SG HANNOVER - Gerichtsbescheid vom 29.06.2005 - Az.: S 51 SO 213/05


T a t b e s t a n d

Der Kläger begehrt die Erstattung höherer Kosten aus einem teilweise erfolgreichen Widerspruchsverfahren.

Mit Bescheid vom 26.10.2004 gewährte die Landeshauptstadt H., die namens und im Auftrag der Beklagten den Sozialhilfefall des Klägers regelt, dem Kläger und einer weiteren Person laufende Hilfe zum Lebensunterhalt ab 01.10.2004. Den Regelsatz des Klägers kürzte die Stadt dabei um 25 v.H.

Der Kläger und die andere Person legten durch die jetzige Prozessbevollmächtigte des Klägers gegen diese Entscheidung am 03.11.2004 Widerspruch ein, wobei neben der Kürzung für den Kläger auch eine Aufnahme der Sozialhilfe ab August 2004 begehrt wurde.

Mit Widerspruchsbescheid vom 09.02.2005 half die Beklagte dem Anliegen des Klägers hinsichtlich der Kürzung ab, wies im Übrigen jedoch den Widerspruch zurück. Im Rahmen der Kostenentscheidung, wonach, soweit der Widerspruch erfolgreich war, die Kosten dem Kläger zu erstatten waren, wurde weiterhin geregelt, dass die Zuziehung eines Bevollmächtigten notwendig war.

Daraufhin übersandte die damalige Verfahrensbevollmächtigte eine Kostenrechnung über insgesamt 263,90 €. Sie ging seinerzeit von einem Gegenstandswert von 888,00 € aus und setzte das 2,0fache der Geschäftsgebühr sowie das 1,5fache einer Erledigungsgebühr an.

Mit Kostenfestsetzungsbescheid vom 17.08.2005 setzte die Beklagte den zu erstattenden Betrag auf 30,48 €. Sie ging dabei von einem Gegenstandswert von 1.102,10 € aus und sprach dem Kläger eine Kostenerstattung anteilig seines Obsiegens im Widerspruchsverfahrens von 20,14% zu. Bei der Berechnung der zu erstattenden Kosten erkannte die Beklagte lediglich das 1,3fache der Geschäftsgebühr und keine Erledigungsgebühr an.

Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein mit der Begründung, die Erfolgsquote sei höher anzusetzen. Diesen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 06.04.2005, zugestellt am 11.04.2005, zurück.

Der Kläger hat am 11.04.2005 Klage erhoben.

Im Rahmen der Klagebegründung errechnete der Kläger einen Betrag von 672,80 € an zu erstattenden Kosten. Er vertritt die Auffassung, dass richtigerweise Rahmengebühren anzusetzen seien.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, ihm weitere Kosten der Rechtsverfolgung in Höhe von 642,32 € zuzüglich 5% Zinsen über dem Basiszinssatz zu erstatten,
hilfsweise

weitere Kosten der Rechtsverfolgung in Höhe von 233,42 € zuzüglich 5% Zinsen über dem Basiszinssatz zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält die Erhöhung der Forderung von 263,90 € auf 672,80 € abzügl. 30,48 € für unzulässig und tritt im Übrigen der Klage auch in der Sache entgegen.

Die Beteiligten wurden zur Frage der Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Die Voraussetzungen zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid liegen vor, § 105 Abs. 1 SGG.

Soweit der Kläger seine Forderung auf Kostenerstattung über den ursprünglich begehrten Betrag von 263,90 € auf 672,80 € erhöht hat, ist die Klage bereits unzulässig. Denn Gegenstand des Vorverfahrens war lediglich die Entscheidung über die Kostenrechnung vom 14.02.2005 durch den Bescheid vom 17.03.2005. Hinsichtlich der weiteren Kosten wurde weder zuvor bei der Beklagten die Erstattung beantragt noch wurde ein nach § 78 SGG erforderliches Vorverfahren durchgeführt (vgl. zu dieser Frage auch den sowohl der Beklagten als auch der Prozessbevollmächtigten bekannten Beschluss des SG Hannover vom 21.04.2005 - S 51 SO 84/05 -).

Aber auch der Hilfsantrag kann keinen Erfolg haben. Soweit der Kläger zumindest die Zahlung von weiteren 233,42 € (263,90 € abzüglich gezahlter 30,48 €) begehrt, ist die Klage unbegründet.

