Tatbestand

Die Beteiligten streiten über sachlich-rechnerische Berichtigungen in den Quartalen III/97, I/98, II/98, IV/98, I/99, II/99 und IV/00 im Gesamtumfang von 1279,73 Euro (2532,95 DM).

Der Kläger nimmt als Facharzt für Chirurgie an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Die Beklagte berichtigte mit Bescheiden vom 12.02.1998 (Quartal III/97), 18.08.1998 (Quartal I/98), 17.11.1998 (Quartal II/98), 25.05.1999 (Quartal IV/98), 28.09.1999 (Quartal I/99), 07.12.1999 (Quartal II/99) und 29.03.2001 (Quartal IV/00) jeweils die Abrechnung des Klägers u.a. hinsichtlich der angesetzten Sachkosten für Einmal-Abdeckungen (Einmal-Abdecksets), die der Kläger bei ambulanten Operationen der Knochen- und Gelenkchirurgie abgerechnet hatte. Zur Begründung führte sie aus, diese Kosten gehörten nach Teil A Nr. 2 der Allgemeinen Bestimmungen des einheitlichen Bewertungsmaßstabs für ärztliche Leistungen (EBM-Ä) zu den Praxiskosten und seien daher nicht gesondert berechnungsfähig. Der Kläger legte Widerspruch ein und machte unter Hinweis auf eine Entscheidung des Sozialgerichts Düsseldorf geltend, in den Gebührenordnungspositionen seien die Kosten für Materialien, die nach Anwendung verbraucht seien, nicht enthalten. Mit Widerspruchsbescheid vom 25.11.2003 wies die Beklagte die Widersprüche zurück.

Zur Begründung der Klage hat der Kläger vorgetragen, er habe Sachkosten für Einmal-Abdecksets ausschließlich bei Eingriffen der Knochen- und Gelenkchirurgie abgerechnet. Anders als bei arthroskopischen Operationen seien bei solchen Eingriffen die Kosten für die Abdecksets nicht in den jeweiligen Gebührenordnungspositionen enthalten. Entgegen der Auffassung der Beklagten zählten diese Sachkosten nicht zu den allgemeinen Praxiskosten, da sie einem einzelnen Behandlungsfall zuzuordnen seien. Die Einmal-Abdecksets seien auch nicht in der abschließenden Aufzählung der in den Gebührenordnungspositionen enthaltenen Einmalartikel aufgeführt. Einmal-Abdecksets seien vielmehr Materialien, die nach der Anwendung verbraucht seien und die daher nach Teil A Nr. 4 erster Spiegelstrich der Allgemeinen Bestimmungen des EBM-Ä in den berechnungsfähigen Leistungen nicht enthalten seien. Die Verwendung von Einmal-Abdecksets sei aus medizinischen Gründen zwingend geboten. Sie würden ausschließlich bei Operationen angewendet, bei denen der Knochen freigelegt werde. Bei solchen Operationen bestehe eine erhöhte Infektionsgefahr, die durch den Einsatz von Einmal-Abdecksets deutlich verringert werde. Im Gegensatz zu den wiederverwendbaren Stofftüchern seien Einmal-Abdecksets wasserundurchlässig, so dass es nicht zu feuchtigkeitsbedingten Keimdurchwanderungen kommen könne. Der Einsatz diene somit vor allem dem Schutz des Patienten vor einer erhöhten Infektionsgefahr bei Knochenoperationen. Eine Nachfrage bei (Unfall-)Chirurgischen Abteilungen verschiedener Krankenhäuser habe ergeben, dass diese aus diesem Grund keine Stofftücher bei Knochenoperationen verwendeten. Hierzu hat der Kläger Auskünfte verschiedener Krankenhäuser vorgelegt; wegen des Inhalts der Auskünfte wird auf Bl. 51 bis 57 der Gerichtsakte verwiesen.

Auf Nachfrage des Sozialgerichts hat das Robert-Koch-Institut, Berlin, mitgeteilt, Erkenntnisse über allgemein gültige Empfehlungen zur Verwendung von Einmal-Abdecksets im Vergleich zu wiederverwendbaren Stofftüchern bei Operationen am Knochen lägen ihm nicht vor.

