Tatbestand:

Der ..... 1999 geborene Kläger begehrt Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG).

Er spielte am 19.02.2007 nachmittags in der Nähe der elterlichen Wohnung im Freien mit anderen Kindern, so auch mit dem ... 1996 geborenen (W) und dem  ... 1996 geborenen (V). Der V hob vom Boden eine Gardinenleiste/ -stange auf. W und V nahmen dies zum Anlass, spontan vorzuführen, welche Fähigkeiten W im Kampfsport habe. Hierzu hielt V die Stange fest und W trat mit dem Fuß dagegen. Wie gewollt zerbrach die Stange. Ein wegfliegender Teil der Stange verletzte den Kläger am Auge. Dieser erlitt dabei eine breit klaffende Bulbusberstung mit Hornhaut- und Skleraruptur (Befund der Augenklinik C vom 26.02.2007).

Am 20.03.2007 beantragte der Kläger durch seine Mutter als gesetzliche Vertreterin Leistungen nach dem OEG. Seine Mutter gab für ihn an: "(V) hat mich festgehalten und (W) hat mir mit der Gardinenstange ins Auge gestoßen." Die Versorgungsverwaltung holte Befundberichte ein und zog im Weiteren die Akten der Staatsanwaltschaft C bei (....). Danach hatten die Eltern des Klägers am 19.02.2007 Strafanzeige gestellt und zum Sachverhalt angegeben: Ihr Sohn habe gemeinsam mit seinem Bruder M und ca. 10 weiteren Kindern auf einer schmalen Spielfläche im U-weg gespielt. Sie selbst hätten den Vorfall dabei nicht beobachtet. Ihr Sohn M habe ihnen dann berichtet, dass die beiden Tatverdächtigen auch mitgespielt hätten. Dabei hätten sie einen Stock oder einen ähnlichen Gegenstand beim Spiel eingesetzt. Mit diesem hätten sie den Geschädigten in den Gesichtsbereich geschlagen, so dass er eine Verletzung am Auge erlitt. Eigene Angaben machte der Kläger bei seiner Anhörung durch die Polizei nicht. Die Polizei hörte die Kinder W und den V als Tatverdächtige an. W gab an, er habe zeigen wollen, wie er eine von V auf der Straße gefundene Gardinenstange aus Plastik zertreten könne, denn er mache in seiner Freizeit Teak-Wan-Do. Er habe noch gesagt, dass alle Kinder beiseite gehen sollten. V habe die Stange dann in einer Hand in die Luft gehalten und er habe mit seinem Fuß dagegen getreten. Dabei sei die Stange gebrochen und der Kläger habe einen Teil der Stange abbekommen. Er habe bei dem Tritt gegen die Stange den Kläger nicht mehr in der Nähe bemerkt und sich gedacht, alle Kinder seien beiseite gegangen. V sagte bei der polizeilichen Anhörung aus, er habe gespielt und hierbei auf der Straße eine Plastikgardinenstange gefunden. Er habe W gefragt, ob er diese wegkicken könne. W habe ja gesagt und den anderen Kindern gesagt, sie sollten zur Seite gehen. Er habe die Stange dann in die Luft geworfen und W habe dagegen getreten. Dabei sei die Stange in zwei Teile gebrochen. Ein Teil sei auf den Kläger zugeflogen und habe ihn am Auge getroffen.

Das Versorgungsamt C lehnte den Antrag des Klägers auf Leistungen nach dem OEG unter Bezugnahme auf §§ 60 ff Sozialgesetzbuch, Erstes Buch (SGB I) ab. Zur Begründung führte sie aus, es sei nicht erwiesen, dass gesundheitliche Folgen eines rechtswidrigen tätlichen Angriffs vorliegen würden. Der Kläger sei wiederholt unter Hinweis auf die gesetzlichen Mitwirkungspflichten aufgefordert worden, weitere Angaben zur Aufklärung des Sachverhalts zu machen. Auch weitere Zeugen habe er nicht angegeben. Mit seinem Widerspruch trug der Kläger nunmehr vor, er sei am Tattag durch W und V durch eine abgebrochene Gardinenstange am Auge verletzt worden. Diese hätten die beiden "Täter" in Manier einer "Kung-Fu-Darstellung" unmittelbar neben ihm per Fußtritt zertreten. Ein Teil der Gardinenstange sei sodann direkt in sein Auge geflogen.

