SG Dortmund - S 7 SB 522/05 - Urteil vom 17.10.2007
Metformin-Tabletten sind Ersatzstoff für Sulfonylharnstoffe. Ob es sich dabei um "orale Antidiabetika mit insulinotroper (insulinsekretorischer) Wirkung" (AHP in der Fassung vom 16.07.2007 = GdB 20) handelt, kann dahin stehen, wenn diese Gesundheitsstörung - so oder so - keine Anhebung des Gesamt-GdB rechtfertigt. Das ist der Fall, wenn keine Folgeerscheinungen bestehen und der Diabetes mit dieser Behandlung gut einstellbar ist.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger ein Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 50 zu steht.
Der am .. . .. .1941 geborene Kläger ist türkischer Staatsbürger und lebt seit 1965 in der Bundesrepublik Deutschland. Mit zuletzt bindend gewordenen "Abhilfebescheid" vom 21.11.2001 hat die Versorgungsverwaltung im Widerspruchsverfahren gegen den Bescheid vom 27.09.2001 den bis dahin mit 30 festgestellten GdB des Klägers auf 40 angehoben. Dem Bescheid lag eine gutachterliche Stellungnahme des versorgungsärztlichen Dienstes zugrunde, in dem die Gesundheitsstörungen des Klägers wie folgt bewertet worden waren:
1.Kniegelenksleiden links, Einzel-GdB 20
2.Funktionseinschränkung der Wirbelsäule, Einzel-GdB 20
3.Magenschleimhautentzündung, Gallenwegsleiden, Einzel-GdB 10
4.Zuckerkrankheit, Einzel-GdB 10
5.Chronische Bronchitis, Einschränkung der Lungenfunktion, Einzel-GdB 20.
Nach Zurückweisung des gegen den Abhilfebescheid vom 21.11.2001 aufrecht erhaltenen Widerspruchs mit Widerspruchsbescheid vom 10.05.2002 erhob der Kläger Klage, die beim Sozialgericht Dortmund unter dem Aktenzeichen S 3 (7) 165/02 geführt wurde. Auf der Basis eines chirurgisch-orthopädischen Gutachtens von Herrn Dr. Z. (Arzt für Chirurgie und Sozialmedizin im M.-H. W.) und eines internistisch psychodiagnostischen Gutachtens von Herrn Dr. S. (Facharzt für innere Medizin, psychotherapeutische Medizin und Sozialmedizin in B.) wurde die Klage mit Urteil vom 16.06.2003 abgewiesen. Der Kläger legte Berufung ein, die beim Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen unter dem Aktenzeichen L 10 SB 74/03 geführt wurde. Nach weiteren Ermittlungen durch das Landessozialgericht durch Einholung von Befundberichten und ergänzenden Stellungnahmen von Herrn Dr. Z. und Herrn Dr. S. nahm der Kläger die Berufung zurück.
Das vorliegende Verfahren beruht auf einen Änderungsantrag des Klägers vom 30.06.2005. Zur Begründung führte der Kläger aus, er leide unter einer sehr eingeschränkten Lungenfunktion bei einer chronischen Bronchitis und sei nicht mehr in der Lage, längere Wegstrecken als 150 m ohne Pausen zurückzulegen. Darüber hinaus leide er unter einem Wirbelsäulenleiden, das zur Entlastung des Rückgrats einen ständigen Haltungswechsel erfordere. Im übrigen bestünden erhebliche Beschwerden im Kniegelenk. Im Jahre 2005 sei ein Hautkrebs und ein Gallensteinleiden operiert worden.
Das Versorgungsamt zog einen Befundbericht von den praktischen Ärzten Dres. W. und den Bericht des St. W. Krankenhauses über die operative Entfernung eines Basalioms über der Steißregion im April 2005 bei. Nach Auswertung der medizinischen Unterlagen bewertete der versorgungsärztliche Dienst den GdB des Klägers unverändert mit 40. Der beratende Arzt ging davon aus, dass ein operiertes Hautleiden, eine Fettstoffwechselstörung, ein operierter Leistenbruch rechts und eine Harnsäurestoffwechselstörung keinen GdB von wenigstens 10 bedingen würden und bewertete folgende Gesundheitsstörungen mit einem Einzel-GdB:
1.Kniegelenksleiden beiderseits, Fußdeformitäten beiderseits, Einzel-GdB 20
2.Funktionseinschränkung der Wirbelsäule, Hals- und Lendenwirbelsäulensyndrom,
Einzel-GdB 20
3.chronische Bronchitis, Einschränkung der Lungenfunktion, Einzel-GdB 20
4.Magenschleimhautentzündung, Gallenwegsleiden, Darmleiden, Gallenblasenverlust,
Einzel-GdB 10
5.Zuckerkrankheit, Einzel-GdB 10.
