Bundessozialgericht - B 8 SO 1/13 R - Urteil vom 27.05.2014
Die Notwendigkeit einer gesetzlichen Ermächtigung für die Erhebung von Zinsen eines Darlehens folgt bereits aus dem einfachgesetzlichen Gesetzesvorbehalt des § 31 SGB I, wonach Rechte und Pflichten in den Sozialleistungsbereichen dieses Gesetzbuchs, nur begründet, festgestellt, geändert oder aufgehoben werden dürfen, soweit ein Gesetz dies vorschreibt oder zulässt. Doch fand sich im BSHG, insbesondere in § 89 BSHG, keine Ermächtigungsgrundlage für die Verzinsung von Ansprüchen auf Rückzahlung eines Darlehens. Auch § 44 Abs. 1 SGB I, wonach Ansprüche auf Geldleistungen nach Ablauf eines Kalendermonats nach dem Eintritt ihrer Fälligkeit bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung mit vier vom Hundert zu verzinsen sind, kommt als Eingriffsnorm nicht in Betracht. Bei einer Darlehensforderung handelt es sich nicht um eine Geldleistung i.S. der Regelung. Davon erfasst sind nur hier nicht streitbefangene Ansprüche des Bürgers gegen den Staat, die diesem zur Verwirklichung seiner sozialen Rechte gewährt, aber im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit noch nicht gezahlt wurden. § 27 Sozialgesetzbuch Viertes Buch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (SGB IV) regelt nur die Verzinsung zu Unrecht entrichteter Beiträge.
Gründe:
I
Im Streit ist (noch) die Rücknahme eines bestandskräftigen Verwaltungsaktes über die darlehensweise Gewährung von Leistungen der Sozialhilfe nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG), soweit mit diesem Bescheid Darlehenszinsen verlangt worden sind, sowie die Rückzahlung dieser von der Klägerin bereits gezahlten Zinsen i.H.v. 2019,08 Euro.
Der Klägerin wurden ab 1.10.2002 bis Ende Oktober 2004 Leistungen der Sozialhilfe (nur) darlehensweise bewilligt, weil sie Miteigentum an einem Grundstück nicht sofort verwerten konnte (Bescheid vom 20.9.2002; Widerspruchsbescheid vom 10.12.2004). Im Darlehensbescheid ist u.a. Folgendes ausgeführt:
"Das Darlehen ist von dem Zeitpunkt an, zu dem Ihnen jeweils Sozialhilfe ausgezahlt wird, mit 4 v.H. zu verzinsen. Die Zinsen werden bis zur Fälligkeit der Darlehensschuld gestundet.
Sobald das Darlehen fällig wird, ist die Schuld mit 5 v.H. über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank - höchstens aber mit 10 v.H. - zu verzinsen."
Nachdem die Klägerin im Herbst 2004 rund 89 000 Euro aus dem Grundstücksverkauf erhalten hatte, forderte der Beklagte gezahlte Sozialhilfe (21 975,45 Euro) einschließlich Zinsen und einer Mahngebühr zurück (Bescheide vom 14.1.2005 und 28.6.2005). Im August 2005 beglich die Klägerin die gesamte Forderung einschließlich der Zinsen und der Mahngebühr.
Gegen den Bescheid vom 20.9.2002 hatte die Klägerin bereits zuvor Klage beim Sozialgericht (SG) Berlin erhoben (S 50 SO 215/05). Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem SG im Dezember 2006 nahm sie die Klage jedoch zurück, nachdem der Beklagte erklärt hatte, die Zinsforderung erneut zu prüfen.
In Ausführung dazu stellte der Beklagte fest, "dass die Hauptforderung in Höhe von 21 975,45 Euro und die Nebenforderungen in Höhe von 2070,18 Euro (Zinsen 2019,08 Euro, Mahngebühren 51,10 Euro) von der Klägerin gezahlt seien und die Forderung erfüllt" sei (Bescheid vom 21.12.2006). Den Widerspruch der Klägerin, in der Sache beschränkt auf die Zinsen und die Mahngebühr, wies der Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid vom 20.2.2008).
