Gründe:

I

Die Beteiligten streiten über die Versorgung der Klägerin mit einer beidseitigen Mamma-Augmentationsplastik (MAP).

Die 1985 geborene, bei der beklagten Krankenkasse (KK) versicherte Klägerin ist nach ihrem Chromosomensatz dem männlichen Geschlecht zugeordnet. Sie wurde aber phänotypisch als Mädchen wahrgenommen und so erzogen. Sie lebt auch in der Geschlechtsidentität als Frau. Eine genetisch bedingte Biosynthesestörung verhinderte bei ihr die Bildung von Testosteron und führte zu einem eher weiblichen äußeren Genitale; Ovarien und Uterus fehlen. Die Klägerin entwickelte während der Pubertät Fettmammae mit allenfalls kleinem Brustdrüsenkörper (Körbchengröße A bis B). Die Beklagte lehnte die Versorgung der Klägerin mit einer MAP ab (Bescheid vom 12.10.2007, Widerspruchsbescheid vom 21.2.2008). Das SG hat die Klage abgewiesen, weil das Erscheinungsbild der Klägerin einschließlich der Brüste eindeutig weiblich sei (Urteil vom 2.2.2010). Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen: Die Rechtsgrundsätze zum krankenversicherungsrechtlichen Anspruch auf Geschlechtsangleichung bei Transsexualismus seien bei Intersexualität zwar entsprechend anwendbar. Die danach zu ermöglichende deutliche Annäherung an das angestrebte Geschlecht sei im Falle der Klägerin aber bereits erreicht (Urteil vom 28.6.2012).

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung des § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V. Ihr Anspruch auf Krankenbehandlung wegen Intersexualität umfasse eine MAP. Denn die MAP begünstige die durch die Störung der körperlichen Geschlechtsentwicklung beeinträchtigte geschlechtliche Identitätsfindung.

Die Klägerin beantragt, 

die Urteile des Bayerischen Landessozialgerichts vom 28. Juni 2012 und des Sozialgerichts Regensburg vom 2. Februar 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 12. Oktober 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Februar 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin mit einer beidseitigen Mamma-Augmentationsplastik zu versorgen, hilfsweise, das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 28. Juni 2012 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt, 

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

 

II

Die zulässige Revision ist unbegründet. Zu Recht hat das LSG die Berufung gegen das klageabweisende SG-Urteil zurückgewiesen.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Versorgung mit einer MAP aus § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V. Versicherte - wie die Klägerin - haben danach Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die begehrte MAP ist keine notwendige Krankenbehandlung. Die Klägerin ist zwar an einer körperlichen Geschlechtsentwicklungsstörung erkrankt. Die von ihr begehrte Behandlung bezieht sich aber nicht auf daraus resultierende Funktionsstörungen, sondern auf ihr äußeres Erscheinungsbild im Brustbereich (dazu 1.). Das bestehende äußere Erscheinungsbild der Klägerin schließt nach den bei Mann-zu-Frau-Transsexualismus entwickelten Rechtsgrundsätzen, die hier entsprechend anzuwenden sind, den Anspruch auf geschlechtszuweisende oder -verdeutlichende Behandlung mittels MAP auch dann aus, wenn der erkennende Senat zu Gunsten der Klägerin unterstellt, dass Versicherte mit körperlichen Geschlechtsentwicklungsstörungen gegen ihre KK einen Anspruch auf geschlechtszuweisende oder -verdeutlichende Behandlungsmaßnahmen einschließlich chirurgischer Eingriffe haben, um sich einem bestimmten geschlechtsbezogenen Erscheinungsbild - hier dem der Frau - deutlich anzunähern (dazu 2.).

1. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Krankenbehandlung mittels MAP, um eine bei ihr bestehende Funktionsbeeinträchtigung durch diese Form der Krankenbehandlung zu erkennen, zu heilen, zu lindern oder ihre Verschlimmerung zu verhüten. Um eine Behandlung einer Körperfunktionsstörung in diesem Sinne geht es der Klägerin nicht. Versicherte - wie die Klägerin - haben nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V nur dann Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Unter einer "Krankheit" im Rechtssinne versteht die Rechtsprechung des BSG einen regelwidrigen, vom Leitbild des gesunden Menschen abweichenden Körper- oder Geisteszustand, der ärztlicher Behandlung bedarf oder den Betroffenen arbeitsunfähig macht (stRspr, vgl. z.B. BSGE 100, 119 = SozR 4-2500 § 27 Nr. 14, RdNr. 10; BSGE 93, 252 = SozR 4-2500 § 27 Nr. 3, RdNr. 4; BSGE 85, 36, 38 = SozR 3-2500 § 27 Nr. 11 S 38; BSGE 72, 96, 98 = SozR 3-2200 § 182 Nr. 14 S 64, jeweils m.w.N.). Krankheitswert im Rechtssinne kommt nicht jeder körperlichen Unregelmäßigkeit zu. Erforderlich ist nach der maßgeblichen bisherigen Rechtsprechung des erkennenden Senats vielmehr grundsätzlich, dass die Abweichung den Versicherten in seinen Körperfunktionen beeinträchtigt und diese Funktionsbeeinträchtigung durch die notwendige Krankenbehandlung erkannt, geheilt, gelindert oder ihre Verschlimmerung verhütet werden soll (vgl. BSG SozR 4-2500 § 18 Nr. 7 RdNr. 24 - Vitiligo).

