Bundessozialgericht - B 14/7b AS 70/06 R - Urteil vom 27.02.2008
§ 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II normiert keine umfassende Beratungs- und Aufklärungspflicht der Beklagten über die Obliegenheiten des Leistungsempfängers bei der Suche nach einer anderen, angemessenen Unterkunft.
Halten die Grundsicherungsempfänger die vom Grundsicherungsträger vorgenommene Einschätzung über die Angemessenheit der Kosten für nicht zutreffend bzw. einschlägig, so ist der Streit hierüber bei der Frage auszutragen, welche Kosten der Unterkunft angemessen sind. Insofern stellt die Kostensenkungsaufforderung seitens der Grundsicherungsträger ein "Angebot" dar, in einen Dialog über die angemessenen Kosten der Unterkunft einzutreten. Insbesondere trifft die Beklagte aber nicht von vornherein eine weitergehende Verpflichtung, die Kläger im Einzelnen darüber aufzuklären, wie und in welcher Weise die Kosten auf den ihrer Auffassung nach angemessenen Betrag gesenkt werden könnten.
Gründe:
I
Zwischen den Beteiligten ist im Revisionsverfahren noch streitig, in welcher Höhe die Beklagte den Klägern Kosten der Unterkunft nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) für den Zeitraum vom 1. Juli bis 31. Oktober 2005 zu gewähren hat.
Der im Jahre 1952 geborene Kläger zu 1. lebte mit der 1965 geborenen Klägerin zu 2., dem 1985 geborenen Sohn der Klägerin zu 2. und der gemeinsamen, 1990 geborenen Tochter (Klägerin zu 3.) in einem im Eigentum der Klägerin zu 2. stehenden Haus. Für dieses Haus waren monatlich Schuldzinsen in Höhe von 557,44 Euro aufzubringen.
Durch Bescheid vom 9. Dezember 2004 bewilligte die Beklagte den Klägern Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1. Januar bis 30. April 2005 in Höhe von monatlich 163,55 Euro. In dem Bescheid ist ausgeführt, dass die monatlichen Gesamtkosten der Unterkunft mit 703,02 Euro unangemessen hoch seien. Für vier Personen im Haushalt seien 576 Euro angemessen. Weiterhin heißt es in dem Bescheid: "Ich fordere Sie deshalb auf, ihre monatlichen Unterkunftskosten bis zum 30.06.2005 auf den angemessenen Wert zu senken. Anderenfalls werden ab 01.07.2005 die Kosten der Unterkunft auf den angemessenen Wert (umgerechnet auf 3 Personen 432,00 Euro) reduziert." Auf den Widerspruch der Kläger erließ die Beklagte einen Änderungsbescheid vom 3. März 2005, mit dem sie die monatlichen Leistungen für den Zeitraum vom 1. Januar bis 30. April 2005 auf 216,22 Euro erhöhte. Hierbei wurden anteilige Unterkunftskosten in Höhe von 533,03 Euro (710,70 Euro: 4 x 3) anerkannt. Der weitergehende Widerspruch wurde durch Bescheid vom 7. März 2005 zurückgewiesen. Auf den Folgeantrag der Kläger vom 2. Mai 2005 hin bewilligte die Beklagte durch Bescheid vom 20. Juni 2005 Leistungen in Höhe von 216,22 Euro weiter für die Monate Mai und Juni 2005. Wie zuvor in dem Änderungsbescheid vom 3. März 2005 wurden hierbei Unterkunftskosten in Höhe von 710,70 Euro berücksichtigt, wobei der volljährige Sohn der Klägerin zu 2. nicht als Mitglied der Bedarfsgemeinschaft gerechnet wurde. Für die Zeit ab 1. Juli 2005 bis zum 31. Oktober 2005 wurden jedoch Leistungen lediglich in Höhe von 115,19 Euro bewilligt. Hierzu ist in dem Bescheid ausgeführt, dass die Kläger bereits im Ausgangsbescheid vom 9. Dezember 2004 darauf hingewiesen worden seien, dass die Kosten für ihr Eigenheim/Eigentumswohnung unangemessen hoch seien und in dieser Höhe deshalb nur für einen Zeitraum von bis zu sechs Monaten übernommen werden könnten. Angemessen sei für einen Haushalt mit vier Personen eine Warmmiete im Bereich der Gemeinde P. von 576 Euro. Auf diesen Betrag würden die Haus-/Wohnungskosten ab 1. Juli 2005 abgesenkt. Der hiergegen eingelegte Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 15. Juli 2005).
