Bundessozialgericht - B 4 AS 13/09 R - Urteil vom 22.09.2009
Stellt man allein auf den Wortlaut des § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB II ab, legt dieser zwar nahe, dass der Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung der Normalfall, der Erlass eines die Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Verwaltungsaktes die Ausnahme sein soll. § 15 Abs. 1 SGB II wendet sich an die Arbeitsagentur und gibt ihr auf, im Einvernehmen mit dem kommunalen Träger mit jedem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen die für seine Eingliederung erforderlichen Leistungen zu vereinbaren. Sie hat das Initiativrecht. Zugleich sind die Verhandlungen über die Eingliederung, anstatt der Erlass einer Eingliederungsvereinbarung durch einen Verwaltungsakt, das von ihr erwartete Verhalten. Die Verwaltung kann hiervon jedoch absehen. Soweit in der Literatur die Auffassung vertreten wird, dass nur in atypischen und einzeln zu begründenden Fällen von dieser Grundregel abgewichen werden darf, folgt der Senat dem nicht. Aus Entstehungsgeschichte, systematischem Zusammenhang sowie Sinn und Zweck von § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB II ergibt sich vielmehr, dass dem Grundsicherungsträger die Alternative des Erlasses eines Verwaltungsaktes schon dann zu steht, wenn ihm dies als der besser geeignete Weg erscheint.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet war, mit dem Kläger
eine Eingliederungsvereinbarung abzuschließen und ihm einen persönlichen
Ansprechpartner zu benennen.
Der 1960 geborene Kläger bezieht seit dem 23.2.2005 Leistungen nach dem SGB II.
Nachdem ein erster Gesprächskontakt zwischen einer Mitarbeiterin der Beklagten
(Grundsicherungsträger) und dem Kläger nicht zustande gekommen war, legte der
Kläger bei einem zweiten Gesprächsversuch eine "Notwehrerklärung eines
mittellosen Arbeitslosen" sowie einen "Befangenheitsantrag" gegen
die betreffende Mitarbeiterin vor. Diesen begründete der Kläger damit, dass
diese Sachbearbeiterin die Bearbeitung seiner Leistungsanträge bewusst
verschleppt habe.
In der Folge übersandte die Beklagte - unter Hinweis auf die "besprochene
Chanceneinschätzung" - dem Kläger einen Entwurf einer
Eingliederungsvereinbarung mit der Bitte, ein Exemplar unterschrieben zurückzusenden.
In der Eingliederungsvereinbarung sollte sich der Kläger verpflichten, alle Möglichkeiten
zu nutzen, um seinen Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln und Kräften zu
bestreiten und an allen Maßnahmen zur Eingliederung mitzuwirken. Ferner heißt
es in dem Entwurf, auf Grund der besprochenen Chanceneinschätzung würden
folgende Aktivitäten zur beruflichen Eingliederung für die Zeit bis 31.10.2006
verbindlich vereinbart: Auf Seiten der Beklagten, Hilfe bei der Stellensuche,
Unterbreitung von Vermittlungsvorschlägen, Zahlung von Bewerbungskosten und auf
Seiten des Klägers, eigenverantwortliche Erstellung von Bewerbungen für
Stellen aller Art (geringfügige Beschäftigungen, Praktikumsstellen,
Teilzeitstellen und befristete Stellen). Diese Bemühungen müssten regelmäßig
belegt werden, erstmalig am 15.8.2005. Im Übrigen enthielt der Entwurf u.a. unter
Ziffer 2 eine Darstellung der Rechtsfolgen für den Fall der Nichterfüllung der
auf Seiten des Klägers vorgesehenen Rechte und Pflichten. Gleichzeitig verwies
die Beklagte auf eine als Anhang beigefügte Rechtsfolgenbelehrung.
