LSG NRW - Urteil vom 29. 1. 2003 - Az.: L 10 SB 97/02 |
Leitsätze:
1. Allein auf vom SG eingeholte Befundberichte kann eine gerichtliche Entscheidung in der Regel nicht gestützt werden. Im Zweifel sind medizinische Sachverständigengutachten einzuholen.
2. Ein Gericht kann von der Einholung eines Gutachtens nach § 109 SGG nicht absehen, weil es dessen
Einholung nicht für notwendig oder den Sachverständigen nicht für geeignet hält
Tatbestand
Der 1960 geborene Kläger wendet sich gegen die Herabsetzung des Grades der Behinderung (GdB) von 80 auf 30.
Mit Bescheid vom 12.10.1995 stellte der Beklagte bei ihm folgende Funktionsstörungen mit einem GdB von 80 fest:
1.Entfernung des rechten Hodens wegen einer Gewebeveränderung
2.Funktionsstörung der Wirbelsäule.
In der dem Bescheid zugrunde liegenden gutachtlichen Stellungnahme des beratenden Arztes des Beklagten waren die
Funktionsstörung zu 1) mit einem GdB von 80 und die zu 2) mit einem solchen von 10 bewertet worden.
Im Dezember 2000 leitete der Beklagte von Amts wegen ein Neufeststellungsverfahren ein. Er holte von den
behandelnden Ärzten (Arzt für Urologie Dr. N.; Ärzte für Neurologie/Psychotherapie Dres. H./D.; Arzt für Orthopädie Dr.
Sch.; Arzt für Innere Medizin Dr. K.) Befundberichte ein und ließ diese gutachtlich auswerten. Nachdem dem Kläger
Gelegenheit zur Anhörung gegeben worden war, stellte der Beklagte mit Bescheid vom 18.01.2002 und
Widerspruchsbescheid vom 12.03.2002 den GdB mit 30 unter Berücksichtigung folgender Behinderungen fest:
1.Entfernung des rechten Hodens wegen einer Gewebeveränderung, Auswirkungen
2.Funktionsstörung der Wirbelsäule
3.Funktionsstörung der linken oberen Gliedmaße.
Hinsichtlich der Beeinträchtigung zu 1) ging der Beklagte vom Ablauf der Heilungsbewährung aus. In den dem Bescheid
zugrunde liegenden beratungsärztlichen Stellungnahmen waren der Funktionsstörung zu 1) ein GdB von 30 und den
Funktionsstörungen zu 2) und 3) jeweils ein GdB von 10 beigemessen worden.
Hiergegen hat der Kläger am 11.04.2002 Klage erhoben und zu deren Begründung ausgeführt, allein der Zeitablauf
berechtige nicht zur Herabsetzung des GdB. Im übrigen vermisse er eine Auseinandersetzung des Beklagten mit den
eingeholten Befundberichten. Er befinde sich in ärztlicher Behandlung bei dem Neurologen/Psychiater und
Psychotherapeuten Dr. D.; eine psychotherapeutische Behandlung werde nicht durchgeführt.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 18.01.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12.03.2002
aufzuheben.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Sozialgericht (SG) ... hat Beweis erhoben durch Einholung von Befundberichten (Dres. D./H. und Dr. N.). Dr. D., der
den Kläger zuletzt im Mai 2002 behandelt hatte, hat als im Frühjahr 2002 neu hinzugekommene Erkrankungen "sensible
Ulnarisschädigung distal links, Karpaltunnelsyndrom links" diagnostiziert und ausgeführt, da deren Behandlung noch nicht
abgeschlossen sei, bedingten sie noch keinen GdB. Das SG hat diese Berichte dem Klägerbevollmächtigten mit
Verfügung vom 03.06.2002 zur Stellungnahme binnen 4 Wochen übersandt. Eine Reaktion hierauf ist nicht erfolgt. In der
mündlichen Verhandlung am 30.08.2002 hat der Kläger die ärztliche Bescheinigung des Dr. K. vom 21.08.2002 und den
radiologischen Bericht des Dr. L. vom 19.04.2001, der sich bereits in den Verwaltungsakten befand, überreicht. Dr. K. hat
eine schwere Periarthritis humero scapularis links, eine sensible N. ulnaris Schädigung am linken Unterarm, ein
Karpaltunnelsyndrom links und einen z.N. Hodenkarzinom beschrieben.
