LSG Nordrhein-Westfalen - L 9 B 87/06 AS ER - Beschluss vom 29.09.2006
Auch im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ist die volle Regelleistung zuzusprechen, da insofern ein Abwarten des Hauptsacheverfahrens wegen des Bedarfsdeckungsgrundsatzes nicht zumutbar ist, eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung gegenüber Fallgestaltungen nach § 86b Abs. 1 SGG so vermieden werden kann und angesichts der Abschaffung der Einmalleistungen ein Teil der monatlich gewährten Regelleistung angespart werden muss, um bei entstehendem Bedarf auch größere Anschaffungen tätigen zu können.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten im Rahmen von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) um die Rechtmäßigkeit einer Absenkung des Arbeitslosengeldes II nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 b SGB II im Zeitraum vom 01.06.2006 bis 31.08.2006.
Die im Jahre 1955 geborene Antragstellerin ist Reiseverkehrskauffrau und staatlich geprüfte Betriebswirtin. Seit Mai 1994 ist sie arbeitslos. Seitdem hat sie an einer Fortbildung "Telekommunikationsanwendung" (DAA/Neuss vom 06.05.1996 bis 02.05.1997), einer Trainingsmaßnahme vom 02.06.1998 bis 12.06.1998, einer Trainingsmaßnahme "Coaching-Kurs" (10.10.2001 bis 23.11.2001) und einem Bewerbungstraining (24.08.2005 bis 31.08.2005) teilgenommen. Nach Bezug von Arbeitslosenhilfe (Alhi) in Höhe von 150,15 Euro wöchentlich bis zum 31.12.2004 zahlt die Antragsgegnerin seit Januar 2005 SGB II-Leistungen. Zuletzt bewilligte sie mit Bescheid vom 09.11.2005 - für den Bewilligungszeitraum vom 01.12.2005 bis 31.05.2006 - neben der Regelleistung in Höhe von 345 Euro auch Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 569,81 Euro (insgesamt 914,81 Euro).
Da eine Eingliederungsvereinbarung zwischen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin nicht zustande kam, legte diese mit Bescheid vom 15.12.2005 u.a. fest, dass die Antragstellerin in der Zeit vom 15.12.2005 bis 14.12.2006 - vorbehaltlich einer anderen Regelung - alle Möglichkeiten zu nutzen habe, um den eigenen Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln und Kräften zu bestreiten, an allen Maßnahmen zur Eingliederung mitzuwirken, mindestens acht Bewerbungen pro Monat zu erstellen, sich auch bei befristeten Stellen, bei Zeitarbeitsfirmen und auch initiativ zu bewerben, sich auf jede zumutbare Stelle zu bewerben und bei den Bewerbungsbemühungen das Internet, die gelben Seiten und die aktuelle Presse zu nutzen habe. Die Eigenbemühungen seien monatlich, beginnend ab 17.01.2006, nachzuweisen. Diese Verpflichtungen dienten der Förderung der Motivation und des Engagements. Der Bescheid enthielt eine Rechtsfolgenbelehrung mit folgender Passage: " Wenn Sie nicht bereit sind, die in diesem Bescheid festgelegten Pflichten zu erfüllen, insbesondere in ausreichendem Maße Eigenbemühungen nachzuweisen, wird das Arbeitslosengeld II in einer ersten Stufe um 30 v.H. der für Sie maßgebenden Regelleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (§ 20 SGB II) abgesenkt ... Dies gilt nicht, wenn Sie einen wichtigen Grund für Ihr Verhalten nachweisen (§ 31 Abs. 1 SGB II)."
Den Widerspruch der Antragstellerin gegen diesen Bescheid wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 13.03.2006 zurück. Sie führte aus, die Antragstellerin habe mehrfach die ihr vorgelegte Eingliederungsvereinbarung nicht unterzeichnet. Hiergegen erhob die Antragstellerin Klage beim Sozialgericht in Düsseldorf (S 23 AS 103/06), die noch anhängig ist.
Anlässlich einer Vorsprache auf Einladung der Antragsgegnerin am 30.03.2006 legte die Antragstellerin nach dem Inhalt des BewA-Vermerk 11 Absagen von Arbeitgebern aus der Zeit vom 18.10.2005 bis 22.02.2006, einen Internetausdruck der Jobbörse der Lufthansa-City-Line vom 17.01.2006 und einen handschriftlichen Vermerk vor, nach dem sie sich am 28.02.2006 mit einem weiteren Arbeitgeber in Verbindung gesetzt habe. Die zuständige Vermittlerin hielt fest, die Antragstellerin habe diese Unterlagen als Eigenbemühungen verstanden wissen wollen und erklärt, dass die Erstellung von acht Bewerbungen im Monat unangemessen und nicht machbar sei. Eine Mappe, in der sich nach Aussage der Antragstellerin Bewerbungsschreiben einschließlich Absagen befunden hätten, habe sie nicht aus der Hand geben wollen und diese lediglich, aus der Distanz vorhaltend, umgeblättert. Die Arbeitsvermittlerin ergänzte, sie habe bisher kein einziges Bewerbungsschreiben der Antragstellerin gelesen.