Die Klägerin leidet zwar an einer Funktionsstörung ihres Körpers, nämlich einer genetisch bedingten Biosynthesestörung. Sie verfügt nach dem Gesamtzusammenhang der unangegriffenen und deshalb den Senat bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG über einen normalen männlichen Chromosomensatz (46,XY-Kariotyp), leidet aber an einer Androgenbildungsstörung (Biosynthesestörung des Isoenzyms 3 der 17-Beta-Hydroxysteroid-Dehydrogenase (17&946;HSD III)). Hierbei kann es zu einer unterschiedlich ausgeprägten Verminderung der Virilisierung des Genitales bis hin zum Fehlen jeglicher Virilisierung kommen (vgl. auch Hewitt/Warne, 46,XY DSD, in Hutson/Warne/Grover, Disorders of Sex Development, An Integrated Approach to Management, 2012, S 73; s auch Holterhus, Bundesgesundheitsbl 2013 (56), 1686, 1692 m.w.N.), teilweise aber auch zu spontaner Virilisierung während der Pubertät und Änderung der Geschlechtsidentität (Hewitt/Warne, a.a.O., S 74). Die Biosynthesestörung verhindert bei der Klägerin die Bildung von Testosteron.

Sie beansprucht eine beidseitige MAP aber nicht, um diese bei ihr erkannte Funktionsbeeinträchtigung zu heilen, zu lindern oder ihre Verschlimmerung zu verhüten. Die Zielsetzung der gewünschten Behandlung ist es nicht, auf eine Körperfunktion einzuwirken, sondern lediglich das äußere Erscheinungsbild zu beeinflussen.

2. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Krankenbehandlung mittels MAP, um ihr äußeres Erscheinungsbild zu beeinflussen. Ein Anspruch auf Krankenbehandlung in Form von Eingriffen in intakte, nicht in ihrer Funktion beeinträchtigte Organsysteme kommt lediglich im Ausnahmefall in Betracht. Bejaht hat der Senat solche Ansprüche bisher lediglich bei Abweichungen vom Regelfall, die entstellend wirken (vgl. näher BSGE 100, 119 = SozR 4-2500 § 27 Nr. 14, RdNr. 13 f m.w.N.), oder bei medizinisch gebotener Geschlechtsangleichung in Fällen des gesetzlich besonders geregelten Transsexualismus (vgl. BSGE 111, 289 = SozR 4-2500 § 27 Nr. 23; BSG Urteil vom 11.9.2012 - B 1 KR 9/12 R - Juris; BSG Urteil vom 11.9.2012 - B 1 KR 11/12 R - Juris).

Der Senat lässt die Frage offen, ob Intersexualität eine weitere Fallgruppe in diesem Sinne begründet. Der Anspruch auf Krankenbehandlung hat sich nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 3, § 2 Abs. 4, § 12 Abs. 1 SGB V daran auszurichten, welche Behandlung unter Beachtung des umfassenden Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit notwendig und ausreichend ist, um das angestrebte, in § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V bezeichnete Behandlungsziel zu erreichen. Hierzu ist unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse nicht nur dem Grunde nach, sondern auch dem Umfang nach zu ermitteln, welche Reichweite der Therapie indiziert ist. Das LSG hat - ausgehend von seiner Rechtsauffassung zu Recht - hierzu keine Feststellungen getroffen.