Der ab dem 01.01.2008 zuständige heutige Beklagte lehnte den Antrag des Klägers unter Berücksichtigung der nunmehr abgegeben Sachverhaltsdarstellung mit Bescheid vom 31.01.2008 erneut ab (§ 85 Sozialgerichtsgesetz - SGG - ), weil ein vorsätzlicher tätlicher Angriff auf den Kläger nicht erkennbar sei. Die Kinder W und V hätten angegeben, dass sie vor dem durchgeführten Tritt auf die Gardinenstange die umstehenden Kinder gebeten hätten, Platz zu machen. Für die Annahme einer absichtlichen Verletzung des Klägers fänden sich in der staatsanwaltlichen Ermittlungsakte keine Hinweise.

Der Kläger trug demgegenüber vor, W und V hätten seine Verletzung zumindest billigend in Kauf genommen und insoweit mit bedingtem Vorsatz gehandelt. Es habe sich nicht nur um einen Unglücksfall gehandelt.

Der Beklagte wies den Widerspruch des Klägers gegen die Bescheide vom 26.10.2007 und 31.01.2008 mit Bescheid vom 18.03.2008 zurück: Es habe kein Angriff gegen die Person des Klägers, sondern vielmehr ein Unfall unter Kindern vorgelegen, der ohne jegliche feindliche Willensrichtung erfolgt sei. Es sei auch davon auszugehen, dass W die Verletzung nicht billigend in Kauf genommen habe. Vielmehr sei davon auszugehen, dass er - hätte er das anschließende Geschehen auch nur ansatzweise vorausgeahnt -, von seinem Handeln abgelassen hätte.

Hiergegen richtete sich die am 23.04.2008 beim Sozialgericht (SG) Detmold erhobene Klage, zu deren Begründung der Kläger erneut ausgeführt hat, er sei am Tattag gegen 16:30 Uhr durch W und V durch eine abgebrochene Gardinenstange am Auge verletzt worden, nachdem die beiden "in Manier einer Kung-Fu-Darstellung" diese unmittelbar neben ihm per Fußtritt zertreten hätten. Die Grenze zu einem Unglück sei hier auch im Hinblick auf das höhere Alter der "Täter" überschritten, zumal deren Einlassung, dass sie ihn, den Kläger, gebeten hätten, vor der Vorführung zur Seite zu gehen, nicht stimme. Im Übrigen sei er, der Kläger, unstreitig nicht zur Seite geschritten, so dass die "Täter" durch ihre weitere Vorgehensweise jederzeit hätten damit rechnen müssen, dass er durch deren Gewaltanwendung erheblich verletzt werden könnte.

Das SG hat nach vorheriger Anhörung der Beteiligten die Klage hat mit Gerichtsbescheid vom 18.11.2008 abgewiesen: Der Beklagte habe die Gewährung von Leistungen nach dem OEG zu Recht abgelehnt. Nach dessen § 1 Abs. 1 erhalte derjenige, der durch einen vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriff gegen seine Person eine gesundheitliche Schädigung erlitten habe, wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes (BVG). Diese Voraussetzungen lägen hier nicht vor, da kein vorsätzliches, auch kein bedingt vorsätzliches Verhalten vorgelegen habe. Das SG ist insoweit der Begründung des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 18.03.2008 gemäß § 136 Abs. 3 SGG gefolgt. Ergänzend hat es darauf hingewiesen, dass es nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 03.02.1999, B 9 VG 7/97 R, Juris Rn 12ff) für das Vorliegen von Vorsatz zwar genüge, aber auch erforderlich sei, dass der Täter eine körperliche Beeinträchtigung des Opfers in seinen Willen aufgenommen oder eine solche Beeinträchtigung zumindest für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen habe. Dies bedeute, dass der Täter sich im Augenblick der Tathandlung zumindest über die Möglichkeit des Erfolgseintritts (z.B. einer Körperverletzung) im Klaren gewesen sei und diese in Kauf genommen haben müsse. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Kinder V und W eine Körperverletzung des Klägers billigend in Kauf genommen hätten, als sie ihren "Kung-Fu-Tritt" vorgeführt hätten und zwar unabhängig davon, ob sie den Kläger vor dieser Vorführung aufgefordert hätten, zur Seite zu gehen oder nicht. Es habe sich bei dem Vorfall um einen, wenn auch äußerst tragischen, Unglücksfall gehandelt.

