Bundessozialgericht - B 8/9b SO 2/06 R - Urteil vom 16.10.2007
Im Falle einer so genannten "gemischten Bedarfsgemeinschaft", bei der eine Person nach dem SGB II, die andere nach dem SGB XII leistungsberechtigt ist, sind die gesetzlichen Regelungen lückenhaft. § 20 Abs. 3 SGB II ist insoweit im Rahmen des § 3 Regelsatzverordnung entsprechend anzuwenden.
Gründe:
I
Im Streit sind höhere Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Dezember 2005.
Der am 19. Juli 1934 geborene Kläger lebt zusammen mit seiner 1945 geborenen Ehefrau; diese erhält Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) in Höhe von 502,74 EUR (Unterkunftskosten in Höhe von 191,74 EUR; monatliche Regelleistung in Höhe von 311 EUR = 90 v.H. der Regelleistungen alleinstehender Personen). Der Beklagte bewilligte dem Kläger ab 1. Januar 2005 Leistungen zur Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung in Höhe von insgesamt 471,44 EUR nach dem SGB XII (Bescheid vom 20. Dezember 2004; Widerspruchsbescheid vom 20. April 2005). Neben Unterkunftskosten in Höhe von 195,44 EUR beinhaltete diese Leistung einen Betrag in Höhe von 276 EUR (= 80 v.H. des Eckregelsatzes als Haushaltsangehöriger), weil die Ehefrau des Klägers als Haushaltsvorstand anzusehen sei. Keiner der Eheleute bezieht Einkommen.
Das Sozialgericht (SG) hat den Beklagten "unter Abänderung des Bescheides vom 20.12.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.4.2005 verurteilt, dem Kläger Regelleistungen zur Grundsicherung im Alter ab 1.1.2005 in Höhe von 310 EUR im Monat zu zahlen" (Urteil vom 30. September 2005). Zur Begründung hat das SG ausgeführt, der Kläger habe einen Anspruch auf einen höheren Regelsatz. Nach dem SGB XII stünden dem Haushaltsvorstand ein Regelsatz von 100 v.H. und dem Haushaltsangehörigen ein solcher von 80 v.H., beiden zusammen also 180 v.H. zu, nach dem SGB II hätten beide Anspruch auf Regelleistungen in Höhe von jeweils 90 v.H., zusammen also ebenfalls 180 v.H.. Die Berechnung des Beklagten führe zu einer Benachteiligung (insgesamt nur 170 v.H.) der "gemischten Bedarfsgemeinschaft" gegenüber der "reinen Bedarfsgemeinschaft" entweder nach dem SGB II oder dem SGB XII.
Mit seiner Revision macht der Beklagte geltend, der Kläger habe keinen Anspruch auf höhere Leistungen nach dem SGB XII, sondern dessen Ehefrau auf die volle Regelleistung (100 v.H.) nach dem SGB II, weil der Kläger als Leistungsempfänger nach dem SGB XII nicht Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft i.S. des SGB II sei. Auch wenn man dieser Auffassung nicht folge, ständen dem Kläger selbst ergänzende Leistungen nach dem SGB II in Form von Sozialgeld zu, um das unterschiedliche Leistungsniveau der Regelleistungen bzw. Regelsätze nach dem SGB II und dem SGB XII auszugleichen. Dieser Anspruch richte sich jedoch gegen die Arbeitsgemeinschaft L.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält die Entscheidung des SG für zutreffend.
II
Die Revision des Beklagten ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet (§ 170 Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)). Dem Kläger steht im Rahmen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung ein Regelsatz von 90 v.H. des Eckregelsatzes statt von 80 v.H. zu. Ob daraus allerdings insgesamt höhere Leistungen resultieren, kann mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen (§ 163 SGG) des SG nicht beurteilt werden.
Die Sprungrevision des Beklagten ist zulässig. Die Voraussetzungen des § 161 Abs. 1 SGG liegen vor. Insbesondere entspricht die Erklärung des Klägers, mit der dieser der Einlegung der Sprungrevision zugestimmt hat, den formalen Anforderungen des § 161 Abs. 1 Satz 1 SGG.
Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Bescheid vom 20. Dezember 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. April 2005 (§ 95 SGG). Eine analoge Anwendung des § 96 SGG auf Bewilligungsbescheide für Folgezeiträume (hier ab Januar 2006) kommt bei Leistungen nach dem SGB XII aus den gleichen Gründen wie bei solchen nach dem SGB II (s dazu näher BSG SozR 4-4200 § 20 Nr. 1 RdNr. 30 und SozR 4-4300 § 428 Nr. 3 RdNr. 13 f) nicht in Betracht. Das SG hat jedoch ohnedies nur über den Bescheid vom 20. Dezember 2004 befunden, und eine zu Unrecht unterbliebene Einbeziehung weiterer Bescheide hätte deshalb gerügt werden müssen. In der Sache ist damit ausschließlich über höhere Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Dezember 2005 zu entscheiden, weil die Leistungen nur für zwölf Kalendermonate bewilligt worden sind; dabei beschränkt sich die Klage allerdings nicht auf den Regelsatz, sondern erfasst die gesamte Grundsicherungsleistung (vgl. nur BSG SozR 4-4300 § 428 Nr. 3 RdNr. 16 m.w.N.).
Der Bürgermeister der Hansestadt L ist als Behörde der vom sachlich und örtlich zuständigen Sozialhilfeträger herangezogenen Hansestadt L beteiligtenfähig i.S. von § 70 Nr. 3 SGG und somit der richtige Beklagte. Nach § 70 Nr. 3 SGG sind Behörden beteiligtenfähig, sofern das Landesrecht dies bestimmt. Dies sieht § 3 des schleswig-holsteinischen Ausführungsgesetzes zum SGG vom 2. November 1953 (i.d.F. der Bekanntmachung vom 31. Dezember 1971 - Gesetz und Verordnungsblatt (GVBl) 1955, 53 ff) vor; Behörde in diesem Sinne ist der Bürgermeister der Stadt L. Nach § 99 Abs. 1 SGB XII (hier i.d.F., die die Norm durch das Gesetz zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch (SGB) vom 27. Dezember 2003 - BGBl I 3022 ff - erhalten hat) i.V.m. §§ 97, 98 SGB XII nimmt die Stadt L , die Aufgaben als Selbstverwaltungsangelegenheiten wahr (vgl. schleswig-holsteinisches Gesetz zur Ausführung des SGB XII, verkündet als Art 8 des Haushaltsstrukturgesetzes Schleswig-Holstein vom 15. Dezember 2005 - GVBl 568 ff). Nach § 65 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 der Gemeindeordnung von Schleswig-Holstein vom 28. Februar 2003 (GVBl 57 ff) gehört es zu den Aufgaben des Bürgermeisters, die Gesetze auszuführen.
Dem Kläger steht im Rahmen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach § 19 Abs. 2 SGB XII i.V.m. § 41 SGB XII (beide i.d.F. des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das SGB) und § 42 Satz 1 Nr. 1 SGB XII (i.d.F., die die Norm durch das Gesetz zur Einordnung des Sozialhilferechts in das SGB erhalten hat) sowie § 28 SGB XII (hier i.d.F., die die Norm durch das Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das SGB vom 9. Dezember 2004 - BGBl I 3305 f - erhalten hat) ein Regelsatz von 90 v.H. statt 80 v.H. des Eckregelsatzes zu. § 20 Abs. 3 SGB II (i.d.F., die die Norm durch das Kommunale Optionsgesetz vom 30. Juli 2004 - BGBl I 2014 ff - erhalten hat) ist insoweit im Rahmen des auf Grund § 40 SGB XII zur näheren Bestimmung der Regelsätze erlassenen § 3 Regelsatzverordnung (RSV) i.d.F. vom 3. Juni 2004 (BGBl I 1067 f) entsprechend anzuwenden. Im Falle einer so genannten "gemischten Bedarfsgemeinschaft", bei der eine Person nach dem SGB II, die andere nach dem SGB XII leistungsberechtigt ist, sind die gesetzlichen Regelungen lückenhaft.