Die Beklagte hat vorgetragen, zwar sei die Verwendung von Einmal-Abdecksets zur Durchführung bestimmter Operationen durchaus zu empfehlen, es handele sich hierbei jedoch überwiegend lediglich um den Ersatz von sonst mehrfach verwendbaren und resterilisierbaren Abdecktüchern. Sie seien daher den Praxiskosten zuzuordnen, eine gesonderte Abrechnung der Kosten könne daher nicht erfolgen.

Mit Urteil vom 15.02.2006 hat das Sozialgericht unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide die Beklagte zur Nachvergütung der Sachkosten für Einmal-Abdecksets verurteilt. Die Kosten für diese Materialien zählten nicht zu den allgemeinen Praxiskosten. Einmal-Abdecksets stellten nicht lediglich einen Ersatz für die nicht gesonderten berechungsfähigen Abdecktücher dar, vielmehr sei die Verwendung von Einmal-Abdecksets aus medizinischen, insbesondere hygienischen, Gründen erforderlich. Die Darstellung des Klägers, dass bei Operationen, bei denen der Knochen freigelegt werde, bei Verwendung von Stofftüchern wegen der Gefahr einer feuchtigkeitsbedingten Keimdurchwanderung dieser Tücher eine erhöhte Infektionsgefahr bestehe, so dass dieser Gefahr durch Verwendung feuchtigkeitsundurchlässiger Abdeckungen entgegenzuwirken sei, werde durch die eingeholten Auskünfte der Kliniken und die vom Robert-Koch-Institut übersandten Unterlagen bestätigt.

Mit der fristgerecht eingelegten Berufung macht die Beklagte geltend, nach der Auskunft des Robert-Koch-Instituts gebe es keine Erkenntnisse über allgemein gültige Empfehlungen zur Verwendung von Einmal-Abdecksets bei Operationen am Knochen. Wenn somit Einmal-Abdecksets kein medizinisch zwingend notwendiger Ersatz für wiederverwendbare Materialien darstellten, seien die Kosten hierfür auch nicht gesondert berechnungsfähig und mit der jeweiligen Gebühr abgegolten.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 15.02.2006 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes, auch hinsichtlich des Vorbringens der Beteiligten, wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist nicht begründet, denn das Sozialgericht hat die Beklagte im Ergebnis zu Recht unter entsprechender Änderung der angefochtenen Bescheide verurteilt, die Kosten für Einmal-Abdecksets zu vergüten.

Soweit nicht in den Leistungslegenden der einzelnen Gebührenordnungsposition etwas Anderes bestimmt ist, richtet sich die Abrechnungsfähigkeit von Sachkosten nach den Allgemeinen Bestimmungen des EBM-Ä (in der bis 31.03.2005 geltenden Fassung - a.F.). Anders als bei den arthroskopischen Operationen, wo in den Gebührennummern 2445, 2447, 2449 EBM-Ä a.F. ausdrücklich bestimmt ist, dass die Bewertung "einschließlich Kosten" gilt, ist für die hier in Frage stehenden Operationen bei den Gebührenordnungspositionen keine entsprechende Regelung getroffen worden.

Nach Teil A Nr. 2 der Allgemeinen Bestimmungen des EBM-Ä a.F. sind in den berechnungsfähigen Leistungen u.a. die allgemeinen Praxiskosten (erster Spiegelstrich) sowie für bestimmte Einmalartikel (dritter Spiegelstrich) enthalten. Dagegen sind nach Nr. 4 erster Spiegelstrich in den berechnungsfähigen Leistungen nicht enthalten die Kosten für Arzneimittel, Verbandmittel, Materialien, Instrumente, Gegenstände und Stoffe, die nach der Anwendung verbraucht sind.