Hiergegen haben die Kläger Klage zum Sozialgericht (SG) Regensburg erhoben, mit der sie im wesentlichen vortrugen, bei ihnen lägen die Voraussetzungen einer eheähnlichen Gemeinschaft nicht vor. Das SG hat die Klage auf höhere Leistungen abgewiesen. Auf die Berufung der Kläger hat das Bayerische Landessozialgericht (LSG) durch Urteil vom 26. Oktober 2006 das Urteil des SG und die angefochtenen Bescheide der Beklagten dahingehend abgeändert, dass die Beklagte verurteilt wurde, den Klägern vom 1. Juli bis 31. Oktober 2005 "höheres Arbeitslosengeld II unter Berücksichtigung der tatsächlichen Unterkunfts- und Heizungskosten zu zahlen". Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, es stehe nach seiner Überzeugung fest, dass zwischen dem Kläger zu 1. und der Klägerin zu 2. eine eheähnliche Gemeinschaft bestehe. Auch sei die Berücksichtigung des Einkommens der Klägerin zu 2. nicht zu beanstanden. Allerdings erweise sich die Berechnung der Kosten der Unterkunft ab 1. Juli 2005 durch die Beklagte nicht als rechtmäßig. Die Voraussetzungen des § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II hätten in diesem Zeitraum nicht vorgelegen. Die Beklagte könne sich nicht auf den Zusatz in ihrem Bescheid vom 9. Dezember 2004 berufen, in dem sie die Kläger aufgefordert habe, die monatlichen Unterkunftskosten bis zum 30. Juni 2005 auf den angemessenen Wert zu senken. Die Beklagte habe die Kläger nicht hinreichend darüber aufgeklärt, in welcher Weise und mit welcher Intensität sie nach einer billigeren Unterkunft suchen müssten und welche Nachweise sie dafür zu erbringen hätten. Es sei unschädlich, dass die Kläger hier keinerlei Bemühungen angestellt hätten, weil sie über ihre Obliegenheiten nicht hinreichend aufgeklärt worden seien. Die Ausgestaltung der Obliegenheiten des Sozialrechts zeigten, dass dem Leistungsberechtigten eine Obliegenheitsverletzung mit nachteiligen Auswirkungen auf einen Leistungsanspruch nur dann vorgeworfen werden könne, wenn er in Kenntnis der konkreten Verhaltensanforderungen gegen diese verstoße (Hinweis auf BSG Urteil vom 25. Mai 2005 - B 11a/11 AL 81/04 R - BSGE 95, 8 = SozR 4-4300 § 140 Nr. 1, zur unverschuldeten Unkenntnis der Obliegenheit zur frühzeitigen Arbeitsuche nach § 37b Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung (SGB III)).
Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Revision. Sie rügt eine Verletzung des § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II. Sie geht davon aus, dass der Hinweis in dem Bewilligungsbescheid vom 9. Dezember 2004 ausreichend gewesen sei, um die Unterkunfts- und Heizkosten ab 1. Juli 2005 auf einen angemessenen Wert zu senken. Es könne nicht Aufgabe des Grundsicherungsträgers sein, auch noch darzulegen, wie die Kosten der Unterkunft zu senken seien. Es ergebe sich aus der Natur der Sache, dass dies durch einen Umzug oder durch Untervermietung zu geschehen habe. Ansonsten wäre der in § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB II verankerte Grundsatz des Forderns bloße Makulatur. Die Grundsicherungsempfänger könnten nicht darauf warten, bis ihnen die Behörde auch noch einen detaillierten Fahrplan zur Reduzierung der Unterkunftskosten liefere.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 26. Oktober 2006 aufzuheben und die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 24. Februar 2006 insgesamt zurückzuweisen.
Die Kläger beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
Sie berufen sich auf das angefochtene Urteil. Sie machen weiterhin geltend, dass gerade im vorliegenden Fall ein besonderer Hinweis der Beklagten erforderlich gewesen wäre, weil sie in einem Eigenheim gelebt hätten, das im Eigentum der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft gestanden habe.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Gerichts ohne mündliche Verhandlung durch Urteil (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) einverstanden erklärt.
