SG Duisburg - S 24 SB 4/05 - Urteil vom 28.02.2006
Eine über das Antragsdatum hinaus zurückwirkende Feststellung des GdB setzt u.a. die Glaubhaftmachung eines besonderen Interesses des schwerbehinderten Menschen daran voraus. Rentenversicherungsrechtliche Vorteile - § 236 a SGB VI, nach dessen Satz 6 die Altersgrenze von 60 Jahren nicht angehoben wird für Versicherte, die bis zum 16.11.1950 geboren sind und am 16.11.2000 schwerbehindert waren - begründen dieses besondere Interesse nicht.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von 50
bereits ab 15.11.2000.
Der 1947 geborene Kläger beantragte erstmals am 18.09.2001 die Feststellung
eines GdB. Die Versorgungsverwaltung holte einen Befundbericht des Chirurgen Dr.
U. ein, der am 05.10.2001 über Behandlungen des Klägers zwischen dem 28.05. und
06.06.1997 wegen Beschwerden im Ellenbogengelenk rechts berichtete, und einen
Befundbericht der praktischen Ärzte Dres. O., die am 29.11.2001 über die
Diagnose einer teilweise dekompensierten Herzinsuffizienz bei Hypertonie, KHK,
Zustand nach Stentimplantation, Perikardzyste, Schlafapnoesyndrom und
Hyperlipidämie berichteten. Die körperliche Belastbarkeit des Klägers sei
deutlich reduziert. Es liege insgesamt ein progredientes Krankheitsbild vor.
Beigefügt war ein Bericht des St. Elisabeth-Krankenhauses, P., an Dres. O. vom
08.08.2001 über eine stationäre Behandlung des Klägers vom 12. bis 19.07. und
21.07. bis 01.08.2001. Dort werden folgende Diagnosen mitgeteilt: Dekompensierte
Herzinsuffizienz bei arteriellem Hypertonus mit hypertensiver Herzer-krankung
und coronarer Eingefäßerkrankung mit hochgradiger CX-Stenose, eingeschränkter
Ejektionsfraktion (40 %), erfolgreicher CX-Doppel-Stent-Implantation am
19.07.01; Pericardcyste; obstruktives mittelgradiges Schlafapnoesyndrom,
Einleitung einer nächtlichen CPAP-Therapie; Hyperlipoproteinämie.
In einer gutachterlichen Stellungnahme für die Versorgungsverwaltung vom
20.12.2001 kam der Medizinaloberrat Dr. T. zu der Einschätzung, dass bei dem
Kläger vorlägen:
1. Herzminderleistung bei Kranzgefäßmangeldurchblutung mit erfolgter
Gefäßaufdehnung und Schienung sowie bei Bluthochdruckleiden mit
Herzmuskelschädigung (GdB 20
2. schlafbezogene Atemstörung mit notwendiger nächtlicher Überdruckbeatmung (GdB
20)
3. verschleißbedingte Funktionsstörung der Halswirbelsäule (GdB 10).
Der Gesamt-GdB betrage 30 ab Antrag.
Gestützt darauf stellte das beklagte Land mit Bescheid vom 04.01.2001 einen GdB
von 30 ab 18.09.2001 fest. Dieser Bescheid wurde bestandskräftig.
Am 16.02.2004 beantragte der Kläger gemäß § 44 SGB X Überprüfung des Bescheides
vom 04.01.2002 und vertrat dabei die Auffassung, für die Erkrankung des Herzens
sei sicherlich ein GdB von 30, wenn nicht gar 40 gerechtfertigt. Auch bei den
Funktionsstörungen der Halswirbelsäule und den Beschwerden des rechten
Ellenbogengelenks sei sicherlich ein GdB von 20, wenn nicht 30 gerechtfertigt,
so dass insgesamt von seiner Schwerbehinderteneigenschaft auszugehen sei. Diese
hätten mit Sicherheit auch schon bereits 1999, spätestens jedoch Mitte 2000
vorgelegen.
