Gründe:

I

Die Klägerin begehrt noch eine angemessene Entschädigung wegen immaterieller Nachteile infolge der überlangen Dauer eines Klageverfahrens vor dem SG Magdeburg (S 12 P 27/00) und eines Berufungsverfahrens vor dem LSG Sachsen-Anhalt (L 4 P 1/07) zwischen denselben Beteiligten.

Bei der Klägerin handelt es sich um eine gemeinnützige Gesellschaft mit beschränkter Haftung (gGmbH), die u.a. ein Seniorenheim mit 50 Pflegeplätzen in S. betreibt. Im Ausgangsverfahren begehrte sie von dem beklagten Land die Zustimmung zur gesonderten Inrechnungstellung von Investitionsaufwendungen in Höhe von umgerechnet 5,14 Euro täglich, um diesen Betrag für die Zeit vom 6.12.1999 bis 31.12.2000 gegenüber ihren Heimbewohnern zusätzlich abrechnen zu können. Das beklagte Land, das der Klägerin vorgerichtlich nur umgerechnet 0,19 Euro und im Laufe des Klageverfahrens 0,25 Euro täglich zubilligte, wurde schließlich mit Urteil des BSG vom 8.9.2011 (B 3 P 4/10 R) verpflichtet, seine Zustimmung zur Berechnung eines weiteren Teilbetrags von 0,20 Euro täglich zu erteilen. Im Übrigen blieb die Klägerin - wie in den Vorinstanzen - erfolglos; über die insoweit erhobene Verfassungsbeschwerde wurde noch nicht entschieden.

Das Ausgangsverfahren begann nach Klageerhebung im Mai 2000 mit dem Austausch von Schriftsätzen zwischen den Beteiligten. Dabei kam es immer wieder zu (mitunter auch längeren) Unterbrechungen, deren Ursachen das LSG nach Beiziehung der Gerichtsakte nur teilweise feststellen konnte. Nach Durchführung eines Erörterungstermins im Juli 2004 stellte das SG Ermittlungen von Amts wegen an und forderte die Klägerin auf, ihre Investitionsaufwendungen zu belegen. Die Auswertung dieser Unterlagen führte zu einem Teilanerkenntnis des Beklagten. Im Juli 2005 fand ein weiterer Erörterungstermin statt; in der Folge ergänzten die Beteiligten ihren Sach- und Rechtsvortrag. Im Dezember 2005 hielt das SG die Sache für entscheidungsreif; ein Jahr später wies es die Klage aufgrund mündlicher Verhandlung ab. Das Berufungsverfahren begann mit Eingang des Rechtsmittels im Januar 2007, das die Klägerin erst nach Erinnerung durch das LSG im Juni 2007 begründete. Nach der Berufungserwiderung des Beklagten blieb der Rechtsstreit fast zweieinhalb Jahre lang sachlich unbearbeitet. Im Dezember 2009 erfolgte eine richterliche Anfrage an die Klägerin zur Aufklärung deren Rechtsschutzbedürfnisses. In der Folgezeit kam es darüber zu Schriftwechsel zwischen den Beteiligten; die Klägerin reichte zudem weitere Belege nach. Auf die mündliche Verhandlung vom 11.5.2010 wies das LSG die Berufung der Klägerin zurück; das schriftliche Urteil wurde den Beteiligten im Juli 2010 übersandt.

Mit Beschluss der 3. Kammer des 1. Senats vom 14.12.2010 stellte das BVerfG fest, dass die überlange Verfahrensdauer vor dem LSG im Verfahren L 4 P 1/07 die Klägerin in ihrem Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz aus Artikel 19 Abs. 4 Satz 1 GG verletzt hat. Im Übrigen (dh wegen der Verfahrensdauer vor dem SG) wurde die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen (1 BvR 404/10 - SozR 4-1100 Artikel 19 Nr. 10).

Am 7.7.2011 erhob die Klägerin am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) Beschwerde gegen die Bundesrepublik Deutschland wegen der Dauer des Ausgangsverfahrens. Nach Inkrafttreten des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (ÜGG) am 3.12.2011 wies der EGMR die Klägerin auf die nunmehr auch für bereits anhängige oder gar abgeschlossene Verfahren bestehende innerstaatliche Rechtsschutzmöglichkeit hin, die vor einer Menschenrechtsbeschwerde auszunutzen sei.

Daraufhin hat die Klägerin am 26.1.2012 mit dem Ziel einer angemessenen Entschädigung für die Dauer des Ausgangsverfahrens Klage erhoben. Die in beiden Tatsacheninstanzen unangemessene Verfahrensdauer sei der zögerlichen Bearbeitung durch die Gerichte des beklagten Landes zuzuschreiben; die Klägerin habe das Ausgangsverfahren stets mit der erforderlichen Sorgfalt geführt. Die verspätete Durchsetzung ihrer berechtigten Forderung führe zu wirtschaftlichen Nachteilen, weil eine Geltendmachung zusätzlicher Entgeltansprüche gegenüber den betroffenen Heimbewohnern nach mehr als zehn Jahren rechtlich und tatsächlich schwierig sei. Ungeachtet ihrer Rechtspersönlichkeit als gGmbH stehe ihr aber auch ein Ausgleich für erlittene immaterielle Nachteile zu. Die Prozessführung über eine derart lange Zeit sei für sie ungewöhnlich aufwändig gewesen - zumal es noch Parallelverfahren gegeben habe. Diese Belastungen ließen sich nicht als konkrete Vermögenseinbuße beziffern.