II
Die Revision der Beklagten ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das LSG (§ 170 Abs. 2 Satz 2 SGG) begründet. Entgegen der Rechtsansicht des LSG war die Beklagte grundsätzlich berechtigt, die Leistungen für Unterkunft und Heizung gemäß § 22 SGB II ab 1. Juli 2005 auf eine angemessene Höhe abzusenken. Der Hinweis der Beklagten in dem Bewilligungsbescheid vom 9. Dezember 2004 war hierfür ausreichend. Auf Grund der fehlenden Feststellungen des LSG kann aber nicht entschieden werden, in welcher Höhe im vorliegenden Falle die Kosten der Unterkunft angemessen i.S. des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II waren.
Obwohl das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in seinem Urteil vom 20. Dezember 2007 (2 BvR 2433/04 und 2 BvR 2434/04) § 44b SGB II für verfassungswidrig erklärt hat, ist die Beklagte weiterhin beteiligtenfähig gemäß § 70 SGG. Das BVerfG hat in dem genannten Urteil die weitere Anwendung der Vorschriften über die Arbeitsgemeinschaft bis zum 31. Dezember 2010 zugelassen.
Da im vorliegenden Fall ausschließlich die Beklagte Revision eingelegt hat, ist im Revisionsverfahren lediglich noch streitig, in welcher Höhe den Klägern im Zeitraum vom 1. Juli 2005 bis 31. Oktober 2005 Kosten der Unterkunft zu gewähren waren.
Die Beklagte war nicht schon deshalb verpflichtet, den Klägern die Kosten der Unterkunft auf der Grundlage der geltend gemachten 710,70 Euro für den hier streitigen Zeitraum weiter zu bewilligen, weil die "Kostensenkungsaufforderung" der Beklagten nicht ausreichend bestimmt war. § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II normiert entgegen der Rechtsansicht des LSG keine umfassende Beratungs- und Aufklärungspflicht der Beklagten über die Obliegenheiten des Leistungsempfängers bei der Suche nach einer anderen, angemessenen Unterkunft. § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II (i.d.F. des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003, BGBl I 2954) lautete: "Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie als Bedarf des allein stehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft so lange zu berücksichtigen, wie es dem allein stehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate." Bereits dem Wortlaut der Norm kann das Erfordernis einer sog Kostensenkungsaufforderung nicht entnommen werden. § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II stellt auch keine sonstigen erhöhten inhaltlichen oder formellen Anforderungen an diese Erklärung. Dementsprechend hat der 7b. Senat des Bundessozialgerichts ((BSG) SozR 4-4200 § 22 Nr. 2 RdNr. 29 ff) bereits entschieden, dass es sich hierbei lediglich um ein Informationsschreiben handelt, dem keine Verwaltungsaktqualität zukommt. Der Hinweis auf die Rechtslage nach § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II hat allein Aufklärungs- und Warnfunktion, damit der Hilfebedürftige Klarheit über die aus Sicht des Leistungsträgers angemessenen Aufwendungen für die Unterkunft und ggf. die Heizung und einen Hinweis auf die Rechtslage erhält (BSG a.a.O.; vgl. auch Berlit, NDV 2006, 5, 13). Sind dem Leistungsempfänger die maßgeblichen Gesichtspunkte bekannt, bedarf es nicht einmal der Aufklärung. Unter diesem Blickwinkel genügt regelmäßig die Angabe des angemessenen Mietpreises. Dieser ist nach der Produkttheorie der entscheidende Maßstab zur Beurteilung der Angemessenheit (vgl. hierzu auch BSG SozR 4-4200 § 22 Nr. 3 RdNr. 20).
Vorliegend hat die Beklagte den Klägern aufgezeigt, dass ihrer Ansicht nach Kosten der Unterkunft für vier Personen in Höhe von 576 Euro angemessen wären. Die Kläger sind damit hinreichend über die aus Sicht der Beklagten bestehende Rechtslage informiert worden. Es kann deshalb dahinstehen, dass der Hinweis der Beklagten auf die geltend gemachten 703,02 Euro insoweit zu niedrig war, weil die Kläger mit 710,70 Euro sogar noch höhere Unterkunftskosten geltend gemacht bzw. bewilligt erhalten hatten. Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass die Kläger in einem Haus wohnten, das im Eigentum der Klägerin zu 2. stand. Die Kostensenkungsaufforderung des § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II unterscheidet nicht danach, ob die Leistungsempfänger im eigenen Haus oder in einer Mietwohnung leben. Es ist schon unter Gleichheitsgesichtspunkten nicht nachvollziehbar, wenn die Kläger geltend machen, dass gerade für sie als Hauseigentümer eine besondere Beratungs- und Hinweispflicht bestanden hätte. Der Tatsache, dass der Wechsel aus einer Eigentumsimmobilie in eine Mietwohnung mit einem höheren Zeitaufwand verbunden ist, muss der Grundsicherungsträger gegebenenfalls durch eine vorübergehende darlehensweise Gewährung von Leistungen Rechnung tragen.