Die Antragstellerin beantragte am 12.05.2006 die Fortzahlung der SGB II-Leistungen für den Bewilligungszeitraum ab 01.06.2006. Mit Bescheid vom 15.05.2006 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, der ihr zustehende Anteil des Arbeitslosengeldes II werde für die Zeit vom 01.06.2006 bis 31.08.2006 monatlich um 60 % der Regelleistung, höchstens jedoch in Höhe des zustehenden Auszahlungsbetrages abgesenkt. Hieraus ergebe sich eine Absenkung in Höhe von maximal 207 Euro monatlich. Die Antragstellerin habe trotz Belehrung über die Rechtsfolgen die in der Eingliederungsvereinbarung festgelegten Pflichten nicht erfüllt, da sie ihre Eigenbemühungen nicht in ausreichendem Maße nachgewiesen habe (§ 31 Abs. 1 Nr. 1 b SGB II). Mit Bescheid vom gleichen Tag bewilligte die Antragsgegnerin der Antragstellerin für die Zeit vom 01.06.2006 bis 31.08.2006 Leistungen in Höhe von 707,81 Euro monatlich und für die Zeit vom 01.09.2006 bis 30.11.2006 in der bisherigen Höhe von 914,81 Euro monatlich.
Die Antragstellerin machte mit ihrem Widerspruch vom 02.06.2006 geltend, es sei nicht verständlich, warum vor Rechtskraft des Eingliederungsbescheides Leistungen gekürzt würden.
Am 21.06.2006 hat die Antragstellerin im Wege des vorläufigen Rechtschutzes beim Sozialgericht Düsseldorf beantragt, die Antragsgegnerin vorläufig bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens zu verpflichten, ihr Arbeitslosengeld II in ungekürzter Höhe von 914,81 Euro zu zahlen.
Mit Beschluss vom 24.07.2006 hat das SG Düsseldorf die Antragsgegnerin mit einstweiliger Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin ab Juli 2006 vorläufig bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache Leistungen nach dem SGB II im Umfang von 70 % der Regelleistung und Unterkunftskosten in voller Höhe zu bewilligen. Die Antragstellerin habe einen Anordnungsgrund und einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Es sei überwiegend wahrscheinlich, dass die Antragstellerin für die Zeit vom 01.06.2006 bis 31.08.2006 Arbeitslosengeld in Höhe von 914,81 Euro beanspruchen könne, da die Voraussetzungen einer Absenkung des Arbeitslosengeldes II nicht erfüllt seien. Eine bestandskräftige Eingliederungsvereinbarung, die eine entsprechende Entscheidung tragen könne, bestehe nicht, da der die Elemente einer Eingliederung der Antragstellerin regelnde Bescheid vom 15.12.2005 aufgrund des Widerspruchs und der Klage zur Zeit suspendiert sei. Die besondere Eilbedürftigkeit in der Durchsetzung des Begehrens der Antragstellerin ergebe sich daraus, dass die ihr dem Grunde nach zustehende Regelleistung um 60 % abgesenkt worden sei. Zur Vermeidung der Vorwegnahme einer Entscheidung in der Hauptsache sei der Antragstellerin die Regelleistung lediglich in einem Umfang von 70 %, der in einem Hauptsacheverfahren zuzusprechenden Regelleistung zuzüglich Unterkunftskosten in voller Höhe zu bewilligen.
Die Antragstellerin begehrt mit ihrer am 09.08.2006 hiergegen eingelegten Beschwerde, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat (Beschluss vom 09.08.2006), die vorläufige Bewilligung der Leistungen nach dem SGB II in voller Höhe. Aus den Beratungsvermerken ergebe sich, dass es aus persönlichkeitsbedingten Gründen an der subjektiven Vorwerfbarkeit ihres Verhaltens fehle.
Die Antragsgegnerin hat mit ihrer am 21.08.2006 bei dem LSG eingegangenen Beschwerde die Ansicht vertreten, das SG habe summarisch zu prüfen und zu dem Ergebnis kommen müssen, dass die durch Bescheid erlassene Eingliederungsvereinbarung einer Überprüfung standhalte. Die in der Eingliederungsvereinbarung festgelegten Eigenbewerbungen seien weder zum 17.01.2006 noch zum 17.02.2006 eingereicht worden.