Zwar hat nach § 63 Abs. 1 SGB X, soweit ein Widerspruch erfolgreich war, der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, demjenigen, der Widerspruch erhoben hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Dazu gehören auch die Kosten der damaligen Verfahrens- und jetzigen Prozessbevollmächtigten. Die Beklagte hat bereits in ihrem Widerspruchsbescheid vom 09.02.2005 insoweit die Zuziehung eines Rechtsanwaltes für erforderlich erklärt.

Der Pflicht zur Kostenerstattung ist die Beklagte jedoch bereits nachgekommen. Mehr als die mit dem angefochtenen Bescheid vom 17.03.2005 festgesetzten Kosten von 30,48 € kann der Kläger nicht erstattet verlangen.

Richtig ist zwar, dass - wäre nach dem 31.12.2004 erst Widerspruch erhoben worden - sich die Höhe der Geschäftsgebühr aus der lfd. Nr. 2500 der Anlage 1 zum RVG ergeben würde.

Zum Zeitpunkt des Tätigwerdens der jetzigen Verfahrensbevollmächtigten im Widerspruchsverfahren gegen den Bescheid der Landeshauptstadt H. vom 26.10.2004 (die Tätigkeit beschränkte sich soweit ersichtlich auf die Abfassung des Widerspruchsschreibens vom 03.11.2004) war das Recht der Sozialhilfe aber noch nicht den Sozialgerichten zugewiesen. Seinerzeit war die Nr. 2400 der Anlage 1 zum RVG für die Gebührenberechnung maßgebend.

Es ist ein gebührenrechtlicher Grundsatz, der auch in den Vorschriften des § 40 GKG und des § 61 RVG seinen Niederschlag gefunden hat, dass für die Gebühr als maßgeblichen Zeitpunkt auf den Zeitpunkt des Tätigwerdens des Rechtsanwaltes abzustellen ist (so auch RA-MICRO Online-Kommentare, RVG, 6. Auflage April 2005, § 1 Nr. 3: "Der Vergütungsanspruch entsteht nicht schon bei Abschluss des Vertrags, sondern erst, wenn der RA eine anwaltliche Tätigkeit tatsächlich ausgeübt hat").

Die Höhe der Gebühr richtet sich nach alledem nach der lfd. Nr. 2400 der Anlage 1 zum RVG.

Weder die Ermittlung der Höhe des Gegenstandswertes, noch der angesetzte Multiplikator von 1,3 bei der Geschäftsgebühr noch die Ermittlung des Anteiles des Obsiegens des Widerspruchsführers im Widerspruchsverfahren sind zu beanstanden. Gem. § 136 Abs. 3 SGG nimmt das Gericht insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Gründe des Bescheides vom 17.03.2005 und des Widerspruchsbescheides vom 06.04.2005 Bezug.

Lediglich ergänzend weist das Gericht darauf hin, dass die streitige Sache weder schwierig noch umfangreich war, wie auch die knappe Begründung des Widerspruches vom 03.11.2004 belegt. Der Ansatz des 1,3fachen der Geschäftsgebühr ist angemessen und allemal ausreichend. Bei der Frage, wann eine Sache umfangreich oder schwierig ist, kommt es allein lediglich auf den objektiven Schwierigkeitsgrad der Sache an, weil die Gebührenhöhe nicht davon abhängen kann, wie qualifiziert ein Rechtsanwalt ist. Andernfalls könnte ein erfahrener und besonders guter Anwalt, für den auch an sich schwierige oder umfangreiche Fälle einfach zu handhaben sind, immer nur auf den unteren Gebührenrahmen verwiesen werden, während für einen schlechten Anwalt wohl alle Verfahren schon besonders schwierig sein dürften. Es liegt auf der Hand, dass deshalb nur ein objektiver Maßstab gelten kann.

Der Kläger hat weiterhin keinen Anspruch keine Kostenerstattung nach § 63 SGB X auf Erstattung einer Erledigungsgebühr.