Während das SG den Beklagten unter teilweiser Aufhebung des Bescheids vom 21.12.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.2.2008 verpflichtet hat, "den Darlehensbescheid vom 20.9.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.12.2004 insoweit zurückzunehmen, als eine Verzinsung der Darlehensschuld angeordnet" worden ist, darüber hinaus den Bescheid vom 21.12.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.2.2008 insoweit aufgehoben hat, als Mahngebühren in Höhe von 51,10 Euro erhoben worden sind, und den Beklagten zugleich verurteilt hat, der Klägerin 2070,18 Euro zurückzuzahlen (Urteil vom 26.4.2010), hat das Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg, nachdem der Beklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung den angefochtenen Bescheid hinsichtlich der Mahngebühren aufgehoben und die Klägerin die Klage insoweit zurückgenommen hat, die Klage abgewiesen (Urteil vom 18.10.2012). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, zu Recht sei das SG zwar davon ausgegangen, dass Zinsen durch Verwaltungsakt nur aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Ermächtigung verlangt werden könnten, die das BSHG nicht enthalte. Doch sei die Berechtigung zur Verzinsung der Regelung des § 89 BSHG (seit 1.1.2005: § 91 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII)) immanent; denn durch die Verwendung des Begriffs "Darlehen" habe der Gesetzgeber auf die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) Bezug genommen, die eine Verzinsung ermöglichten. Seit der Schuldrechtsreform zum 1.1.2002 sei nach § 488 BGB im Zweifel davon auszugehen, dass eine Darlehensschuld verzinst werde. Die Möglichkeit der Verzinsung sei folglich unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls und der sozialhilferechtlichen Grundentscheidungen des BSHG zu prüfen. Vor diesem Hintergrund sei die Argumentation des Beklagten nicht zu beanstanden, die Klägerin sei während des Sozialhilfebezugs eigentlich vermögend gewesen und habe sich durch das Darlehen des Sozialhilfeträgers die Aufnahme eines Kredits mit hinausgeschobenem Tilgungsbeginn zu weitaus ungünstigeren Konditionen erspart. Es sei folglich nicht einzusehen, warum sie auf Kosten der Allgemeinheit von den typischen Pflichten einer Darlehensnehmerin befreit werden sollte.
Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Revision und rügt einen Verstoß gegen § 89 BSHG und § 91 SGB XII. Zinsen hätten allenfalls dann verlangt werden können, wenn dies vertraglich vereinbart worden wäre.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält die Entscheidung des LSG für zutreffend.
II
Die Revision der Klägerin ist begründet (§ 170 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).
Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Bescheid vom 21.12.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.2.2008 (§ 95 SGG). In der Sache ist der Streit auf die Verpflichtung des Beklagten zur teilweisen Aufhebung des Darlehensbescheids hinsichtlich der Zinsforderung sowie die daraus resultierende Erstattung der bereits geleisteten Zinsen (2019,08 Euro) beschränkt. Bei der Zinsforderung handelt es sich um eine eigenständige, von der darlehensweisen Bewilligung der Sozialhilfe abtrennbare Verfügung. Für die nach öffentlich-rechtlichen Maßstäben zu beurteilende Frage des Streitgegenstands ist es unerheblich, ob die - tatsächliche oder vermeintliche - Pflicht zur Zinszahlung im zivilrechtlichen Vertragsverhältnis eine im Synallagma stehende Hauptpflicht des Darlehensnehmers ist (dazu Weidenkaff in Palandt, BGB, 73. Aufl. 2014, § 488 BGB RdNr. 8 m.w.N.).