In einer gutachterlichen Stellungnahme vom 22.03.2004 kam die Vertragsärztin X.
zu der Auffassung, dass bei dem Kläger vorlägen:
1. Herzminderleistung bei Kranzgefäßmangeldurchblutung mit erfolgter
Gefäßaufdehnung und Schienung sowie bei Bluthochdruckleiden mit
Herzmuskelschädigung (GdB 40)
2. schlafbezogene Atemstörung mit notwendiger nächtlicher Überdruckbeatmung (GdB
20)
3. verschleißbedingte Funktionsstörung der Halswirbelsäule (GdB 10).
Der Gesamt-GdB betrage 50 ab Juli 2001. Die Versorgungsverwaltung zog sodann
noch einen ärztlichen Entlassungsbericht der Reha-Klinik X., Bad I., vom
17.12.2001 über einen Aufenthalt vom 06.11. bis 04.12.2001 bei, in dem folgende
Diagnosen gestellt werden:
1. Dekompensierte Herzinsuffizienz 7/01 bei arterieller Hypertonie und coronarer
1-Gefäßerkrankung
2. PTCA und Stentimplantation einer hochgradigen CX-Stenose 7/01
3. Hyperuricämie
4.Schlafapnoe-Syndrom mit NC-PAP-Therapie
Ausweislich eines mit dem Namen "C." gezeichneten Vermerk vom 02.06.2004 vertrat
sie die Auffassung, die nachträglich eingegangenen Befunde änderten an dem
Ergebnis der Stellungnahme vom 22.03.2004 nichts.
Mit Bescheid vom 08.07.2004 stellte das beklagte Land unter entsprechender
Rücknahme des Bescheides vom 04.01.2002 ab 18.09.2001 einen GdB von 50 fest. In
der Begründung des Bescheides heißt es u.a., abweichend von den gültigen
Eintragungen unter "Ausweisinhalt" könne der Kläger mit dem Ausweis folgende
Feststellungen nachweisen: Gültig ab 01.07.2001, GdB 50. Eine Feststellung ab
1999 oder Mitte 2000 sei nicht möglich gewesen, da das Ausmaß der
Herzminderleistung erst ab Juli 2001 dokumentiert sei. Zur Begründung seines am
28.07.2004 eingelegten Widerspruchs verwies der Kläger auf einen Bericht des
Allgemeinmediziners B. vom 06.09.1995 an die Techniker Krankenkasse C., in dem
über ein rezidivierendes HWS-LWS-Syndrom, arterielle Hypertonie, Adipositas und
berufliche Überforderungssymptomatik berichtet wird.
In einer gutachterlichen Stellungnahme für die Versorgungsverwaltung kam der
Sozialmediziner Dr. B1 am 29.11.2004 zu dem Ergebnis, dass aufgrund des
Ergebnisses der im Juli 2001 durchgeführten echokardiografischen Untersuchung
schon zum damaligen Zeitpunkt der in den Anhaltspunkten vorgesehene
Ermessensspielraum für eine zweitgradige Herzleistungsschwäche habe ausgeschöpft
werden und die Funktionsstörung des Herzkreislaufssystems mit einem GdB von 40
bewertet werden können. Somit könne der Gesamt-GdB ab September 2001 mit 50
angesetzt werden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 03.01.2005 wies das beklagte Land den Widerspruch
des Klägers als unbegründet zurück. Eine rückwirkende Feststellung des GdB von
50 ab 1999 sei nicht möglich, die echokardiografische Untersuchung sei im Juli
2001 erfolgt, zuvor seien keine pathologischen Befunde aufgefallen, die eine
Vordatierung rechtfertigten. Das bedeute auch, dass eine entsprechende
Eintragung nach § 6 Abs. 1 Satz 2 Schwerbehindertenausverordnung (SchwbG-AwVO)
nicht möglich sei.