Mit Bescheid vom 12.10.2005 lehnte das Versorgungsamt den Antrag des Klägers auf Feststellung eines höheren GdB sowie der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" ab.
Der Kläger legte Widerspruch ein und nahm zur Begründung Bezug auf seinen Antrag.
Die Bezirksregierung Münster wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 15.11.2005 als sachlich unbegründet zurück. In den Gründen wurde ausgeführt, die Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft seien hinsichtlich Art und Ausmaß einschließlich der Folge- und Begleiterscheinungen weiterhin mit einem GdB von 40 zutreffend bewertet.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit der am 21.11.2005 erhobenen Klage. Zur Begründung wiederholt der Kläger im Wesentlichen das Vorbringen aus seinem Antrag an die Versorgungsverwaltung. Der Kläger überreicht diverse medizinische Unterlagen, so die ärztlichen Bescheinigungen von Herrn Dr. B. (Arzt für Innere Medizin, Pneumologie, Allergologie und Umweltmedizin) vom 03.09.2001 und 02.03.2007, den Bericht von Herrn C. (Facharzt für Urologie und Umweltmedizin) vom 26.02.2007 und eine ärztliche Bescheinigung von Herrn Dr. J. (Facharzt für Psysikalisch-Rehabilitative Medizin, Sportmedizin und Chirotherapie). Bezogen auf die überreichte Lungenfunktionsprüfung äußert der Kläger, diese zeige, dass das Leistungsvermögen erheblich gemindert sei und sich auch weiterhin erheblich mindere.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten unter entsprechender Aufhebung des Bescheides vom 12.10.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.11.2005 zu verurteilen, den bei ihm vorliegenden Grad der Behinderung ab 30.06.2005 mit mindestens 50 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hält die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen weiterhin für rechtmäßig und bezieht sich insoweit auch auf eine zu den Akten überreichte versorgungsärztliche Stellungnahme von Herrn Dr. S. (Arzt für Sozialmedizin) vom 31.05.2006.
Das Gericht hat neben den SchwbG-Akten des Beklagten die Archivakten des Sozialgerichts Dortmund S 3 (7) SB 165/02 und S 24 KN 102/02 U beigezogen. Ferner sind nochmals von der behandelnden Gemeinschaftspraxis Dres. W. und von Herrn Dr. J. Befundberichte beigezogenen worden. Sodann wurde ein internistisches-pneumologisches Gutachten in Auftrag gegeben bei Frau Dr. L. (Ärztin für innere Medizin, Lungen- und Bronchialheilkunde in D.). Die Sachverständige hat den Kläger in Kenntnis der überlassenen Gerichts- und Beiakten am 27.04.2007 ambulant untersucht und unter dem 28.04.2007 ein schriftliches Sachverständigengutachten verfaßt. Unter Berücksichtigung eines Lungenleidens (Einzel-GdB 20), eines Kniegelenks- und Fußleidens (Einzel-GdB 20), eines Wirbelsäulenleidens (Einzel-GdB 20), eines Leidens der Verdauensorgane (Einzel-GdB 10), einer Zuckerkrankheit (Einzel-GdB 10) und eines operierten Hautleidens (Einzel-GdB 10) hält Frau Dr. L. insgesamt weiterhin einen GdB von 40 für angemessen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Beweisaufnahme und wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichts- und Beiakten bzw. auf die den Beteiligten erteilten Ablichtungen und Abschriften.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist nicht begründet.
Die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten im Sinne des § 54 Absatz 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). So ist die Kammer davon überzeugt, dass der GdB des Klägers auch für die Zeit ab dem Änderungsantrag vom 30.06.2005 weiterhin mit 40 ausreichend bewertet wird.