Das LSG hat das beklagte Land zur Zahlung von 2400 Euro an die Klägerin verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen (Urteil vom 29.11.2012). Zur Begründung hat es angeführt, das Ausgangsverfahren vor dem LSG sei von unangemessener Dauer gewesen. Dagegen sei die erstinstanzliche Verfahrensdauer nicht unangemessen gewesen. Beides stehe bereits aufgrund der Entscheidung des BVerfG bindend fest. Die vom Beklagten zu entschädigende Verzögerung liege zwischen zwei und drei Jahren; eine genauere Festlegung sei entbehrlich, da unterjährige Zeiträume nicht zu berücksichtigen seien. Die aus der Überlänge resultierende gesetzliche Vermutung eines Nicht-Vermögensnachteils gelte auch für die Klägerin als juristische Person. Dagegen sei ein materieller Schaden zwar denkbar, aber nicht konkret feststellbar. Nach den Umständen des Einzelfalls komme eine andere Wiedergutmachung als eine Entschädigungszahlung nicht in Betracht. Deren Höhe habe dem gesetzlichen Regelsatz von 1200 Euro für jedes volle Jahr der Verzögerung zu entsprechen, weil dieser Betrag hier nicht unbillig erscheine.

Mit ihrer - vom LSG zugelassenen - Revision rügt die Klägerin eine Verletzung materiellen Rechts. Das LSG habe die Unangemessenheit der Verfahrensdauer nicht den gesetzlichen Kriterien entsprechend festgestellt, weil es zu Unrecht von einer Bindung an die Entscheidung des BVerfG ausgegangen sei, obgleich dieser ein anderer Bewertungsmaßstab zugrunde gelegen habe. Das Ausgangsverfahren sei um mindestens dreieinhalb Jahre verzögert gewesen. Ferner fehle es an einer Rechtsgrundlage für die vom LSG vorgenommene Abrundung des Zeitraums der Überlänge auf volle Jahre. Die Entschädigungssumme müsse zeitanteilig berechnet werden.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 29. November 2012 abzuändern und das beklagte Land zu verurteilen, an die Klägerin wegen der unangemessenen Dauer des Klageverfahrens vor dem Sozialgericht Magdeburg (S 12 P 27/00) und des Berufungsverfahrens vor dem Landessozialgericht Sachsen-Anhalt (L 4 P 1/07) weitere Entschädigung wegen immaterieller Nachteile in Höhe von 1800 Euro sowie wegen materieller Nachteile in Höhe von 3600 Euro zu zahlen,

sowie

die Anschlussrevision des beklagten Landes zurückzuweisen.

Das beklagte Land beantragt,

die Revision der Klägerin zurückzuweisen,

sowie im Wege der Anschlussrevision,

das Urteil des LSG Sachsen-Anhalt vom 29.11.2012 abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Es stützt die Anschlussrevision ebenfalls auf eine Verletzung materiellen Rechts. Das LSG habe der Klägerin zu Unrecht eine Entschädigung zum Ausgleich eines immateriellen Nachteils zugesprochen, da ein solcher bei einer juristischen Person nicht eintreten könne. Die Zahlung solle wie ein Schmerzensgeld psychische Beeinträchtigungen kompensieren, die nur bei natürlichen Personen denkbar seien. Selbst von seinem gegenteiligen Standpunkt aus sei das LSG jedoch vorschnell zu dem Ergebnis gelangt, eine Wiedergutmachung auf andere Weise reiche nicht aus. Dies verkenne die Subsidiarität einer Entschädigung in Geld. Wenn sich die Beeinträchtigung durch das Ausgangsverfahren - wie hier - in dessen bloßer Überlänge erschöpfe, reiche ein Feststellungsausspruch als Entschädigung aus. Dafür spreche auch die geringe Erfolgsquote, die die Klägerin im Ausgangsverfahren erreicht habe.

Die Beteiligten haben in der mündlichen Verhandlung des Senats zur Abgeltung des materiellen Schadens der Klägerin durch die Dauer des Ausgangsverfahrens einen Vergleich geschlossen und den Rechtsstreit insoweit für erledigt erklärt.

 

II

Die zulässige Revision der Klägerin und die zulässige Anschlussrevision des beklagten Landes (§ 202 SGG i.V.m. § 554 ZPO) sind im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das Entschädigungsgericht begründet (§ 170 Abs. 2 Satz 2 SGG). Die bisherigen Tatsachenfeststellungen des LSG lassen eine abschließende Entscheidung des Senats nicht zu.

Zutreffend hat das Entschädigungsgericht das Begehren der Klägerin sowohl in prozessualer als auch in materiell-rechtlicher Hinsicht an §§ 198 ff Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) gemessen (dazu 1.). Das LSG ist auch zu Recht von der Zulässigkeit der Entschädigungsklage ausgegangen (dazu 2.); seine Feststellungen tragen jedoch die Entscheidung in der Sache nicht (dazu 3.). Ob und ggf. in welcher Höhe ein Anspruch der Klägerin aus § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG auf Zahlung einer Geldentschädigung besteht, lässt sich auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des LSG, an die der Senat mangels entsprechender Revisionsrügen gebunden ist (§ 163 SGG), nicht beantworten.