Halten die Grundsicherungsempfänger die vom Grundsicherungsträger vorgenommene Einschätzung über die Angemessenheit der Kosten für nicht zutreffend bzw. einschlägig, so ist der Streit hierüber bei der Frage auszutragen, welche Kosten der Unterkunft angemessen sind. Insofern stellt die Kostensenkungsaufforderung seitens der Grundsicherungsträger ein "Angebot" dar, in einen Dialog über die angemessenen Kosten der Unterkunft einzutreten. Insbesondere trifft die Beklagte aber nicht von vornherein eine weitergehende Verpflichtung, die Kläger im Einzelnen darüber aufzuklären, wie und in welcher Weise die Kosten auf den ihrer Auffassung nach angemessenen Betrag gesenkt werden könnten. Der Senat folgt insofern dem 7b. Senat des BSG (BSG SozR 4-4200 § 22 Nr. 2 RdNr. 30) auch dahingehend, dass die vom BSG in anderem Zusammenhang (§ 119 SGB III/Sperrzeit; § 37b SGB III/frühzeitige Arbeitsuche) aufgestellten Anforderungen an die Konkretisierung der vom Gesetz verlangten Eigenbemühungen eines Arbeitslosen auf die Rechtslage des § 22 Abs. 1 SGB II wegen der unterschiedlichen Funktionen der Informationspflichten und der nicht vergleichbaren Regelungsziele nicht übertragbar sind. Zum einen soll sich nach § 22 Abs. 2 SGB II der Leistungsempfänger vor Abschluss eines neuen Vertrages ohnedies zur Zusicherung des Wohnbedarfs und der hierfür erforderlichen Mittel an den Leistungsträger wenden. Einzelfragen können dann dabei genauer abgeklärt werden. Der Grundsicherungsträger ist aber andererseits auch nicht verpflichtet, über die Angabe des von ihm angemessenen Mietpreises hinaus den Leistungsempfänger "an die Hand zu nehmen" und ihm im Einzelnen aufzuzeigen, auf welche Weise er die Kosten der Unterkunft senken bzw. welche Wohnungen er anmieten kann.
Soweit das LSG hierbei eine Analogie zur Rechtsprechung des BSG zu der Obliegenheitsverletzung bei der frühzeitigen Arbeitsuche gemäß § 37b SGB III zieht (vgl. BSGE 95, 8 = SozR 4-4300 § 140 Nr. 1 sowie BSGE 95, 191 =SozR 4-4300 § 37b Nr. 2), verkennt es, dass durch die Sanktionierung eines Verstoßes gegen die Obliegenheit zur frühzeitigen Arbeitsuchendmeldung in ein grundrechtlich geschütztes Anwartschaftsrecht des Leistungsempfängers eingegriffen wird. Der durch eigene Beitragszahlung erworbene Anspruch auf Arbeitslosengeld (Alg) fällt nach der ständigen Rechtsprechung des BVerfG unter dem Schutzbereich des Eigentumsgrundrechts des Art 14 Abs. 1 Grundgesetz (GG) (vgl. BVerfGE 72, 9, 19 = SozR 4100 § 104 Nr. 13; BVerfGE 74, 9, 25 = SozR 4100 § 118a Nr. 1; BVerfGE 74, 203, 213 = SozR 4100 § 120 Nr. 2; BVerfGE 76, 220, 235 = SozR 4100 § 242b Nr. 3; BVerfGE 92, 365, 405 = SozR 3-4100 § 116 Nr. 3). Durch die Minderung des Anspruchs auf Alg nach § 140 SGB III wird daher in ein durch Art 14 Abs. 1 GG geschütztes Recht eingegriffen. Eine vergleichbare Konstellation ist im Rahmen des § 22 SGB II nicht gegeben. Von daher ist es im Regelfall ausreichend, wenn der Grundsicherungsträger den Leistungsempfänger darauf hinweist, dass die von ihm geltend gemachten Kosten der Unterkunft unangemessen hoch sind und welche Kosten nach Ansicht des Grundsicherungsempfängers angemessen wären. Der Senat hat in seinem Urteil vom 31. Oktober 2007 (B 14/11b AS 63/06 R) allerdings klargestellt, dass die Grundsicherungsträger die allgemeinen Beratungs- und Aufklärungspflichten gemäß §§ 14, 15 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil (SGB I) treffen. Insofern kann es geboten sein, die Leistungsempfänger etwa durch Merkblätter oder allgemein gehaltene Hinweise über ihre