Bundessozialgericht - B 14 AS 34/14 R - Urteil vom 12.11.2015
Voraussetzung für die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben ist über die Verweisung in § 16 Abs. 1 Satz 3 SGB II auf das SGB III, dass die Aussichten eines behinderten Menschen, am Arbeitsleben teilzuhaben, wegen Art oder Schwere der Behinderung i.S. des § 2 Abs. 1 SGB IX nicht nur vorübergehend wesentlich gemindert sind und diese Menschen deshalb Hilfe zur Teilhabe am Arbeitsleben benötigen (§ 19 Abs. 1 SGB III). Daraus folgt, dass nicht jede von § 2 Abs. 1 SGB IX erfasste Behinderung auch die Voraussetzungen des § 19 SGB III erfüllt, wenn aus der Behinderung keine Auswirkungen auf die Erwerbsfähigkeit folgen. Vielmehr müssen die Hilfen zur Teilhabe am Arbeitsleben behinderungsbedingt nötig sein.
Gründe:
I
Umstritten sind höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für erwerbsfähige behinderte Leistungsberechtigte nach § 21 Abs. 4 SGB II.
Bei dem am 11.3.1953 geborenen Kläger wurde mit Bescheid des Landesamts für Jugend, Soziales und Versorgung vom 15.7.2004 ein Grad der Behinderung (GdB) von 40 festgestellt. Das beklagte Jobcenter bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 7.2.2011 Arbeitslosengeld II (Alg II) für die Zeit vom 1.3. bis 31.8.2011 in Höhe von 735,12 Euro monatlich (Regelbedarf 359 Euro, Kosten für Unterkunft und Heizung (KdUH) 376,12 Euro). Gegen diesen Bescheid legte der Kläger Widerspruch ein mit der Begründung, in der Zeit vom 8.9.2010 bis 7.3.2011 habe er an einer Maßnahme, nämlich einer Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung, teilgenommen. Daraus entstehe ein Mehrbedarf nach den §§ 33 und 104 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) i.V.m. § 21 Abs. 4 SGB II. Nachdem dem Kläger für die Zeit vom 1.3. bis 31.8.2011 Alg II unter Berücksichtigung eines Regelbedarfs in Höhe von 364 Euro pro Monat bewilligt worden war (Bescheid vom 26.3.2011), wurde der Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 5.5.2011 zurückgewiesen, weil die vom 8.9.2010 bis 7.3.2011 ausgeübte Arbeitsgelegenheit in keinem Zusammenhang mit den nach § 21 Abs. 4 SGB II zu gewährenden Leistungen stehe.
In dem anschließenden Klageverfahren hat der Kläger Zeugnisse vorgelegt, wonach er vom 8.9.2010 bis zum 7.3.2011 im Rahmen der Schaffung von Arbeitsgelegenheiten in der - und vom 7.2. bis zum 4.3.2011 als Praktikant beim K eingesetzt gewesen sei. Das Sozialgericht (SG) für das Saarland hat mit Urteil vom 9.5.2012 den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 7.2.2011 und der hierzu ergangenen Änderungsbescheide und des Widerspruchsbescheids vom 5.5.2011 verurteilt, dem Kläger höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs nach § 21 Abs. 4 SGB II für den Zeitraum vom 1.3. bis zum 7.3.2011 zu gewähren; im Übrigen hat das SG die Klage als unzulässig abgewiesen und die Berufung zugelassen.
Der Beklagte hat die Berufung gegen das Urteil des SG eingelegt und zur Begründung ausgeführt, der Umstand, dass eine Maßnahme gerade wegen einer Behinderung durchgeführt werde, sei das einzig verlässliche Kriterium, um zu bestimmen, ob überhaupt ein Mehrbedarf erforderlich sei. Das Landessozialgericht (LSG) für das Saarland hat auf die Berufung des Beklagten das Urteil des SG vom 9.5.2012 geändert und die Klage "zur Gänze" abgewiesen. Die vom Kläger absolvierte Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung stelle weder eine Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 33 SGB IX im Sinne der ersten Alternative des § 21 Abs. 4 Satz 1 SGB II dar, noch eine Eingliederungshilfe nach § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) im Sinne der dritten Alternative des § 21 Abs. 4 Satz 1 SGB II. Aus der Gesetzesbegründung zu § 21 Abs. 4 SGB II ergebe sich, dass die hier in Frage stehende Maßnahme auch nicht als sonstige Hilfe zur Erlangung eines geeigneten Platzes am Arbeitsleben zu qualifizieren sei. Davon seien nach dem Gesetzeswortlaut nur Leistungen umfasst, die mit den in § 21 Abs. 4 Satz 1 SGB II ebenfalls genannten Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 33 SGB IX nach Ziel, Zweck und Art der Hilfeleistung vergleichbar seien. Die Zuweisung zu einer Arbeitsgelegenheit nach § 16d SGB II stelle ein allgemeines Instrument zur Eingliederung von erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in Arbeit dar, welches nicht in besonderem Maße auf die Förderung von behinderten Menschen abziele.