In dem Verfahren S 21 AS 103/06 - SG Düsseldorf - hat die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 21.08.2006 nach § 86 a Abs. 2 Ziffer 5 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) die sofortige Vollziehung des Bescheides vom 15.12.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.03.2006 angeordnet. Das besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit sei gegeben, da die Antragstellerin sich weiterhin beharrlich weigere, an Eingliederungsmaßnahmen teilzunehmen. Es könne der Beklagten nicht zugemutet werden, über den ganzen Zeitraum eines Gerichtsverfahrens zuzuwarten.
Die Antragstellerin beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 24. Juli 2006 dahingehend zu ändern, dass die Antragsgegnerin unter Aussetzung der Vollziehung des Bescheides vom 15. Dezember 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. März 2006 bei ergänzender Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 15. Dezember 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. März 2006 für die Zeit ab Bekanntgabe der Anordnung der sofortigen Vollziehung mit Schriftsatz vom 21.08.2006 verpflichtet wird, der Antragstellerin ab dem 01. Juni 2006, hilfsweise ab dem 20. Juni 2006 monatliche Regelleistungen in Höhe von 345 Euro zuzüglich der vollen monatlichen Kosten für Unterkunft nebst Heizung in Höhe von 569,81 Euro nach weiterer Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu zahlen, hilfsweise, die Beschwerde der Antragsgegnerin zurückzuweisen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen und unter Änderung des Beschlusses des Sozialgerichts Düsseldorf vom 24.07.2006 zu entscheiden, dass die geminderten Leistungen in vollem Umfang einbehalten werden dürfen.
Sie ist der Ansicht, der sofortigen Vollziehbarkeit komme auch rückwirkende Bedeutung zu.
Mit Bescheid vom 02.08.2006, der nach Angaben der Antragsgegnerin den Beschluss des Sozialgerichts umsetzen soll, hat die Antragsgegnerin für die Zeit vom 01.06.2006 bis 30.06.2006 monatliche Leistungen in Höhe von 707,81 Euro, vom 01.07.2006 bis 31.08.2006 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 810,81 Euro und vom 01.09.2006 bis 30.11.2006 in Höhe von 760,61 Euro bewilligt. Aus dem beigefügten Berechnungsbogen ergibt sich, dass für die Kosten für Unterkunft und Heizung - im Unterschied zu dem in den Vormonaten berücksichtigten Betrag in Höhe von 569,81 Euro - nur noch Kosten in Höhe von 415,61 Euro anerkannt wurden. Die Antragstellerin hat gegen diesen Bescheid, der mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen ist, am 14.08.2006 Widerspruch eingelegt und geltend gemacht, die Höhe der monatlich zustehenden Leistungen für den Zeitraum vom 01.06.2006 bis zum 30.11.2006 betrage 914,81 Euro monatlich.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte sowie der Gerichtsakte Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
II.
Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist begründet. Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist zurückzuweisen.
Die Antragsstellerin hat Anspruch auf Auszahlung der ungekürzten Regelleistung in Höhe von 345 Euro zuzüglich der anerkannten monatlichen Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 569,81 Euro für die Zeit seit Eingang des Antrags auf vorläufigen Rechtsschutz bei dem Sozialgericht Düsseldorf am 20.06.2006 bis zum 31.08.2006.
Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs, d.h. des materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird, sowie das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d.h. die Unzumutbarkeit voraus, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Der geltend gemachte Hilfeanspruch (Anordnungsanspruch) und die besonderen Gründe für die Notwendigkeit der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (Anordnungsgrund), die Eilbedürftigkeit, sind glaubhaft zu machen (§ 86 Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).
Der Senat teilt zunächst die Ansicht des Sozialgerichts, dass hier zu prüfen ist, ob die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86 b Abs. 2 SGG vorliegen. Zwar wird im Rahmen des § 31 SGB II als ein interessengerechter Rechtsschutz regelmäßig nicht die einstweilige Anordnung, sondern - wegen der praktisch häufigen Absenkung der bereits bewilligten Leistungen - der vorrangige Antrag nach § 86 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung in Betracht kommen. Unterbleibt jedoch - wie hier zu Beginn des neuen Bewilligungsabschnitts ab 01.06.2006 - auf der Grundlage von § 31 SGB II die Zahlung eines Anteils der Regelleistung, ist das vorläufige Rechtsschutzbegehren dahin auszulegen, dass es die Verpflichtung des zuständigen Trägers zur Zahlung der nicht abgesenkten Leistung umfasst (in diesem Sinne auch Landessozialgericht - LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 30.01.2006 - L 9 AS 17/06 ER -; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 12.04.2006 - L 7 AS 1196/06 ER-B).