Gegen die streitgegenständliche Verfügung wendet sich die Klägerin mit der kombinierten Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 i.V.m. § 56 SGG), letztere zulässigerweise gerichtet auf eine künftige Leistung. Denn der Beklagte hat aufgrund seiner Erklärung vor dem SG im Verfahren S 50 SO 215/05, den nach Klagerücknahme bestandskräftigen ursprünglichen Darlehensbescheid vom 20.9.2002 im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) dahin überprüft, ob auf die darlehensweise gewährten Leistungen Zinsen zu zahlen sind; danach ist die Zinsverfügung zurückzunehmen. Richtiger Beklagter ist das Land Berlin; das Gesetz zur Ausführung des SGB XII (vom 7.9.2005 - Gesetz- und Verordnungsblatt 467) sieht eine Beteiligtenfähigkeit von Behörden (§ 70 Nr. 3 SGG) nicht vor.
Rechtsgrundlage für die teilweise Aufhebung des bestandskräftigen Bescheids bildet § 44 Abs. 2 SGB X. § 44 Abs. 1 SGB X findet keine Anwendung; denn davon erfasst sind nur hier nicht im Streit stehende Verwaltungsakte, die Sozialleistungen i.S. des § 11 Satz 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil - (SGB I), also Ansprüche des Bürgers gegen den Staat, oder zu Unrecht erhobene Beiträge zum Gegenstand haben. Nach § 44 Abs. 2 Satz 1 SGB X ist außer in den Fällen des Absatzes 1 ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise nur mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann jedoch nach Abs. 2 Satz 2 auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Das dem Beklagten dabei nach § 44 Abs. 2 Satz 2 SGB X grundsätzlich eingeräumte Ermessen war hier auf Null reduziert, weil er im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem SG (S 50 SO 215/05) eine Überprüfung des bestandskräftigen Bescheids vom 20.9.2002 zugesichert hatte.
Dieser Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.12.2004 ist für die Vergangenheit zurückzunehmen, sodass im Rahmen des Folgenbeseitigungsanspruchs (§ 131 Abs. 1 Satz 1 SGG) die gezahlten Zinsen danach zu erstatten sind. Weder existiert eine Rechtsgrundlage für die Zinsforderung, noch liegt eine planwidrige Regelungslücke vor, die im Wege der Analogie geschlossen werden könnte.
Die Notwendigkeit einer gesetzlichen Ermächtigung für die Erhebung von Zinsen folgt bereits aus dem einfachgesetzlichen Gesetzesvorbehalt des § 31 SGB I, wonach Rechte und Pflichten in den Sozialleistungsbereichen dieses Gesetzbuchs - das BSHG zählte nach § 68 Nr. 11 SGB I in der bis zum 31.12.2004 geltenden Fassung zu den besonderen Teilen des SGB -, nur begründet, festgestellt, geändert oder aufgehoben werden dürfen, soweit ein Gesetz dies vorschreibt oder zulässt (zu § 24 Abs. 5 Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) vgl. nur: Greiser in Eicher, SGB II, 3. Aufl. 2013, § 42a RdNr. 12 m.w.N.; Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, K § 42a RdNr. 78, Stand Februar 2012; eine Verzinsung auch ohne gesetzliche Grundlage befürwortet bzw. hält zu Unrecht für möglich Lücking in Schellhorn/ Schellhorn/Hohm, 18. Aufl. 2010, § 91 RdNr. 17, und ders in Hauck/Noftz, SGB XII, K § 91 RdNr. 17, 19, Stand August 2011). Doch fand sich im BSHG, insbesondere in § 89 BSHG, keine Ermächtigungsgrundlage für die Verzinsung von Ansprüchen auf Rückzahlung eines Darlehens. Auch § 44 Abs. 1 SGB I, wonach Ansprüche auf Geldleistungen nach Ablauf eines Kalendermonats nach dem Eintritt ihrer Fälligkeit bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung mit vier vom Hundert zu verzinsen sind, kommt als Eingriffsnorm nicht in Betracht. Bei der Darlehensforderung des Beklagten handelt es sich nicht um eine Geldleistung i.S. der Regelung. Davon erfasst sind nur hier nicht streitbefangene Ansprüche des Bürgers gegen den Staat, die diesem zur Verwirklichung seiner sozialen Rechte gewährt, aber im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit noch nicht gezahlt wurden. § 27 Sozialgesetzbuch Viertes Buch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (SGB IV) regelt nur die Verzinsung zu Unrecht entrichteter Beiträge, die hier ebenso wenig im Streit steht. Auch die Anwendung des § 50 Abs. 2a SGB X, der die Verzinsung bestimmter Erstattungsforderungen des Staates gegen den Bürger vorsieht, scheidet aus.