Wären sowohl der Kläger als auch seine Ehefrau allein nach dem SGB II leistungsberechtigt, stünden ihnen Regelleistungen in Höhe von insgesamt 180 v.H. zu; bei zwei Angehörigen einer Bedarfsgemeinschaft, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, beträgt nämlich die Regelleistung jeweils 90 v.H. der Regelleistung für Alleinstehende. Bezögen andererseits beide Eheleute Leistungen nach dem SGB XII, stünden ihnen ebenfalls Leistungen in Höhe von insgesamt 180 v.H. zu, allerdings bestehend aus dem Regelsatz für den Haushaltsvorstand in Höhe von 100 v.H. sowie dem Regelsatz für sonstige Haushaltsangehörige ab Vollendung des 14. Lebensjahres in Höhe von 80 v.H. des Eckregelsatzes (§ 3 Abs. 1 und 2 Nr. 2 RSV). Beide Regelungen gehen dabei entweder im Wortlaut (SGB II: "beträgt die Regelleistung jeweils") oder zumindest nach Sinn und Zweck der Regelung (§ 3 RSV) von einem Leistungsbezug beider Personen nach dem jeweiligen Gesetz aus.
Vorliegend ist diese Voraussetzung gerade nicht erfüllt. Zwar bildet der Kläger mit seiner Ehefrau trotz des Bezugs von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung eine Bedarfsgemeinschaft i.S. des § 7 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 3 Buchst a SGB II (Normfassung des Kommunalen Optionsgesetzes), und zwar unabhängig davon, ob jeder Leistungen nach dem SGB II erhält (vgl. Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 29. März 2007 - B 7b AS 2/06 R - RdNr. 11 m.w.N.). Entschieden hat das BSG insoweit bereits, dass § 20 Abs. 3 SGB II über seinen Wortlaut hinaus auch eine Regelung für "gemischte Bedarfsgemeinschaften" enthält und deshalb dem Alg-II-Bezieher eine Regelleistung in Höhe von 90 v.H. zusteht (BSG SozR 4-4200 § 20 Nr. 3 RdNr. 24; BSG, Urteil vom 29. März 2007 - B 7b AS 2/06 R - RdNr. 11 und 17). Wendet man daneben die Regelung des § 3 RSV an, würde die "gemischte Bedarfsgemeinschaft" entweder 170 v.H. oder 190 v.H. als "Gesamtleistung" erhalten. Denn der nach dem SGB XII leistungsberechtigten Person stünden entweder 100 v.H. (als Haushaltsvorstand) oder 80 v.H. (als Haushaltsangehöriger) des Eckregelsatzes zu.
Dass dieses Ergebnis unter Berücksichtigung des Gleichheitssatzes (Art 3 Abs. 1 Grundgesetz) weder gewollt noch richtig sein kann, liegt auf der Hand. Rechtsprechung und Literatur erkennen dies und sind sich - sofern die Frage erörtert wird - darin einig, dass auch den Mitgliedern der "gemischten Bedarfsgemeinschaft" eine "Gesamtleistung" von insgesamt 180 v.H. zuerkannt werden muss (vgl.: Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht (LSG), Beschluss vom 8. August 2005 - L 9b 158/05 SO ER; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22. Dezember 2005 - L 15b 1095/05 SO ER; Brunner in Münder, Lehr- und Praxiskommentar, SGB II (LPK-SGB II), 2. Aufl. 2007, § 20 RdNr. 16; Birk in LPK-SGB II, § 28 RdNr. 12; Lang in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2005, § 20 RdNr. 82 und 98; Schellhorn in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 17. Aufl. 2006, § 3 RSV RdNr. 5; Adolph in Linhart/Adolph, SGB II/SGB XII/Asylbewerberleistungsgesetz, § 20 SGB II RdNr. 44, Stand August 2007; Kahlhorn in Hauck/Noftz, SGB II, K § 20 RdNr. 20, Stand November 2004; Schmidt in Oestreicher, SGB XII/SGB II, § 28 SGB XII RdNr. 14, Stand September 2006).