Da die Aufzählung der Einmalartikel in Teil A Nr. 2 dritter Spiegelstrich der Allgemeinen Bestimmungen EBM-Ä a.F. abschließend ist und Einmal-Abdecksets dort nicht genannt werden, ist entscheidend für die Abrechnungsfähigkeit von Einmal-Abdecksets über den Behandlungsausweis, ob sie den von den Praxiskosten umfassten Gegenständen oder den "Verbrauchsartikeln" der Nr. 4 erster Spiegelstrich zuzuordnen sind. Praxiskosten sind alle Aufwendungen, die für die Bereithaltung und Ausführung der ärztlichen Tätigkeit erforderlich sind, ohne dass sich diese Aufwendungen konkret einer einzelnen Leistung zuordnen lassen (Wezel/Liebold, Kommentar zu EBM und GOÄ (Stand: Januar 2008, Teil 8 Seite 37). Diese Definition trifft nur für resterilisierbare Abdecktücher zu, die vom Arzt im Rahmen des Praxisbetriebs wiederholt bei ambulanten Operationen eingesetzt werden. Dagegen sind Einmal-Abdecksets der jeweiligen ärztlichen Leistung zuzuordnen, da sie ihrer Natur nach nur einmalig bei der Operation eines bestimmten Patienten verwandt werden. Es handelt sich also um Materialien, die nach der Anwendung verbraucht sind, im Sinne der Nr. 4 erster Spiegelstrich, die - soweit nichts Anderes bestimmt ist - gesondert abrechnungsfähig sind.

Die Beklagte will dagegen den Begriff der Praxiskosten auch auf solche Einmalartikel erstrecken, die der Arzt als "Surrogat" für zur Praxiseinrichtung zählende Artikel einsetzt, sofern es für die Verwendung solcher Einmalartikel keine zwingenden medizinischen Gründe gibt. Dieser Ansicht liegt offensichtlich die Prämisse zu Grunde, die Berechnungsfähigkeit dürfe in diesem Fall nicht unterschiedlich beurteilt werden.

Eine Auslegung findet jedoch in den Allgemeinen Bestimmungen des EBM-Ä a.F. keine Stütze und beachtet nicht, dass dort differenzierende Regelungen hinsichtlich der gesonderten Abrechnungsfähigkeit von Kosten getroffen worden sind. Für die Auslegung des EBM ist nach ständiger Rechtsprechung des BSG der Wortlaut der Bestimmungen maßgeblich. Nur soweit er zweifelhaft ist und es seiner Klarstellung dient, kann eine systematische Interpretation im Sinne einer Gesamtschau der in einem inneren Zusammenhang stehenden vergleichbaren oder ähnlichen Gebührenregelung folgen (BSG SozR 4 - 2500 § 87 Nrn. 5, 10). Wie dargelegt, lassen sich die Einmal-Abdecksets nach dem Wortlaut der Allgemeinen Bestimmungen nur den "Verbrauchsartikeln" der Nr. 4 erster Spiegelstrich zuordnen. Eine Zuordnung von Einmal-Abdecksets zu der Praxisausstattung verlässt den Boden einer wörtlichen Auslegung. Ebensowenig lässt sich den Allgemeinen Bestimmungen etwas für die Forderung entnehmen, die Verwendung von Einmal-Materialien anstelle von wieder verwendbaren Materialien sei nur dann gesondert erstattungsfähig, wenn es hierfür zwingende medizinische Gründe gebe. Es mag zwar von der Sache her gerechtfertigt sein, dass die Ersetzung von Artikeln, die zur Praxisausstattung gehören, durch Einmalartikel, die nur im jeweiligen Behandlungsfall eingesetzt werden, sich auf die Berechnungsfähigkeit der Kosten nicht auswirken darf. Andererseits ist zu berücksichtigen, dass für Einmalartikel in den Allgemeinen Bestimmungen des EBM-Ä a.F. differenzierende Regelungen getroffen worden sind. In Abschnitt A I Nr. 2 dritter Spiegelstrich werden bestimmte Einmalartikel als in den berechnungsfähigen Leistungen enthaltenen Kosten genannt, während gleichzeitig in Nr. 4 zweiter Spiegelstrich andere Einmalartikel als gesondert berechnungsfähig aufgeführt werden. Es hätte in der Hand der Vertragspartner des EBM gelegen, klar zu stellen, dass zu den Praxiskosten alle Einmalartikel zählen, die ohne medizinischen Grund anstelle von zur Praxisausstattung zählenden Produkten verwandt werden.