Würde man die Zinsforderung als Nebenstimmung zur Verfügung über die Bewilligung des Darlehens erachten (so: Mecke in juris PraxisKommentar SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 91 RdNr. 25; Groth in Berlit/Conradis/Sartorius, Existenzsicherungsrecht, 2. Aufl. 2013, Kap 15 RdNr. 46; unklar Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 5. Aufl. 2014, § 91 RdNr. 16; Geiger in Lehr- und Praxiskommentar SGB XII, 9. Aufl. 2012, § 91 RdNr. 6), ergäbe sich nichts anderes. Ob es sich um eine Nebenbestimmung handelt, kann deshalb offen bleiben. Die Voraussetzungen des § 32 Abs. 1 SGB X, wonach ein Verwaltungsakt über die Erbringung einer Leistung (Darlehen), die keine Ermessensleistung darstellt, nur mit einer entsprechenden Nebenbestimmung (Zinsen) versehen werden darf, wenn sie durch Rechtsvorschrift zugelassen ist oder sicherstellen soll, dass die gesetzlichen Voraussetzungen der Leistungsbewilligung erfüllt werden, liegen jedenfalls nicht vor.
Auch § 32 Abs. 2 SGB X kommt nicht zur Anwendung. Beim Darlehen nach dem hier maßgeblichen § 89 BSHG (Hauptleistung) handelt es sich nämlich im vorliegenden Fall nicht um eine Ermessensleistung. Zwar soll nach dem hier noch anwendbaren § 89 Satz 1 BSHG - die Verfügung ist vor dem 1.1.2005 ergangen - Sozialhilfe als Darlehen erbracht werden, soweit für den Bedarf der nachfragenden Person Vermögen einzusetzen ist, jedoch die sofortige Verwertung des Vermögens nicht möglich ist. Soll-Vorschriften räumen der Behörde jedoch im Regelfall kein Ermessen ein, sondern ermöglichen über den Regelungsinhalt hinausgehende Rechtsfolgen und Abweichungen nur ausnahmsweise in atypischen, besonders gelagerten Fällen, wobei dann Ermessen auszuüben ist (vgl. nur BSG SozR 4-3100 § 18c Nr. 2 RdNr. 43 m.w.N.). Solche sind hier nicht festgestellt; die Situation der Klägerin, der die Verwertung des Miteigentumsanteils nicht sofort möglich war, stellt vielmehr einen typischen Anwendungsfall der Leistungsgewährung nach § 89 BSHG dar. Da der Beklagte die Handlungsform des Verwaltungsakts gewählt hat, bedarf es keiner Ausführungen, wieso es ihm in Abweichung von § 53 Abs. 2 SGB X überhaupt freigestanden hätte, zwischen der Leistungsgewährung durch Verwaltungsakt oder der durch Vertrag zu wählen (zur sog allgemeinen Formwahlfreiheit vgl. Aschermann, ZfF 1989, 121 ff; kritisch hierzu Schlette, ZFSH/SGB 1998, 154 ff). Auf § 55 Abs. 2 SGB X, wonach eine Gegenleistung bei einer gebundenen Entscheidung im Vertrag nur vereinbart werden kann, wenn diese auch Inhalt einer Nebenbestimmung nach § 32 SGB X sein könnte, soll deshalb nur ergänzend hingewiesen werden.