Zu diesem Ergebnis gelangt die Kammer aufgrund ihrer freien aus dem Gesamt-Ergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung, wobei den gutachterlichen Äußerungen von Frau Dr. L. erhebliche Bedeutung zu kommt. Die Sachverständige hat den Kläger eingehend klinisch untersucht und berücksichtigt insbesondere die von diesem geschilderten Beschwerden. Aufgrund der Ausführungen der gerichtlichen Sachverständigen ist für die Kammer schlüssig und nachvollziehbar, dass der GdB des Klägers derzeit nicht höher als mit 40 zu bewerten ist. Die Sachverständige richtet sich insbesondere nach den für Beurteilungen mit Schwerbehindertenrecht maßgeblichen Kriterien.
Als Anspruchsgrundlage für die vom Kläger begehrte GdB-Anhebung auf mindestens 50 kommt § 48 Absatz 1 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) i. V. m. den maßgeblichen Vorschriften des Neunten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB IX) in Betracht. Die Voraussetzungen des § 48 Absatz 1 SGB X sind im Sinne des Klagebegehrens nicht erfüllt, denn es kann auf der Basis der vorliegenden medizinischen Unterlagen, insbesondere des Sachverständigengutachtens von Frau Dr. L. nicht angenommen werden, dass sich der Gesundheitszustand des Klägers verglichen mit den Verhältnissen bei Erteilung des Bescheides vom 21.11.2001 bzw. des Widerspruchsbescheides vom 10.05.2002 derart verschlechtert hätte, dass nunmehr die Bewertung seiner Behinderung mit einem GdB von mindestens 50 gerechtfertigt wäre.
Menschen sind gemäß § 2 Abs. 1 des Neunten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB IX) behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als 6 Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und dadurch die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach 10er Graden abgestuft festgestellt (vgl. § 69 Abs. 1 Satz 3 SGB IX). Liegen mehrere Beeinträchtigungen vor, so wird der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festgestellt (vgl. § 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX).
Wie auch in den Hinweisen zur Beweisanordnung ausdrücklich ausgeführt, ergeben sich die maßgeblichen Regelungen zur Bildung von Einzel- und Gesamt-GdB anhand der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (AHP, nunmehr vorliegend in der Fassung 2004, mit Ergänzungen in den Jahren 2005, 2006 und 2007). Die AHP sind grundsätzlich als antizipierte Sachverständigengutachten zu verstehen, die in der Praxis wie Richtlinien für die ärztliche Gutachtertätigkeit wirken und hinsichtlich ihrer generellen Richtigkeit nicht durch Einzelfallbegutachtungen widerlegt werden können. Sie haben normähnliche Wirkung und sind im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung (Gleichbehandlung aller Behinderten) wie untergesetzliche Normen von den Gerichten anzuwenden (vgl. BSG - Urteil vom 18.09.2003 - B 9 SB 3/02 R -).
Entsprechend den Vorgaben in den AHP (vgl. Rdnr. 18 Seite 22) sind bei Behinderten mit mehreren Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft - wie dies auch bei dem Kläger der Fall ist - zunächst für die einzelnen Beeinträchtigungen nach Funktionssystemen zusammengefassten Einzel-GdB und sodann ist der Gesamt-GdB zu bilden.
Auf internistischem Gebiet ist die Teilhabe des Klägers am Leben in der Gesellschaft in erster Linie durch eine chronische Bronchitis mit geringfügigen Einschränkungen der Lungenfunktion beeinträchtigt. Die Sachverständige bewertet diese Gesundheitsstörung auf der Basis der AHP (vgl. Rdnr. 26.8 Seite 67 ff.) nachvollziehbar mit einem Einzel-GdB von 20. Wie die Sachverständige ausführt, zeigte sich lungenfunktionsanalytisch bei mehrfachen Versuchen schließlich eine unauffällige Lungenfunktion mit nur leichtgradiger Einschränkung der CO-Diffusion. Die Blutgasanalyse war sowohl unter Ruhebedingungen wie auch unter Belastung auf dem Liegendergometer unauffällig. Beim Belastungstest auf dem Liegendergometer trat bei einer Belastung von 4 Minuten mit 75 Watt keine wesentliche Dyspnoe auf und auch keine Sauerstoffveränderung in der Pulsoxymetrie auf. Die vom Kläger geschilderte chronische Bronchitis mit den Hustenproblemen wird bei der Berücksichtigung des Lungenleidens mit einem GdB von 20 ausreichend Rechnung getragen. Anhaltspunkte, das Lungenleiden entgegen in den insoweit absolut fachkompetenten Ausführungen von Frau Dr. L. höher zu bewerten, sieht die Kammer nicht.