Der erst während des Beschwerdeverfahrens erlassene Bescheid vom 02.08.2006, mit dem die Antragsgegnerin von den im Bescheid vom 15.05.2006 zu Grunde gelegten Berechnungsgrundlagen hinsichtlich der Kosten der Unterkunft mit der in diesem Bescheid ausgesprochenen Kürzung abweicht, ist nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahren, da er - bezogen auf den hier allein maßgeblichen Absenkungszeitraum vom 01.06.2006 bis 31.08.2006 - lediglich den Beschluss des Sozialgerichts ausführt. Soweit die Antragsgegnerin darüber hinaus für den - nicht streitgegenständlichen Zeitraum vom 01.09.2006 bis 30.11.2006 - nunmehr die Kosten für die Unterkunft abgesenkt hat, ist die Rechtmäßigkeit dieser Kürzung im bereits anhängigen Widerspruchsverfahren zu prüfen (§ 86 SGG).
Die Antragstellerin hat einen Anordnungsgrund und einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Insofern nimmt der Senat nach eigener Prüfung der Sach- und Rechtslage zunächst auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung Bezug (§ 142 Abs. 2 Satz 2 SGG). Das SG ist zu Recht davon ausgegangen, dass Widerspruch und Klage gegen einen eine Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Verwaltungsakt nach § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II grundsätzlich gem. § 86 a SGG aufschiebende Wirkung haben, die nicht nach § 39 Nr. 1 SGB II entfällt (vgl. Eicher in Eicher/Spellbrink, SGB II, § 39 Rdnr. 16 mwN; LSG NRW, Beschluss vom 11.11.2005 - L 19 B 89/05 AS ER). Diese aufschiebende Wirkung führt dazu, dass die vorgenommene Absenkung des Arbeitslosengeldes II nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 b SGB II für die Monate Juni 2006 bis August 2006 mangels eines Verstoßes gegen den nicht bestandskräftigen Eingliederungsbescheid nicht erfolgen kann. Zwar hat die Antragsgegnerin während des Beschwerdeverfahrens mit Schreiben vom 21.08.2006 den Sofortvollzug nach § 86 a Abs. 2 Ziff 5 SGG angeordnet. Diese Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit mit dem Wegfall der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Eingliederungsbescheid ist dem Bevollmächtigen der Antragstellerin nach dessen glaubhaften Angaben jedoch erst am 13.09.2006 zugegangen.
Unabhängig von der Frage, ob die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Eingliederungsbescheid vom 15.12.2005 durch den angeordneten Sofortvollzug rückwirkend auf den Erlasszeitpunkt ("ex tunc") oder erst im Zeitpunkt des Zugangs ("ex nunc") entfiel (vgl hierzu Kopp/Schenke, VwGO, 2003, § 80 Rdnr 22ff), können jedenfalls an das Unterlassen von Handlungspflichten (hier den Pflichten aus dem nicht bestandskräftigen Eingliederungsbescheid vom 15.12.2005) keine nachteiligen Folgen für den Adressaten geknüpft werden. Andernfalls wäre dieser trotz aufschiebender Wirkung faktisch genötigt, der Handlungspflicht nachzukommen, um nachteilige Folgen mit Sicherheit zu vermeiden. Ein gesetzlich vorgesehener, effektiver Rechtsschutz würde hierdurch unterlaufen (Binder in Lüdtke, Sozialgerichtsgesetz, 2. Auflage 2005, § 86a Rdnr 12). Da die Antragstellerin somit während des Schwebezustandes bis zur Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit des Bescheides vom 15.12.2005 von ihren Pflichten aus der durch Verwaltungsakt festgelegten Eingliederungsvereinbarung suspendiert war, kommt nach der im einstweiligen Verfahren gebotenen summarischen Prüfung eine Kürzung für den streitigen Zeitraum nicht in Betracht.
Anders als das SG vertritt der Senat die Auffassung, dass auch im einstweiligen Rechtsschutzverfahren die volle Regelleistung zuzusprechen ist, da insofern ein Abwarten des Hauptsacheverfahrens wegen des Bedarfsdeckungsgrundsatzes nicht zumutbar ist (LSG Hamburg, Beschluss vom 02.08.2005 - L 5 B 186/05 ER AS), eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung gegenüber Fallgestaltungen nach § 86b Abs. 1 SGG so vermieden werden kann (LSG NRW, Beschluss vom 01.08.2005 - L 19 B 33/05 AS ER - Breithaupt 2006, 149) und angesichts der Abschaffung der Einmalleistungen ein Teil der monatlich gewährten Regelleistung angespart werden muss, um bei entstehendem Bedarf auch größere Anschaffungen tätigen zu können.
Aus den dargelegten Gründen war die von der Antragsgegnerin eingelegte Beschwerde zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden, § 177 SGG.