LSG NRW – Urteil vom 30.07.2003 – Az.: L 10 SB 44/02

 

 

 Der Grundsatz, dass das Gericht auch bei Verletzung der Mitwirkungspflicht ermitteln muss, gilt nicht uneingeschränkt. Auch für das sozial gerichtliche Verfahren gilt der Grundsatz, dass sich die Anforderungen an die Amtsermittlungspflicht verringern, wenn Beteiligte ihrer Mitwirkungspflicht nicht nachkommen (Meyer-Ladewig, SGG, § 103, 7. Auflage, Rn. 16 m.w.N.). Der Umstand, dass sich eine erhebliche Gehbehinderung nicht hat feststellen lassen, geht zu Lasten des Klägers. Denn ihm obliegt, da er aus den von ihm behaupteten aber nicht beweisbaren Tatsachen ein Recht herleiten will, die alleinige Beweis- und Feststellungslast (Grundsatz der objektiven Beweis last).

 

 Tatbestand

 

 Der 1940 geborene Kläger begehrt die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs "G" (erhebliche Gehbehinderung).

 

Auf seinen im Mai 1996 gestellten Antrag auf Feststellung des Grades der Behinderung (GdB) und der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs "G" wegen beiderseitiger Thrombose, Gesundheitsstörungen an der Wirbelsäule, HIV-Infektion sowie Rachen-, Nasen- und "Kopf"krebs holte der Beklagte von den behandelnden Ärzten D. und Dr. P. Befundberichte, das internistische Gutachten der Ärztin Dr. B. sowie das psychiatrische Gutachten des Dr. Q. vom 01.01.1997 ein.

 

Mit Bescheid vom 30.06.1997 stellte der Beklagte mit einem GdB von 70 folgenden Funktionsstörungen fest:

 

 1. psychische Behinderung

 

2.  Wirbelsäulenbeschwerden durch Verschleißveränderungen,

 

3.  chronische Bronchitis, chronische Nasennebenhöhlen- und      -Schleimhautentzündung

 

4.  Krampfaderleiden beider Beine, abgelaufener tiefer  Beinvenenverschluss beidseits

 

5.  anhaltende Belastungsbeschwerden, Funktionsbehinderungen und Schwellneigung des linken Sprunggelenkes nach Unterschenkelbruch links.

 

 Die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs "G" lehnte er ab.

 

 Den Funktionsstörungen zu 1. hatten die Gutachter einen Einzel-GdB von 50 beigemessen, denen zu 2. bis 4. jeweils einen Einzel-GdB von 20 und den Funktionsstörungen zu 5. einen solchen von 10.

 

 Auf seinen Widerspruch, mit dem der Kläger einen höheren GdB und weiterhin eine erhebliche Gehbehinderung geltend gemacht hatte, holte der Beklagte weitere Befundberichte von den behandelnden Ärzten Dr. T. und Dres. B. ein, ließ die Berichte versorgungsärztlich auswerten und wies mit Widerspruchsbescheid vom 12.03.1998 den Widerspruch zurück.

 

Mit seiner am 14.04.1998 erhobenen Klage hat der Kläger erneut auf seine Krebserkrankung, auch an der Lunge, und die HIV-Infektion hingewiesen. In Folge der durch diese Erkrankungen bedingten Atemnot und Körperschwäche sowie der Gesundheitsstörungen an den Beinen, sei er erheblich in seiner Gehfähigkeit beeinträchtigt. Zum Nachweis seiner Behauptungen hat der Kläger weitere Unterlagen, die sich zum Teil bereits in den Schwerbehinderten-Akten befanden, übersandt.

 

Nachdem der Beklagte sich durch Teilanerkenntnis bereit erklärt hatte, einen GdB von 80 festzustellen und den entsprechenden Bescheid vom 23.02.1999 er teilt hatte, hat der Kläger beantragt,

 

      den Beklagten zu verurteilen, unter entsprechender Abänderung des

      Bescheides vom 30.06.1997 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 12.03.1998 den Nachteilsausgleich "G"

      festzustellen.

 

Der Beklagte hat beantragt,

 

      die Klage abzuweisen.

 

 Das SG hat Beweis erhoben durch Einholung von Befundberichten der Ärzte Dres. B., Dr. A., Dr. G., Dr. T. und Dres. S. sowie das neurologisch-psychiatrischen Gutachtens des Dr. R..

