höhere Einstufung nicht gerechtfertigt ist.
2. Schwerbeschädigte erhalten nach § 32 Abs. 1 BVG eine Ausgleichsrente, wenn sie infolge ihres Gesundheitszustandes oder hohen Alters oder aus einem von ihnen nicht zu vertretenden sonstigen Grunde eine ihnen zumutbare Erwerbstätigkeit nicht oder nur in beschränktem Umfang oder nur mit überdurchschnittlichem Kräfteaufwand ausüben können. Zwar ist grundsätzlich die volle Ausgleichsrente um das anzurechnende Einkommen zu mindern (§ 33 Abs. 1 Satz 1 BVG), doch erhalten Empfänger einer Pflegezulage gemäß § 33 Abs. 4 BVG wenigstens die Hälfte der vollen Ausgleichsrente und Empfänger einer Pflegezulage von mindestens Stufe III die volle Ausgleichsrente, auch wenn die Pflegezulage nach § 35 Abs. 4 BVG nicht gezahlt wird oder nach § 65 Abs. 1 BVG ruht.
Da der Kläger Anspruch auf Pflegezulage nach Stufe II hat, steht ihm gemäß § 33 Abs. 4 BVG die Hälfte der vollen Ausgleichsrente zu. Dem ist der Beklagte auch nachgekommen. Im Übrigen sind sich die Beteiligten einig darüber, dass über einkommensabhängige Leistungen des Klägers - wie z.B. auch über Berufschadensausgleich - noch eine konkrete Entscheidung des Beklagten zu treffen ist. Dies ist zwischen den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vom 17.10.2002 vor dem SG unstreitig gestellt worden, wobei der Beklagte klarstellend darauf hingewiesen hat, dass es sich bei der vollen Ausgleichsrente um einen Teil der einkommensabhängigen Leistungen handelt. Somit ist bei der von der Beklagten noch vorzunehmenden Entscheidung über die Frage von einkommensabhängigen Leistungen auch darüber zu entscheiden, ob dem Kläger die volle statt nur die halben Ausgleichsrente zusteht. Ein Anspruch auf höhere Ausgleichsrente ist deshalb nur zulässiger Streitgegentand des Berufungsverfahrens, soweit sich ein solcher Anspruch als Konsequenz aus einer höheren Pflegezulage ergibt. Die bislang vom Beklagten vorgenommene Berücksichtigung der halben Ausgleichsrente ist rechtmäßig, da sie als nur vorläufige der Regelung der Vorschrift des § 33 Abs. 4 BVG entspricht.
3. Soweit sich der Kläger dagegen wendet, dass im Bescheid vom 11.10.2001 festgestellt wurde, dass Anspruch auf Heilbehandlung nach dem BVG erst ab dem 15.05.2001 bestehe, ist darauf hinzuweisen, dass Heilbehandlung ohnedies als Sachleistung gewährt wird (§ 18 Abs. 1 Satz 1 BVG). Da Sachleistungen nicht mehr rückwirkend gewährt werden können, käme insoweit lediglich ein Anspruch auf Kostenerstattung nach den § 18 Abs. 3 und 4 BVG in Betracht. Diesem Anspruch steht entgegen, dass die Höhe der Kosten, für die Erstattung begehrt wird, nicht bezogen auf bestimmte medizinische Leistungen beziffert worden ist und daher gar nicht geprüft werden kann, ob und in welchem Umfang eine Kostenerstattung in Betracht kommt. Der Hinweis auf den Selbstbehalt in der privaten Versicherung ersetzt diese Angaben nicht. Da es vorliegend zudem um selbst beschaffte Leistungen (Selbstbehalt) für die Zeit ab 2002 geht und damit um Leistungen der Heilbehandlung in der Zeit nach Anerkennung der Schädigungsfolgen durch den Bescheid vom 27.11.1998, ist auch nicht erkennbar, weshalb unvermeidbare Umstände die Inanspruchnahme der Krankenkasse in den Jahren ab 2002 nach § 18c BVG unmöglich machten. Im Übrigen hat dem Kläger ein Anspruch auf Heilbehandlung für die nach dem OEG anerkannten Schädigungsfolgen nicht zugestanden, weil ein solcher Anspruch von seiner Entstehung am Tag des schädigenden Ereignisses an wegen § 65 Abs. 3 Nr. 1 BVG ruhte. Nach dieser Vorschrift ruht u.a. der Anspruch auf Heilbehandlung nach § 10 Abs. 1 BVG insoweit, als aus derselben Ursache Ansprüche auf entsprechende Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung bestehen.
