Gründe:

I.

Streitig ist, ob der die Erinnerungsführer (Ef) in dem Verfahren S 10 KR 419/04 vertretende Bevollmächtigte gebührenrechtlich in einer oder in mehreren Angelegenheiten tätig geworden ist.

In dem Streitverfahren S 10 KR 419/04 bestritten die Ef zu 1 (Ef 1) und der Erinnerungsführer zu 2 (Ef 2) die Richtigkeit der von der Eg ihnen gegenüber in dem gemeinsamen Bescheid vom 17.06.2004 und dem gemeinsamen Widerspruchsbescheid vom 22.10.2004 getroffenen Entscheidungen. Mit Urteil vom 07.12.2005 hob die 10. Kammer des Sozialgerichts Augsburg die angefochtenen Bescheide in vollem Umfang auf und verpflichtete die Eg und Beklagte des Hauptsacheverfahrens zur Tragung der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Ef.

Unter dem 03.01.2006 übersandte der Bevollmächtigte der Ef Kostenaufstellungen sowohl für die Ef 1 wie auch für den Ef 2 und machte jeweils folgende Kosten geltend:

Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV 250,00 EUR

Terminsgebühr Nr. 3106 VV 200,00 EUR

Auslagenpauschale Nr. 7002 VV 20,00 EUR

Fahrtkosten Nr. 7003 VV, hälftig 18,90 EUR

Tage- und Abwesenheitsgeld Nr. 7005 VV, hälftig 10,00 EUR

Mehrwertsteuer Nr. 7008 VV 79,82 EUR

Summe 578,72 EUR

Die Eg hielt die Gebührenforderung für fehlerhaft, weil es sich rechtlich um dieselbe Angelegenheit im Sinne des Gebührenrechts gehandelt habe. Die Gebühren-Nr. 3102 VV (250,00 EUR), Nr. 3106 VV (200,00 EUR), Nr. 7002 VV (20,00 EUR), Nr. 7003 VV (37,80 EUR), Nr. 7005 VV (20,00 EUR) seien jeweils nur einmal erstattungsfähig, womit sich insgesamt unter Berücksichtigung der Mehrwertsteuer (Nr. 7008 VV) von 84,45 EUR ein Gesamtbetrag von 612,25 EUR errechne. Nach weiterem Schriftwechsel schloß sich die Urkundsbeamtin des Gerichts in ihrem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 05.04.2006 der Rechtsauffassung der Eg an und setzte die von ihr zu erstattenden außergerichtlichen Kosten auf 612,25 EUR fest.

Hiergegen erhoben die Ef Erinnerung. Sie hätten in dem Verfahren S 10 KR 419/04 jeweils einen unterschiedlichen Streitgegenstand verfolgt, weshalb es sich nicht um "dieselbe Angelegenheit" im Sinne des § 15 Abs. 2 RVG gehandelt habe. Die Kostenbeamtin half der Erinnerung nicht ab.

II.

Das Gericht ist zur Entscheidung befugt (§ 197 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Die rechtzeitig eingelegte Erinnerung ist zulässig und teilweise begründet.

In Abweichung vom Kostenfestsetzungsbeschluss vom 05.04.2006 hat die Eg den Ef außergerichtliche Kosten in Höhe von 774,65 EUR zu erstatten. Ein Anspruch auf außergerichtliche Kosten von zweimal 578,72 EUR besteht nicht, weil der Bevollmächtigte der Ef in dem Verfahren S 10 KR 419/04 nicht in mehreren, sondern gebührenrechtlich nur in einer Angelegenheit tätig geworden ist.

Nach § 15 Abs. 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) - Fassung Art. 3 KostRMoG vom 05.05.2004, § 60 RVG in der Fassung vom 01.07.2006 - entgelten die Gebühren, soweit dieses Gesetz nichts Anderes bestimmt, die gesamte Tätigkeit des Rechtsanwalts vom Auftrag bis zur Erledigung der Angelegenheit.

Absatz 2 der Vorschrift bestimmt, dass der Rechtsanwalt die Gebühr in derselben Angelegenheit nur einmal fordern kann. Wie schon bei der Vorgängervorschrift des § 15 RVG, § 13 BRAGO, wird der Begriff der "Angelegenheit" nicht näher definiert. §§ 16 und 17 RVG enthalten zwar in Katalogform je eine Aufzählung darüber, was der Gesetzgeber als "dieselbe Angelegenheit" (hierzu § 16 RVG) bzw. "verschiedene Angelegenheiten" (hierzu § 17 RVG) versteht. Diese Aufzählungen sind aber lediglich in § 17 RVG als abschließend zu betrachten.