Mit seiner Revision rügt der Kläger die rechtsfehlerhafte Anwendung des § 21 Abs. 4 Satz 1 SGB II. Zwar liege in der absolvierten Arbeitsgelegenheit in der F keine Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 33 SGB IX i.S. von § 21 Abs. 4 Satz 1 Alternative 1 SGB II. Zu Unrecht sei das Berufungsgericht aber davon ausgegangen, dass der Gesetzeswortlaut "sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben" nur Leistungen umfasse, die mit denen in § 21 Abs. 4 Satz 1 SGB II ebenfalls genannten Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben gemäß § 33 SGB IX vergleichbar seien. Die zweite Alternative des Gesetzes sei als Öffnungsklausel zu verstehen, die ein Anknüpfen an andere Maßnahmen zur Eingliederung ermögliche, wenn sie einen engen Bezug zum Arbeitsleben hätten. Eine Arbeitsgelegenheit nach § 16d SGB II sei dann mehrbedarfsauslösend, wenn derjenige, der sie in Anspruch nehme, erwerbsfähiger behinderter Leistungsberechtigter sei und eine solche Maßnahme durchgeführt werde. Dafür spreche auch die Anknüpfung des § 21 Abs. 4 SGB II an die Vorgängernorm des § 40 Bundessozialhilfegesetz (BSHG). Dass es zu Überlappungen zwischen den Maßnahmen der jeweiligen Alternativen kommen könne, sei hinzunehmen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 22. November 2013 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts für das Saarland vom 9. Mai 2012 zurückzuweisen.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Der Beklagte hält das Urteil des LSG für zutreffend.
II
Auf die Revision des Klägers ist das Urteil des LSG aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückzuverweisen (§ 170 Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)). Es konnte nicht abschließend entschieden werden, ob dem Kläger höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs nach § 21 Abs. 4 SGB II zustehen.
1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Bescheid vom 26.3.2011 betreffend den Leistungszeitraum vom 1.3. bis zum 31.8.2011, durch den der ursprüngliche Bescheid vom 7.2.2011 für denselben Zeitraum wegen der Erhöhung des Regelbedarfs ab dem 1.1.2011 komplett ersetzt worden ist (§ 39 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X)), in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5.5.2011.
In der Sache ist die Gewährung eines Mehrbedarfs nach § 21 Abs. 4 SGB II im Rahmen der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts strittig. Der Streit um einen Anspruch auf eine Leistung nach § 21 SGB II stellt keinen eigenständigen und von den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts abtrennbaren Streitgegenstand dar (stRspr, siehe nur BSG Urteil vom 6.4.2011 - B 4 AS 3/10 R - SozR 4-4200 § 21 Nr. 11). Dem Antrag des Klägers kann ebenfalls mit hinreichender Deutlichkeit eine Beschränkung des Streitgegenstands insoweit entnommen werden, als die KdUH nicht im Streit stehen, was auch nach der Neufassung des SGB II zum 1.1.2011 möglich ist (BSG Urteil vom 4.6.2014 - B 14 AS 42/13 R - SozR 4-4200 § 22 Nr. 78 RdNr. 10). Sein Begehren verfolgt der Kläger in zulässiger Weise mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und Abs. 4 SGG).
2. Aus dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG ergibt sich, dass der Kläger die Voraussetzungen für einen Leistungsanspruch gemäß §§ 7, 9 SGB II hinsichtlich des Alters, der Erwerbsfähigkeit, des Wohnsitzes und der Hilfebedürftigkeit im maßgeblichen Zeitraum erfüllt. Mit den Weiterbewilligungsanträgen des Klägers sind zugleich alle Leistungen als beantragt i.S. des § 37 SGB II anzusehen, die nach Lage des Falls ernsthaft in Betracht kommen; dazu zählen auch die Leistungen für einen Mehrbedarf i.S. des § 21 Abs. 4 SGB II (stRspr, vgl. nur BSG Urteil vom 22.3.2010 - B 4 AS 62/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr. 38; Urteil vom 23.3.2010 - B 14 AS 6/09 R - BSGE 106, 78 = SozR 4-4200 § 37 Nr. 2).
