Gründe:

I.

Die am 00.00.1987 geborene Antragstellerin ist Schülerin. Sie zog zum 1. Januar 2004 aus der elterlichen Wohnung aus und lebt seitdem mit Herrn G, der am 00.00.1981 in P geboren wurde, in einer gemeinsamen Wohnung in der Mstraße 00 in 00000 E. Mit dem Vorgenannten besteht ein Untermietvertrag, ausweislich dessen die Antragstellerin 153,00 Euro Miete und 44,60 Euro Nebenkosten monatlich zu zahlen hat. Die Antragstellerin erhält Kindergeld in Höhe von 154 Euro monatlich. Ihr BAföG-Antrag wurde unter Hinweis auf § 2 Abs.1a BAföG abgelehnt.

Unter dem 10.06.2005 stellte die Antragstellerin einen Antrag auf Leistungen nach dem SGB II, mit dem sie angab, keinen Anspruch auf BAföG-Leistungen zu haben.

Die Antragsgegnerin beauftragte daraufhin ihren internen Ermittlungsdienst damit, Nachforschungen über das Verhältnis der Antragstellerin und des Herrn G anzustellen. Der Ermittlungsdienst der Antragsgegnerin befragte daraufhin die Eigentümerin des Hauses T. Str. 0, Frau I. Diese teilte dem Ermittlungsdienst angeblich mit, sie sei sich sicher, dass es sich bei der Antragstellerin und Herrn G um eine "Liaison D Amour" handele. Zu der von Frau I erteilten Genehmigung zur Untervermietung sei es nur gekommen, weil die Antragstellerin und Herr G ihr diesen unter dem Vorwand eines BaföG-Antrages "abgeschwatzt" hätten.

Mit Bescheid vom 19.07.2005 lehnte die Antragsgegnerin die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II mit der Begründung ab, die Antragstellerin lebe in "eheähnlicher Lebensgemeinschaft" und müsse sich daher Einkommen ihres Partners anrechnen lassen. Da entsprechende Einkommensnachweise nicht zur Akte gereicht worden seien, sei der Antrag abzulehnen.

Gegen den Bescheid legte die Antragstellerin unter dem 15. August 2005 (eingegangen bei der Antragsgegnerin am 17. August 2005) Widerspruch ein. Zur Begründung führte sie aus, sie lebe lediglich in einer Wohngemeinschaft nicht aber in einer "eheähnlichen Lebensgemeinschaft" mit Herrn G.

Über den Widerspruch ist bis dato nicht entschieden worden.

Unter dem 09.11.2005 begehrte die Antragstellerin einstweiligen Rechtsschutz mit dem Antrag,

die Antragsgegnerin zu verpflichten, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Die Antragsgegnerin hat keinen Antrag gestellt.

Sie ist der Auffassung, die Antragstellerin lebe in "eheähnlicher Lebensgemeinschaft" mit Herrn G.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.

II.

Der nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat in der Sache Erfolg.

Die Antragstellerin hat einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht, denn sie hat versichert, derzeit von lediglich 154,00 Euro Kindergeld leben zu müssen. Diese Geldmittel reichen zur Bestreitung des Lebensunterhalts erkennbar nicht aus.

Die Antragstellerin hat auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht, denn nach der im vorliegenden Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung dürfte der Widerspruch der Antragstellerin gegen die Ablehnung von SGB II Leistungen erfolgreich sein, denn der ablehnende Bescheid ist rechtswidrig.

1. Die Antragstellerin hat dem Grunde nach Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II. Da ihr BAföG– Antrag nach § 2 Abs. 1 a BaföG abgelehnt wurde, steht nach § 7 Abs. 6 Nr. 1 SGB II die Vorschrift des § 7 Abs. 5 SGB II einer Leistungsgewährung nicht entgegen.

2. Eine Leistungsgewährung kann auch nicht unter Hinweis auf ein Einkommen des Herrn G versagt werden.

a) Diesbezüglich fehlt es schon an den erforderlichen Feststellungen, zu denen die Antragsgegnerin nach § 20 SGB X verpflichtet ist. Nach Aktenlage ist weder ermittelt ob Herr G Einkommen hat, noch in welcher Höhe. Eine vollständige Ablehnung des Antrages käme – selbst wenn die Mutmaßungen der Antragsgegnerin zu einer eheähnlichen Gemeinschaft begründet wären – allenfalls dann in Betracht, wenn Herr G ein Einkommen erzielen würde, dass oberhalb des Bedarfs der Gemeinschaft von Herrn G und der Antragstellerin liegen würde. Die Ablehnung des Antrages allein mit der von der Antragsgegnerin vorgetragenen Begründung (eheähnliche Lebensgemeinschaft) ist abwegig und nicht einmal im Ansatz mit den Vorschriften des SGB II in Einklang zu bringen.