 

Der Sachverständige Dr. R. hat krankhafte Befunde auf organneurologischem Sektor verneint. Bei dem Kläger liege eine paranoide Psychose mit einem festen Wahnsystem vor. Er fühle sich vergiftet, beeinträchtigt und von unheilbaren Krankheiten befallen. Er sei völlig auf seine paranoide Gedankenwelt fixiert. Der psychischen Erkrankung hat der Sachverständige einen GdB von 60 zugemessen und unter Einbeziehung der übrigen im angefochtenen Bescheid aufgeführten Funktionsstörungen einen Gesamt-GdB von 80 vorgeschlagen. Eine erhebliche Gehbehinderung hat er verneint. Durch Bescheid vom 23.02.1999 hat der Beklagte einen GdB von 80 festgestellt.

 

Mit der Begründung, er habe kein Vertrauen mehr zu inländischen Ärzten, seine HIV-Infektion habe er sich bei einer zahnärztlichen Behandlung zugezogen, hat der Kläger es abgelehnt, sich der weiteren, vom SG angeordneten - orthopädischen - Begutachtung zu unterziehen.

 

Das SG hat mit Urteil vom 22.02.2000 die nur noch auf Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleich "G" gerichtete Klage abgewiesen.

 

Gegen das am 10.04.2000 zugestellte Urteil hat der Kläger am 08.05.2000 Berufung eingelegt und zu deren Begründung vorgetragen, da die Gesundheitsstörungen, die seine Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigten, dem orthopädischen, hno-ärztlichen und internistischem Gebiet zuzuordnen seien, hätte das SG Gutachten entsprechender Fachrichtungen einholen müssen. Der Sachverständige Dr. R. sei nicht in der Lage gewesen, fachfremde Befunde zu erheben und einzuordnen. Es sei nicht berücksichtigt worden, dass er sich nur mit Hilfe einer Gehstütze fortbewegen könne. Auch  hinsichtlich des Krebsleidens und der HIV-Infektion sei das SG seiner Aufklärungspflicht nicht nachgekommen. Er leide an Schwindelattacken, bedingt durch die HIV-Infektion und einer Körperschwäche sowie an Atemstörungen, verursacht durch die Erkrankung des Nasen- und Rachenraumes.

 

 Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,

 

      das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 22.02.2000 aufzuheben und

       den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 30.06.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom

      12.03.1998 und des Bescheides vom 23.02.1999 zu verurteilen, die gesundheitlichen Voraussetzungen für die

      Inanspruchnahme des Nachteilsausgleich "G" festzustellen.

 

 Der Beklagte beantragt sinngemäß schriftsätzlich,

 

      die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf

      vom 22.02.2000 zurückzuweisen.

 

 Den mit Beweisanordnung des Senats vom 30.06.2000 angeordneten orthopädischen und internistischen Begutachtungen hat sich der Kläger trotz Hinweis auf seine Mitwirkungspflicht und die Folgen mangelnder Mitwirkung nicht unter zogen. Er hat, nachdem zwischenzeitlich der Kontakt zu seiner Prozessbevollmächtigten abgebrochen war und er sich im Ausland aufgehalten hatte, im Januar 2001 schriftsätzlich mitgeteilt, er werde ein Gutachten von einem amerikanischen Militärarzt in Sarajevo beibringen. Da ein solches Gutachten trotz mehrfacher Erinnerung nicht vorgelegt wurde, hat der Senat auf den entsprechenden Antrag des Klägers und im Einverständnis mit dem Beklagten mit Beschluss vom 15.06.2001 das Ruhen des Verfahrens angeordnet.

 

Im April 2002 hat der Kläger das Verfahren wieder aufgenommen und sich bereit erklärt, sich einer Untersuchung durch einen englischen, amerikanischen, französischen oder jugoslawischen Arzt, nicht aber durch deutsche Ärzte, zu unterziehen, da diese ihn vergiften wollten.

 

Der Senat hat den Kläger darauf hingewiesen, dass dazu kein Anlass bestehe und beabsichtigt sei, ein Gutachten nach Aktenlage einzuholen.

 

Der mit der Erstellung des Gutachtens beauftragte Leitende Arzt des Sozialmedizinischen Dienstes der B. Dr. M., hat nach Auswertung der aktenkundigen medizinischen Befunde und der anlässlich der Begutachtung durch die Ärztin Dr. B. im Oktober 1996 gefertigten Röntgenaufnahmen in seinem Gutachten vom 06.11.2002 ausgeführt, auf Grund der Aktenlage sei es nicht möglich, eine korrekte Beurteilung der Gehfähigkeit abzugeben.