Den in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag, gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einen noch zu
benennenden Arzt gutachtlich zu hören, der insbesondere auf die Ulnarisschädigung, das Karpaltunnelsyndrom sowie den
unter Berücksichtigung dieser Erkrankungen bedingten Gesamt-GdB eingehen solle, hat das SG mit Beschluss ohne
Begründung abgelehnt. Die Klage hat es mit Urteil vom 30.08.2002 abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es
aus geführt, hinsichtlich der Entfernung des linken Hodens sei nach Ablauf von 5 Jahren von einer Heilungsbewährung
auszugehen, da es - wie den eingeholten Befundberichten zu entnehmen sei - nicht zu Rezidiven gekommen sei. Unter
Berücksichtigung der sich aus den Befundberichten ergebenden tatsächlichen Gesundheitsstörungen (erektile
Dysfunktion, retrograde Ejakulation mit daraus resultierender Zeugungsunfähigkeit, Osteoporose aufgrund
Testoronmangels und rezidivierende Nierenkoliken bei Kristallurie und Hyperurikämie) komme unter Zugrundelegung der
"Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem
Schwerbehindertengesetz" (AHP) 1996 für die Entfernung des rechten Hodens und dessen Auswirkungen ein höherer
GdB als 30 nicht in Betracht. Außergewöhnliche psychische Störungen, die zusätzlich zu berücksichtigen seien, seien
nicht anzunehmen, da sich die psychischen Störungen nach Angaben des Dr. D. in neuerer Zeit gebessert hätten und der
Kläger sich nach seinen eigenen Angaben nicht in psychotherapeutischer Behandlung befinde. Das von dem
behandelnden Orthopäden Dr. S. beschriebene Halswirbelsäulensyndrom bei degenerativen Veränderungen sei als
Wirbelsäulenschaden mit geringen funktionellen Auswirkungen mit einem GdB von 10 zu bewerten. Mittelgradige
Auswirkungen habe der behandelnde Arzt nicht beschrieben und seien vom Kläger auch nicht geklagt worden. Es könne
offenbleiben, ob die Funktionsstörungen der oberen Gliedmaße einen Einzel-GdB von 10 - so der Beklagte - oder einen
GdB von 20 - so der Internist Dr. K. - bedingten, denn leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingten,
führten nach den AHP - von hier nicht einschlägigen Ausnahmefällen abgesehen - nicht zur Zunahme des Ausmaßes der
Gesamtbeeinträchtigung; das gelte vielfach auch für leichte Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20. Auch
unter Berücksichtigung der Diagnosen und der Beurteilung des Internisten K. sei deshalb der durch die Auswirkungen der
Hodenentfernung bedingte GdB von 30 nicht zu erhöhen.
Auch die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils enthalten keine Begründung für die Ablehnung des gemäß §
109 SGG gestellten Antrages.
Gegen das am 10.09.2002 zugestellte Urteil hat der Kläger am 09.10.2002 Berufung eingelegt und zu deren Begründung
vorgetragen, bei dem bestehenden Sachverhalt habe er weder grob nachlässig noch in Verschleppungsabsicht
gehandelt, wenn er erst in der mündlichen Verhandlung den Antrag gemäß § 109 SGG gestellt habe.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 30.08.2002 abzuändern und den Bescheid vom 18.01.2002 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.03.2002 aufzuheben,
hilfsweise,gemäß § 109 SGG von einem noch zu benennenden Arzt ein Gutachten einzuholen,
hilfsweise,das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 30.08.2002 aufzuheben und den Rechtsstreit an dieses Gericht
Der Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 30.08.2002 zurückzuweisen,
hilfsweise,
das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 30.08.2002 aufzuheben und den Rechtsstreit an dieses Gericht zu
verweisen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge des
Beklagten Bezug genommen. Diese sind Gegenstand mündlicher Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist im Sinne der Zurückverweisung begründet.