b) Aber selbst wenn Herr G über ausreichendes Einkommen verfügen sollte, kann eine Anrechnung seines Einkommens – nach dem derzeit bekannten Sachstand - nicht erfolgen. Es ist nämlich nicht wahrscheinlich, dass die Antragstellerin mit Herrn G in einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft zusammenlebt. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. z.B. Bundesverfassungsgerichtsentscheidungen 87, 234 zu § 137 Abs. 2a AFG) ist eine eheähnliche Lebensgemeinschaft eine Lebensgemeinschaft zwischen einem Mann und einer Frau, die auf Dauer angelegt ist, daneben keine weitere Lebensgemeinschaft gleicher Art zulässt, und sich durch innere Bindungen auszeichnet, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner füreinander begründen, also über die Beziehungen in einer reinen Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgehen. Eine gegenseitige Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft ist - nach der vorgenannten Rechtsprechung - nur bei solchen Gemeinschaften gegeben, in denen die Bindungen der Partner so eng sind, dass von ihnen ein gegenseitiges Einstehen in den Not- und Wechselfällen des Lebens erwartet werden kann. Nur wenn sich die Partner einer Gemeinschaft so sehr füreinander verantwortlich fühlen, dass sie zunächst den gemeinsamen Lebensunterhalt sicherstellen, bevor sie ihr persönliches Einkommen zur Befriedigung eigener Bedürfnisse verwenden, ist ihre Lage mit derjenigen nicht dauernd getrennt lebender Ehegatten vergleichbar (Bundesverfassungsgericht a.a.O.).

Für eine derartige Gemeinschaft zwischen der Antragstellerin und Herrn G bestehen vorliegend - nach Aktenlage - keine Anhaltspunkte. Streng genommen wird dies von der Antragsgegnerin auch gar nicht behauptet, denn die Antragsgegnerin schließt aus dem von der Vermieterin der Antragstellerin gebrauchten Begriff der "Liaison D’Amour" auf eine "eheähnliche Lebensgemeinschaft". Liaison (französisch "Bindung") aber ist – in der deutschen Umgangssprache – der Begriff für eine nur "kurzzeitige Liebesbeziehung". Das Wort wurde in dieser Bedeutung geläufig durch den Roman "Les liaisons dangereuses "(Gefährliche Liebschaften) von Pierre-Ambroise-François Choderlos de Laclos. (www.wikipedia.de-Stichwort). Unabhängig davon, dass die Antragsgegnerin also die Aussage der Vermieterin wohl fehlinterpretiert hat, deutet keines der von der Rechtsprechung entwickelten Indizien vorliegend auf eine "eheähnliche Lebensgemeinschaft" hin.

aa) Es besteht schon keine lange Dauer des Zusammenlebens. Die Antragstellerin ist erst am 1. Januar 2004 mit Herrn G zusammengezogen. Nach der Rechtsprechung ist von einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft aber in der Regel erst nach einem Zusammenleben von mindestens 3 Jahren auszugehen (vgl. Bundesverwaltungsgericht NDV-RD 1996, 38). Der abweichenden Rechtsprechung des 9. Senats des LSG NRW folgt das Gericht ausdrücklich nicht (vergl. z.B. ...LSG NRW Az.: L9 B 4/05 SO ER; LSG NRW Az.:L 9 B 6/05 SO ER – beide Entscheidungen unter www.sozialgerichtsbarkeit.de).

bb) Die Partner der Gemeinschaft versorgen keine gemeinsamen Kinder und Angehörige im gemeinsamen Haushalt (vgl. hierzu Bundessozialhilfegesetz Lehr- und Praxiskommentar 6. Auflage § 122 Anmerkung 23 mit weiteren Nachweisen).

cc) Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Partner der Gemeinschaft die Befugnis haben über Einkommens- und Vermögensgegenstände des anderen Partners zu verfügen (vgl. Bundesverfassungsgericht a.a.O.).

dd) Das jugendliche Alter der Partner spricht vorliegend deutlich gegen die Annahme einer "eheähnlichen Lebensgemeinschaft". In der gesellschaftlichen Realität der Bundesrepublik Deutschland ist es äußerst unüblich, dass 18-jährige eine auf Dauer angelegte Lebensgemeinschaft eingehen, die mit einem gegenseitigen Einstehen füreinander verbunden ist.