Zur Begründung seiner am 11.01.2005 erhobenen Klage meint der Kläger nach wie
vor, die ärztlichen Befunde belegten einwandfrei, dass die
Schwerbehinderteneigenschaft bei ihm bereits ab 1999, spätestens jedoch ab Mitte
2000 in Betracht komme. Außerdem habe ihn die Bundesversicherungsanstalt für
Angestellte (BfA) mit Bescheid vom 05.10.2004 eine Rente wegen Erwerbsminderung
zugebilligt.
Er begehre die frühere Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft im Hinblick
auf die Auswirkungen von § 236 a SGB VI, damit er ab Vollendung des 60.
Lebensjahres Altersrente für schwerbehinderte Menschen beziehen könne.
Das Gericht hat nach entsprechendem Hinweis des Klägers aus dem von ihm beim
Sozialgericht Duisburg geführten Klageverfahren S 21 R 98/05, die dortige
Beweisanordnung vom 06.07.2005 beigezogen. Daraus ist ersichtlich, dass in
diesem Rentenklageverfahren der Gesundheitszustand und die körperliche
Leistungsfähigkeit des Klägers ab Mai 2004 ermittelt werden.
Das Gericht hat die den Kläger betreffenden Akten der BfA beigezogen. Darin
enthalten ist ein ärztliches Gutachten der Ärztin für innere Medizin Dr. H. vom
30.04.2004, in dem folgende Diagnosen genannt werden:
1. Bluthochdruck mit Hochdruckherzerkrankung
2. Herzkranzgefäßerkrankung, Protheseneinpflanzung 2001
3. Herzrhythmusstörungen
4. Wirbelsäulenverschleißerkrankung
5. schlafbezogene Atmungsstörung
6. Geschwürsleiden des Magens und Zwölffingerdarms
7. Übergewicht
8. Fettstoffwechselstörung
9. wiederkehrende Senenansatzreizung beider Ellenbogen
In diesen Akten befindet sich eine von der T. Krankenkasse E. ausgestellte
Bescheinigung von Arbeitsunfähigkeitszeiten vom 20.04.2004 betreffend die Zeit
zwischen dem 15.07.1987 und 12.04.2004
Zeitraum 21.01.2004 - 12.04.2004 Diagnosen M518 Sonstige näher bezeichnete
Bandscheibenschäden, R101 Schmerzen im Bereich des Oberbauches
Zeitraum 12.03.2002 - 13.03.2002 Diagnosen G473 Schlafapnoe
Zeitraum 26.02.2002 - 02.03.2002 Diagnosen I259 Chronische ischämische
Herzkrankheit, nicht näher bezeichnet
Zeitraum 06.11.2001 - 04.12.2001 Diagnosen 1-Gefäßerkrankung
Zeitraum 12.07.2001 - 20.08.2001 Diagnosen I509 Dekompensierte Herzinsuffizienz
Zeitraum 24.08.1998 - 26.08.1998 Diagnosen HWS-Syndrom
Zeitraum 27.11.1997 Diagnosen chron. Epicondylitis
Zeitraum 18.09.1997 - 26.09.1997 Diagnosen Chron. Epicondylitis
Zeitraum 18.11.1996 - 20.11.1996 Diagnosen HWS-LWS-Syndrom
Zeitraum 02.05.1996 - 06.05.1996 Diagnosen Epicondylitis re. Ellenbogen
Zeitraum 09.11.1995 Diagnosen Pharyngo-Bronchitis
Zeitraum 04.09.1995 Diagnosen Schlaflosigkeit infolge starker Pulpitis am Zahn
Zeitraum 10.10.1994 Diagnosen deg. Schulter-Arm-Syndrom re. 22.06.1994
pharyngo-Bronchitis
Zeitraum 22.03.1993 - 26.03.1993 Diagnosen HWS-Syndrom
Zeitraum 03.04.1988 - 11.04.1988 Diagnosen Unf: 02.04.1988, EA: kein Anspruch,
Fest: 06.04.1988, verd a ruptur d bandapparates li sprunggelenk 15.07.1987 Unf:
14.07.1987, EA: UV-Träger, prellung re daumen.