1. Auf das von der Klägerin geltend gemachte Entschädigungsbegehren sind die Vorschriften des ÜGG vom 24.11.2011 (BGBl I 2302) und damit die durch dieses Gesetz eingefügten §§ 198 ff GVG anwendbar. Das gilt nach der Übergangsregelung des Artikel 23 Satz 1 ÜGG auch für bei seinem Inkrafttreten am 3.12.2011 (vgl. Artikel 24 Satz 1 ÜGG) bereits abgeschlossene Verfahren, deren Dauer an diesem Tag Gegenstand einer beim EGMR anhängigen Beschwerde war. Letzteres war hier nach den Feststellungen des LSG der Fall. Für die Abgrenzung anhängiger und abgeschlossener Verfahren ist im Rahmen des Artikel 23 Satz 1 ÜGG der Eintritt der formellen Rechtskraft maßgebend (vgl. § 198 Abs. 5 Satz 2, Abs. 6 Nr. 1 GVG). Dafür kommt es auf den Tag der Urteilsverkündung durch das BSG im Ausgangsverfahren an (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 141 RdNr. 2a), der hier am 8.9.2011 und damit vor dem Inkrafttreten des ÜGG gewesen ist.

2. Die Entschädigungsklage ist zulässig.

a) Das LSG war für die Entscheidung funktional und örtlich zuständig. In den der Sozialgerichtsbarkeit zugewiesenen Angelegenheiten (vgl. § 51 SGG) ist gemäß § 201 Abs. 1 Satz 1 GVG i.V.m. § 202 Satz 2 SGG für Klagen auf Entschädigung nach § 198 GVG gegen ein Land das LSG zuständig, in dessen Bezirk das streitgegenständliche Ausgangsverfahren durchgeführt wurde.

b) Mit ihrer am 26.1.2012 beim LSG eingegangenen Klageschrift hat die Klägerin die bis zum 3.6.2012 reichende Klagefrist des Artikel 23 Satz 6 ÜGG gewahrt.

c) Die Entschädigungsklage ist als allgemeine Leistungsklage statthaft (§ 54 Abs. 5 SGG; hierzu BSG Urteile vom 3.9.2014 - B 10 ÜG 2/14 R - Juris RdNr. 17, zur Veröffentlichung in SozR 4-1720 § 198 Nr. 5 vorgesehen, und B 10 ÜG 12/13 R - Juris RdNr. 20, zur Veröffentlichung in SozR 4-1720 § 198 Nr. 4 vorgesehen, m.w.N.), ohne dass es zuvor einer außergerichtlichen Geltendmachung des Zahlungsanspruchs bedurft hätte.

3. Ob der Klägerin - wie vom LSG erkannt - gegen den Beklagten ein Zahlungsanspruch zusteht, lässt sich im Revisionsverfahren nicht abschließend beantworten. Hierfür fehlen Feststellungen und eine umfassende Gesamtabwägung des LSG zur möglichen Unangemessenheit der Verfahrensdauer.

a) Das beklagte Land ist für den Entschädigungsanspruch nach § 200 Satz 1 GVG passivlegitimiert, weil es danach für Nachteile haftet, die aufgrund von Verzögerungen bei seinen Gerichten entstehen; solche Nachteile macht die Klägerin geltend. Sie hat ihr Entschädigungsbegehren in zulässiger Weise auf die Tatsacheninstanzen des Ausgangsverfahrens beschränkt, so dass nur die Dauer des Klageverfahrens vor dem SG Magdeburg und des Berufungsverfahrens vor dem LSG Sachsen-Anhalt, nicht jedoch die des Revisionsverfahrens vor dem BSG, streitgegenständlich ist. Dabei handelt es sich um einen abgegrenzten Teil eines Gerichtsverfahrens i.S. von § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG, der - wie gerade die Regelung des § 200 GVG über die zwischen den für die Gerichte verantwortlichen Körperschaften aufgeteilte Haftung zeigt - einen eigenständigen Entschädigungsanspruch gemäß § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG begründen kann (ebenso Ott in Steinbeiß-Winkelmann/Ott, Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, 2013, § 198 GVG RdNr. 52).

b) Die Feststellung einer überlangen Verfahrensdauer von zwischen zwei und drei Jahren durch das Entschädigungsgericht hält revisionsrichterlicher Überprüfung nicht stand.

aa) Rechtsfehlerhaft ist bereits die Vorgehensweise des LSG, die unangemessene Verfahrensdauer lediglich jahresgenau festzustellen. Der Senat ist in seiner Rechtsprechung zum ÜGG stets davon ausgegangen, dass der Monat die maßgebende Zeiteinheit zur Feststellung von Verzögerungen von Gerichtsverfahren ist (siehe schon Urteil vom 21.2.2013 - B 10 ÜG 1/12 KL - BSGE 113, 75 = SozR 4-1720 § 198 Nr. 1; ferner Urteile vom 3.9.2014 - B 10 ÜG 2/13 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-1720 § 198 Nr. 3 vorgesehen und Parallelverfahren). Das gilt in gleicher Weise für die Bemessung einer Entschädigungszahlung wie für die Beurteilung der Unangemessenheit der Verfahrensdauer.