Nach § 159 Abs. 1 Nr. 1 SGG kann das Landessozialgericht die angefochtene Entscheidung durch Urteil aufheben und
die Sache an das SG zurückverweisen, wenn das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und die Entscheidung
des SG auf diesem Verfahrensstoß beruhen kann. Verfahrensmangel ist u.a. ein Verstoß gegen eine das
Gerichtsverfahren regelnde Vorschrift.
Diese Voraussetzungen liegen vor. Denn das SG hat den Amtsermittlungsgrundsatz und damit eine zwingende
Verfahrensvorschrift verletzt. Der Verstoß gegen das in § 103 SGG normierte Gebot der Sachaufklärung stellt einen
wesentlichen Verfahrensmangel da (BSG, Urteil vom 24.11.1977 - 9 RV 64/74 - SozR 1500 § 103 Nr. 16;
Meyer-Ladewig, SGG, 7. Auflage, § 103 Rn. 20), der zur Zurückverweisung gemäß § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG führen kann.
Gemäß § 103 SGG erforscht das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen
(Satz 1). Es ist an das Vorbringen und die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden (Satz 2). Das Gericht muss alle
Tatsachen ermitteln, die für die Entscheidung wesentlich, d.h. entscheidungserheblich sind. Bei einer Anfechtungsklage -
um eine solche handelt es sich vorliegend - gehören dazu alle Tatsachen, von denen die Beurteilung der Rechtmäßigkeit
oder Rechtswidrigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes abhängt.
Nach § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) - Verwaltungsverfahren - i.V.m. §§ 3 und 4 Schwerbehindertengesetz
bzw. ab 01.07.2001 §§ 2, 69 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) - Rehabilitation und Teilhabe behinderter
Menschen - ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen
Verhältnisses, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Als wesentliche
Änderung i.S.d. § 48 SGB X ist auch eine Änderung der gesundheitlichen Voraussetzungen des Klägers seit Erlass des
bindenden Bescheides zu sehen. Die Prüfung einer solchen Änderung der gesundheitlichen Verhältnisse setzt im
wesentlichen einen Vergleich zwischen den gesundheitlichen Verhältnissen, die bei Erlass des letzten bindenden
Bescheides vorgelegen haben, und denen voraus, die im Zeitpunkt der beabsichtigten oder gebotenen Änderung (GdB -
Feststellung) vorliegen. Im Falle der Anfechtungsklage ist auf den Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung des
Beklagten - hier März 2002 (Widerspruchsbescheid vom 12.03.2002) - abzustellen (BSG, Urteil vom 12.02.1997 - 9 RVs
12/95 -; Urteil vom 10.09.1997 - 9 RVs 15/96 - SozR 3-3870 § 3 Nr. 7), das heißt, es sind zunächst die
Funktionsstörungen und deren Auswirkungen in diesem Zeitpunkt festzustellen.
Die dazu angestellten Ermittlungen des SG sind nicht ausreichend. Es hätte seine Entscheidung nicht allein auf die
eingeholten Befundberichte stützen dürfen. Zwar mag die Einholung von Befundberichten der behandelnden Ärzte im
Einzelfall zu zutreffenden Ergebnissen führen; Befundberichte können auch Grundlage von Vergleichsvorschlägen sein,
sie rechtfertigen es aber grundsätzlich nicht, von einer weiteren Sachaufklärung durch Sachverständigengutachten nach §
106 SGG abzusehen. Denn Befundberichte haben als Mitteilung des behandelnden Arztes im Vergleich zu einem
Sachverständigengutachten (§§ 402 ff Zivilprozessordnung - ZPO -) grundsätzlich nur einen minderen Beweiswert. Es
besteht ein grundlegender Unterschied in der prozessualen Stellung eines gerichtlich bestellten Sachverständigen und
eines zu Auskunftszwecken heran gezogenen behandelnden Arztes. Dieser steht zu seinem Patienten in einer durch ein
besonderes Vertrauensverhältnis, aber auch in einer gleichermaßen durch pekuniäre Interessen geprägten Beziehung.