Das Verwaltungsgericht Hannover hat in seinem - der Prozessbevollmächtigten des Klägers bekannten - Urteil vom 09.02.2004 - 7 A 6937/03 - zur Frage des Anspruchs auf Erstattung einer Erledigungsgebühr u.a. ausgeführt:

"Die Erledigungsgebühr nach § 24 BRAGO stellt einen Ersatz für die Vergleichsgebühr dar, wenn es bei zwar unstreitiger Erledigung der Rechtssache wegen der besonderen Verfahrenssituation nicht zu einem förmlichen Vergleichsabschluss kommt (Vergleiche VGH Mannheim, 23. April 1990, 6 S 2474/89, VBlBW 1990, 373), so dass sie dann nicht in Frage kommt, wenn eine Sachentscheidung über den Rechtsbehelf durch Abhilfebescheid ergeht (so auch schon Bayerischer Verwaltungsgerichtshof München, Urteil vom 14. Februar 1996, - 26 B 91.1092 - zit. n. Juris).

Der Bayerische VGH hatte u.a. in seiner Entscheidung ausgeführt:

"Dass hier das Landratsamt als Ausgangsbehörde eine Abhilfeentscheidung nach § 72 VwGO getroffen und nicht die Regierung von Oberfranken als Widerspruchsbehörde einen Widerspruchsbescheid erlassen hat, ändert nichts daran, dass in der Sache über den Widerspruch entschieden und nicht eine "unstreitige" Erledigung außerhalb des Rechtsbehelfsverfahrens herbeigeführt worden ist (vgl. BVerwG v. 21.08.1981, BayVBl 1982, 29). Die Ausgangsbehörde, die einem Widerspruch nach § 72 VwGO abhilft, wird nicht außerhalb des Widerspruchsverfahrens tätig. Vielmehr hat der Gesetzgeber das Widerspruchsverfahren gerade so geregelt, dass auf den Widerspruch hin zuerst die Ausgangsbehörde die Sache nochmals überprüfen und nur dann, wenn sie nicht abhilft, den Widerspruch der Widerspruchsbehörde zur Entscheidung vorzulegen hat. Die Prüfung und Entscheidung, ob dem Widerspruch nach § 72 VwGO abzuhelfen ist oder nicht, bildet demgemäss einen Teil des Widerspruchsverfahrens. Die Abhilfeentscheidung nach § 72 VwGO ist, was die Frage anlangt, ob das Widerspruchsverfahren durch eine streitige Entscheidung beendet worden ist oder sich im Sinne von § 24 BRAGO erledigt hat, einem Widerspruchsbescheid gleich zu erachten. Es wäre unverständlich, die Voraussetzungen für das Entstehen einer Erledigungsgebühr nach § 24 BRAGO dann zu verneinen, wenn die Widerspruchsbehörde in der Sache über den Widerspruch entschieden hat, jedoch in Fällen, in denen das Widerspruchsverfahren bereits durch die Abhilfeentscheidung der Ausgangsbehörde beendet worden ist, in denen es demgemäss nicht einmal zur Vorlage des Widerspruchs an die Widerspruchsbehörde gekommen ist, in denen der Rechtsbehelf also mit dem geringst möglichen Aufwand zum Erfolg geführt hat, diese zusätzliche Gebühr zu gewähren."

Diesen zutreffenden Ausführungen, die sinngemäß auch dann gelten, wenn Abhilfe- und Widerspruchsbehörde identisch sind, schließt sich das Gericht an."

Auch das erkennende Gericht folgt dieser noch zur BRAGO entwickelten Rechtsprechung. Die Erledigungsgebühr nach der BRAGO und nach dem RVG sind in ihren Voraussetzungen insoweit identisch.

Auch die Höhe des Gegenstandswertes wurde korrekt ermittelt, abgesehen davon, dass die Beklagte bereits einen höheren Wert als die Bevollmächtigte des Klägers in ihrer Kostenrechnung selbst angesetzt hat. Maßgebend kann hier nicht der Jahresbetrag der Sozialhilfe sein. Es ging in dem Widerspruchsverfahren um einen von vornherein begrenzten Zeitraum ohne Auswirkungen auf die Zukunft. Die damaligen beiden Widerspruchsführer wollten auch (und nur) für August und September 2004 Sozialhilfe erhalten und der jetzige Kläger wendete sich darüber hinaus gegen die Kürzung des Regelsatzes, die aber nach § 25 Abs. 2 Nr. 3 BSHG von vorn herein nur auf rund drei Monate (genau 12 Wochen) befristet war. Die Berechnung der Erfolgsquote ist ebenfalls nicht zu beanstanden.

Die Kostenentscheidung erfolgt aus § 193 Absatz 1 SGG.