bb) Bei der - nach Zurückverweisung der Sache - gebotenen monatsweisen Betrachtung der Dauer des Ausgangsverfahrens kommt es zunächst auf dessen Gesamtlänge an, die in einem ersten Prüfungsschritt festzustellen ist (vgl. zur Prüfungsabfolge ausführlich Senatsurteil vom 3.9.2014 - B 10 ÜG 2/13 R - Juris RdNr. 24 ff, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-1720 § 198 Nr. 3 vorgesehen). Potentiell entschädigungspflichtig ist gemäß § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG der gesamte Zeitraum des Gerichtsverfahrens von dessen Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss. Wegen der Beschränkung des von der Klägerin geltend gemachten Entschädigungsanspruchs auf das Klage- und Berufungsverfahren ist hier die Zeit von der Klageerhebung bis zur Zustellung des LSG-Urteils maßgebend. Davon ist wohl auch das Entschädigungsgericht ausgegangen. Seinen Feststellungen lässt sich zumindest entnehmen, dass das Ausgangsverfahren am 8.5.2000 begonnen und kurz nach dem 7.7.2010 (Tag der "Übersendung des Urteils") geendet hat. Daraus ergibt sich eine für die Beurteilung der geltend gemachten Überlänge zu berücksichtigende Gesamtdauer von rund zehn Jahren und zwei Monaten.

cc) In einem zweiten Schritt ist - wiederum monatsgenau - der Ablauf des Verfahrens an den von § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG genannten Kriterien zu messen. Dafür hat das LSG bislang keine ausreichenden Tatsachenfeststellungen getroffen, sondern die maßgebenden Umstände des Einzelfalls - insbesondere der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens sowie Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter - für das Klageverfahren vor dem SG nicht und für das Berufungsverfahren vor dem LSG nur unzureichend festgestellt. Dem liegt die Annahme des LSG zugrunde, dies sei im vorliegenden Fall infolge der Bindungswirkung der Entscheidung des BVerfG vom 14.12.2010 (1 BvR 404/10) entbehrlich gewesen. Diese Ansicht teilt der Senat nicht.

Zwar bildet Haftungsgrund für den gesetzlich begründeten Entschädigungsanspruch wegen unangemessener Verfahrensdauer die Verletzung des in Artikel 19 Abs. 4 und Artikel 20 Abs. 3 GG sowie Artikel 6 Abs. 1 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) verankerten Rechts der Verfahrensbeteiligten auf Entscheidung eines gerichtlichen Verfahrens in angemessener Zeit. Der unbestimmte Rechtsbegriff "unangemessene Dauer eines Gerichtsverfahrens" ist daher insbesondere unter Rückgriff auf diejenigen Grundsätze auszulegen, die der EGMR zu Artikel 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK und das BVerfG zum Recht auf effektiven Rechtsschutz (Artikel 19 Abs. 4 GG) sowie zum Justizgewährleistungsanspruch (Artikel 2 Abs. 1 i.V.m. Artikel 20 Abs. 3 GG) entwickelt haben (vgl. Senatsurteil vom 3.9.2014 - B 10 ÜG 2/13 R - Juris RdNr. 23 ff m.w.N., SozR 4-1720 § 198 Nr. 3).

Trotz dieses Haftungsgrunds und der Entstehungsgeschichte des ÜGG kann die Auslegung der mit Wirkung zum 3.12.2011 neu geschaffenen Regelungen der §§ 198 ff GVG aber zu Ergebnissen führen, die von der Rechtsprechung des EGMR zu Artikel 6 EMRK und der Rechtsprechung des BVerfG zu Artikel 19 Abs. 4 GG abweichen. Der Senat hat bereits an anderer Stelle darauf hingewiesen, dass es sich bei den durch das ÜGG eingeführten Entschädigungsregelungen der §§ 198 ff GVG um einen autonomen Teil des Bundesrechts handelt, der unabhängig neben den menschen- und grundrechtlichen Garantien steht. Die einfachgesetzlichen Vorschriften sind daher zunächst nach den allgemeinen Regeln der juristischen Methodenlehre auszulegen. Kommt es dadurch zu einer Erweiterung des Schutzes gegen Verfahrensverzögerungen durch das nunmehr vorhandene einfache Gesetzesrecht, ist dies von vornherein unproblematisch (siehe zum Ganzen BSG Urteil vom 10.7.2014 - B 10 ÜG 8/13 R - SozR 4-1720 § 198 Nr. 2 RdNr. 20 f).

Aus der Entscheidung des BVerfG vom 14.12.2010 (1 BvR 404/10) speziell zum Fall der Klägerin ergibt sich entgegen der Ansicht des LSG nichts anderes. Zwar entfalten die Entscheidungen des BVerfG gemäß § 31 Abs. 1 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) Bindungswirkung für alle Gerichte. Diese beschränkt sich jedoch auf die entschiedene verfassungsrechtliche Frage; die Auslegung des einfachen Rechts bleibt Aufgabe der Fachgerichtsbarkeit (Bethge in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, § 31 RdNr. 88, Stand Einzelkommentierung: Februar 2014). Dies gilt hier umso mehr, als die einschlägige Vorschrift des § 198 GVG im Zeitpunkt der Beschlussfassung des BVerfG noch gar nicht existierte. Dahinstehen kann insoweit, ob die Bindungswirkung der Ausführungen zur Auslegung der Verfassung allein den in der Entscheidungsformel ausgedrückten konkreten Streitgegenstand oder auch die tragenden Gründe der Entscheidung umfasst (vgl. BVerfGE 115, 97, 108 ff; Bethge a.a.O. RdNr. 96 ff, jeweils m.w.N.). Das BVerfG hat jedenfalls ersichtlich nur über die Frage einer Grundrechtsverletzung entschieden. Es hat die Verfassungsbeschwerde bezüglich der Verfahrensdauer vor dem SG nicht zur Entscheidung angenommen und zur Begründung ausgeführt, eine "verfassungsrechtlich nicht hinnehmbare Untätigkeit" des SG sei nicht anzunehmen. Damit hat es kein Präjudiz für die Beurteilung der angemessenen Dauer des Klageverfahrens am Maßstab von § 198 GVG geschaffen.