Sodann hat das Gericht einen Befundbericht eingeholt von den praktischen Ärzten
Dres. O., die unter dem 10.05.2005 u.a. darüber berichteten, die Erstbehandlung
wegen der Herzbeschwerden sei am 02.07.2001 (erste Hinweise auf dekompensierte
Herzinssufizienz) erfolgt, danach regelmäßig.
Der Kläger beantragt,
das beklagte Land unter Änderung des Bescheides vom 08.07.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.01.2005 zu verurteilen, den Bescheid vom 04.01.2002 zu ändern und bei dem Kläger einen GdB von 50 bereits ab 15.11.2000 festzustellen.
Das beklagte Land beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es ist unter Berücksichtigung der weiteren Ermittlungen der Auffassung, dass
die Schwerbehinderteneigenschaft des Klägers nicht früher festgestellt werden
könne.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen
auf den Inhalt der Prozessakten und der den Kläger betreffenden Akten des
Beklagten. Diese Akten haben vorgelegen und sind ihrem wesentlichen Inhalt nach
Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Zurecht hat das beklagte Land die Vorverlegung der Feststellungen eines GdB von
50 auf einen Zeitpunkt vor Juli 2001 abgelehnt.
Das beklagte Land hat mit bestandskräftigem Bescheid vom 04.01.2002 bei dem
Kläger einen GdB von 30 ab 18.09.2001 festgestellt. Dabei hat es sich zurecht an
dem Zeitpunkt der Antragstellung orientiert, denn bei der Feststellung des GdB
handelt es sich um eine Statusfeststellung (BSG, Urteil vom 29.05.1991, 9 a/9
RVs 11/89 = SozR 3-1300, § 44 Nr. 3). Eine solche Statusfeststellung kann sich
grundsätzlich nur in der Zukunft auf die Gestaltung verschiedener
Rechtsverhältnisse auswirken. Die Nebenfolgen (z.B. steuer-rechtliche Vorteile)
sind nur eine der möglichen Folgen des feststellenden Verwaltungsaktes. Sie
prägen das sozialrechtliche Statusverfahren nicht. Die Statusfeststellung und
die Statusänderungen wirken prinzipiell in die Zukunft. Eine beschränkte
Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Antragstellung gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1
SchwbG-AwVO trägt dem Interesse der schwerbehinderten Menschen daran Rechnung,
dass sie nicht durch die Dauer eines Verwaltungsverfahrens unzumutbar
benachteiligt werden. Die weitere Rückwirkung des Antrages, wie sie in § 6 Abs.
1 Satz 2 SchwbG-AwVO vorgesehen ist, muss auf offenkundige Fälle beschränkt
werden (für alles BSG a.a.O.).
Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das
Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der
sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zurecht nicht
erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt,
auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, gemäß § 44 Abs. 1 SGB X mit Wirkung
für die Vergangenheit zurückzunehmen. Im übrigen ist gemäß § 44 Abs. 2 SGB X ein
rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt auch, nachdem er unanfechtbar
geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er
kann auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen werden.