Gegen eine Zuordnung der Kosten der Einmal-Abdecksets zu den Praxiskosten spricht auch, dass Einmal-Abdecktücher im Rahmen der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) gesondert abgerechnet werden können, obwohl auch im Rahmen der GOÄ eine vergleichbare Abgrenzung von Praxiskosten und gesondert abrechenbaren Auslagen getroffen worden ist. Nach § 4 Abs. 3 GOÄ sind mit den Gebühren die Praxiskosten abgegolten, während nach § 10 GOÄ bestimmte Auslagen gesondert abgerechnet werden können. Beide Vorschriften sind komplementär zu sehen, d.h. alle Kostenelemente, die nicht in der abschließenden Regelung des § 10 GOÄ enthalten sind, sind den Praxiskosten zuzuordnen (Hoffmann/Kleinken, GOÄ - Stand September 2006 -, § 4 Randnr. 8). Die nicht gesondert berechnungsfähigen Materialien werden in § 10 Abs. 2 GOÄ aufgeführt, wobei § 10 Abs. 2 Nr. 5 GOÄ eine abschließende Liste von Einmalartikeln enthält, die als Auslagen nicht gesondert abgerechnet werden können. Dort nicht bezeichnete Einmalartikel können somit als Auslagen gesondert berechnet werden (Brück, Kommentar zur GOÄ - Stand Juli 2006 -, § 10 Anm. 6; Miebach in Uleer/Miebach/Patt, Abrechnung von Arzt- und Krankenhausleistungen, 3. Auflage, § 10 Randnr. 11). Weil Einmal-Abdecksets nicht genannt sind, sind diese als Auslagenersatz abrechnungsfähig (vgl. Klakow-Franck, Deutsches Ärzteblatt 2003, H. 33, Seite A-2176; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 18.06.1996 - 4 S 1079/94 -; siehe auch Niedersächsisches OVG, Urteil vom 28.10.1997 - 4 L 5072/95 -).

Einmal-Abdecksets, die nicht bei arthroskopischen Operationen verwandt werden, sind somit nach Abschnitt A 1 Nr. 4 erster Spiegelstrich der Allgemeinen Bestimmungen EBM-Ä a.F. gesondert abrechenbar. Außerhalb des Einsatzes bei arthroskopischen Operationen ist eine andere Bestimmung, die die Abrechnungsfähigkeit dieser Kosten ausschließen würde, nicht getroffen. Insbesondere können die Abdecksets nicht als Sprechstundenbedarf bezogen werden, so dass die Kosten auf dem jeweiligen Behandlungsausweis angesetzt werden können.

Da es somit nicht darauf ankommt, ob es für den Einsatz von Einmal-Abdecksets bei Operationen der Gelenk- und Knochenchirurgie anstelle wieder verwertbarer Tücher zwingende medizinische Gründe gibt, kann der Senat dahinstehen lassen, ob die vorliegenden Unterlagen die Behauptung des Klägers bestätigen, die Verwendung von flüssigkeitsdichten Einmal-Abdecksets anstelle von resterilisierbaren Stofftüchern sei bei Operationen, bei denen der Knochen freigelegt wird, aus hygienischen Gründen zwingend erforderlich.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 197 a Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit §§ 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung.

Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG). Im vorliegenden Fall geht es zwar um die Auslegung der Allgemeinen Bestimmungen des EBM-Ä in der bis zum 31.03.2005 geltenden Fassung. Sowohl in der vom 01.04.2005 bis 31.12.2007 als auch in der seit dem 01.01.2008 geltenden Fassung des EBM-Ä sind aber in den Allgemeinen Bestimmungen identische Regelungen zu den mit den Gebühren abgegoltenen Kosten getroffen worden, so dass sich auch jetzt noch die gleiche Rechtsfrage hinsichtlich der Abrechnungsfähigkeit der Kosten für Einmal-Abdecksets stellt.