Zuzustimmen ist dem Entschädigungsgericht nur insoweit, als die bindende Feststellung des BVerfG, die überlange Verfahrensdauer vor dem LSG habe die Klägerin in ihrem Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz aus Artikel 19 Abs. 4 Satz 1 GG verletzt, für die Entschädigungsklage nicht folgenlos bleiben kann. Denn § 198 GVG ist aufgrund seiner Entstehungsgeschichte und seines Regelungszwecks (verfassungskonform) dahingehend auszulegen, dass eine Verfahrensdauer, die einen Verfassungsverstoß darstellt, in jedem Fall auch "unangemessen" im Sinne dieser Regelung ist.

Das LSG hat auch zutreffend erkannt, dass diese verfassungsrechtliche Feststellung einer zeitlichen Konkretisierung bedarf, um die unangemessene Verfahrensdauer nach § 198 GVG justiziabel zu machen. Indes reichen seine Tatsachenfeststellungen nicht aus, um die inzwischen (zeitlich nach dem LSG-Urteil) in der Senatsrechtsprechung für die genannte Konkretisierung entwickelten Prüfungsschritte einschließlich der als dritter Schritt erforderlichen abschließenden Gesamtabwägung (vgl. Senatsurteil vom 3.9.2014 - B 10 ÜG 2/13 R - Juris RdNr. 24 ff, SozR 4-1720 § 198 Nr. 3) absolvieren zu können. Zwar ist das LSG im Ausgangspunkt zutreffend von den Kriterien des § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG ausgegangen; diesbezüglich haben die Beteiligten auch keine Revisionsrügen erhoben. Das Entschädigungsgericht hat insoweit ohne Verstoß gegen Bundesrecht angenommen, das Ausgangsverfahren sei rechtlich schwierig, jedoch ohne nennenswerten Ermittlungsaufwand zu entscheiden gewesen. Ebenso wenig revisionsrechtlich angreifbar ist die Bewertung des LSG, die Klägerin habe offenkundig ein erhebliches Interesse an einem schnellen Abschluss des Verfahrens gehabt. Auch die Bedeutung des Verfahrens für die Allgemeinheit war weit überdurchschnittlich; aus der vom LSG festgestellten Anfrage der Geschäftsführerin des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbands vom 26.7.2006 lässt sich ersehen, dass es sich um einen "Musterprozess" handelte (hierzu schon die Gesetzesbegründung BT-Drucks 17/3802 S 18).

Was die wertende Feststellung des LSG angeht, das Verhalten der Beteiligten habe das Ausgangsverfahren "nur wenig verzögert", ist dies in der Sache zutreffend, jedoch für die Entscheidung über die Entschädigungsklage nicht hinreichend differenziert. Insoweit muss das LSG nach Zurückverweisung seine Feststellungen kalendermonatsgenau konkretisieren. Soweit das Entschädigungsgericht zugunsten des Beklagten einen oder mehrere Berichterstatterwechsel als unvermeidbar angesehen hat, wird es zu beachten haben, dass es sich bei den damit verbundenen Zeiträumen nach der seitherigen Senatsrechtsprechung nicht um Zeiten aktiver Verfahrensförderung durch das Ausgangsgericht handelt; sie fallen ggf. in die grundsätzlich zwölfmonatige Vorbereitungs- und Bedenkzeit, die jeder Instanz zuzubilligen ist (vgl. Senatsurteil vom 3.9.2014 - B 10 ÜG 2/13 R - Juris RdNr. 45 f, SozR 4-1720 § 198 Nr. 3).

Bei der ebenfalls noch ausstehenden abschließenden Gesamtabwägung (vgl. Senatsurteil vom 3.9.2014 - B 10 ÜG 2/13 R - Juris RdNr. 27 und 45 ff, SozR 4-1720 § 198 Nr. 3) hinsichtlich des Ausgangsverfahrens in beiden Tatsacheninstanzen wird das Entschädigungsgericht schließlich in einem dritten Schritt, nachdem es die Monate gerichtlicher Inaktivität festgestellt haben wird, über eine ausreichende Vorbereitungs- und Bedenkzeit zu befinden haben, die nicht durch konkrete Verfahrensförderungsschritte begründet und gerechtfertigt werden muss. Das LSG wird dabei erwägen müssen, ob die vom Senat regelmäßig akzeptierte Zeitspanne von zwölf Monaten pro Instanz noch angemessen ist, oder ob nach den besonderen Umständen dieses Einzelfalls (etwa der erheblichen Bedeutung als Musterprozess) nicht ausnahmsweise eine kürzere oder gar keine Vorbereitungs- und Bedenkzeit anzusetzen ist (dazu schon Senatsurteil vom 3.9.2014 - B 10 ÜG 2/13 R - Juris RdNr. 50, SozR 4-1720 § 198 Nr. 3). Dies gilt angesichts der bereits überdurchschnittlichen Gesamtdauer des Klageverfahrens (und ggf. dessen noch festzustellender Überlänge) insbesondere für das Berufungsverfahren. Je länger das Verfahren insgesamt dauert, umso mehr verdichtet sich die aus dem Justizgewährleistungsanspruch resultierende Pflicht des Gerichts, sich nachhaltig um eine Beschleunigung des Verfahrens und dessen Beendigung zu bemühen (vgl. Stattgebende Kammerbeschlüsse des BVerfG vom 20.7.2000 - 1 BvR 352/00 - NJW 2001, 214, Juris RdNr. 11 und vom 22.8.2013 - 1 BvR 1067/12 - NJW 2013, 3630, Juris RdNr. 32). Entsprechende Hinweise lassen sich für den vorliegenden Fall bereits der Entscheidung des BVerfG vom 14.12.2010 entnehmen (1 BvR 404/10 - SozR 4-1100 Artikel 19 Nr. 10).