Wegen des zugesandten Entwurfs der Eingliederungsvereinbarung erhob der Kläger
Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die Sachbearbeiterin und rund ein halbes Jahr später
Widerspruch. Das Handeln der Beklagten sei rechtswidrig. Es habe keinen Termin
gegeben, in dem eine Chanceneinschätzung besprochen worden sei. Er habe seine
Vorstellungen nicht in die Eingliederungsvereinbarung einbringen können. Diese
sei nicht individuell auf ihn zugeschnitten. Die Beklagte verwarf den
Widerspruch als unzulässig, da es sich bei der nicht abgeschlossenen
Eingliederungsvereinbarung wegen des fehlenden Regelungscharakters nicht um
einen Verwaltungsakt handele (Widerspruchsbescheid vom 7.3.2006). Zuvor hatte
die Beklagte den Kläger zu einer beabsichtigten Absenkung seines
Arbeitslosengeldes (Alg) II wegen Nichtabschlusses einer
Eingliederungsvereinbarung angehört. Zudem lud sie den Kläger zur Teilnahme an
einem Erstberatungsseminar in der Zeit vom 22. bis 25.8.2005 ein. Hieran nahm
der Kläger jedoch nicht teil. In der Folge ersetzte die Beklagte die
Eingliederungsvereinbarung unter Hinweis auf § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II durch
einen Verwaltungsakt. Danach sollten die darin getroffenen Feststellungen für
den Zeitraum vom 23.11. bis 31.12.2005 gelten, soweit zwischenzeitlich nichts
anderes vereinbart werde. Als einzige Leistung wurde dem Kläger die Teilnahme
an einem Erstberatungsseminar in der Zeit vom 28.11. bis 1.12.2005 angeboten.
Auch an dieser Maßnahme nahm der Kläger nicht teil. Die Beklagte hörte ihn
erneut zur Absenkung des Alg II an, nahm eine entsprechende Absenkung vor
(Bescheid vom 27.12.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
7.3.2006), setzte diese Regelungen aber nicht um, sondern gewährte dem Kläger
weiterhin ungekürzte Leistungen (Bescheide vom 14.3.2006 und 17.3.2006,
letzterer in der Fassung des Änderungsbescheides vom 2.5.2006).
Der Kläger nahm die gegen sämtliche Widerspruchsbescheide erhobenen Klagen,
soweit sie Sanktionen betrafen, zurück. Seine am 10.4.2006 erhobene Klage wegen
des Nichtabschlusses einer Eingliederungsvereinbarung und Benennung eines persönlichen
Ansprechpartners hielt er aufrecht. Das Sozialgericht (SG) hat die Klage mangels
Rechtsschutzbedürfnisses als unzulässig abgewiesen. Dem Kläger stünde ein
einfacherer Weg für die Erreichung seines Zieles zur Verfügung. Zudem wirke
sich die von ihm begehrte Verurteilung der Beklagten nicht vorteilhaft auf seine
Rechtsposition aus (Urteil vom 26.11.2007). Das Landessozialgericht (LSG) hat
die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen und ergänzend ausgeführt,
einer Verurteilung der Beklagten zum Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung
bedürfe es nicht, da sich diese in der mündlichen Verhandlung am 26.2.2008
nochmals ausdrücklich dazu bereit erklärt habe, mit dem Kläger eine solche zu
schließen (Urteil vom 26.2.2008).
Der Kläger rügt mit seiner Revision, dass entgegen der Ansicht des LSG aus der
gesetzlichen Konzeption des Forderns und Förderns ein einklagbarer Anspruch des
erwerbsfähigen Hilfebedürftigen auf Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung
folge. Ein solcher werde auch dem Grundsicherungsträger zugestanden. Die
Verhandlungsmacht dürfe insoweit nicht einseitig verteilt werden. Weiter habe
er Anspruch auf die Benennung eines unbefangenen persönlichen Ansprechpartners.
Das SGB II sehe ein soziales Recht auf aktive Eingliederungsförderung vor.
Hieraus folge, dass die Ausgestaltung des Grundsatzes des Förderns in § 14 SGB
II die Möglichkeit eines durchsetzbaren Anspruchs auf einen zumindest
unbefangenen, kompetenten und engagierten Ansprechpartner beinhalte.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 26. Februar 2008 sowie des Sozialgerichts Speyer vom 26. November 2007 aufzuheben und festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet war, mit ihm eine Eingliederungsvereinbarung unter Berücksichtigung seiner besonderen beruflichen Situation zu schließen, hilfsweise Verhandlungen über den Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung mit ihm zu führen und ihm einen unbefangenen persönlichen Ansprechpartner zu benennen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie beruft sich auf die Ausführungen der Vorinstanzen.
II.
Die Revision des Klägers ist unbegründet.
Die Feststellungsklage ist zulässig. Sie ermöglicht hier im Vergleich zur
Aufhebungs- und Leistungsklage eine umfassendere Klärung des streitigen
Rechtsverhältnisses, insbesondere auch im Hinblick auf noch nicht konkret
geltend gemachte und wegen Zeitablaufs nicht mehr erfüllbare Ansprüche (vgl.
Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 8.9.2009 - B 1 KR 1/09 R - RdNr. 11). Die
Klage ist jedoch unbegründet.
1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Abschluss einer individuellen
Eingliederungsvereinbarung oder das Verhandeln der Beklagten mit ihm über seine
Eingliederung.
Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB II soll die Agentur für Arbeit im Einvernehmen mit
dem kommunalen Träger mit jedem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen die für
seine Eingliederung erforderlichen Leistungen vereinbaren
(Eingliederungsvereinbarung). In § 15 Abs. 1 Satz 2 SGB II wird der tragende
Inhalt der Eingliederungsvereinbarung grob umrissen. Nach § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB
II sollen die Regelungen der für die Eingliederung erforderlichen Maßnahmen
durch Verwaltungsakt erfolgen, wenn eine Eingliederungsvereinbarung nicht
zustande kommt. Bei § 15 Abs. 1 SGB II handelt es sich um eine reine
Verfahrensvorschrift, die das Verhalten und Vorgehen der Grundsicherungsträger
- Arbeitsagentur und kommunaler Träger - steuern soll. Der Grundsicherungsträger
trifft insoweit eine nicht justiziable Opportunitätsentscheidung darüber,
welchen Verfahrensweg er zur Erfüllung des Ziels der Eingliederung des erwerbsfähigen
Hilfebedürftigen wählt, ohne dass der erwerbsfähige Hilfebedürftige dadurch
einen Rechtsverlust erleidet.
Hauptzweck des SGB II ist es, arbeitsfähige Arbeitslose wieder in das
Erwerbsleben einzugliedern. Um dieses Ziel zu erreichen, sieht das SGB II in
sachlicher Hinsicht vielfältige Instrumente und Förderleistungen vor, vor
allem solche, die sich im Bereich der Arbeitsförderung nach dem SGB III bewährt
haben (vgl. Voelzke in Hauck/Noftz, SGB II, Stand VI/09, § 16 RdNr. 69; S.
Knickrehm in Kreikebohm/Spellbrink/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 2009,
§ 16 SGB II RdNr. 4). Mit dem Konzept des "Förderns" ist im SGB II
das des "Forderns" untrennbar verbunden. Die Umsetzung der Konzepte
obliegt den Grundsicherungsträgern, wobei ihnen das Gesetz zwei Verfahrenswege
hierfür an die Hand gibt.
Nach Wortlaut, Gesetzesbegründung, systematischem Zusammenhang sowie Sinn und
Zweck von § 15 Abs. 1 SGB II sind es zwei grundsätzlich gleichwertige Wege,
einerseits der Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung sowie andererseits der
Erlass eines eine Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Verwaltungsaktes.
Stellt man allein auf den Wortlaut des § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB II ab, legt dieser
zwar nahe, dass der Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung der Normalfall,
der Erlass eines die Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Verwaltungsaktes die
Ausnahme sein soll. § 15 Abs. 1 SGB II wendet sich an die Arbeitsagentur und
gibt ihr auf, im Einvernehmen mit dem kommunalen Träger mit jedem erwerbsfähigen
Hilfebedürftigen die für seine Eingliederung erforderlichen Leistungen zu
vereinbaren. Sie hat das Initiativrecht. Zugleich sind die Verhandlungen über
die Eingliederung, anstatt der Erlass einer Eingliederungsvereinbarung durch
einen Verwaltungsakt, das von ihr erwartete Verhalten. Die Verwaltung kann
hiervon jedoch absehen. Soweit in der Literatur die Auffassung vertreten wird,
dass nur in atypischen und einzeln zu begründenden Fällen von dieser
Grundregel abgewichen werden darf (s nur Müller in Hauck/Noftz, SGB II, Stand
VI/07, § 15 RdNr. 10; Berlit in LPK-SGB II, 3. Aufl. 2009, § 15 RdNr. 16), folgt
der Senat dem nicht. Aus Entstehungsgeschichte, systematischem Zusammenhang
sowie Sinn und Zweck von § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB II ergibt sich vielmehr, dass
dem Grundsicherungsträger die Alternative des Erlasses eines Verwaltungsaktes
schon dann zu steht, wenn ihm dies als der besser geeignete Weg erscheint.