§ 3 RSV lässt keine Auslegung zu, die eine befriedigende Lösung böte. Nach § 28 Abs. 1 und 2 SGB XII i.V.m. § 3 Abs. 1 und 2 RSV richtet sich - wie bereits ausgeführt - die Höhe des Regelsatzes danach, ob der Leistungsempfänger Haushaltsvorstand oder sonstiger Haushaltsangehöriger ist. Haushaltsvorstand ist neben einem Alleinstehenden derjenige, der die Generalunkosten des Haushalts trägt (BVerwG, FEVS 14, 241 ff). Beteiligen sich beide Partner an diesen Lasten und Generalunkosten, so ist nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung (s dazu Wenzel in Fichtner/Wenzel, Kommentar zur Grundsicherung, 3. Aufl. 2005, § 28 RdNr. 54) die Differenz zwischen den Richtsätzen für den Haushaltsvorstand und für einen Haushaltsangehörigen bei verfassungsgeleiteter Auslegung je nach der Höhe ihrer Beteiligung unter den Partnern aufzuteilen; lässt sich ein bestimmtes Beteiligungsverhältnis nicht feststellen, so sind jedem Partner 90 v.H. zu bewilligen (so bereits BVerwGE 15, 306, 314). Der in diesen Fällen zu bildende so genannte Mischregelsatz verteilt also die Differenz zwischen dem Regelsatz für den Haushaltsvorstand und dem des Haushaltsangehörigen zu gleichen Teilen (vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 26. Juni 1996 - 4 L 3002/94 -, FEVS 47, 407 ff; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 30. August 2004 - 12 S 1588/04 -, FEVS 56, 190 ff). Diese Rechtsprechung ist zur Beurteilung der Leistungshöhe in einer "gemischten Bedarfsgemeinschaft" nicht geeignet, weil sie nicht zu einer generellen, sondern nur in den Fällen zu einer Problemlösung führt, in denen entweder beide Haushaltsangehörige die Generalunkosten zur Hälfte tragen oder ein bestimmtes Beteiligungsverhältnis nicht festgestellt werden kann.
Die Gewährung eines erhöhten Regelsatzes zu Gunsten des Klägers lässt sich auch nicht auf § 28 Abs. 1 Satz 2 SGB XII stützen. Diese Vorschrift ermöglicht zwar eine Erhöhung des Regelsatzes. Diese ist jedoch nur dann möglich, wenn in atypischen Fällen ein erhöhter, vom Durchschnitt abweichender Bedarf (atypische Bedarfslage) besteht (BVerwGE 97, 232, 235). Vorliegend ist diese Voraussetzung nicht erfüllt; vielmehr ist die Frage zu entscheiden, in welcher Höhe der Normalregelsatz anzusetzen ist.