c) Sollte das LSG nach Durchführung der noch erforderlichen Tatsachenfeststellungen und der umfassenden Gesamtabwägung erneut zu dem Ergebnis gelangen, das Ausgangsverfahren habe für die Klägerin unangemessen lange gedauert, muss es prüfen, ob sie dadurch (kausal) einen Nachteil erlitten hat. Nach ihrem Vergleichsschluss in der mündlichen Senatsverhandlung streiten die Beteiligten insoweit nur noch über einen möglichen immateriellen Nachteil der Klägerin. Ein solcher Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird nach § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Zu ermitteln ist insoweit also nur, ob Anhaltspunkte bestehen, die geeignet sind, diese gesetzliche Vermutung zu widerlegen.

Entgegen der Ansicht der Anschlussrevision entkräftet allein die Eigenschaft der Klägerin als gGmbH die Vermutungswirkung des § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG nicht. Das beklagte Land geht zu Unrecht davon aus, eine juristische Person könne keinen immateriellen Nachteil erleiden. Schon der Gesetzeswortlaut differenziert nicht zwischen natürlichen und juristischen Personen. Dabei handelt es sich nicht um ein Redaktionsversehen, wie die Entstehungsgeschichte der Norm belegt. Vielmehr wollte der Gesetzgeber bewusst auch juristische Personen in den Anwendungsbereich des § 198 Abs. 2 GVG einbeziehen. Das zeigt die in den Gesetzgebungsmaterialien dokumentierte Auseinandersetzung zwischen Bundesrat und Bundesregierung über die vorzugswürdige Fassung des § 198 Abs. 2 GVG, insbesondere über die Vermutung immaterieller Nachteile (siehe BT-Drucks 17/3802, S 35, 40 f). Der Gesetzgeber hat sich im Ergebnis für den Regierungsentwurf entschieden; dieser war ausdrücklich damit begründet worden, der EGMR gewähre auch juristischen Personen Geldersatz für Nichtvermögensnachteile (Hinweis auf EGMR Urteil vom 6.4.2000 - Comingersoll./. Portugal). Diese würden bei unangemessener Verfahrensdauer vermutet, weil sie sonst nach deutschem Verständnis nur schwer nachweisbar seien. Schließlich spricht vor allem die teleologische Auslegung für die Einbeziehung juristischer Personen in die Entschädigung eines zu vermutenden Nicht-Vermögensschadens. Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 17/3802 S 40 f) wurde der weite Anwendungsbereich des § 198 Abs. 2 GVG gewählt, um einen effektiven nationalen Rechtsbehelf für Fälle der Verletzung des Menschenrechts auf Rechtsschutz in angemessener Zeit zu schaffen. Dies zielte gleichzeitig darauf ab, in solchen Fällen die Anrufung des EGMR überflüssig zu machen und den Gerichtshof zu entlasten. Sollte indes die Regelung im deutschen Recht nicht den Anforderungen des EGMR bezüglich Artikel 6 Abs. 1, Artikel 13 EMRK genügen, würden diese Ziele des Gesetzes zumindest teilweise verfehlt. Es spricht daher alles dafür, nicht hinter die Grundsätze zurückzugehen, die der EGMR seiner Rechtsprechung insbesondere in Bezug auf Entschädigungsansprüche juristischer Personen zugrunde gelegt hat. Darüber hinaus dient die Vermutungsregelung der Vereinfachung des Entschädigungsverfahrens, um die knappen Ressourcen der Justiz nicht zusätzlich zu belasten. Auch dieser Normzweck würde konterkariert, wollte man gerade juristische Personen und die hinter ihnen stehenden natürlichen Personen, die insoweit vor besonderen Beweisschwierigkeiten stehen, aus dem Anwendungsbereich ausnehmen.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Argumentation des Beklagten, ein Schmerzensgeld wegen eines immateriellen Schadens für eine juristische Person sei dem deutschen Recht im Allgemeinen fremd. Dies verkennt den systematischen Unterschied zwischen der Entschädigung eines Nachteils nach § 198 GVG und dem Ersatz eines Schadens (etwa im Wege des Amtshaftungsanspruchs). Die Bundesregierung hat in ihrer bereits zitierten Gegenäußerung darauf hingewiesen, der Entschädigungsanspruch sei "nicht unter dem Blickwinkel des deutschen Schadensersatzrechts zu beurteilen", sondern stelle einen "staatshaftungsrechtlichen Anspruch sui generis auf Ausgleich für Nachteile infolge rechtswidrigen hoheitlichen Handelns" dar (BT-Drucks 17/3802 S 40). Schon dies verbietet es, die allgemeine schadensersatzrechtliche Dogmatik auf den Anspruch aus § 198 GVG zu übertragen.