Auch die Ermittlungen der Antragsgegnerin machen das Vorliegen einer "eheähnlichen Lebensgemeinschaf" nicht wahrscheinlich. Ob die Antragstellerin ein Liebesverhältnis zu Herrn G unterhält – was das Gericht durchaus für wahrscheinlich hält – ist für die Frage ob eine "eheähnliche Gemeinschaft" vorliegt zunächst einmal ohne Belang. Der Begriff der "eheähnlichen Gemeinschaft" knüpft nämlich an den Begriff der "Ehe" an. Wesentliches Element der Ehe ist nach § 1360 BGB die gegenseitige Unterhaltspflicht (siehe hierzu LK-Kommentar zum BSHG, 6. Aufl. § 122 Anm. 6 ff m.w.N). Entscheidendes Kriterium für die Annahme einer "eheähnlichen Lebensgemeinschaft" ist daher die Frage, ob sich die Partner gegenseitig unterhalten, denn nur der tatsächliche Erhalt von Geldleistungen von einer dritten Person rechtfertigt es, der Antragstellerin Leistungen nach dem SGB II zu versagen. Würde man, wie die Antragsgegnerin, allein auf ein Zusammenleben abstellen, so wäre die Antragstellerin völlig rechtlos gestellt. Als Partnerin einer nur vermeintlichen "eheähnlichen Lebensgemeinschaft" hat die Antragstellerin nämlich keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II aber gleichzeitig auch keinen Anspruch auf Leistungen von ihrem Partner, weil sie mit diesem nicht verheiratet ist und ein Unterhaltsanspruch für unverheiratete gesetzlich nicht vorgesehen ist.

3. Unabhängig davon, dass die Ermittlungen der Antragsgegnerin durch Einschaltung ihres Außendienstes hier gar nicht geeignet sind das Vorliegen einer "eheähnlichen Lebensgemeinschaft" zu belegen, sind diese Ermittlungen vorliegend rechtswidrig und dürfen daher nicht verwertet werden.

Nach § 67 Abs. 1 Satz 1 SGB X sind Sozialdaten Einzelangaben über persönliche und sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person. Das Erheben von Sozialdaten ist das Beschaffen von Daten über den Betroffenen (§ 67 Abs. 5 SGB X). Nach § 67a ist das Erheben von Sozialdaten (nur) zulässig, wenn ihre Kenntnis zur Erfüllung einer Aufgabe der Behörde erforderlich ist.

Vorliegend hat der Ermittler der Antragsgegnerin, offenbar ohne diese darüber in Kenntnis zu setzen, Informationen über die Antragstellerin und Herrn G bei deren Wohnungseigentümerin eingeholt. Hier ist schon zweifelhaft, ob die eingeholten Informationen (= Erhebung von Sozialdaten) überhaupt erforderlich war (siehe Ausführungen oben zur eheähnlichen Lebensgemeinschaft). Darüber hinaus bestimmt § 67a Abs. 2 Satz 1 SGB X grundlegend, dass Sozialdaten (vorrangig) beim Betroffenen zu erheben sind. Das ist vorliegend erkennbar nicht geschehen, denn die Befragung der Vermieterin erfolgte zeitlich bevor der Antragstellerin auch nur Gelegenheit zu Erläuterungen zu einer "eheähnlichen Lebensgemeinschaft" gegeben wurden. Ohne Mitwirkung der Betroffenen (hier Herr G und die Antragstellerin) dürfen Sozialdaten nach § 67a Abs 2 Nr. 2 SGB X bei anderen Personen (hier der Hauseigentümerin) nur erhoben werden, wenn dies durch Rechtsvorschrift zugelassen ist (§ 67a Abs. 2 Nr. 2 a) SGB X – was vorliegend nicht ersichtlich ist (insbesondere nicht nach § 51a SGB II)– oder wenn die Aufgaben der Behörde ihrer Art nach eine Erhebung bei anderen Personen erforderlich machen (§ 78a Abs. 2 Nr. 2 b) aa) SGB X ) und keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass überwiegende schutzwürdige Interessen des Betroffenen beeinträchtigt werden. Vorliegend ist schon nicht ersichtlich warum die Erhebung der hier erforderlichen Sozialdaten ihrer Art nach nur bei der Vermieterin der Antragstellerin möglich sein soll. Darüber hinaus bestehen nicht nur nicht die vom Gesetz geforderten "Anhaltspunkte" dafür das überwiegende schutzwürdige Interessen der Betroffenen verletzt werden, sondern die Verletzung schutzwürdiger Interessen (hier Mietverhältnis, Gestattung der Untervermietung) wird von dem Ermittler sogar billigend in Kauf genommen. Die Datenerhebung ist somit rechtswidrig. Diese Rechtswidrigkeit wird noch unterstrichen, indem die Antragsgegnerin in der Folge ihrer Unterrichtungspflicht nach § 67a Abs. 5 SGB X nicht nachkommt. Nach Auffassung des Gerichts erfüllt das Verhalten der Antragsgegnerin hier den Bußgeldtatbestand des § 85 Abs. 2 Nr. 1 SGB X (unbefugtes Erheben von nicht allgemein zugänglichen Sozialdaten).

4. Die Höhe der zugesprochenen Leistung errechnet sich aus 345,00 Euro Grundleistung zuzüglich 153,00 Euro Miete zuzüglich 44,60 Euro Nebenkosten abzüglich 154,00 Euro Kindergeld.

Die Kostenentscheidung folgt aus einer analogen Anwendung der §§ 183, 193 SGG.