 

Auf die Aufforderung des Senates vom 13.11.2002, innerhalb von 4 Wochen zu dem Gutachten Stellung zu nehmen, hat der der Kläger schriftsätzlich am 28.01.2003 mitgeteilt, er beabsichtige, sich in England einer ärztlichen Untersuchung zu unterziehen und werde dann anschließend Stellung nehmen. In seiner Stellungnahme vom 13.03.2003 hat der Kläger dem Sachverständigen M. zugestimmt, dass zur Beurteilung seiner Gesundheitsstörungen eine aktuelle Begutachtung erforderlich sei. Er möchte sich jedoch nicht durch einen deutschen Arzt untersuchen lassen, sei aber bereit, ein Gutachten aus dem Ausland beizubringen. Bis dahin bitte er, das Verfahren ruhend zu stellen. Andernfalls erkläre er sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden. Der Senat hat den Kläger darauf hingewiesen, dass nicht beabsichtigt sei, den Rechtsstreit erneut zum Ruhen zu bringen. Der Beklagte hat sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ein verstanden erklärt.

 

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten sowie die Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.

 

 Entscheidungsgründe

 

Der Senat konnte über die Berufung des Klägers nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, weil die Beteiligten sich damit einverstanden erklärt haben.

 

Gemäß § 146 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) - Rehabilitation- und Teilhabe behinderter Menschen - ist in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt, wer in Folge einer Einschränkung des  Gehvermögens (auch durch innere Leiden oder in Folge von Anfällen oder Störungen der Orientierungsfähigkeit) nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden. Eine übliche Wegstrecke ist eine solche von 2 Kilometer, die bei normalem Gehtempo (ca. 4 km/h) in etwa 30 Minuten zurückgelegt wird (BSG, Urteile vom 13.08.1997 -  9 RVs 1/96 - und vom 27.08.1998 - B 9 SB 13/97 R -). Nach der Nr. 30 Abs. 3 bis 5 der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz" (AHP) 1996, denen im Interesse einer objektiven und objektivierbaren Bewertung und einer am Gleichheitsgebot orientierten Gleichbehandlung normähnliche Wirkung beizumessen ist (BSG, Urteil vom 11.10.1994 - 9 RVs 1/93 -, SozR 3870 § 3 SchwbG Nr. 5), sind die Voraussetzungen für die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung im Straßenverkehr in Folge einer behinderungsbedingten Einschränkung des Gehvermögens als erfüllt anzusehen, wenn auf die Gehfähigkeit sich auswirkende Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und/oder der Lendenwirbelsäule bestehen, die für sich einen GdB von wenigstens 50 bedingen. Darüber hinaus können die Voraussetzungen bei Behinderungen an den unteren Gliedmaßen mit einem GdB von unter 50 gegeben sein, wenn diese Behinderungen sich auf die Gehfähigkeit besonders auswirken, z.B. bei Versteifung des Hüftgelenkes, des Knie- und Fußgelenkes in ungünstiger Stellung, arterielle Verschlusskrankheiten mit einem GdB von 40. Auch bei inneren Leiden kommt es bei der Beurteilung entscheidend auf die Einschränkung des Gehvermögens an. Dementsprechend ist eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit vor allem bei Herzschäden mit Beeinträchtigung der Herzleistung wenigstens nach Gruppe 3 und bei Atembehinderungen bei dauernder Einschränkung der Lungenfunktion wenigstens mittleren Grades anzunehmen. Bei geistig Behinderten sind Störungen der Orientierungsfähigkeit vorauszusetzen, wenn die Behinderten sich im Straßenverkehr auf Wegen, die sie nicht alltäglich benutzen, nur schwer zurechtfinden können (zu diesen Regelfällen vergleiche BSG, Urteil vom 13.08.1997 - 9 RVs 1/96 -).

 

Der Nachweis dafür, dass die Bewegungsfähigkeit des Klägers ebenso weit herabgesetzt ist, wie bei dem in den AHP (beispielhaft) genannten Personen kreis der erheblich Gehbehinderten, ist nicht erbracht.