3. Einschlägige Rechtsgrundlage für den hier geltend gemachten Mehrbedarf ist § 21 Abs. 4 SGB II. Danach wird ein Mehrbedarf von 35 % des nach § 20 SGB II maßgebenden Regelbedarfs bei erwerbsfähigen behinderten Leistungsberechtigten anerkannt, denen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 33 SGB IX sowie sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben oder Eingliederungshilfen nach § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 SGB XII erbracht werden. Der Kläger erfüllt die Grundvoraussetzung insofern, als er mit einem GdB von 40, der mit Bescheid des Landesamtes für Jugend, Soziales und Versorgung vom 15.7.2004 festgestellt wurde, ein behinderter Mensch im Sinne der Legaldefinition des § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX ist. Ob aber die Arbeitsgelegenheit, an der der Kläger nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG in der Zeit vom 8.9.2010 bis zum 7.3.2011 teilgenommen hat, die Anforderungen erfüllt, die an eine den Mehrbedarf für behinderte Menschen auslösende Teilhabeleistung zu stellen sind, kann nicht beantwortet werden.
4. Soweit das LSG einen Anspruch des Klägers auf höheres Alg II wegen eines Mehrbedarfs für erwerbsfähige behinderte Leistungsberechtigte nach § 21 Abs. 4 SGB II verneint hat, weil die Arbeitsgelegenheit schon deshalb keine Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 33 SGB IX gewesen sei, weil das beklagte Jobcenter kein Reha-Träger i.S. des § 6 SGB IX sei, kann dem nicht gefolgt werden. Leistungsträger hinsichtlich der dem Kläger vom Beklagten im September 2010 bewilligten Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung nach § 16d SGB II war nämlich nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II i.V.m. § 6a SGB IX die Bundesagentur für Arbeit (BA), die ein Träger für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben ist (§ 6 Abs. 1 Nr. 2, § 5 Nr. 2 SGB IX). Die Rechtsvorgängerin des beklagten Jobcenters besaß lediglich die Wahrnehmungszuständigkeit. Gemäß § 6d SGB II sind sodann sowohl die gemeinsamen Einrichtungen nach § 44b SGB II als auch die zugelassenen kommunalen Träger nach § 6a SGB II unter der Bezeichnung "Jobcenter" zusammengefasst worden, wobei die Trägerschaft nach § 6 sowie nach den §§ 6a und 6b SGB II unberührt geblieben ist und die gemeinsame Einrichtung weiterhin die Wahrnehmungszuständigkeit besitzt (§ 44b Abs. 1 SGB II).
5. Ob die Arbeitsgelegenheit für den Kläger eine Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 33 SGB IX oder eine sonstige Hilfe zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben war und somit die Voraussetzungen für einen Mehrbedarf nach § 21 Abs. 4 Satz 1 Alternative 1 oder Alternative 2 SGB II erfüllt, kann vom Senat aufgrund fehlender Feststellungen des LSG nicht beurteilt werden.