Demgegenüber ist der gerichtliche Sachverständige kraft Gesetzes verpflichtet, sein Gutachten unparteiisch und nach
bestem Wissen und Gewissen zu erstatten (§§ 410 ZPO). Eine Verletzung dieser Pflichten kann erhebliche strafrechtliche
Folgen nach sich ziehen (§§ 153, 154, 163 Abs. 1 Strafgesetzbuch - StGB -). Deswegen kommt der
Sachverständigenbeurteilung grundsätzlich der höhere Beweiswert zu (Senatsbeschluss vom 04.02.2002 - L 10 B 30/01
SB -). Hiervon kann nur in eindeutigen Konstellationen, z.B. bei Mitteilung schlichter meßtechnischer Daten oder
Verwertung der im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten abgesehen wer den. Das SG hätte sich demzufolge
angesichts der im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren gemachten Angaben der behandelnden Ärzte des Klägers
gedrängt fühlen müssen, weitere Befundberichte und Gutachten ggf. von Fachärzten ein zuholen (hierzu Bayer. LSG, Urteil
vom 08.03.2000 - L 18 SB 110/99 -), wobei den behandelnden Ärzte zunächst gezielte Fragen hinsichtlich der im
fraglichen Zeitraum geklagten Beschwerden, der erhobenen Befunde und etwa durchgeführten bzw. angeordneten
Therapien hätten gestellt werden müssen.
Zwar hat das SG zu Recht unter Berücksichtigung der AHP Nr. 26.13 (S. 112) für die 1994 operierte Hodengeschwulst
rechts den Eintritt einer Heilungsbewährung bejaht mit der Folge, dass der GdB nur unter Beachtung der tatsächlich
vorliegenden Gesundheitsstörungen zu bewerten ist. Daneben sind jedoch die im maßgeblichen Zeitpunkt bestehenden,
auch neu hinzugetretenen Funktionsstörungen in die Einschätzung des GdB einzubeziehen. So sind sowohl in den im
Verwaltungs- als auch im Gerichtsverfahren eingeholten Befundberichten eine depressive Reaktion/posttraumatische
Belastungsstörung (Dres. H./ D.), ein Halswirbelsäulensyndrom, Schultergelenksbeschwerden i.S. eines
Rotatorenmanschettensyndroms der linken Schulter (Dr. Sch.) bzw. eine Periathritis humero scapularis links (Dr. K., Dr.
L.), eine Ulnarisschädigung sowie ein Karpaltunnelsyndrom links (Dr. H.) dokumentiert worden. Dass diese
Gesundheitsstörungen im März 2002 nicht mehr bzw. noch nicht vorgelegen haben, lässt sich den Berichten nicht
entnehmen, ebenso nicht, ob und inwieweit diese zu Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft
geführt haben. Insbesondere hätte das SG bei seiner Entscheidung nicht die Beurteilung des behandelnden Internisten
Dr. K. hinsichtlich der für ihn fachfremden Gesundheitsstörungen berücksichtigen dürfen.
Ebensowenig lässt der Umstand, dass sich der Kläger nicht in psychotherapeutischer Behandlung befunden hat,
zwingend den Schluss zu, dass im Zeitpunkt der Herabsetzung keine psychischen Störungen vorgelegen haben, die über
die dem Ausmaß der organischen Veränderungen entsprechenden üblichen seelischen Begleiterscheinungen
hinausgehen. Das lässt sich insbesondere nicht aus der Angabe des behandelnden Arztes Dr. D., die alte Symptomatik
(wohl Z. n. Hodenkarzinom, posttraumatische Belastungen) habe sich gebessert, herleiten (Bericht vom 22.05.2002).
Auch lassen sich aufgrund der eingeholten Befundberichte nicht das Ausmaß und die Auswirkungen der
orthopädisch/chirurgischen Gesundheitsstörungen bezogen auf den Herabsetzungszeitraum feststellen. Darüber, dass es
sich bei dem von dem behandelnden Orthopäden Dr. Sch. im Mai 2001 beschriebenen Halswirbelsäulensyndrom bei
degenerativen Veränderungen nur um leichtgradige Veränderungen gehandelt hat und diese auch nur in diesem Ausmaß
im Zeitpunkt der Herabsetzung (März 2002) bestanden haben, lässt sich ebenfalls aufgrund der vorliegenden Berichte
keine Feststellung treffen.