Danach trifft der jeweilige Sachbearbeiter die Entscheidung darüber, ob
Verhandlungen mit dem Ziel des Abschlusses einer Eingliederungsvereinbarung geführt
werden oder die Eingliederungsvereinbarung durch einen Verwaltungsakt ersetzt bzw.
von vornherein ein Verwaltungsakt über Eingliederungsleistungen erlassen
wird, in der konkreten Situation unter Berücksichtigung aller Umstände des
Einzelfalles. Er kann auf Grund seiner Sach- und Personenkenntnis in der
konkreten Situation am besten beurteilen, welcher Weg am ehesten einen raschen
Eingliederungserfolg verspricht. Der Hilfebedürftige erleidet dadurch keinen
Rechtsverlust. In der Sache hat die Entscheidung des Grundsicherungsträgers für
einen der beiden Wege nämlich keinen Einfluss auf den Anspruch des erwerbsfähigen
Hilfebedürftigen auf die für ihn in Betracht kommenden
Eingliederungsleistungen. Eine rechtsförmige Durchsetzung seiner Ansprüche auf
Eingliederungsleistungen hängt nicht davon ab, ob diese in einer
Eingliederungsvereinbarung oder einem ersetzenden Verwaltungsakt
"festgelegt" worden sind. Andererseits steuert jedoch die Entscheidung
über das verfahrensrechtliche Vorgehen die Durchsetzungsmöglichkeiten des
Grundsicherungsträgers im Hinblick auf die Pflichten des erwerbsfähigen
Hilfebedürftigen, die in § 15 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und 3 SGB II in der
Eingliederungsvereinbarung festzulegen sind. Denn Sanktionsmöglichkeiten bei
Nichterfüllung der Pflichten in § 31 Abs. 1 SGB II sind eng mit dem Abschluss
einer Eingliederungsvereinbarung verknüpft, teilweise ohne eine
Eingliederungsvereinbarung tatbestandlich nicht vorgesehen. Der Abschluss einer
Eingliederungsvereinbarung liegt damit eher im Interesse des Grundsicherungsträgers
als im Interesse des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen. Dessen Interesse an
einem Gespräch mit einem Mitarbeiter der Verwaltung über seine Eingliederung
mag zwar im Sinne der Verhaltenssteuerung (Einfluss auf das Verhalten des
Grundsicherungsleistungsempfängers) erwünscht sein, hat jedoch keine
unmittelbaren rechtlichen Auswirkungen auf den Leistungsanspruch des erwerbsfähigen
Hilfebedürftigen (zu dem Anspruch auf Leistungen nach § 16e SGB II s unten).
Dies wird durch die Entstehungsgeschichte der Norm bestätigt. Nach der
Entwurfsfassung des § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB II sollte die
Eingliederungsvereinbarung als ein der Verwaltung zur Verfügung stehendes
Instrumentarium zur Durchsetzung ihrer Vorstellungen dienen. So hieß es in der
ersten Fassung des § 15 Abs. 1 SGB II: "Die Agentur für Arbeit soll in der
Eingliederungsvereinbarung mit dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen die
erforderlichen Leistungen festlegen" (Änderung nach Beschlussempfehlung
des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit (9. Ausschuss), vom 15.10.2003,
BT-Drucks 15/1728 S 177). Zwar forderte der Deutsche Bundestag im
Gesetzgebungsverfahren alsdann einen partnerschaftlichen Umgang zwischen Träger
und Hilfebedürftigem beim Zustandekommen der Eingliederungsvereinbarung, worauf
in § 15 Abs. 1 SGB II das Wort "festlegen" durch das Wort
"vereinbaren" ersetzt wurde (BT-Drucks 15/1749 S 32). Die
weitergehende Forderung, durch geeignete Maßnahmen zu gewährleisten, dass im
Falle von Differenzen beim Abschluss und Einhalten der
Eingliederungsvereinbarung die Interessen des Hilfebedürftigen gewahrt würden
(BT-Drucks 15/17128 S 15, 16), wurde nicht umgesetzt (BT-Drucks 15/1728 S 185).
Lediglich das Wort: "Festlegungen" wurde im Rahmen des ersatzweisen
Erlasses eines Verwaltungsaktes durch das Wort "Regelungen" ersetzt
(BT-Drucks 15/1728 S 177). Die Einseitigkeit der Durchsetzungsmöglichkeiten im
Hinblick auf die Vorstellungen des Grundsicherungsträgers ist damit im Gesetz
nicht eingeschränkt worden.
Auch unter systematischen Gesichtspunkten ergibt sich kein Vorrang der
Eingliederungsvereinbarung gegenüber dem Verwaltungsakt, also keine Beschränkung
des Vorgehens durch Verwaltungsakt nur auf atypische Fälle. Dieses zeigt ein
Blick auf die Folgen des "Nichtabschlusses" einer
Eingliederungsvereinbarung ohne Zutun des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen für
diesen.