Nach der Rechtsprechung des BSG (a.a.O.) findet § 44 Abs. 1 SGB X auf
bestandskräftige Bescheide über die Feststellung eines GdB keine Anwendung, denn
bei der Feststellung des GdB handelt es sich nicht um die Feststellung einer
sozialrechtlichen Leistung. Bestandskräftige, rechtswidrige nicht begünstigende
Verwaltungsakte über die Feststellung eines GdB sind daher grundsätzlich nur
gemäß § 44 Abs. 2 Satz 1 SGB X mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Die
Rücknahme auch für die Vergangenheit steht gemäß § 44 Abs. 2 Satz 2 SGB X im
Ermessen der zuständigen Behörde (BSG a.a.O.). Die weitere Rückwirkung des
Antrags, wie sie in § 6 Abs. 1 Satz 2 SchwbG-AwVO vorgesehen ist, muss nach den
vom BSG entwickelten Grundsätzen (BSG a.a.O.) auf offenkundige Fälle beschränkt
werden, in denen auch bei Anwendung des § 44 Abs. 2 SGB X das pflichtgemäße
Ermessen die rückwirkende Aufhebung gebieten könnte. Die Rücknahme kann nicht
zwingend angeordnet werden, sondern ist auf die Fälle zu beschränken, in denen
die Rücknahme Dritte nicht oder nicht unzumutbar belastet (BSG a.a.O.).
In den angefochtenen Bescheiden hat das beklagte Land den Ursprungsbescheid vom
04.01.2002 dahingehend geändert, dass es statt eines GdB von 30 einen solchen
von 50 ab Antragstellung am 18.09.2001 festgestellt hat. In Anwendung von § 6
Abs. 1 Satz 2 SchwbG-AwVO hat es im Ausweis eingetragen, dass Gültigkeit auf
Feststellung eines GdB von 50 bereits ab 01.07.2001 bestehe. Diese Entscheidung
nach § 44 Abs. 2 Satz 2 SGB X ist nicht zu beanstanden. Die Feststellung des GdB
von 50 rückwirkend auf den Zeitpunkt der Antragstellung entspricht der
gesetzlichen Regelung in § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX, wonach auf Antrag des
behinderten Menschen das Vorliegen des GdB festzustellen ist. Eine gesetzliche
Grundlage für die Feststellung des GdB bereits für die Zeit vor Antragstellung
gibt es nicht. Lediglich in § 6 Abs. 1 Satz 2 SchwbG-AwVO ist vorgesehen, dass
unter den dort genannten Voraussetzungen im Ausweis zusätzlich das Datum
einzutragen ist, von dem ab die jeweiligen Voraussetzungen mit dem Ausweis
nachgewiesen werden können. Eine Eintragung eines früheren Zeitpunktes im
Ausweis, von dem ab die jeweiligen Voraussetzungen mit dem Ausweis nachgewiesen
werden könnten, ist nicht möglich. Sie ist - wie ausgeführt - auf offenkundige
Fälle zu beschränken. Schon daran fehlt es hier.
Ausweislich der Bescheinigung über Arbeitsunfähigkeitszeiten der T. Krankenkasse
E. vom 20.04.2004 ist der Kläger erstmals am 12.07.2001 wegen seiner
Herzerkrankung arbeitsunfähig geworden. Die letzte Arbeitsunfähigkeit vor dem
12.07.2001 lag in der Zeit vom 24. bis 26.08.1998 und betraf ein
Halswirbelsäulensyndrom. Alle weiteren davor seit der Zeit vom 15.07.1987
bescheinigten Arbeitsunfähigkeitszeiten betreffen ebenfalls keine
Herzerkrankung. Tatsächlich hat sich der Kläger auch erstmals im Juli 2001 wegen
seiner Herzerkrankung in ärztliche Behandlung begeben. Auch die
Bluthochdruckerkrankung hat nicht langjährig bestanden. Nach der im
Reha-Entlassungsbericht der Klinik X. mitgeteilten Eigenanamnese hat der Kläger
dort angegeben, die arterielle Hypertonie sei seit ca. einem Jahr bekannt, also
seit ca. November 2000. Aus dem Vorliegen einer arteriellen Hypertonie kann
jedoch nicht zwingend auf das Vorliegen einer Herzerkrankung geschlossen werden.
