SG Freiburg - S 14 SF 1836/11 E - Beschluss vom 01.09.2011
Die Abweichung der Verfahrensgebühr von der Mittelgebühr ist noch billig im Sinne der Rechtsprechung, wenn zwar die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Klägerin unterdurchschnittlich waren, die Bedeutung der Sache aber weit überdurchschnittlich war.
Gründe:
I.
Der Antragsteller hat in der Hauptsache für seine Mandantin um die Höhe der vom Grundsicherungsträger zu ersetzenden Beiträge zur Basisversicherung in der privaten Kranken- und Pflegeversicherung gestritten.
Die Klägerin und Mandantin des Antragsstellers beantragte erstmals im Jahr 2009 Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende. Sie war privat versichert und konnte nicht in die gesetzliche Krankenversicherung wechseln. Zum 23.4.2009 wechselte sie in die Basisversicherung ihrer privaten Krankenversicherung und hatte danach höhere Beiträge, weil kein Selbstbehalt mehr vereinbart war. Der Beklagte bewilligte ihr um rund 156 € geringere als die tatsächlich zu entrichtenden Beiträge. Der Widerspruch hatte keinen Erfolg. Die Klage hat größtenteils Erfolg gehabt (Urteil vom 23.3.2010).
Mit Beschluss vom 5.2.2010 hat das Gericht der Klägerin Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Antragstellers im Verfahren in der ersten Instanz bewilligt.
Am 28.03.2011 hat der Antragsteller einen Kostenerstattungsantrag über 498,61 € gestellt. Dabei hat er eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3102, 3103 VV RVG i.V.m. " 2 Abs. 2 RVG in Höhe von 199 €, eine Terminsgebühr in Höhe von 200 €, eine Pauschale für Post und Telekommunikation von 20 € und Umsatzsteuer von 79,61 € berücksichtigt. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass die Frage der Höhe der zu übernehmenden Kosten für die private Krankenversicherungen eine der umstrittensten Fragen im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende in den letzten Jahren sei. Insofern sei die Rechtslage überdurchschnittlich schwierig und deshalb eine höhere als die Mittelgebühr als Verfahrensgebühr angemessen.
Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat mit Beschluss vom 30.3.2011 die Gebühren auf 464,10 € festgesetzt. dabei hat er eine Verfahrengebühr von 170 €, eine Terminsgebühr von 200 €, eine Auslagenpauschale von 20 € und Umsatzsteuer von 74,10 € angesetzt. Dieser Betrag ist an den Antragsteller ausgezahlt worden. Zur Begründung hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle ausgeführt, dass das Verfahren als durchschnittliche einzustufen sei. Die Klägerin habe unterdurchschnittliche Einkommens- und Vermögensverhältnisse, die Bedeutung der Sache sei im Hinblick auf ihre Vermögensverhältnisse überdurchschnittlich. Es ergebe sich insofern eine billige Gebühr im Bereich der Mittelgebühr, die anzusetzen sei.
Dagegen hat der Antragsteller am 6.4.2011 erinnert und auf dei Begründung seines Antrags verwiesen.
Der Bezirksrevisor hat sich der Auffassung des Urkundsbeamten angeschlossen.
II.
Die im Rahmen der Prozesskostenhilfe an den Antragsteller zu erstattenden Kosten sind in der vom Antragsteller beantragten Höhe festzusetzen.
Nach §§ 11 Abs. 2 und 3, 12 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG), 197 Abs. 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) setzt der Urkundsbeamte des Gerichts auf Antrag den Betrag der zu erstattenden Kosten fest. Dagegen kann das Gericht angerufen werden.
Nach § 45 Abs. 1 RVG erhält der im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnete Rechtsanwalt die gesetzliche Vergütung nach dem RVG. Die Gebühren für die anwaltliche Tätigkeit im sozialgerichtlichen Verfahren bestimmt sich nach §§ 14, 3 RVG in Verbindung mit dem Vergütungsverzeichnis (VV) in der Anlage 1 zum RVG. Die Bestimmung der angemessenen Gebühr bleibt nach § 14 Abs. 1 RVG grundsätzlich dem billigen Ermessen des Rechtsanwalts überlassen. Wenn die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen ist und die Gebührenbestimmung unbillig ist, muss sie durch andere Personen oder Stellen - in diesem Fall durch das Gericht - erfolgen, § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG. Zwischen "unbillig" und "billig" liegt ein Toleranzrahmen, der begrenzt ist. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist eine Bestimmung dann unbillig, wenn sie um 20 % oder mehr von der Vorstellung derjenigen Stelle abweicht, die die Festsetzung vorzunehmen hat (BSG, Urteil vom 26.2.1992 - 9 RVS 3/90, Juris Rn. 14). Insofern kommt es nach der Rechtsprechung auf die Vorstellung der die Höhe der zu erstattenden Gebühren festsetzenden Stelle an. Hier ist das Gericht zur Festsetzung der Höhe der zu erstattenden Kosten berufen.
Es sind alle Umstände des Einzelfalls, insbesondere die Bedeutung der Angelegenheit, der Umfang und die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sowie die Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Auftraggebers zu berücksichtigen. Die Höhe der Gebühren bestimmt sich nach dem Vergütungsverzeichnis (VV) im Anhang zum RVG.
Im Vorliegenden Einzelfall ist es für die Verfahrensgebühr die Abweichung von der Mittelgebühr um 29 € noch billig im Sinne der Rechtsprechung. Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Klägerin unterdurchschnittlich waren. Die Bedeutung der Sache war für sie aber weit überdurchschnittlich. Es war nicht nur ihr sozio-kulturelles Existenzminimum gefährdet sondern ihre physische Existenz. Sie konnte mit den bewilligten Kosten für die Krankenversicherung ihre Absicherung im Krankheitsfall nicht decken und riskierte deshalb auch die Sicherung ihres neugeborenen Kindes zu verlieren. Darüber hinaus war die Schwierigkeit der Sache für den Antragsteller vorliegend überdurchschnittlich, weil hier eine rechtliche Argumentation gegen den Gesetzeswortlaut notwendig war. Insofern musste er sich ausführliche mit Argumenten für und wider die Übernahme der tatsächlichen Kosten auseinandersetzen. Dazu kam, dass die Klägerin hier nach der Antragstellung beim Beklagten eine teurere Krankenversicherung abgeschlossen hatte, so dass auch insofern eine besondere Argumentation notwendig war. Diese besonderen Schwierigkeiten rechtfertigen eine Verfahrensgebühr oberhalb der Mittelgebühr. Die vom Antragsteller angesetzte Gebühr war deshalb noch angemessen.
Es sind deshalb die zu erstattenden Kosten entsprechend dem Antrag des Antragstellers festzusetzen.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar, §§ 197 Abs. 2 SGG, 11 RVG.