Letztlich hält der Senat aber bereits den Ausgangspunkt der Anschlussrevision für unzutreffend, wonach phänomenologisch bei juristischen Personen kein Nicht-Vermögensnachteil eintreten könne. Die Regierungsbegründung zum ÜGG führt als Beispiel für immaterielle Folgen eines überlangen Verfahrens u.a. Rufschädigungen (BT-Drucks 17/3802 S 19) an, die in gleicher Weise juristische wie natürliche Personen treffen können. Das Schrifttum nennt darüber hinaus exemplarisch Unsicherheit und Ungewissheit bei Planungsentscheidungen (Grzeszick in: Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, 14. Aufl. 2010, § 47 RdNr. 49), die instanzgerichtliche Rechtsprechung verweist auf Störungen der Geschäftsführung (Hessisches LSG Urteil vom 22.1.2014 - L 6 SF 4/12 EK KR - Juris RdNr. 58, Revision anhängig unter B 10 ÜG 5/14 R). Zudem ist im allgemeinen Deliktsrecht anerkannt, dass das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb dessen Inhaber (ggf. auch eine juristische Person) nicht nur vor der Beeinträchtigung von Vermögenswerten schützt, sondern alles umfasst, was in seiner Gesamtheit den Betrieb als wirtschaftliche Einheit ausmacht. Dazu zählen u.a. immaterielle Güter wie Erscheinungsform und Geschäftsidee, Kundenstamm und Lieferantenbeziehungen sowie Know-how und Goodwill (vgl. BGHZ 163, 9, 15 f = Juris RdNr. 19; Palandt/Sprau, BGB, 74. Aufl. 2015, § 823 RdNr. 134). Diese können beispielsweise durch Handlungen beeinträchtigt werden, die die Kreditwürdigkeit eines Unternehmens vermindern.

Neben den in der Person der Klägerin selbst eingetretenen immateriellen Nachteilen, die nach alledem mangels gegenteiliger Indizien gemäß § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG zu vermuten sind, lassen sich zu ihren Gunsten schließlich ebenfalls die vom LSG festgestellten besonderen Belastungen der für sie handelnden Personen berücksichtigen. Denn diese sind selbst nicht für einen eigenen Entschädigungsanspruch aktivlegitimiert, weil sie nicht Beteiligte des Ausgangsverfahrens waren (§ 198 Abs. 6 Nr. 2 GVG). Wollte man deren psychische Beeinträchtigungen durch eine überlange Verfahrensdauer nicht bei der von ihnen vertretenen juristischen Person in Ansatz bringen, könnten diese gar nicht entschädigt werden. Dies würde wiederum die Effizienz des mit dem ÜGG geschaffenen innerstaatlichen Rechtsbehelfs in Frage stellen.

d) Als Rechtsfolge sieht § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG eine angemessene Entschädigung für die Beteiligten eines vorangegangenen überlangen Gerichtsverfahrens vor.

aa) Das LSG ist zutreffend davon ausgegangen, ein Entschädigungsanspruch setze in der vorliegenden Konstellation nicht die Erhebung einer Verzögerungsrüge voraus, weil Artikel 23 Satz 5 ÜGG für Altverfahren eine Ausnahme von den Regelungen des § 198 Abs. 3, 5 GVG enthält.

bb) Was die Art und Weise der von der Klägerin begehrten Entschädigung angeht, sieht das Gesetz eine Geldzahlung nur vor, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalls Wiedergutmachung auf andere Weise ausreichend ist, insbesondere durch die an keinen Antrag gebundene (§ 198 Abs. 4 Satz 2 GVG) Feststellung einer unangemessen langen Verfahrensdauer. Letzteres hat der Gesetzgeber z.B. als ausreichend betrachtet, wenn das verzögerte Verfahren für den Beteiligten keine besondere Bedeutung hatte (vgl. BT-Drucks 17/3802 S 20; Senatsurteil vom 21.2.2013 - BSGE 113, 75 = SozR 4-1720 § 198 Nr. 1, RdNr. 44 ff; BFHE 240, 516, 528 ff = Juris RdNr. 56 ff; BVerwGE 147, 146, 165 f = Juris RdNr. 57). Das erhellt schon, dass entgegen der Anschlussrevision aus der Verwendung des Wortes "nur" in § 198 Abs. 2 Satz 2 GVG nicht auf eine Subsidiarität der Entschädigungszahlung geschlossen werden kann. Im Gegenteil: Wie der Senat bereits entschieden hat, kommt bei festgestellter Überlänge eines Gerichtsverfahrens eine Wiedergutmachung auf andere Weise nur ausnahmsweise in Betracht (Urteil vom 3.9.2014 - B 10 ÜG 12/13 R - Juris RdNr. 59 unter Hinweis auf Senatsurteil vom 21.2.2013 - B 10 ÜG 1/12 KL - BSGE 113, 75 = SozR 4-1720 § 198 Nr. 1). Das Regel-Ausnahme-Verhältnis der beiden Wege zur Kompensation eines Nichtvermögensschadens ist also genau entgegengesetzt, wie es der Beklagte annimmt.

