SG Duisburg - Beschluss vom 31.10.2006 - S 24 SB 99/06
Keine Prozesskostenhilfe bei "mutwilliger" Rechtsverfolgung
Trotz Erfolgsaussicht der Klage ist Prozesskostenhilfe nicht zu gewähren, wenn die Rechtsverfolgung mutwillig ist. Mutwilligkeit i.d.S. liegt vor, wenn ein verständiger Beteiligter bzw. ein nicht bedürftiger Beteiligter unter Beachtung des Prozessrisikos einen Prozess um die Erhöhung eines GdB, bei dem er aus einem günstigen Urteil auf absehbare Zeit keinen Vorteil ziehen kann, nicht führen würde.
Gründe
I.
Bei dem 1955 geborenen Antragsteller ist durch Bescheid vom 08.04.1998 seit
24.02.1998 ein GdB von 60 festgestellt. Zur Begründung seines am 05.10.2005
gestellten Änderungsantrages berief er sich auf im Klageverfahren vor dem SG
Duisburg (S 11 RA 8/04) eingeholte Gutachten, aufgrund deren ihm Rente wegen
Erwerbsunfähigkeit zuerkannt worden sei. Mit Bescheid vom 24.11.2005 und
Widerspruchsbescheid vom 18.04.2006 lehnte die Antragsgegnerin die Feststellung
eines höheren GdB ab.
Mit seiner am 10.05.2006 erhobenen Klage begehrt der Antragsteller die Feststellung eines GdB von mehr als 60 und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts. Auf Anfrage des Gerichts, welchen Vorteil der Antragsteller von einem höheren GdB habe, hat er durch seinen Bevollmächtigten mitteilen lassen, dass er die Vorzüge des § 33 EStG für sich in Anspruch nehmen möchte, wenn seine Ehefrau, die derzeit arbeitslos sei, wieder in einem steuerpflichtigen Arbeitsverhältnis stehe, was sie anstrebe. Sie habe bereits von Januar bis März in einem Zeitarbeitsverhältnis gestanden und erwarte in Kürze noch vor dem Weihnachtsgeschäft eine Weiterbeschäftigung. Es könnten dann die Pauschbeträge nach § 33 b Abs. 3 EStG als außergewöhnliche Belastung abgesetzt werden.
Ausweislich der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse und der dazu beigefügten Unterlagen bezieht der Kläger eine Rente wegen Erwerbsminderung in Höhe von 550,75 EUR brutto, abzüglich 51,22 EUR Sozialversicherungsbeiträge. Seine Frau erhält seit 14.04.2006 bis maximal 18.03.2007 Arbeitslosengeld nach einem täglichen Leistungsbetrag von 30,89 EUR. Für ein am 13.12.1988 geborenes Kind wird Kindergeld in Höhe von 154,00 EUR monatlich gezahlt.
II.
Nach § 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 114 ZPO erhält ein Beteiligter unter
bestimmten persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen Prozesskostenhilfe,
wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung ausreichende Aussicht auf Erfolg bietet
und nicht mutwillig erscheint. Auch wenn unter Berücksichtigung der
Klagebegründung hinreichende Erfolgsaussichten der Klage bei summarischer
Prüfung nicht verneint werden und der Antragsteller nach den eingereichten
Unterlagen nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die
Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann, kann ihm Prozesskostenhilfe
nicht bewilligt werden, denn die Rechtsverfolgung ist mutwillig im Sinne der
Regelung über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe.
Trotz Erfolgsaussicht der Klage wird Prozesskostenhilfe nicht gewährt, wenn die Rechtsverfolgung mutwillig ist (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, Kommentar, 8. Auflage, § 73 a RdNr. 8; Baumbach, Lauterbach, Albers, Hartmann, ZPO, Kommentar, 61. Auflage, § 114 RdNr. 106; Bayrisches LSG, Beschluss vom 19.05.2000, L 18 B 53/00 SB PKH, SGB 2000, Seite 369; LSG NRW, Beschluss vom 15.05.2000, L 3 B 7/02 P, NZS 2003, Seite 112). Dabei gilt für § 114 ZPO nicht der selbe Mutwillensbegriff wie in § 192 SGG (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer a.a.O.). Der im sozialgerichtlichen Verfahren seltene Fall des Mutwillens kann vorliegen, wenn ein Beteiligter, der für Kosten selbst aufkommen muss, diesen Prozess nicht oder nicht in vollem Umfang führen würde, etwa weil er durch ein günstiges Urteil auf absehbare Zeit keinen Vorteil hätte (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer a.a.O.; Baumbach, Lauterbach, Albers-Hartmann, a.a.O., RdNr. 107: "Maßgeblich ist ... der Nutzen einer Entscheidung überhaupt"; LSG NRW a.a.O.; rechtskräftiger Beschluss der Kammer vom 02.02.2004, S 24 SB 301/03). Um einen solchen Fall von Mutwillen handelt es sich hier. Nach Auffassung des Gerichts kann der Antragsteller aus einer für ihn günstigen Entscheidung derzeit keinen Nutzen ziehen. Aus den von ihm eingereichten Unterlagen im Rahmen seiner Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse seiner Familie ergibt sich, dass mit Ausnahme der Sozialleistung Kindergeld seine Erwerbsunfähigkeitsrente und das Arbeitslosengeld seiner Frau derzeit deren einzige Einnahmequelle ist. Vermögen hat er nicht. Aus dem von der Höhe des GdB abhängigen Steuerfreibetrags kann er daher aktuell keinen Nutzen ziehen. Es erschließt sich auch nicht, dass unter Berücksichtigung der familiären Situation und der allgemeinen steuerlichen Freibeträge auch bei Wiederaufnahme einer Erwerbstätigkeit durch die Ehefrau des Klägers - die dann ohnehin im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung zu einer erneuten Überprüfung führen müsste - es überhaupt auf die vom GdB abhängigen Steuerfreibeträge zur Geltendmachung außergewöhnlicher Belastungen ankommt und nicht ohnehin unabhängig davon Steuerfreiheit besteht. Es handelt sich damit mit anderen Worten um eine Klage aus Prinzip. Ein verständiger Beteiligter bzw. ein nicht bedürftiger Beteiligter würde bei einer solchen Konstellation unter Beachtung des Prozessrisikos einen Prozess um die Erhöhung eines GdB, bei dem er aus einem günstigen Urteil auf absehbare Zeit keinen Vorteil ziehen kann, nicht führen.