Rechte und Pflichten aufzuklären. Unabhängig von der Rechtmäßigkeit der Kostensenkungsaufforderung können die Grundsicherungsträger im Rahmen des Sozialrechtsverhältnisses ggf. auch gehalten sein, für ihren Leistungsbezirk Kriterien der Angemessenheit von Unterkunftskosten in allgemein verständlicher Form darzustellen. Ob aus der Verletzung solcher allgemeiner Hinweispflichten Rechtsfolgen erwachsen können, kann hier dahinstehen. Denn die Kläger haben ersichtlich auf die Kostensenkungsaufforderung überhaupt nicht reagiert und keinerlei Bereitschaft gezeigt, in einen Diskussionsprozess über die Angemessenheit ihrer Unterkunftskosten einzutreten. Insofern sind sie ihrer gesetzlichen Verpflichtung aus § 2 SGB II nicht nachgekommen (zu der über §§ 60 ff SGB I hinausgehenden Pflicht des Leistungsempfängers zur Eigenaktivität vgl. Spellbrink in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl. 2008, § 2 RdNr. 1). Zudem enthält § 22 Abs. 2 Satz 1 SGB II mit der Möglichkeit, eine Zusicherung des Grundversicherungsträgers hinsichtlich der neuen Wohnung einzuholen, einen zusätzlichen Schutzmechanismus, der auch eine Individualisierung bezogen auf die Situation des Leistungsempfängers zulässt.
Ob die von der Beklagten veranschlagten 576 Euro für Kosten der Unterkunft im konkreten Fall allerdings angemessen i.S. des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II sind, kann nicht entschieden werden. Das LSG hat - von seiner Rechtsauffassung her zutreffend - keinerlei Feststellungen zur Angemessenheit der Kosten der Unterkunft getroffen. Der Senat folgt insofern dem 7b. Senat des BSG, der im Urteil vom 7. November 2006 (SozR 4-4200 § 22 Nr. 3) im Einzelnen dargelegt hat, wie der Grundsicherungsträger bei der Feststellung der angemessenen Unterkunftskosten vorzugehen hat. Grundsätzlich ist dabei ein konkret-individueller Maßstab anzulegen. Zunächst ist unter Zugrundelegung der landesrechtlichen Wohnraumförderbestimmungen zu ermitteln, welche Wohnungsgröße für die Bedarfsgemeinschaft angemessen ist. Sonach ist als weiterer Faktor der Wohnungsstandard zu berücksichtigen. Angemessen sind dabei die Aufwendungen für eine Wohnung nur dann, wenn diese nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen genügt und keinen gehobenen Wohnstandard aufweist (BSG a.a.O., RdNr. 20). Auszugehen ist dabei von der sog Produkttheorie, die letztlich auf das Produkt der angemessenen Wohnfläche mit dem Wohnstandard abstellt, wobei sich dieses Produkt in der Höhe der Wohnungsmiete niederschlägt. Dabei ist als letzter Prüfungsschritt zu ermitteln, ob nach der Struktur des Wohnungsmarktes am konkreten Wohnort die Kläger tatsächlich auch die Möglichkeit haben, eine abstrakt als angemessen eingestufte Wohnung konkret auf dem Wohnungsmarkt anmieten zu können.
Die Beklagte hat zwar im Revisionsverfahren dargelegt, dass sie nunmehr diesen Anforderungen aus der Rechtsprechung des BSG Rechnung trägt. Dieses Vorbringen kann allerdings im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits nicht überprüft werden, weil es sich insoweit um tatsächliche Feststellungen handeln würde, die dem LSG vorbehalten sind. Das LSG wird daher noch zu ermitteln haben, ob die von der Beklagten ihrer Berechnung ab 1. Juli 2005 zu Grunde gelegten 576 Euro unter Zugrundelegung eines konkret-individuellen Maßstabs angemessen i.S. des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II waren.
Das LSG wird auch abschließend über die Kosten des Rechtsstreits unter Berücksichtigung des Ausgangs des Revisionsverfahrens zu befinden haben.