Der Auffassung des Beklagten, dem Kläger stehe neben dem Anspruch auf Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung in Höhe von 80 v.H. des Eckregelsatzes (§ 42 Abs. 1 Nr. 1 SGB II i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 1 SGB XII) ein ergänzender Anspruch auf Sozialgeld gemäß § 28 Abs. 1 SGB II (hier i.d.F., die die Norm durch das Kommunale Optionsgesetz erhalten hat) zu, kann ebenfalls nicht gefolgt werden. Zwar bildet der Kläger - wie oben dargelegt - mit seiner Ehefrau trotz des Bezugs von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach §§ 41 ff SGB XII eine Bedarfsgemeinschaft i.S. des § 7 Abs. 3 Nr. 1 und 3 Buchst a SGB II. Ob er allerdings überhaupt nach dem SGB II - und damit auch nach § 28 SGB II - leistungsberechtigt sein kann, ist zweifelhaft, weil der Kläger bereits das 65. Lebensjahr überschritten hat. Bezöge er Altersrente, fiele er jedenfalls mit Rücksicht auf die Ausschlussregelung des § 7 Abs. 4 SGB II unter das Leistungssystem des SGB XII (BSG, Urteil vom 29. März 2007 - B 7b AS 2/06 R - RdNr. 11 m.w.N.). Während die Sozialgeldberechtigung von Kindern unter fünfzehn, sogar unter fünf Jahren über § 7 Abs. 2 SGB II unstreitig ist (vgl. auch BR-Drucks 558/03, S 136 zu § 28, sowie Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, K § 28 RdNr. 27, Stand Juli 2007), wird in der Literatur vertreten, dass Personen über 65 generell dem Leistungssystem des SGB XII unterworfen sind (Birk in LPK-SGB II, § 7 RdNr. 8; Spellbrink in Eicher/Spellbrink, § 7 RdNr. 6; Hackethal in juris PraxisKommentar SGB II (jPK-SGB II), 2. Aufl. 2007, § 7 RdNr. 19; Hähnlein in Gagel, SGB III mit SGB II, § 7 RdNr. 19, Stand Dezember 2006; Grube in Grube/Wahrendorf, SGB XII, § 7 SGB II RdNr. 7; Kruse in Kruse/Reinhard/Winkler, SGB II, § 28 RdNr. 6; aA Altenweger in jPK-SGB II, 2. Aufl. 2007, § 28 RdNr. 23, Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, K § 28 RdNr. 32, Stand Juli 2007, Schmidt in Oestreicher, SGB XII/SGB II, § 28 SGB II RdNr. 8, Stand September 2006, Mrozynski, Grundsicherung und Sozialhilfe, II.9 RdNr. 6, Stand August 2006, und Rixen in Eicher/Spellbrink, § 28 SGB II RdNr. 3, die mit Rücksicht auf die Formulierung "soweit" in § 28 eine Aufstockung von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung bejahen; Rothkegel in Gagel, a.a.O., § 28 RdNr. 14, Stand Dezember 2006, hält diese bei bestimmten Einzelleistungen für denkbar). Selbst wenn man aus § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II - anders als aus § 7 Abs. 4 SGB II (vgl. BSG, Urteil vom 29. März 2007, a.a.O.) - keinen generellen Ausschluss von Leistungen nach dem SGB II ableiten wollte und wegen der Formulierung des § 28 SGB II ("soweit") trotz der Nachrangs des Sozialgeldes gegenüber den Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung eine Aufstockungsmöglichkeit gemäß § 28 SGB II annähme, würde sich daraus wiederum keine generelle Lösung der angesprochenen Problematik ergeben. Zum einen verbliebe es jedenfalls dann bei Leistungen (nur) nach dem SGB XII, wenn der Empfänger von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung auch eine Altersrente bezieht; zum anderen würde die Anwendung des § 28 SGB II nicht verhindern, dass sich in den Fällen, in denen der nach dem SGB XII Leistungsberechtigte Haushaltsvorstand i.S. des § 3 RSV ist, durch die daraus resultierenden Gesamtleistungen in Höhe von 190 v.H. (100 v.H. plus 90 v.H.) eine nicht gerechtfertigte Besserstellung gegenüber "reinen Bedarfsgemeinschaften" ergäbe.
Um eine einheitliche - nicht nur dem Einzelfall gerecht werdende - Leistungshöhe zu gewährleisten, ist deshalb für die Zeit vor der Änderung des § 3 RSV (bis 31. Dezember 2006; s dazu im Folgenden) bei dessen Anwendung die Vorschrift des § 20 Abs. 3 SGB II analog heranzuziehen. Somit erhalten beide Partner einer Bedarfsgemeinschaft, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, eine Regelleistung/einen Regelsatz in Höhe von 90 v.H.. § 3 RSV enthält, wie bereits aufgezeigt, erkennbar eine ungewollte Lücke, die wegen der Vergleichbarkeit der Interessenlagen im SGB II und SGB XII durch eine entsprechende Anwendung des § 20 Abs. 3 SGB II geschlossen werden muss.