Auf orthopädischen Fachgebiet ist die Teilhabe des Klägers am Leben in der Gesellschaft zum einen durch ein Wirbelsäulenleiden und zudem durch ein Kniegelenksleiden beeinträchtigt. Die Kammer sieht auch entsprechend der Beantwortung der Beweisfrage 7 durch die Sachverständige (nach Zusatzgutachten) keine Veranlassung, insoweit weitere Ermittlungen durchzuführen. So verfügt Frau Dr. L. nicht nur über eine internistisch-pneumologische, sondern darüber hinaus auch über eine erhebliche sozialmedizinische Berufserfahrung. Die Sachverständige hat auch durchaus Funktionseinschränkungen des Bewegungsapparates befundet, allerdings keine derart gravierenden Gesundheitsstörungen festgestellt, die eine Bewertung des Wirbelsäulenleidens oder auch des Kniegelenksleidens mit einem Einzel-GdB von über 20 rechtfertigen könnten. Die Kammer berücksichtigt diese Gesundheitsstörungen - entsprechend auch der Bewertung durch den beratenden ärztlichen Dienst des Beklagten und wie auch schon im Gutachten von Herrn Dr. Z. dargestellt - unverändert mit einem Einzel-GdB von jeweils 20. Frau Dr. L. beschreibt in ihrem Gutachten bezogen auf die Wirbelsäule einen geringfügig eingeschränkten Fußbodenabstand von 40 cm und konnte keinen Klopfschmerz der Wirbelsäule beim normalem Beklopfen feststellen. Ein GdB von 30 für das Wirbelsäulenleiden würde entsprechend den Vorgaben in den AHP mittelgradige Funktionsstörungen in 2 Wirbelsäulenabschnitten voraussetzen (vgl. Rdnr. 26.18 Seite 116). Dies kann auf der Basis der Befunde von Frau Dr. L. und auch nach Aktenlage nicht angenommen werden. Eine Veranlassung das Kniegelenksleiden unter Berücksichtigung der Wertungsvorgaben in den AHP (vgl. Rdnr. 26.18 Seite 126) mit einem höheren GdB als 20 zu bewerten sieht die Kammer ebenfalls nicht.
Des Weiteren bestehen bei dem Kläger auf internistischem Fachgebiet Funktionsstörungen im Bereich der Verdauungsorgane. Die Kammer bewertet diese Gesundheitsstörungen in Übereinstimmung mit Frau Dr. L. mit einem Einzel-GdB von 10. Die Sachverständige beschreibt eine rezidivierende Gastroduodenitis und berücksichtigt auch den Zustand nach Cholezystektomie. Wesentliche Beschwerden, die eine höhere Bewertung begründen können (vgl. AHP Rdnr. 26.10 Seite 77 ff.) ergeben sich nicht. Insbesondere ist keine Beeinträchtigung des Ernährungs- und Kräftezustandes erkennbar.
Letztlich ist die Teilhabe des Klägers am Leben in der Gesellschaft durch einen Diabetes mellitus Typ 2 beeinträchtigt. Ob diese Gesundheitsstörung entsprechend dem Gutachten von Frau Dr. L. mit einem Einzel-GdB von 10 oder entsprechend der Einschätzung des beratenden Arztes des Beklagten Herrn Dr. S. mit einem Einzel-GdB von 20 zu bewerten ist, mag dahin stehen. Der Diabetes mellitus des Klägers wird durch Metformin-Tabletten behandelt. Es handelt sich dabei um einen Ersatzstoff für Sulfonylharnstoffe. Ob dieser entsprechend den Vorgaben in den AHP 2004 (vgl. Rdnr. 26.15 Seite 99) mit einem Einzel-GdB von 10 oder 20 zu bewerten ist, wurde durch verschiedene beratende Ärzte des Beklagten und auch Gutachter unterschiedlich beantwortet. Allerdings wurden die AHP im Juli 2007 geändert und der Begriff Sulfonylharnstoffe wurde ersetzt durch "orale Antidiabetiker mit insulinotroper (insulinsekrotorischer) Wirkung". Ob Metformin als ein derartiges Antidiabetikum aufzufassen ist, vermag die Kammer aufgrund unzureichenden medizinischen Sachverstands nicht zu beantworten. Ermittlungen sind insoweit gleichwohl nicht erforderlich, denn auch bei Bewertung des Diabetes mellitus mit einem Einzel-GdB von 20 ergibt sich insgesamt nicht die vom Kläger begehrte Schwerbehinderteneigenschaft. Ein höherer Einzel-GdB als 20 kommt für den Diabetes mellitus keinesfalls in Betracht, denn dieser wäre bei einem Typ 2 Diabetes erst bei einer Behandlung mit Insulin angemessen.