a) Nach § 33 Abs. 1 SGB IX werden zur Teilhabe am Arbeitsleben die erforderlichen Leistungen erbracht, um die Erwerbsfähigkeit behinderter oder von Behinderung bedrohter Menschen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit zu erhalten, zu verbessern, herzustellen oder wiederherzustellen und ihre Teilhabe am Arbeitsleben möglichst auf Dauer zu sichern. Zu den Leistungen, die die Voraussetzungen des § 33 Abs. 1 SGB IX erfüllen, zählen nach § 33 Abs. 3 Nr. 1 SGB IX die dort genannten Hilfen zur Erhaltung oder Erlangung eines Arbeitsplatzes einschließlich Leistungen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung. Die in § 33 Abs. 3 Nr. 1 SGB IX bis zum 4.8.2009 verwendeten Begriffe "Leistungen zur Beratung und Vermittlung, Trainingsmaßnahmen und Mobilitätshilfen" waren dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) in der bis zum 31.12.2008 geltenden Fassung entnommen (§ 100 SGB III a.F. i.V.m. §§ 45, 48, 53, 54 SGB III a.F.). Mit dem Gesetz zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente vom 21.12.2008 (BGBl I 2917) wurden die verschiedenen Ermessensleistungen im SGB III mit Wirkung vom 1.1.2009 unter dem neuen Oberbegriff "vermittlungsunterstützende Leistungen" zusammengefasst (§§ 45 bis 47 SGB III). Nachfolgend hat der Gesetzgeber die Begrifflichkeiten in § 33 Abs. 3 Nr. 1 SGB IX wieder an das SGB III angepasst (siehe zu diesem Komplex Luik in juris-PK, SGB IX, 2. Aufl. 2015, § 33 RdNr. 13). Durch das Gesetz zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt vom 20.12.2011 (BGBl I 2854) wurden die Leistungen der aktiven Arbeitsförderung im SGB III neu strukturiert und es wurde nachfolgend durch eine redaktionelle Änderung auf Leistungen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung Bezug genommen, die sich in §§ 44 bis 47 SGB III näher ausgestaltet finden. § 45 SGB III beschreibt insbesondere die Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung, u.a. durch Heranführung an den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt (§ 45 Abs. 1 Nr. 1 SGB III) oder zur Feststellung, Verringerung oder Beseitigung von Vermittlungshemmnissen (§ 45 Abs. 1 Nr. 2 SGB III).
b) Ob die Arbeitsgelegenheiten nach § 16d SGB II als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben in dem genannten Sinne zu fassen sind, weil diese Maßnahmen auf eine Aktivierung zielen, helfen sollen, eine Tagesstruktur zu schaffen, sozial stabilisierend wirken und zur Stärkung des Selbstvertrauens beitragen und damit die Integration ins Erwerbsleben fördern sollen (siehe Harks in juris-PK, SGB II, 4. Aufl. 2015, § 16d RdNr. 21; Deutscher Verein, NDV 2014, 2, 4), hängt somit von den oben beschriebenen Schnittstellen zwischen SGB II und SGB III mit dem SGB IX ab. Im SGB III sind die Leistungen zur Teilhabe in den §§ 112 bis 129 SGB III geregelt. Im SGB II gelten gemäß § 16 Abs. 1 Satz 3 SGB II für Eingliederungsleistungen an erwerbsfähige behinderte Hilfebedürftige nach dem SGB II die §§ 112 bis 114, 115 Nr. 1 bis 3 mit Ausnahme berufsvorbereitender Bildungsmaßnahmen und der Berufsausbildungsbeihilfe, § 116 Abs. 1, 2 und 5, §§ 117, 118 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 sowie §§ 127 und 128 SGB III entsprechend. Damit hat der Gesetzgeber klargestellt, dass alle wesentlichen Eingliederungsleistungen des SGB IX auch den Beziehern von Alg II zur Verfügung stehen. Es gelten die Verfahrens- und Leistungsgrundsätze des SGB IX auch im SGB II (Luik, a.a.O., RdNr. 22).
Voraussetzung für die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben ist über die Verweisung in § 16 Abs. 1 Satz 3 SGB II auf das SGB III, dass die Aussichten eines behinderten Menschen, am Arbeitsleben teilzuhaben, wegen Art oder Schwere der Behinderung i.S. des § 2 Abs. 1 SGB IX nicht nur vorübergehend wesentlich gemindert sind und diese Menschen deshalb Hilfe zur Teilhabe am Arbeitsleben benötigen (§ 19 Abs. 1 SGB III). Daraus folgt, dass nicht jede von § 2 Abs. 1 SGB IX erfasste Behinderung auch die Voraussetzungen des § 19 SGB III erfüllt, wenn aus der Behinderung keine Auswirkungen auf die Erwerbsfähigkeit folgen. Vielmehr müssen die Hilfen zur Teilhabe am Arbeitsleben behinderungsbedingt nötig sein. Welche Behinderungen beim Kläger überhaupt bestehen und welche Auswirkungen diese auf seine Aussichten, am Arbeitsleben teilzuhaben, nach sich ziehen, wird das LSG daher im wiedereröffneten Berufungsverfahren festzustellen haben.
