SG Düsseldorf, Beschluss vom 12.12.2002, Az.: S 31 SB 550/01 |
1. Auch im Schwerbehindertenrecht ist gemäß § 35 SGB X ein Bescheid über die Höhe des GdB so zu begründen, dass der Antragsteller nachvollziehen kann, warum der GdB in entsprechender Höhe festgestellt wurde. Dazu gehört auch, dass die Bildung des Gesamt- GdB begründet wird.
2. Gemäß Punkt 5 und 6 der "Anhaltspunkte" kann nur dann auf eine Untersuchung der Antragsteller in Schwerbehindertenverfahren verzichtet werden, wenn die der Behörde vorliegenden Befundberichte in überzeugender Weise ein ausreichendes Bild von Art und Ausmaß aller geltend gemachten Behinderungen vermitteln.
3. Verstößt die Behörde gegen die oben genannten Grundsätze, so muss sie auch dann die Kosten eines Widerspruchs oder Klageverfahrens tragen, wenn Klage oder Widerspruch erfolglos waren.
Gründe:
I.
Die Beteiligten haben in einem Verfahren nach dem Schwerbehindertengesetz gestritten.
Der Beklagte hatte bei der Klägerin mit Bescheid vom 14.10.1996 einen GdB von 30 festgestellt. Im Januar 2001 hat die Klägerin einen Änderungsantrag gestellt. Hierin hat die Klägerin vier behandelnde Ärzte angegeben. Von dreien dieser Ärzte hat der Beklagte einen Befundbericht angefordert, unter anderem auch von dem Psychiater A.
Mit Bescheid vom 25.10.2001 hat der Beklagte den Antrag der Klägerin auf Feststellung eines höheren GdB abgelehnt. Dabei beruft sich der Beklagte auf eine interne Stellungnahme seines ärztlichen Beraters, der die eingeholten Befundberichte ausgewertet hat.
Im Gerichtsverfahren, in dem die Klägerin beantragt hat einen GdB von 50 festzustellen, sind medizinische Sachverständigengutachten eingeholt worden. Ausweislich dieser Gutachten beträgt der Einzel-GdB für das neurologisch-psychiatrische Fachgebiet 40 und der Gesamt-GdB ebenfalls 40.
Die Beteiligten haben daraufhin einen Vergleich geschlossen, wonach der Gesamt-GdB ab Antragstellung 40 beträgt.
Die Beteiligten haben übereinstimmend beantragt, das Gericht möge über die Verteilung der außergerichtlichen Kosten durch Beschluss entscheiden.
Der Beklagte ist dabei der Auffassung, die Klägerin habe die ursprünglich mit der Klage begehrte Schwerbehinderteneigenschaft nicht erreicht und der Beklagte sei daher nur verpflichtet, ein Fünftel der erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu tragen.
II.
Das Gericht kann vorliegend gem. § 193 Abs. 1, 2. Halbsatz durch Beschluss über die Kostenverteilung entscheiden.
Maßgebliches Kriterium für diese Kostenverteilung ist normalerweise das Verhältnis von Obsiegen zu Unterliegen. Legt man dies vorliegend zugrunde, so hätte der Beklagte der Klägerin ein Drittel der außergerichtlichen Kosten zu erstatten, denn die Klägerin hat zwar eine Anhebung des GdB von 30 auf 40 erreicht, die Schwerbehinderteneigenschaft, die mit sehr viel weitergehenden Vergünstigungen verbunden ist als ein GdB von 40, hat die Klägerin allerdings verfehlt.
Der Beklagte hat vorliegend gleichwohl die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin in vollem Umfange zu tragen, weil der Beklagte durch eine mangelhafte Aufklärung des Sachverhaltes im Vorverfahren Anlaß zur Klageerhebung gegeben hat. Der Beklagte durfte aufgrund der von ihm im Vorverfahren angestellten Ermittlungen keinen Bescheid erteilen, weil der Beklagte den Sachverhalt insoweit nicht ausreichend genug aufgeklärt hat. Punkt 5 und 6 der "Anhaltspunkte 1996" schreiben vor, dass nur dann eine Untersuchung der Antragsteller unterbleiben kann, wenn die Befundberichte " in überzeugender Weise ein ausreichendes Bild von der Art und dem Ausmaß aller geltend gemachten Behinderungen vermitteln". Aus den vom Beklagten eingeholten Befundberichten, insbesondere aus dem Befundbericht des behandelnden Psychiaters, lässt sich kein sicherer Schluss auf die Höhe des Grades der Behinderung ziehen. Dazu ist der Befundbericht zu wenig aussagekräftig. Er enthält nur Schlagworte wie "Wahrnehmungsstörung, Denkstörung, Konzentrations- und Aufmerksamkeitsstörung". Das Ausmaß der Behinderung lässt sich an solchen Begriffen nicht ableiten. Vielmehr hätte es sich hier aufdrängen müssen, die Klägerin amtsärztlich begutachten zu lassen. Unterlässt der Beklagte eine solche Begutachtung im Vorverfahren oder im Widerspruchsverfahren, so gibt er damit Anlass zur Klageerhebung und ist in aller Regel verpflichtet, die Verfahrenskosten zu tragen (vgl. LSG NRW, Beschluss vom 21.09.1998, Az.: L 10 B 6/98 SB; LSG Berlin, Beschluss vom 12.04.200, Az.:L 11 B 5/00 SB).
Im Übrigen genügt die Begründung im Bescheid vom 25.10.2001 ebenso wie die im Widerspruchsbescheid vom 28.11.2001 nicht den Anforderungen des § 35 SGB X, der fordert, dass ein Verwaltungsakt zu begründen ist. Der Beklagte hat nämlich vorliegend nicht dargelegt, wie er bei der Klägerin zu einem GdB von 30 gelangt ist. Im Bescheid vom 25.10.2001 wird lediglich aufgeführt, dass
bei der Klägerin im Verhältnis zur Feststellung aus dem Jahre 1996 die Behinderungen "Bronchitis, Diabetes mellitus und Bluthochdruck" hinzugekommen sind. Warum der GdB weiterhin 30 beträgt, geht weder aus dem Bescheid noch aus dem Widerspruchsbescheid nachvollziehbar hervor. Selbst wenn die Klägerin Akteneinsicht genommen hätte und die gutachterliche Stellungnahme des beratenden Arztes vom 15.10.2001 ausgewertet hätte, hätte sie vorliegend nicht ersehen können, warum der GdB nur 30 beträgt. In der gutachterlichen Stellungnahme sind nämlich lediglich links Behinderungen aufgeführt und rechts ein zugehöriger Einzel-GdB. Im unteren Teil der ärztlichen Stellungnahme ist ein Gesamt-GdB angegeben, ohne dass dieser in irgendeiner Weise begründet worden ist. Damit kann die Klägerin überhaupt nicht nachvollziehen, wie es zu den Einzel-Graden der Behinderung und zur Bildung des Gesamt-GdB gekommen ist. Die Klägerin war - schon um eine entsprechende Begründung zu erhalten - gezwungen einen Anwalt aufzusuchen und Klage zu erheben.
RMB