Das gilt ebenso für die bereits von Dr. Sch. im Mai 2001 diagnostizierten Schulterbeschwerden links, die als Ausdruck
eines Rotatorenmanschettensyndroms bzw. einer Periarthritis humero scapularis bewertet wurden.
Hinsichtlich der dokumentierten Gesundheitsstörungen "sensible Ulnarisschädigung links sowie Karpaltunnelsyndrom
links" wären ebenfalls weitere Ermittlungen angezeigt gewesen. Der von Dr. D. angegebene Zeitpunkt des Eintritts dieser
Gesundheitsstörungen - Frühjahr 2002 - spricht dafür, dass sie bereits im März 2002 vorgelegen haben. Dass es sich
dabei lediglich um vor übergehende Erkrankungen gehandelt hat, die bei der Einschätzung des GdB außer Acht zu
lassen gewesen wären, ist angesichts der Ausführungen des Dr. K. in seiner Bescheinigung vom 21.08.2002 zweifelhaft
und hätte weiterer Ermittlungen bedurft.
Die Ablehnung des gemäß § 109 SGG gestellten Antrages und deren fehlende Begründung waren - unter
Zugrundelegung des Standpunktes des SG, weitere Ermittlungen seien nicht geboten gewesen - ebenfalls
verfahrensfehlerhaft (BSG, Urteil vom 09.10.1969 - 10 RV 516/68 -, KOV 1970/72 ff; Urteil vom 31.01.1973 - 9 RV
362/72 - KOV 1974/15; Beschluss vom 23.09.1997 - 2 BU 177/97, SozR 3 - 1500 § 109 SGG Nr. 2; Meyer-Ladewig,
SGG, 7. Auflage, § 109 Rn. 17). Die Begründung ist nicht deswegen entbehrlich, weil ein Beschluss nach § 109 Abs. 1
SGG nicht gesondert anfechtbar ist (§ 172 Abs. 2 SGG). Denn der Beschluss kann mit der Berufung angefochten werden
(Meyer-Ladewig a.a.O., § 109 Rn. 20 ).
Gemäß § 109 SGG muss auf Antrag des Behinderten ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Die Anhörung kann
davon abhängig gemacht werden, dass der Antragsteller die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen
Entscheidung des Gerichts endgültig trägt. Das Gericht kann gemäß § 109 Abs. 2 SGG einen Antrag nur ablehnen, wenn
durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien
Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher
vorgebracht worden ist. Es kann insbesondere von der Einholung des Gutachtens nicht absehen, weil es dessen
Einholung nicht für notwendig oder den Sachverständigen nicht für geeignet hält (BSG, Beschluss vom 23.09.1997 - 2 BU
177/97 -, a.a.O.).
Welche Gründe das SG zur Ablehnung des Antrages bewogen haben, ist mangels einer Begründung des Beschlusses
bzw. in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils nicht zu erkennen. Ebensowenig sind Ablehnungsgründe
offen sichtlich. Insbesondere ergeben sich weder Verschleppungsabsicht noch grobe Nachlässigkeit aus dem
Prozessverlauf. Denn der Kläger konnte allein aufgrund des Ergebnisses der vom SG durchgeführten Ermittlungen nicht
davon ausgehen, dass dieses den Rechtsstreit für entscheidungsreif i.S.d. Klageabweisung gehalten hat.
Die aufgezeigten Verfahrensmängel sind wesentlich. Es kann nämlich nicht aus geschlossen werden, dass das SG nach
der gebotenen Durchführung weiterer Ermittlungen bzw. des gemäß § 109 SGG eingeholten Gutachten zu einer anderen
Beurteilung der Sach- und Rechtslage gelangt wäre. Die trotz des Vorliegens der Voraussetzungen des § 159 Abs. 1
SGG nicht zwingend vorgeschriebene, sondern nur im Ermessen des Senats stehende Zurückverweisung erscheint
angesichts der Kürze des Berufungsverfahrens im Hinblick darauf, dass den Beteiligten eine weitere Tatsacheninstanz
erhalten bleiben soll, geboten.
Die Entscheidung über die Kosten des gesamten Verfahrens bleibt dem SG vorbehalten.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).