Verhandlungen über oder der Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung sind
auch nicht deshalb im rechtlichen Interesse des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen,
weil der Hilfebedürftige auch auf diese Weise in Gestalt eines darin geregelten
Leistungsversprechens des Grundsicherungsträgers zu der seine Hilfebedürftigkeit
überwindenden Eingliederungsleistung gelangen könnte. Einer
Eingliederungsvereinbarung bedarf es nicht, um einen Leistungsanspruch des
Hilfebedürftigen zu begründen. Vielmehr kann jede der im SGB II für den Kreis
der Leistungsberechtigten vorgesehenen Eingliederungsleistungen vom erwerbsfähigen
Hilfebedürftigen beantragt werden. Über einen derartigen Antrag hat der
Grundsicherungsträger alsdann durch überprüfbaren Verwaltungsakt zu
entscheiden.
Ähnliches gilt für den Fall, dass eine Eingliederungsvereinbarung ohne Zutun
des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen nicht zustande kommt; der
Sanktionstatbestand des § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst a SGB II greift hier
nicht (s zur Diskussion um dessen Verhältnismäßigkeit S. Knickrehm in
Kreikebohm/Spellbrink/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 2009, § 15 SGB II
RdNr. 7 m.w.N.). Die Eingliederungsvereinbarung soll auch dann nach § 15 Abs. 1 Satz
6 SGB II durch Verwaltungsakt des Grundsicherungsträgers erfolgen. Soweit der
erwerbsfähige Hilfebedürftige nicht mit den dortigen Regelungen einverstanden
ist, kann er diesen Verwaltungsakt durch Anfechtung zur Überprüfung stellen.
Lediglich soweit Leistungen nach § 16e SGB II i.d.F. des Gesetzes zur
Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente vom 21.12.2008 (BGBl I,
2917) gewährt werden sollen, ist die Betreuung des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen
auf Grundlage einer Eingliederungsvereinbarung anspruchskonstituierend (§ 16e Abs.
1 Satz 2 Nr. 2 SGB II). Bei den Leistungen nach § 16e SGB II handelt es sich
jedoch nur mittelbar um Leistungen für den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen (vgl.
S. Knickrehm in Kreikebohm/Spellbrink/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht,
2009, § 16e SGB II, RdNr. 2; Voelzke in Hauck/Noftz, SGB II, Stand V/2009, §
16e RdNr. 35); der erwerbsfähige Hilfebedürftige ist insoweit nicht klagebefugt
(vgl. S. Knickrehm in Kreikebohm/Spellbrink/Waltermann, Kommentar zum
Sozialrecht, 2009, § 16e SGB II RdNr. 2).
Einen Vorrang der Eingliederungsvereinbarung vor dem ersetzenden Verwaltungsakt
verlangen auch Sinn und Zweck von § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB II nicht. Der
Prozessvorgang des Verhandelns über eine Eingliederungsleistung und die
Eingliederungsvereinbarung allein können keine passgenaue Betreuung und
Vermittlung des Arbeitsuchenden - Feinsteuerung durch Übertragung der
Leistungserbringung auf den individuellen Austauschprozess zwischen
Sachbearbeiter des Grundsicherungsträgers und Kunden - gewährleisten
(zutreffend: Spellbrink in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl. 2008, § 15
RdNr. 6). Auch eine angemessene Anhörung des Hilfebedürftigen vor Erlass eines
Verwaltungsaktes (§ 24 SGB X) kann für "passgenaue"
Eingliederungsleistungen sorgen. Zwar mag die Eingliederungsvereinbarung die
Stellung des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen gegenüber der reinen
Ermessensentscheidung verbessern und durch Konkretisierung der
Mitwirkungsobliegenheiten für diesen die Rechtssicherheit erhöhen (Berlit,
Sozialrecht aktuell 2006, 41, 44). Gleichwohl trägt der Leistungsträger beim
Nichtzustandekommen der Eingliederungsvereinbarung kein dem erwerbsfähigen
Hilfebedürftigen vergleichbares Risiko. Letzterer muss nach dem Wortlaut von §
31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a SGB II mit einer Sanktion rechnen, wenn das Zustandekommen
einer Eingliederungsvereinbarung an ihm scheitert. Der Grundsicherungsträger
kann seine Position hingegen durch einen Verwaltungsakt durchsetzen (Berlit,
Sozialrecht aktuell 2006, 41, 44).