 

Sich auf die Gehfähigkeit auswirkende Funktionsstörungen der unteren Glied maßen und/oder der Lendenwirbelsäule, die für sich einen GdB von 50 bedingen, oder sich auf die Gehfähigkeit besonders auswirkende Funktionsstörungen an den unteren Gliedmaßen mit einem GdB von 40, haben sich nicht feststellen lassen. Weder die eingeholten Gutachten noch die aktenkundigen medizinischen Befunde belegen derartige Funktionsstörungen. Angesichts der Befunde, die bei der Begutachtung im Verwaltungsverfahren im Oktober 1996 erhoben wurden, ist von deutlichen degenerativen Veränderungen und einer mäßiggradigen Fehlhaltung der Lendenwirbelsäule auszugehen. Belege für eine dadurch bedingte Gehbeeinträchtigung enthalten weder die im Verwaltungs- und im erstinstanzlichen Verfahren auf Grund ambulanter Untersuchungen erstellten Gutachten noch die sonstigen aktenkundigen medizinischen Befunde. Der von der Gutachterin B. gemessene Fingerspitzen-Boden-Abstand von 10 cm spricht vielmehr für eine gute Wirbelsäulenbeweglichkeit. Das Gutachten des im erstinstanzlichen Verfahren gehörten Sachverständigen Dr. R. enthält keinerlei Angaben über Bewegungsausmaße; die Überprüfung der Reflexe, Koordination und Sensibilität der unteren Gliedmaßen haben keine krankhaften Befunde ergeben, die z.B. auf Nervenausfälle im Bereich der Lendenwirbelsäule hindeuten könnten. Die Berichte der behandelnden Ärzte Dr. P. (Bericht vom 04.09.1996), Dr. T. (Bericht vom 17.06.1999) sowie der Bericht der radiologischen Fachabteilung der O. enthalten ebenfalls keine Hinweise auf Funktionsstörungen der Lendenwirbelsäule, die eine erhebliche Gehbehinderung bedingen könnten.

 

Ebensowenig sind an den unteren Extremitäten die Gehfähigkeiten erheblich einschränkende Gesundheitsstörungen nachgewiesen. So hat die Gutachterin B. im Oktober 1996 an der von einer Unterschenkelfraktur 1991 betroffenen linken unteren Extremität nur eine leichte Schwellung und mäßige Funktionsbehinderung des linken Sprunggelenkes und eine mäßige Varicosis der Beine festgestellt. Diese Beurteilung entspricht auch dem Bericht des Dr. T. vom 09.12.1997, in dem er als Diagnose "Restbeschwerden linkes obere Sprunggelenk bei z.N. distaler Tibiafraktur" mitgeteilt hat. Auch aus der im Bericht vom 17.06.1999 mitgeteilten Diagnose eines chronischen Reizzustandes im rechten (Anmerkung: beruht möglicherweise auf einer Seitenverwechslung) Sprunggelenk bei z.N. Unterschenkelfraktur und posttraumatischer Arthrose,  lässt sich weder das Vorliegen eines postthrombotischen Syndroms noch das Ausmaß der Funktionsstörungen und deren Auswirkungen auf die Gehfähigkeit sowie die Notwendigkeit, Gehstützen zu benutzen, herleiten.

 

Desgleichen ist ein die Gehfähigkeit einschränkendes internistisches Leiden, welches allein oder in Kombination mit den Gesundheitsstörungen auf orthopädischem Gebiet zu einer erheblichen Gehbehinderung führen könnte, nicht nachgewiesen. Weder ergibt sich aus den im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren eingeholten Gutachten noch sonstigen aktenkundigen medizinischen Unterlagen ein Anhalt für eine Herzerkrankung noch für Atembehinderungen mit dauernder Einschränkung der Lungenfunktion mittleren Grades, also eine das gewöhnliche Maß übersteigende Atemnot bereits bei alltäglicher Belastung (AHP, Nr. 26.8, S. 83). Dokumentationen über Lungenfunktionsprüfungen und deren Ergebnisse, die darüber Aufschluss geben könnten, sind in den Akten nicht enthalten.