Die weitere Entwicklung des § 3 RSV bestätigt die Richtigkeit dieses Ergebnisses. Mit Wirkung vom 1. Januar 2007 wurde in die Vorschrift nämlich durch die Erste Verordnung zur Änderung der Regelsatzverordnung vom 20. November 2006 (BGBl I 2657) ein neuer Absatz 3 eingefügt. Danach beträgt der Regelsatz nunmehr jeweils 90 v.H. des Eckregelsatzes, wenn Ehegatten oder Lebenspartner zusammenleben. Zur Begründung hat der Gesetzgeber u.a. angeführt, mit der Neuregelung, dass bei zusammenlebenden Ehe- oder Lebenspartnern jeder künftig 90 v.H. des Eckregelsatzes erhalte, werde eine einheitliche Verfahrenspraxis bei so genannten Mischfällen (SGB II und SGB XII) gewährleistet (BR-Drucks 635/06 S 8). Der Wortlaut selbst macht dies nicht ohne Weiteres deutlich, weil er ebenso wie § 20 Abs. 3 SGB II auf den Leistungsbezug beider Haushaltsangehörigen nach dem SGB XII abstellt ("beträgt der Regelsatz jeweils"). Wie § 20 Abs. 3 SGB II muss § 3 Abs. 3 RSV n.F. deshalb erweiternd ausgelegt werden. § 3 Abs. 3 RSV n.F. löst allerdings nicht das Problem der Leistungssätze in einer "gemischten Bedarfsgemeinschaft", in der einer der Partner minderjährig ist.
Ob dem Kläger insgesamt höhere Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII (§ 42 Satz 1 Nr. 1 und 2, §§ 28, 29 i.V.m. der landesrechtlichen Verordnung zur Festsetzung der Regelsätze) zustehen, kann gleichwohl mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen des SG nicht beurteilt werden. Die Leistungsvoraussetzungen der § 19 Abs. 2, § 41 Abs. 1 SGB XII liegen insoweit vor, als der Kläger zum Zeitpunkt des Leistungsbeginns das 65. Lebensjahr vollendet, einen Antrag gestellt und seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat. Nach den Feststellungen des SG besaßen der Kläger und dessen Ehefrau auch kein zu berücksichtigendes Einkommen; ob beide vermögenslos waren, hat das SG nicht ausdrücklich festgestellt. Schließlich ist die Leistungshöhe der Kosten für Unterkunft und Heizung nicht überprüfbar. Dies wäre notwendig, weil es sich bei einem Rechtsstreit über die Höhe der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung um einen einheitlichen Anspruch handelt, bei dem grundsätzlich alle Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde und der Höhe nach zu prüfen sind; jedoch besteht die Möglichkeit, Teilelemente durch Teilvergleich oder Teilanerkenntnis "unstreitig zu stellen" (vgl. dazu BSG SozR 4-4200 § 22 Nr. 1 RdNr. 22; BSG, Urteil vom 28. November 2002 - B 7 AL 36/01 R; Eicher in Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, 2003, § 40 RdNr. 11).
Das SG wird auch auf eine korrekte Tenorierung und darauf zu achten haben, dass nach § 3 Abs. 3 RSV (in der hier geltenden Fassung) Leistungen (die Regelsätze) immer als volle Eurobeträge zu erbringen sind. Für die Tenorierung gilt, dass der Beklagte, falls er verpflichtet ist, an den Kläger höhere Leistungen zu erbringen, entweder dem Grunde nach zur Zahlung höherer Leistungen verurteilt (§ 130 SGG) oder der genaue zusätzliche monatliche Zahlbetrag ausgeworfen werden muss. Ggf. wird das SG auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.