4. Die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche auf Erstattung von Aufwendungen für seine private Krankenversicherung, auf Zahlung der Beiträge für die weiterhin bestehende private Krankenversicherung sowie auf Erstattung des mit der privaten Krankenversicherung vereinbarten Selbstbehalts bestehen nicht, weil es dafür keine Rechtsgrundlage gibt. Die geltend gemachten Ansprüche sind auch nach § 1 Abs. 1 OEG i.V.m. § 10 Abs. 1 und 2 BVG nicht begründet. Nach dieser Vorschrift hat der Schwerbeschädigte Anspruch auf Heilbehandlung sowohl für die Schädigungsfolgen wie auch für Gesundheitsstörungen, die nicht als Folge einer Schädigung anerkannt sind. Aufwendungen für eine private Krankenversicherung werden dem Berechtigten (Schwerbeschädigten) oder dem Leistungsempfänger (Klägerin) nach § 18 Abs. 4 Satz 3 BVG in angemessenem Umfang nur ersetzt, wenn der Berechtigte oder Leistungsempfänger nach Wegfall des Anspruchs auf Heil- oder Krankenbehandlung einer Krankenkasse beigetreten ist, und der Anspruch auf Krankenbehandlung im Vorverfahren oder im gerichtlichen Verfahren rechtsverbindlich wieder zuerkannt wird. Bei der Regelung in § 18 Abs. 4 Satz 3 BVG handelt es sich um eine Sonderregelung, durch die die Folgen eines rechtswidrigen Eingriffs der Verwaltung in ein bestehendes Versorgungsrechtsverhältnis ausgeglichen werden, somit um eine Art Folgenbeseitigungsanspruch (BayLSG Urteil vom 12.12.2002 - L 18 V 16/01 - SGb 2003, 403 (Leitsatz); BSG Urteil vom 27.11.1991 - 9a RV1/90 -). Darüber hinaus gibt es nach dem BVG keinen Anspruch auf Erstattung von Prämien für eine private Versicherung (BSG Urteil vom 28.01.1975 - 10 RV 63/74 - SozR 3-3100 § 18 Nr. 3). Dafür spricht auch die Regelung in § 18 Abs. 7 Satz 1 BVG. Danach kann der Berechtigte den für die notwendige Krankenhausbehandlung erforderlichen Betrag als Zuschuss erhalten, wenn er oder der Leistungsempfänger wahlärztliche Leistungen in Anspruch nimmt. Nach der Rechtsprechung des BSG ist auch diese – nur ausnahmsweise vorgesehene – Kostenerstattung auf den Betrag zu beschränken, der für die Sachleistung erforderlich gewesen wäre. Denn das soziale Entschädigungsrecht beinhaltet eine Grundentscheidung zur Kostenbegrenzung durch einheitliche, für alle Berechtigten grundsätzlich gleiche Sachleistungen. (BSG Urteil vom 28.06.2000 – B 9 VG 4/99 R – SozR 3-3100 § 18 Nr. 5).