Der Kläger hat gegen den ihm am 11.12.2008 zugestellten Gerichtsbescheid am 09.01.2009 Berufung eingelegt, zu deren Begründung er vorträgt, W und V hätten die Möglichkeit seiner Verletzung bewusst in Kauf genommen, was sich bereits aus den äußeren Umständen ergebe. Gerade die an ihn gerichtete Aufforderung, zur Seite zu gehen, belege die subjektive Einsichtsfähigkeit in die Möglichkeit einer schweren Verletzung durch die bevorstehende Handlung. Da er sich unstreitig bei dem Tritt gegen die Gardinenstange in unmittelbarer Nähe des Geschehens befunden habe, könne von einem Unglücksfall nicht die Rede sein. Er hält es für erforderlich, den W und den V zur Feststellung des äußeren Sachverhalts zu vernehmen.

Der Senat hat die Verhandlung zunächst als Erörterungstermin durchgeführt, weil einer der ehrenamtlichen Richter nicht zur Verhandlung erschienen war. Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung nach Lage der Akten einverstanden erklärt.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Detmold vom 18.11.2008 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung der Bescheide vom 26.10.2007 und vom 31.01.2008, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.03.2008, zu verurteilen, die Augenverletzung als Folge der Gewalttat vom 18.02.2007 anzuerkennen und dem Kläger Versorgung nach einem Grad der Schädigung von mindestens 30 v.H. zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.

Die Berichterstatterin hat den Kläger persönlich angehört und hierüber ein Wortprotokoll geführt; wegen des Ergebnisses der Anhörung wird Bezug genommen auf die Anlage zur Sitzungsniederschrift vom 24.04.2009.

Zur weiteren Sachverhaltsdarstellung und bezüglich des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Verwaltungsakten des Beklagten sowie die Akten der Staatsanwaltschaft C Bezug genommen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

 

Entscheidungsgründe:

Der Senat hat die Streitsache noch am Terminstag im Einverständnis der Beteiligten nach Lage der Akten entschieden, nachdem zur späteren Terminsstunde beide ehrenamtlichen Richter anwesend waren. Hiermit haben sich die Beteiligten zuvor ausdrücklich einverstanden erklärt.

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

Richtiger Berufungsbeklagter ist seit dem 01.01.2008 der für den Kläger örtlich zuständige Landschaftsverband Westfalen-Lippe (vgl. zur Kommunalisierung der Versorgungsverwaltung, BSG, Urteile vom 11.12.2008, B 9 Vs 1/08 R, Juris Rn 20ff und B 9 V 3/07 R, Juris Rn 21f).

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Versorgung nach dem OEG, denn die Voraussetzungen von dessen § 1 liegen nicht vor. Der Kläger ist nicht Opfer einer Gewalttat geworden. Dies hat das SG zutreffend festgestellt. Der Senat nimmt insoweit auf die Entscheidungsgründe in dem angefochtenen Gerichtsbescheid Bezug und sieht von einer weiteren Darstellung ab.

Das Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren führt zu keiner anderen Beurteilung. Nach dem Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren und insbesondere nach dem Ergebnis seiner Anhörung im Erörterungstermin vom 24.04.2009 geht der Senat von folgendem Sachverhalt aus: Am 19.02.2007 hielten sich einige Kinder, so auch der Kläger, der W und der V zusammen im Bereich des Töpferweges auf. V bemerkte eine am Boden liegenden Gardinenstange, die er aufhob. W und V nahmen dies zum Anlass, spontan vorzuführen, welche Fähigkeiten der W im Kampfsport habe. Hierzu hielt V die Stange fest und W trat mit dem Fuß dagegen. Wie gewollt zerbrach die Stange. Ein wegfliegender Teil der Stange verletzte den Kläger am Auge.