Die Berechtigung zur Verzinsung des Darlehens ergibt sich auch nicht aus der Rechtsnatur des Darlehens selbst. Bereits zivilrechtlich ist ein Darlehen nur dann verzinslich, wenn dies vereinbart worden ist (§ 488 BGB), also allenfalls dann, wenn zwischen den Beteiligten ein Darlehensvertrag entsprechenden Inhalts - ggf. konkludent - geschlossen wurde. Auch der Umstand, dass seit der Schuldrechtsreform durch das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts zum 1.1.2002 die Verzinslichkeit des Darlehens möglicherweise den Regelfall bildet, zwingt nicht zu den vom LSG hieraus gezogenen Schlüssen. Denn § 89 BSHG konnte zum einen ursprünglich allenfalls an die Regelungen der §§ 607 ff BGB in der bis 31.12.2001 geltenden Fassung anknüpfen, wonach ein Darlehen nur aufgrund besonderer Vereinbarung zu verzinsen war (§ 608 BGB). Bedeutsamer ist jedoch, dass auch § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB in der ab 1.1.2002 geltenden Fassung nicht von einer solchen Vereinbarung ("geschuldeter Zins") enthebt, d.h., nach wie vor kann ein Darlehen auch zivilrechtlich als Unentgeltliches vereinbart werden. Anhaltspunkte dafür, dass mit der Schuldrechtsreform zugleich eine inhaltliche Änderung des Sozialhilferechts verbunden sein sollte, bestehen ohnedies nicht. Die Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das SGB (BT-Drucks 15/1514, S 66 zu § 86) enthält dafür keinen Hinweis. Darin ist lediglich ausgeführt: "Die Vorschrift überträgt inhaltsgleich den bisherigen § 89 des Bundessozialhilfegesetzes".
Ein "übergeordnetes" sozialhilferechtliches Prinzip, das die Zinsforderung rechtfertigen könnte, kann ebenso wenig als Grundlage für den Zinsanspruch herangezogen werden. Der Senat hat bereits mehrfach entschieden, dass es keine über dem geschriebenen Recht stehende "Supranormen" gibt, die gesetzliche Regelung konterkarieren dürften (BSG SozR 4-3520 § 9 Nr. 1 RdNr. 14; SozR 4-1300 § 44 Nr. 15 RdNr. 19) oder bei ihrem Fehlen gar eine solche ersetzen könnten. Prinzipien können vielmehr allenfalls aus den jeweiligen maßgeblichen Normen entwickelt werden, mithin weder dazu genutzt werden, explizite gesetzliche Regelungen in ihr Gegenteil zu kehren, noch dazu, fehlende gesetzliche Regelungen, wie hier zum Zinsanspruch, zu ersetzen.
Auch eine analoge Anwendung der genannten Zinsvorschriften, insbesondere des § 44 SGB I, kommt nicht in Betracht. Eine Analogie, die Übertragung einer gesetzlichen Regelung auf einen Sachverhalt, der von der betreffenden Vorschrift nicht erfasst wird, ist nur geboten, wenn dieser Sachverhalt mit dem geregelten vergleichbar ist und nach dem Grundgedanken der Norm und damit dem mit ihr verfolgten Zweck dieselbe rechtliche Bewertung erfordert (vgl. BSG SozR 3-2500 § 38 Nr. 2 S 10). Daneben muss eine (unbewusste) planwidrige Regelungslücke vorliegen (BVerfGE 82, 6, 11 ff m.w.N.; BSGE 77, 102, 104 = SozR 3-2500 § 38 Nr. 1 S 3; BSGE 89, 199, 202 f = SozR 3-3800 § 1 Nr. 21 S 95 f m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.