Letztlich berücksichtigt die Kammer in Übereinstimmung mit der Sachverständigen ein operiertes Hautleiden mit einem Einzel-GdB von 10. Es handelt sich bei dem Hautleiden des Klägers nicht um ein malignes Tumorleiden, das während der Zeit einer Heilungsbewährung mit einem höheren GdB zu bewerten wäre (vgl. AHP Rdnr. 26.17 Seite 110).
Weitere Gesundheitsstörungen, die mit einem Einzel-GdB von wenigstens 10 zu bewerten wären, liegen nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht vor. Die Kammer sieht auch keine Veranlassung zur Durchführung weiterer Ermittlungen. Die Sachverständige hat die Funktionsstörungen des Klägers auf orthopädischen Fachgebiet mit beurteilt und konnte insbesondere bei der weiteren Bewegungsprüfung der Gliedmaßen keine Auffälligkeiten finden, die die Bewertung mit einem Einzel-GdB rechtfertigen würden.
Zur Bildung des Gesamt-GdB, d. h. bei der Bewertung der vorstehend beschriebenen Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen, ist - wie in den AHP dargelegt (vgl. Rdnr. 19 Seite 24 ff.) - von der Gesundheitsstörung auszugehen, die mit dem höchsten Einzel-GdB im Vordergrund des Leidensbildes des Betroffenen steht. Sodann ist zu überprüfen, ob durch die weiteren Beeinträchtigungen das Gesamtausmaß der Behinderung größer wird und der höchste Einzel-GdB erhöht werden muss. Von Bedeutung ist insoweit insbesondere, ob sich einzelne Beeinträchtigungen verstärken, überschneiden oder unabhängig voneinander auftreten. Leichte Beeinträchtigungen mit einem Einzel-GdB von 10 bleiben bei der Gesamtbeurteilung im Regelfall unberücksichtigt, denn diese führen grundsätzlich nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbehinderung. Selbst bei leichten Beeinträchtigungen von einem Einzel-GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbehinderung zu schließen.
Wie die Sachverständige ausführt, stehen im Falle des Klägers bezogen auf seine Beeinträchtigung der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft die orthopädischen Leiden im Vordergrund. Unter Berücksichtigung von ungünstigen Wechselwirkungen zwischen dem Wirbelsäulen- und dem Kniegelenksleiden geht die Kammer davon aus, dass aus den beiden Einzel-GdB von jeweils 20 für den orthopädischen Bereich ein GdB von 30 gebildet werden kann. Unter Berücksichtigung des Lungenleidens und der Beschwerden durch die chronische Bronchitis kann der GdB dann auf 40 angehoben werden. Dabei berücksichtigt die Kammer, dass die Funktionsstörung des Klägers durch das Lungenleiden diesen in einem anderen Lebensbereich als die orthopädischen Gesundheitsstörungen betreffen. Die weiteren Gesundheitsstörungen rechtfertigen keine weitere Anhebung des GdB. Selbst wenn der GdB für den Diabetes mellitus mit einem GdB von 20 zu bewerten wäre, läßt sich durch das Hinzutreten dieser Gesundheitsstörung nicht die Schwerbehinderteneigenschaft rechtfertigen. So handelt es sich im Sinne der AHP um eine eher leichtere Gesundheitsstörung ohne Auswirkungen auf das Gesamtausmaß der Behinderung, denn die behandelnde hausärztliche Praxis beschreibt eine gute Einstellbarkeit ohne Folgeerscheinungen. Die weiteren Gesundheitsstörungen des Klägers, die Funktionsstörung im Bereich der Verdauungsorgane und das operierte Hautleiden sind ebenfalls im Sinne der AHP mit einem Einzel-GdB von 10 leichte Gesundheitsstörungen, die das Gesamtausmaß der Behinderung unberührt lassen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.