Daher hat es das Entschädigungsgericht auf der Grundlage seiner tatsächlichen Feststellungen, an die der Senat gebunden ist, zu Recht abgelehnt, eine Wiedergutmachung auf andere Weise als ausreichend anzusehen. Für einen solchen Ausnahmefall liegen keine Anhaltspunkte vor. Die insoweit in erster Linie maßgebenden Kriterien, die Bedeutung des Ausgangsverfahren für die Klägerin und deren seinerzeitiges Prozessverhalten sprechen beide für eine Entschädigung in Geld. Denn das LSG hat nach dem oben Gesagten eine erhebliche Bedeutung des "Musterprozesses" angenommen und festgestellt, die Klägerin habe nicht wesentlich zu der langen Verfahrensdauer beigetragen. Auch hat sich der Nicht-Vermögensnachteil, den die Klägerin nach den Feststellungen des LSG erlitten hat, keineswegs in der bloßen Überlänge erschöpft, wie die Anschlussrevision meint. Vielmehr ist die Klägerin in der Planung ihrer Geschäftstätigkeit auch für die Folgezeit des im Ausgangsverfahren streitigen Zeitraums maßgeblich gehindert worden. Die Eigenschaft der Klägerin als juristische Person des Privatrechts, zwingt ebenfalls nicht von vornherein zu dem Schluss, eine Wiedergutmachung auf andere Weise reiche aus. Vielmehr kommt es insoweit wiederum auf die Umstände des Einzelfalls an, die im Fall der Klägerin gerade für eine Geldentschädigung sprechen. Schließlich hängt die Art der Kompensation - entgegen der Anschlussrevision - auch nicht von den Erfolgsaussichten des Ausgangsverfahrens ab (vgl. Urteil vom 3.9.2014 - B 10 ÜG 12/13 R - Juris RdNr. 59 sowie vom 12.2.2015 - B 10 ÜG 7/14 R). Der Anspruch auf Rechtsschutz in angemessener Zeit soll u.a. gerade eine lange Unsicherheit des Entschädigungsklägers über seine Ansprüche und die damit verbundenen Nachteile vermeiden (vgl. die Gesetzesbegründung BT-Drucks 17/3802 S 19).

cc) Auch die Entscheidung des Entschädigungsgerichts, von dem in § 198 Abs. 2 Satz 3 GVG vorgesehenen Regelbetrag von 1200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung eines Verfahrens nicht nach oben oder nach unten abzuweichen, begegnet im rechtlichen Ausgangspunkt keinen revisionsrechtlichen Bedenken. Die hiergegen sowohl von der Revision als auch von der Anschlussrevision erhobenen Angriffe verkennen den diesbezüglich geltenden Entscheidungsmaßstab. Eine Abweichung von dem gesetzlichen Regelbetrag ist dem Entschädigungsgericht nur gestattet, wenn diese Summe nach den vom LSG festzustellenden und zu würdigenden Umständen des Einzelfalls gemäß § 198 Abs. 2 Satz 4 GVG unbillig ist. Dass ein solcher Ausnahmefall (hierzu BSG Urteil vom 12.2.2015 - B 10 ÜG 11/13 R; vgl. die Gesetzesbegründung BT-Drucks 17/3802 S 20; ferner Marx/Roderfeld, Rechtsschutz bei überlangen Gerichts- und Ermittlungsverfahren, 2013, § 198 GVG RdNr. 82) vorliegt, haben weder die Klägerin noch der Beklagte dargelegt. Die tatsächlichen Feststellungen des LSG bieten dafür keine hinreichenden Anhaltspunkte. Das LSG wird bei einer erneuten Entscheidung aber prüfen müssen, ob sich aus den nachzuholenden Feststellungen etwas anderes ergibt. Dabei hat es insbesondere auch zu berücksichtigen, ob die Verletzung des Anspruchs auf Rechtsschutz in angemessener Zeit der Klägerin auf einer strukturellen Überlastung der Justiz des beklagten Landes beruht und sich darin eine generelle Vernachlässigung des Anspruchs aus Artikel 6 EMRK, Artikel 19 Abs. 4 GG ausdrückt, weil der resultierende Grundrechtsverstoß dann besonders schwer wiegt (vgl. BVerfG Stattgebender Kammerbeschluss vom 5.8.2013 - 1 BvR 2965/10 - Juris).

4. Die Kostenentscheidung bleibt der abschließenden Entscheidung des LSG vorbehalten. Dabei wird das LSG gemäß § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 154 ff VwGO, ggf. unter Berücksichtigung von § 201 Abs. 4 GVG einheitlich über die "Kosten des Verfahrens" (in allen Instanzen) zu befinden haben. Die Kostenprivilegierung des beklagten Landes nach § 2 Abs. 1 Satz 1 GKG wirkt sich nicht auf den Inhalt der Kostengrundentscheidung aus (vgl. § 2 Abs. 5 Satz 1 GKG).

5. Der Urteilsausspruch des LSG zur vorläufigen Vollstreckbarkeit war wegen Verstoßes gegen § 198 Abs. 2 SGG aufzuheben.

6. Die auch im Fall der Zurückverweisung vorzunehmende Streitwertfestsetzung (BSG Urteil vom 3.9.2014 - B 10 ÜG 2/14 R - Juris RdNr. 56 m.w.N.) beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG i.V.m. § 63 Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 1 und 3, § 47 Abs. 1 GKG.