Wie auch der Beklagte ist der Senat davon überzeugt, dass sich der Unfall ohne jede feindliche Willensrichtung unter Kindern zugetragen hat und keiner der Beteiligten die Verletzung billigend in Kauf genommen hat. Der Kläger ist als Zuschauer bei Gelegenheit einer alterstypischen und sozial üblichen Spielsituation verletzt worden. Es fehlt vorliegend bereits an einem rechtsfeindlichen, auf Rechtsbruch gerichteten tätlichen Angriff gegen den Kläger. W und V wollten insofern gerade nicht in feindseliger Willensrichtung handgreiflich unmittelbar auf den Körper des Klägers einwirken, was gerade Voraussetzung für die Annahme eines Angriffs i.S.d. § 1 OEG ist (BSG, Urteil vom 03.02.1999, B 9 VG 7/97 R, Juris Rn 11ff). Ziel ihrer Aktion war nicht der Körper bzw. die Person des Klägers, sondern vielmehr die Gardinenstange. Allein hierauf zielte die Schaudarbietung der Kinder ab.

W und V handelten im Hinblick auf eine mögliche Verletzung des Klägers insoweit auch nicht mit bedingtem Vorsatz, weil sie niemanden verletzten wollten. Der Sachverhalt ist gerade nicht mit dem der vorgenannten Entscheidung des BSG vom 03.02.1999 vergleichbar. Dort hatten die sog. "Täter" eine Verletzung zumindest für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen, indem sie dem Verletzten Feuerwerkskörper in die Hosentasche gesteckt hatten. Auch der vom Kläger angesprochenen Entscheidung des BSG vom 08.11.2007, B 9/9a VG 2/06 R, Juris, lag ein gegen den Verletzten gerichtetes handgreifliches Tun zugrunde. So hatte der "Täter" das Opfer nach dem äußeren Bild planvoll handelnd bewusst durch Einsatz beider Hände und größeren Krafteinsatz ins Wasser gestoßen. So liegt der Fall hier gerade nicht. W hätte sonst - worauf der Klägerbevollmächtigte entgegen seinem bisherigen Vortrag in seinem letzten Schriftsatz vom 28.04.2009 ersichtlich abstellt - nicht zu den herumstehenden Kindern gerufen "geht mal zur Seite". Entgegen der Argumentation des Klägers würde dies gerade nicht dafür, sprechen, dass W eine Verletzung in Kauf genommen hat, sondern, dass er aus seiner Sicht vielmehr ein Verletzungsrisiko ausschließen wollte. Ob der W, wie bei der polizeilichen Anhörung von ihm erklärt, die herumstehenden Kinder tatsächlich aufgefordert hat, zur Seite zu gehen, ist nicht streitentscheidend. Jedenfalls hat der Kläger nach seinen Erklärungen bei der Anhörung vor der Berichterstatterin eine Warnung nicht gehört. Wenn der Kläger nunmehr doch von einer vorherigen Warnung des W ausgeht, so ersichtlich deshalb, weil sich ihm dieses als Argumentation für die Annahme des "bedingten Vorsatzes" anbietet, was aber gerade nicht der Fall war. Nach Ansicht des Senates spricht nichts dafür, dass W und V ein Verletzungsrisiko bedacht haben, sondern sie eher davon ausgegangen sind, es werde schon gut gehen. Hätten sie eine körperliche Beeinträchtigung des Klägers für möglich gehalten, hätten sie sicherlich von der Darbietung Abstand genommen. Es handelte sich sicherlich um eine übermütige, insgesamt jedoch alterstypische und sozial übliche Spielsituation, bei der sich die Agierenden im Spieleifer überhaupt keine Gedanken darüber gemacht haben, es könnte sich jemand verletzen. Anhaltspunkte dafür, dass sie eine Verletzung billigend in Kauf genommen haben, sind jedenfalls nicht ersichtlich. Der Senat hat keine Veranlassung gesehen, wie vom Kläger schriftsätzlich beantragt, den W und den V zur Feststellung des äußeren Sachverhaltes als Zeugen anzuhören. Der Antrag zielt auf einen unzulässigen Ausforschungsbeweis, denn es fehlt die Behauptung einer bestimmten entscheidungserheblichen Tatsache. Ziel des Klägers ist es ersichtlich, aus dem Ergebnis der Beweisaufnahme die Grundlage für seine Behauptungen und seiner darauf abzustellenden weiteren Argumentation zu gewinnen. Der entscheidungserhebliche Sachverhalt ist trotz der im Laufe des Verfahrens klägerseits widersprüchlichen Schilderungen letztlich doch geklärt. Der Bevollmächtigte des Klägers hat den Beweisantrag abschließend auch nicht mehr gestellt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Der Senat hat die Voraussetzung für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG) nicht als gegeben angesehen.