 

Ebensowenig sind den medizinischen Unterlagen Befunde zu entnehmen, die die behauptete körperliche Schwäche und deren Ausmaß erklären könnten. Ein körperlicher Schwächezustand ist nicht dokumentiert. Auch ist eine Krebserkrankung nicht belegt. Laborbefunde, die die Diagnose einer HIV-Infektion begründen könnten, sind in den Akten ebenfalls nicht enthalten. Keiner der behandelnden Ärzte hat eine Krebserkrankung beschrieben. Bezüglich der Lungen haben radiologische Untersuchungen im November 1996 und im Oktober 1997 insoweit unauffällige Befunde ergeben. Befunde, insbesondere Laborbefunde, die die Behauptung des Klägers stützen könnten, er sei an HIV infiziert und an Aids erkrankt, sind ebenfalls nicht aktenkundig, insbesondere nicht den Berichten bzw. Bescheinigungen der behandelnden Ärzte D. (19.07.1996) und Dr. A. zu entnehmen.

 

Desgleichen besteht kein Anhalt für die Annahme einer Störung der Orientierungsfähigkeit und das Vorliegen eines Anfallsleidens. Der bei der Untersuchung durch den Sachverständigen Dr. R. erhobenen psychische Befund ergab keinen Hinweis dafür, dass sich der Kläger im Straßenverkehr auf Wegen, die er nicht täglich benutzt, nur schwer zurechtfinden kann (AHP Nr. 30, S. 167). Einschränkungen der Aufmerksamkeit, der Auffassungsgabe, der Konzentrationsfähigkeit, des Denkens, der Merkfähigkeit und des Langzeitgedächtnisses hat der Sachverständige verneint.

 

Ebenso ergibt sich weder aus dem Gutachten des Sachverständigen Dr. R., insbesondere aus dem Ergebnis der von ihm durchgeführten neurologischen Untersuchung der Hirnnerven, noch aus den Befundberichten der behandelnden Ärzte ein Anhalt für Schwindel- oder Ohnmachtszustände oder gar für ein Anfallsleiden.

 

Eine weitere Aufklärung war nicht möglich, weil der Kläger seiner Verpflichtung, an der Aufklärung des Sachverhaltes mitzuwirken (§ 103 SGG), nicht nachgekommen ist. Ohne eine genaue und ausführliche Befunderhebung, aus der sich die Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft und deren Auswirkungen (§ 69 SGB IX) sowie die behauptete Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr (§ 146 Abs. 1 SGB IX) herleiten lassen, ist eine Beurteilung der Gehfähigkeit nicht möglich. Die Verpflichtung, sich einer Begutachtung, auch durch deutsche Ärzte, zu unterziehen, ist zumutbar. Triftige Gründe, die eine Untersuchungspflicht entfallen lassen, hat der Kläger nicht vorgetragen. Die Anschuldigung, deutsche Ärzte wollten ihn vergiften, entbehrt jeglicher Grundlage. Dafür, dass die Fragen der Beweisanordnung nur ein englischer, amerikanischer, französischer oder jugoslawischer, nicht aber ein deutscher Arzt, beantworten könnte, besteht kein Anhalt. Angesichts der mangelnden Mitwirkung bei der vom SG und vom Senat angeordneten weiteren Begutachtungen und des Umstandes, dass bereits das Zuwarten auf das im Januar 2001 in Aussicht gestellte Gutachten eines Militärarztes in Sarajewo zu einer Verzögerung des Rechtsstreites um mehr als 13 Monaten geführt hat, ist ein neuerliches Zuwarten auf ein "Gutachten aus dem Ausland", zu dem sich der Kläger im März 2003 bereit erklärt hat, nicht geboten. Denn der Grundsatz, dass das Gericht auch bei Verletzung der Mitwirkungspflicht ermitteln muss, gilt nicht uneingeschränkt. Auch für das sozial gerichtliche Verfahren gilt der Grundsatz, dass sich die Anforderungen an die Amtsermittlungspflicht verringern, wenn Beteiligte ihrer Mitwirkungspflicht nicht nachkommen (Meyer-Ladewig, SGG, § 103, 7. Auflage, Rn. 16 m.w.N.). Der Umstand, dass sich eine erhebliche Gehbehinderung nicht hat feststellen lassen, geht zu Lasten des Klägers. Denn ihm obliegt, da er aus den von ihm behaupteten aber nicht beweisbaren Tatsachen ein Recht herleiten will, die alleinige Beweis- und Feststellungslast (Grundsatz der objektiven Beweislast).

 

 Aus den vorstehend genannten Gründen war auch das Vorliegen eines nach § 202 SGG i.V.m. § 251 Zivilprozessordnung für die Anordnung des Ruhens des Verfahrens erforderlichen, sonstigen wichtigen Grundes zu verneinen.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

 

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.