Die Rechtsprechung geht davon aus, dass mit dem gebührenrechtlichen Begriff der Angelegenheit der anwaltliche Tätigkeitsbereich abgegrenzt werden soll, den eine Pauschalgebühr abgelten soll (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 10.04.2003, L 12 AL 4537/02). Dabei wird mit der Pauschalgebühr die gesamte Tätigkeit des Anwalts vom Auftrag bis zur Erledigung der Angelegenheit abgegolten (§ 15 Abs. 1 RVG). Ob eine oder mehrere Angelegenheiten vorliegen, wird also wesentlich vom Auftrag bestimmt. Umfasst dieser mehrere Gegenstände, also Rechte oder Rechtsverhältnisse, auf die sich die Tätigkeit aufgrund des Auftrags bezieht, liegt gleichwohl nur eine Angelegenheit vor, weil der gebührenrechtliche Begriff der Angelegenheit nicht identisch mit dem Begriff des Gegenstands ist (Gerold Schmidt u. a., Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, Kommentar, 17. Auflage, § 15 Anm. 6). In Literatur und Rechtsprechung wird eine und nicht mehrere Angelegenheiten angenommen, wenn ein einheitlicher bzw. gleichzeitiger Auftrag vorliegt, das Verfahren von Gleichartigkeit und einem inneren Zusammenhang geprägt ist und die Tätigkeit des Rechtsanwalts sich im gleichen Rahmen abspielt (a.a.O., Anm. 7 f.; LSG Baden-Württemberg, a.a.O.; Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 12.07.2005, 15 E 424/05). Mehrere verbundene Verfahren, subjektive oder objektive Klagehäufung werden als eine Angelegenheit im Sinne des Gebührenrechts angesehen (LSG Baden-Württemberg, a.a.O.).

In Anwendung dieser Grundsätze liegt hier eine Angelegenheit vor. Die Ef haben den Bevollmächtigten zeitgleich und gemeinsam mit der Wahrnehmung ihrer gleichartigen Rechte (Anwendung der "Chronikerregelung") beauftragt. Die anschließende Tätigkeit des Anwalts spielte sich auch im gleichen Rahmen ab, was dadurch belegt ist, dass er die Ansprüche seiner Mandanten in einer Klageschrift geltend machte. Der notwendige innere Zusammenhang der für die Ef erhobenen Ansprüche wird durch die Geltendmachung in einem gerichtlichen Verfahren, also die subjektive Klagehäufung bewirkt.

Darauf, ob die Ansprüche der Ef auch in getrennten Klagen hätten geltend gemacht werden können, kommt es schon deshalb nicht an, weil das Gericht nur über den Lebenssachverhalt zu befinden hat, wie er sich tatsächlich zugetragen hat, also der Geltendmachung in einem Klageverfahren. Im Übrigen sei darauf hingewiesen, dass selbst dann, wenn die Eg ihre Entscheidungen den Ef in rechtlich selbständigen Bescheiden mitgeteilt hätte, nicht automatisch gebührenrechtlich mehrere Angelegenheiten entstanden wären, weil es allein um die retrospektive Bewertung eines Geschehens an Hand der eingangs dargelegten Kriterien geht.

Der Erinnerung war jedoch insofern stattzugeben, als bei der Festsetzung der zu erstattenden außergerichtlichen Kosten Nr. 1008 VV zu berücksichtigen ist. Danach erhöht sich die Verfahrens- oder Geschäftsgebühr, wenn Auftraggeber in derselben Angelegenheit mehrere Personen sind, für jede weitere Person um 0,3 oder 30 % bei Festgebühren, bei Betragsrahmengebühren erhöhen sich der Mindest- und Höchstbetrag um 30 %. Da die Ef in dem Verfahren S 10 KR 419/04 zum kostenprivilegierten Personenkreis des § 183 SGG gehörten, sind für die Tätigkeit ihres Bevollmächtigten Rahmengebühren entstanden (§§ 3, 14 RVG). Die von ihm geltend gemachte Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV - die Festsetzung der Mittelgebühr ist zwischen den Beteiligten unstreitig - ist folglich in ihrem Gebührenrahmen von 40,00 EUR bis 260,00 EUR um jeweils 30 v. H. auf den Rahmen von 52,00 EUR bis 338,00 EUR zu erhöhen, was zugleich eine Mittelgebühr von 390,00 EUR bedeutet. Eine solche Erhöhung kommt nach Nr. 1008 VV nur für Verfahrens- oder Geschäftsgebühren in Betracht. Die Terminsgebühr (Nr. 3106 VV) kann folglich nicht erhöht werden (Gerold Schmidt, a.a.O., VV 1008 Anm. 11). Entsprechendes gilt für die Gebühr Nr. 7002 (a.a.O., VV 7001, 7002 Anm. 31).

Die von der Eg den Ef zu erstattenden außergerichtlichen Kosten berechnen sich zusammenfassend wie folgt:

Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV, erhöht gemäß Nr. 1008 VV 390,00 EUR

Terminsgebühr Nr. 3106 VV 200,00 EUR

Auslagenpauschale Nr. 7002 VV 20,00 EUR

Reisekosten Nr. 7003 VV 37,80 EUR

Tage- und Abwesenheitsgeld Nr. 7005 VV 20,00 EUR

Mehrwertsteuer Nr. 7008 VV 106,85 EUR

Summe 774,65 EUR

Der Beschluss ergeht kostenfrei. Er ist endgültig (§ 197 Abs. 2 SGG).