Ein denkmöglicher Anspruch derjenigen, die an körperlichen Geschlechtsentwicklungsstörungen leiden, auf Behandlungen zur äußerlichen Geschlechtszuweisung oder -verdeutlichung geht jedenfalls nicht über das hinaus, worauf an Transsexualismus erkrankte Versicherte Anspruch haben: nämlich auf die Herbeiführung eines äußerlichen Zustandes, der aus der Sicht eines verständigen Betrachters dem Erscheinungsbild des phänotypisch angestrebten Geschlechts deutlich angenähert ist. Selbst bei unterstelltem Behandlungsanspruch führt dies nicht dazu, Betroffenen Anspruch auf jegliche Art von geschlechtsangleichenden operativen Maßnahmen im Sinne einer optimalen Annäherung an ein vermeintliches Idealbild und ohne Einhaltung der durch das Recht der gesetzlichen Krankenversicherung vorgegebenen allgemeinen Grenzen einzuräumen (vgl. BSGE 111, 289 = SozR 4-2500 § 27 Nr. 23, RdNr. 23; BSG SozR 4-2500 § 27 Nr. 20 RdNr. 15 - Zisidentität; BSGE 93, 252 = SozR 4-2500 § 27 Nr. 3, RdNr. 11 - Mammahypoplasie). Ein Anspruch, der bei Entstellung für alle Versicherten, auch für intersexuelle Versicherte, besteht, bleibt hiervon unberührt (vgl. zum Transsexualismus BSGE 111, 289 = SozR 4-2500 § 27 Nr. 23, RdNr. 27). Gänzlich ausgeschlossen sind hingegen Ansprüche auf solche Behandlungsmaßnahmen, die darauf abzielen, die Uneindeutigkeit der äußeren Geschlechtsmerkmale zu erhöhen (vgl. BSG SozR 4-2500 § 27 Nr. 20 RdNr. 16 - Zisidentität). Dies gilt auch bei Intersexualität.

Das objektive Erscheinungsbild des Brustumfangs begrenzt auch bei Intersexualität - wie bei Mann-zu-Frau-Transsexualismus - Ansprüche auf geschlechtsangleichende Behandlung im Sinne medizinisch indizierter MAP. Der erkennende Senat hat für entsprechende Ansprüche Transsexueller auf geschlechtsangleichende Behandlung im Sinne medizinisch indizierter MAP bei Mann-zu-Frau-Transsexualismus entschieden, dass sie durch das objektive Erscheinungsbild des Brustumfangs begrenzt sind. Ein Versicherter mit einem Brustansatz, der die für konfektionierte Damenoberbekleidung vorgesehene Größe A nach DIN EN 13402 bei erfolgter Ausatmung im Rahmen normaler Messung ohne weitere Mittel voll ausfüllt, kann danach keine MAP beanspruchen (vgl. BSGE 111, 289 = SozR 4-2500 § 27 Nr. 23, RdNr. 29). Der erkennende Senat hat dies damit begründet, dass das mit einem solchen Äußeren erreichte körperliche Erscheinungsbild sich nämlich - trotz der großen Vielfalt der Phänotypen bei Männern und Frauen - in einem unzweifelhaft geschlechtstypischen Bereich bewegt. Die Grenze trägt auch dem Gleichbehandlungsgebot gemäß Artikel 3 Abs. 1 GG Rechnung. Die Grenzziehung vermeidet es, transsexuellen Versicherten einen umfassenden leistungsrechtlichen Zugang zu kosmetischen Operationen zu eröffnen, der nicht transsexuellen Versicherten von vornherein versperrt ist (vgl. dazu z.B. BSGE 100, 119 = SozR 4-2500 § 27 Nr. 14, RdNr. 13 f m.w.N.; vgl. zum Ganzen BSGE 111, 289 = SozR 4-2500 § 27 Nr. 23, RdNr. 29 f). Diese immanenten Schranken eines Anspruchs auf geschlechtsangleichende Behandlung im Sinne medizinisch indizierter MAP gelten auch für intersexuelle Versicherte. Es gibt keinen sachlichen Grund, Personen mit körperlichen Geschlechtsentwicklungsstörungen bei männlichem Chromosomensatz mit eher weiblichem Phänotypus einen weitergehenden Anspruch einzuräumen. Dies gilt erst recht, wenn bei ihnen keine psychische Folgeerkrankung vorliegt.

Insbesondere mit Blick auf die Behandlung des Mann-zu-Frau-Tanssexualismus durch geschlechtsangleichende chirurgische Eingriffe und die zwischenzeitlich von KKn insoweit unzutreffend vertretene Rechtsauffassung weist der Senat nur ergänzend darauf hin, dass dann, wenn nach den vorgenannten Voraussetzungen ein Anspruch auf Versorgung mit einer MAP besteht, diese, soweit medizinisch unbedenklich, nicht auf Größe A nach der genannten DIN-Norm begrenzt ist.

Die Klägerin erfüllt nicht die aufgezeigten Voraussetzungen für eine Versorgung mit einer MAP. Nach den unangegriffenen, den Senat bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG erreicht das hauptsächlich aus Fettgewebe bestehende Brustwachstum der Klägerin ein Ausmaß, das nach den dargelegten Kriterien einen Anspruch auf eine MAP ausschließt.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.