Auch unter dem Gesichtspunkt des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ist der Anspruch nicht begründet. Dabei kann offen bleiben, ob ein Beratungsfehler des Beklagten überhaupt vorliegt. Denn der Kläger macht gar nicht geltend, dass er bei entsprechender Beratung seine private Versicherung zu einem früheren Zeitpunkt gekündigt hätte. Im Gegenteil. Er will seinen Vertrag mit einem privaten Krankenversicherungsunternehmen fortführen und die Beiträge vom Beklagten ersetzt verlangen. Bei dieser Sachlage ist gar nicht erkennbar, welcher Nachteil durch eine falsche Beratung in Bezug auf die Verpflichtung zur Prämienzahlung überhaupt entstanden sein soll. Darüber hinaus kommt das Rechtsinstitut des Herstellungsanspruchs nur zum Tragen, wenn das pflichtwidrige Verwaltungshandeln durch eine zulässige Amtshandlung beseitigt werden kann. Da aber – wie dargelegt – die Zahlung von Versicherungsprämien für eine private Versicherung vom Sonderfall des § 18 Abs. 4 Satz 3 BVG abgesehen im BVG nicht vorgesehen ist, könnte der Beklagte auch nicht im Wege eines Herstellungsanspruchs dazu verurteilt werden (BayLSG aaO).
5. Auch der Bescheid des Beklagten vom 26.11.2001, mit dem die Verletztenrente auf die Versorgungsbezüge nach dem OEG angerechnet wurde, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Rechtsgrundlage für diesen Bescheid ist § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Danach ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben (§ 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X).
Der Bescheid vom 26.11.2001 ist nicht schon deshalb formell rechtswidrig, weil es der Beklagte unterlassen hat, den Kläger vor Erlass des Bescheides anzuhören. Denn nach § 24 Abs. 2 Nr. 5 SGB X kann von einer Anhörung abgesehen werden, wenn einkommensabhängige Leistungen den geänderten Verhältnissen angepasst werden sollen. Diese Regelung beruht auf der Überlegung, dass allein die dem Betroffenen bereits bekannten geänderten Einkommensverhältnisse für die getroffene Entscheidung relevant sind (von Wulffen SGB X 5. Auflage 2005 § 24 RdNr. 14). Damit ist der hier gegebene Sachverhalt ohne weiteres vergleichbar. Denn der Beklagte hatte bereits zuvor mit den bestandskräftig gewordenen Bescheiden vom 17.04.2001 und 08.05.2001 die Verletztenrente des Klägers auf die Versorgungsbezüge angerechnet. Somit war dem Kläger bekannt, dass seine Ansprüche nach dem OEG davon abhängig sind, in welchem Umfang ihm Leistungen nach dem SGB VII zustehen. Mit dem Bescheid vom 26.11.2001 hat der Beklagte lediglich eine weitere Entscheidung der BGN zur Höhe der Verletztenrente umgesetzt und damit nur eine Anpassung an tatsächliche Verhältnisse - Höhe der Leistungen nach dem SGB VII - vorgenommen, die dem Kläger bereits bekannt waren. Aus diesem Grund war hier eine nochmalige Anhörung durch den Beklagten entbehrlich.
Die inhaltlichen Voraussetzungen des § 48 SGB X sind hier erfüllt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Beklagte im Bescheid vom 26.11.2001 zwar das Ruhen des Versorgungsanspruchs bereits für die Zeit ab Januar 1998 ausgesprochen hat, daraus aber keine Konsequenzen in Bezug auf die Zahlung der Versorgungsbezüge gezogen hat. Der Beklagte hat im Gegenteil ausdrücklich entschieden, dass für die Zeit bis Ende 2001 keine Forderung gegenüber dem Kläger geltend gemacht wird, die Zahlung der Versorgungsbezüge also gerade nicht eingeschränkt wird. Der Sache nach hat der Beklagte den Kläger insoweit lediglich darüber informiert, in welcher Höhe er gegenüber der BGN einen Erstattungsbetrag geltend machen wird. Darin ist keine Regelung iS einer (rückwirkenden) Aufhebung des Bescheides vom 27.11.1998 zu sehen. Der Bescheid vom 27.11.2001 wurde vielmehr nur insoweit abgeändert, als dem Kläger für die Zeit ab 01.01.2002, und damit nur mit Wirkung für die Zukunft, keine Leistungen nach dem OEG mehr zugesprochen wurden.