c) Liegt die genannte Voraussetzung für die Gewährung von Teilhabeleistungen vor, ist es aber nicht erforderlich, dass es sich um eine spezielle Maßnahme (nur) für behinderte Menschen handelt. Dies ergibt sich sowohl aus § 98 SGB III in der vorliegend geltenden Fassung bzw. aus § 113 SGB III in der ab dem 1.4.2012 geltenden Fassung. In beiden Vorschriften wird wortgleich zwischen allgemeinen Leistungen (Abs. 1 Nr. 1) sowie besonderen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (Abs. 1 Nr. 2) unterschieden. Zu den allgemeinen Leistungen zählen solche, wie sie grundsätzlich in Art und Höhe in gleicher Weise Nichtbehinderten erbracht werden können (siehe Keller in GK-SGB III, 2. Aufl. 2004, § 98 RdNr. 5). Beide Vorschriften sehen ein Stufenverhältnis von allgemeinen und besonderen Leistungen vor (BSG Urteil vom 25.3.2003 - B 7 AL 8/02 R - BSGE 91, 54, 57 = SozR 4-4300 § 110 Nr. 1, RdNr. 9). Das Prinzip des Vorrangs der allgemeinen im Verhältnis zu den besonderen Leistungen hat zur Folge, dass die im Ermessen der Bundesagentur für Arbeit (BA) stehenden allgemeinen Leistungen immer zuerst zu prüfen sind (siehe Kador in GK-SGB III, 5. Aufl. 2013, § 113 RdNr. 7 und 9). Nur wenn der Betroffene nicht durch Leistungen eingegliedert werden kann, die nach Art und Umfang denjenigen für Nichtbehinderte entsprechen und die Voraussetzungen des § 117 Abs. 1 Satz 1 SGB III erfüllt sind, stehen den behinderten Menschen die besonderen Leistungen zu.
6. Ob alternativ die vom Kläger absolvierte Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung auch als sonstige Hilfe zur Erlangung eines geeigneten Arbeitsplatzes i.S. von § 21 Abs. 4 Alternative 2 SGB II qualifiziert werden kann, vermochte der Senat in Anlehnung an das zuvor Gesagte ebenfalls nicht abschließend zu beurteilen.
Es ist insofern aber bereits entschieden worden, dass auch die "sonstigen Hilfen" i.S. des § 21 Abs. 4 SGB II über das hinausgehen müssen, was dem Jobcenter im Rahmen seiner Aufgaben (§ 1 SGB II) als allgemeine Unterstützungsaufgabe zugewiesen ist. Aus systematischen Gründen ist eine gewisse Gleichwertigkeit zu fordern, eine "sonstige Hilfe" darf hinsichtlich ihrer Ausgestaltung nicht hinter den Anforderungen zurückstehen, die an die konkret in § 21 Abs. 4 SGB II benannten Maßnahmen nach § 33 SGB IX und § 54 Abs. 1 S 1 Nr. 1 bis 3 SGB XII zu stellen sind (BSG Urteil vom 22.3.2010 - B 4 AS 59/09 R - SozR 4-4200 § 21 Nr. 9 RdNr. 20; BSG Urteil vom 6.4.2011 - B 4 AS 3/10 R - SozR 4-4200 § 21 Nr. 11 RdNr. 22; BSG Urteil vom 5.8.2015 - B 4 AS 9/15 R). Der Einordnung einer Maßnahme unter die sonstigen Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Arbeitsplatzes steht auch nicht ein Kausalitätserfordernis in dem Sinne entgegen, dass eine nach § 21 Abs. 4 SGB II den Mehrbedarf auslösende Maßnahme nur vorliegt, wenn diese selbst schon nach ihrer abstrakten Ausgestaltung speziell auf die Bedürfnisse von behinderten Menschen zugeschnitten ist (BSG Urteil vom 5.8.2015 - B 4 AS 9/15 R - m.w.N.). Vielmehr knüpft der behinderungsbedingte Mehrbedarf typisierend an die Teilnahme an einer Maßnahme an, durch die der Mensch mit Behinderung besser in das Erwerbsleben integriert werden kann. Insoweit ist nach der Rechtsprechung des BSG Voraussetzung das Erfordernis der Teilnahme an einer regelförmigen besonderen Maßnahme, was aus dem dem Wortlaut und der Entstehungsgeschichte der Norm herzuleitenden spezifischen Sinn und Zweck der Mehrbedarfsregelung folgt (siehe ausführlich insbesondere BSG Urteil vom 6.4.2011 - B 4 AS 3/10 R - SozR 4-4200 § 21 Nr. 11 RdNr. 18 ff; BSG Urteil vom 5.8.2015 - B 4 AS 9/15 R - RdNr. 20). Diese Voraussetzung wird eine strukturierte Maßnahme i.S. des § 16d SGB II in der Regel erfüllen.
Das LSG wird darüber hinaus über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.