Die Dres. O., bei denen der Kläger ausweislich der von ihm gemachten Angaben im
Fragebogen über ärztliche Behandlungen und Untersuchungen seit ca. 1983 in
Behandlung ist, haben in ihrem Befundbericht an das Gericht vom 10.05.2005
mitgeteilt, dass die Erstbehandlung wegen der Herzbeschwerden am 02.07.2001 mit
ersten Hinweisen auf dekompensierte Herzinsuffizienz erfolgt sei. Zwar wird in
dem Bericht des Allgemeinmediziners Dr. Br. vom 06.09.1995 eine arterielle
Hypertonie bereits erwähnt. Dieser Bericht ist auch den Dres. O. übersandt
worden, die den Kläger in der Folgezeit behandelt haben, ohne dass die
Behandlung der Hypertonie Hinweise auf eine Herzerkrankung gegeben haben. Das
Erfordernis der Offenkundigkeit schließt nach Ansicht des Gerichtes der Versuch
einer Sachaufklärung durch Einholung eines medizinischen Gutachtens aus. Dabei
lässt sich das Gericht von der Überlegung leiten, dass auch bei einer
Krebserkrankung der für diese Erkrankung in den AHP vorgesehene GdB erst ab dem
Zeitpunkt festzustellen ist, in dem das Vorliegen dieser Erkrankung gesichert
ist (Bayrisches LSG, L 15 SB 86/04, Urteil vom 30.06.2005). Nichts anderes kann
nach Ansicht des Gerichts für alle anderen Behinderungen gelten, mithin auch für
Herzerkrankungen, obwohl sich diese regelmäßig, ebenso wie Krebserkrankungen,
über einen mehr oder weniger langen Zeitraum vor der Feststellung entwickeln.
Unabhängig davon setzt die zusätzliche Eintragung des Datums, von dem ab ein GdB
abweichend vom Datum der Antragstellung festgestellt werden kann, die
Glaubhaftmachung eines besonderen Interesses des schwerbehinderten Menschen
daran voraus, dass ein anderer Grad der Behinderung zu einem früheren Zeitpunkt
vorgelegen hat. Es genügt mithin nicht jedes Feststellungsinteresse, sondern es
muss ein solches sein, das die Interessen des Betroffenen über das allgemeine
Feststellungsinteresse vergleichbarer Betroffener hinaushebt. Der Kläger
begründet sein Begehren mit einem Hinweis auf § 236 a SGB VI, nach dessen Satz 6
die Altersgrenze von 60 Jahren nicht angehoben wird für Versicherte, die bis zum
16.11.1950 geboren sind und am 16.11.2000 schwerbehindert waren. Durch die
Feststellung seiner Schwerbehinderteneigenschaft ab 15.11.2000 wäre der 1947
geborene Kläger im Sinne dieser Vorschrift begünstigt. Allerdings ist das
Gericht der Auffassung, dass sich das Interesse des Klägers insoweit nicht vom
Interesse aller bis zum 16.11.1950 geborenen unterscheidet. Durch eine frühere
Feststellung seiner Schwerbehinderteneigenschaft werden in Zusammenhang mit §
236 a SGB VI auch Wirkungen im Verhältnis zu am Verfahren nicht beteiligten
Dritten ausgelöst. Ohne die begehrte Feststellung kann der Kläger nicht
abschlagsfrei mit Vollendung des 60. Lebensjahres Altersrente für
schwerbehinderte Menschen beziehen, mit der begehrten Feststellung wäre dies
möglich. Betroffen durch die begehrte Feststellung ist mithin der für den Kläger
zuständige Rentenversicherungsträger unmittelbar und mittelbar die gesamte
Versichertengemeinschaft. Die Änderungen in den Möglichkeiten zum Bezug von
Altersrente für schwerbehinderte Menschen sind eine Maßnahme zur Niedrighaltung
der Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung. Diese werden konterkariert,
wenn im Rahmen von Überprüfungsanträgen nach § 44 Abs. 2 SGB X Feststellungen
getroffen werden, um einem schwerbehinderten Menschen die Möglichkeit zu geben,
in den Genuss der Übergangsregelung von § 236 a Abs. 6 SGB VI zu kommen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.