Der Anspruch auf Versorgungsbezüge ruht nach § 65 Abs. 1 BVG in Höhe der Bezüge aus der gesetzlichen Unfallversicherung, wenn beide Ansprüche auf derselben Ursache beruhen. Versorgungsbezüge im Sinne dieser Vorschrift sind sämtliche Dienst-, Sach- und Geldleistungen (§ 11 Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil - , SGB I), die in den jeweiligen Einzelgesetzen vorgesehen sind. Grundsätzlich ist der Gesamtwert der Bezüge maßgeblich. Ein Vergleich der Einzelleistungen findet nicht statt, weil dem Gesetzgeber durchaus bewusst war, dass die Zusammensetzung der Einzelleistungen und ihre Berechnung im Versorgungsrecht einerseits und in der Unfallversicherung und im Beamtenrecht andererseits jeweils eigenen und unterschiedlichen Vorschriften folgen. Erbrachte oder geschuldete Sachleistungen sind mit ihrem jeweiligen Wert, d.h. in Höhe der Kosten, die der Verwaltung entstehen, in Ansatz zu bringen. Allerdings hat der Gesetzgeber den Anspruch auf Heilbehandlung, den Pauschbetrag für Kleider- und Wäscheverschleiß sowie die Kinderzulage zur gesetzlichen Unfallversicherung in § 65 BVG einer Sonderregelung unterworfen. Diese Anteile an den Versorgungsbezügen werden mit den jeweils entsprechenden Leistungen aus anderen Bereichen verglichen. Heilbehandlung und Pauschbetrag ruhen nur, sofern es auch aus der gesetzlichen Unfallversicherung entsprechende Leistungsansprüche gibt. Allein insoweit gilt der Grundsatz, dass bei Anwendung der Ruhensvorschrift nur die dem gleichen Zweck dienenden Leistungen aus den verschiedenen Bereichen einander gegenüberzustellen sind. Im Übrigen ist jedoch auf den Gesamtbetrag der zuerkannten Leistungen abzustellen (vgl. BSG vom 10.11.1993 - 9/9a RVg 2/92 - ).
Der Senat hält die Ruhensvorschrift des § 65 BVG für verfassungsgemäß. Soweit der Kläger einwendet, dass die Grundrente nach dem BVG aufgrund ihrer Genugtuungsfunktion nicht auf andere Sozialleistungen angerechnet werden dürfe, gilt dies für Leistungen, die Bedürftigkeit voraussetzen. Insoweit darf die Grundrente nicht als eigenes Einkommen des Beschädigten bedarfsmindernd berücksichtigt werden. Davon unterscheidet sich der in § 65 BVG geregelte Sachverhalt. Diese Bestimmung ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass der Gesetzgeber vor der Wahl stand, Personen, die durch eine mit Strafe bedrohte Handlung verletzt worden sind, unter den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung zu stellen oder für diese Fälle eine Leistung des sozialen Entschädigungsrechts vorzusehen. Der Gesetzgeber hat sich mit § 3 Abs. 4 OEG zwar dafür entschieden, auch Schäden der Opfer von Straftaten unter den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung zu stellen, dies allerdings nur, um sicherzustellen, dass Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung, die höher sind als die Versorgungsleistungen nach dem BVG, den Opfern von Straftaten nicht vorenthalten werden. Er hat aber gleichzeitig mit § 65 BVG klargestellt, dass auch Opfer von Straftaten nicht Leistungen aus beiden Systemen nebeneinander erhalten. Nur wenn und soweit die primär von der ausschließlich beitragsgestützten gesetzlichen Unfallversicherung zu tragenden Leistungen hinter dem Anspruch nach dem Versorgungsrecht zurück bleiben, sind aus diesem rein steuerfinanzierten System zusätzliche Leistungen zu erbringen (BSG SozR 4-3100 § 65 Nr. 1).
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.