Nach allem gibt der Wortlaut des § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB II dem Grundsicherungsträger
also allenfalls eine unverbindliche Handlungsanweisung, wie er
verfahrenstechnisch mit dieser Regelungsoffenheit umgehen könnte. Ein
subjektiv-öffentliches Recht des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen
korrespondiert damit nicht (vgl. zur Korrespondenztheorie, Spellbrink in Eicher/
Spellbrink, SGB II, 2. Aufl. 2008, § 3 RdNr. 13).
2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch darauf, ihm einen unbefangenen und
qualifizierten persönlichen Ansprechpartner zu benennen.
Aus § 14 Satz 2 SGB II lässt sich kein subjektiv-öffentliches Recht des Klägers
ableiten. Während die Eingliederungsvereinbarung nach § 15 SGB II selbst bzw. die Verhandlungen über diese auch den Anspruch des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen
auf Eingliederungsleistungen berühren, mangelt es bei der Vorschrift des § 14
Satz 2 SGB II bereits an dieser Beziehung zu einem weitergehenden Rechtsanspruch
des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen. § 14 Satz 2 SGB II beinhaltet nur eine
objektiv-rechtliche Aufgabenzuweisung (Schumacher in Oestreicher, SGB XII/SGB
II, Stand Dezember 2005, § 14 SGB II RdNr. 11; Grote-Seifert in jurisPK-SGB II,
2. Aufl. 2007, § 14 RdNr. 22; Spellbrink in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2.
Aufl. 2008, § 14 RdNr. 8). Die Zuordnung eines persönlichen Ansprechpartners soll ein
kompetentes Fallmanagement sicherstellen, ein Vertrauensverhältnis zwischen dem
erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und dem Leistungsträger fördern sowie der
Effizienz der Betreuung des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen dienen (vgl.
BT-Drucks 15/1516 S 54). Der persönliche Ansprechpartner ist damit ein Teil des
Fallmanagements, bei dem es sich um die Idee eines anspruchsvollen beraterischen
Ansatzes handelt, der die besondere Lage des Hilfebedürftigen in einem
kooperativ strukturierten Prozess feststellen und insbesondere dadurch verändern
will, dass die individuellen Kompetenzen des Hilfebedürftigen, seine Lage zu
verändern, gestärkt werden (S. Knickrehm in Kreikebohm/ Spellbrink/Waltermann,
2009, § 14 SGB II RdNr. 3; Spellbrink in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl.
2008, § 14 RdNr. 9 m.w.N.). Dies soll etwa durch die für eine kompetente
Aufgabenerledigung notwendige Qualifizierung des Ansprechpartners erreicht
werden (vgl. LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 19.12.2006 - L 3 AS 13/06 - juris,
RdNr. 22).
Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang die Besorgnis zum Ausdruck bringt, die
für ihn zuständige Mitarbeiterin der Beklagten sei nicht unbefangen, so
verschafft ihm dieser Umstand, unterstellt er ist wahr, ebenfalls kein
subjektiv-öffentliches Recht, deswegen einen anderen persönlichen
Ansprechpartner benannt zu bekommen. Stattdessen knüpft sich an das Vorbringen
des Klägers gegenüber der Beklagten bei der persönlichen Vorsprache gemäß
§ 17 Abs. 1 Satz 1 SGB X eine Pflicht für die im Verwaltungsverfahren tätig
gewordene Mitarbeiterin, den Leiter ihrer Behörde, mithin den Geschäftsführer
der Beklagten, hierüber zu unterrichten. Soweit hier eine Pflichtverletzung
gegeben gewesen sein sollte, ist diese jedoch nicht mit einem subjektiven
Ablehnungsrecht des die Besorgnis der Befangenheit Äußernden verbunden (von
Wulffen in von Wulffen, SGB X, 6. Aufl. 2008, § 17 RdNr. 3). Hieraus folgt
allenfalls, dass ein unter Mitwirkung eines die Unterrichtungspflicht
verletzenden Behördenbediensteten ergangener Verwaltungsakt wegen § 42 Satz 1
SGB X verfahrensfehlerhaft zustande gekommen sein kann. Im Rahmen einer
Feststellungsklage, mit der auf zukünftiges Verhalten der Beklagten eingewirkt
werden soll, bleibt eine derartige Pflichtverletzung damit ohne Auswirkung.
Insoweit kommt es nicht darauf an, ob die Mitarbeiterin tatsächlich eine solche
Pflichtverletzung begangen hat.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.