Eine analoge Anwendung des § 44 SGB I scheidet für andere Personen als Empfänger einer Geldleistung aus (BSGE 71, 72, 74 = SozR 3-7610 § 291 Nr. 1 S 4; BSG SozR 3-1300 § 61 Nr. 1 S 3); insoweit fehlt es an der Vergleichbarkeit der Interessenlage. Entsprechendes gilt hinsichtlich des § 27 SGB IV oder des § 50 Abs. 2a SGB X. Es fehlt zudem an einer Regelungslücke. Der Gesetzgeber hat in § 89 Satz 2 BSHG ausdrücklich Voraussetzungen normiert, von denen die Leistungserbringung abhängig gemacht werden kann, nämlich die Sicherung des Rückzahlungsanspruchs auf dingliche oder andere Weise. Gesichert werden soll also nach dem Willen des Gesetzgebers nur die Rückzahlung des Darlehens selbst, nicht aber soll die Gewährung eines Darlehens von einem finanziellen Ausgleich (Vergütung) für die zeitweise Überlassung von Geld abhängig gemacht werden können. Schon angesichts dieser die Darlehensgewährung bereits einschränkenden Regelung, die sich bei anderen Darlehenstatbeständen im BSHG (etwa §§ 15a, 15b, 27 Abs. 2, 30 Abs. 3) gerade nicht fand, ist von einer abschließenden gesetzlichen Regelung auszugehen. Im Übrigen war dem Gesetzgeber bekannt, dass im Sozialrecht neben den gesetzlich geregelten Fällen weitere Ansprüche auf Geldleistungen verschiedenster Art existieren. Dennoch hat er für entsprechende Ansprüche von der Schaffung von Zinsregelungen abgesehen und es darüber hinaus abgelehnt, den Anwendungsbereich bereits bestehender Zinsregelungen auf alle Ansprüche des Bürgers gegen den Staat auszudehnen (vgl. BT-Drucks 7/868, S 30 und S 42 zu § 44 SGB I, sowie 7/4122, S 34 zu §§ 22 bis 29 SGB IV; BSGE 71, 72, 76 = SozR 3-7610 § 291 Nr. 1 S 4; BSGE 76, 233, 240 = SozR 3-1750 § 945 Nr. 1 S 9 f); erst recht schließt dies die Annahme einer unbewussten Regelungslücke aus.
Ist der Darlehensbescheid folglich nach § 44 Abs. 2 SGB X aufzuheben, sind der Klägerin danach die gezahlten 2019,08 Euro zu erstatten. Rechtsgrundlage für den Erstattungsanspruch der Klägerin ist der allgemeine Folgenbeseitigungsanspruch (§ 131 Abs. 1 Satz 1 SGG). Dieser zielt, anders als der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch, der auf die Rückgängigmachung rechtsgrundlos erlangter Leistungen gerichtet ist (vgl. dazu nur: Schoch, Jura 1994, 82 ff; Weber, JuS 1986, 29 ff), auf die Rückgängigmachung der unmittelbaren Folgen einer rechtswidrigen Amtshandlung, insbesondere bei vollzogenen, rechtswidrigen Verwaltungsakten (BSGE 76, 233, 239 = SozR 3-1750 § 945 Nr. 1 S 8; Kopp/Schenke, VwGO, 18. Aufl. 2012, § 113 RdNr. 80 m.w.N.; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, § 131 RdNr. 4 m.w.N.). Die Klägerin hat nach Rücknahme des Zinsbescheids Anspruch auf Erstattung des darauf Geleisteten; denn auf deren Zahlung war die Forderung des Beklagten unmittelbar gerichtet. Für die Frage der Unmittelbarkeit ist ohne Bedeutung, dass der Beklagte nach Erlass der ursprünglichen Bescheide und der Zahlung durch die Klägerin erst gemäß § 44 SGB X nochmals in die Prüfung der Rechtmäßigkeit seiner Forderung eingetreten ist. Denn das Erfordernis der Unmittelbarkeit soll nur die Rückgängigmachung solcher hier nicht im Streit stehender Handlungen ausschließen, die lediglich mittelbare Folge einer rechtswidrigen Amtshandlung sind, also z.B. die Aufnahme eines Kredits durch den Erstattungspflichtigen, um die geltend gemachte Forderung zu bezahlen, nicht aber solcher, auf deren Eintritt die Amtshandlung unmittelbar gerichtet war.
Von einer klarstellenden Korrektur des erstinstanzlichen Tenors im Hinblick auf die Teilerledigung des Rechtsstreits (§ 102 Abs. 1 Satz 2 SGG) durch die von der Klägerin im Berufungsverfahren erklärte Teilklagerücknahme hat der Senat abgesehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.