Landessozialgericht Baden-Württemberg - L 12 AS 5254/13 ER-B - Beschluss vom 05.03.2014
Damit die Übernahme unangemessener Kosten der Unterkunft ihren exzeptionellen Charakter behält, sind an die Auslegung der Tatbestandsvoraussetzungen Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit strenge Anforderungen zu stellen. Die Erstattung nicht angemessener Kosten der Unterkunft bleibt der durch sachliche Gründe (Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit) zu rechtfertigende Ausnahmefall. Eine objektive Unmöglichkeit der Kostensenkung dürfte nur in seltenen Ausnahmefällen zu begründen sein; das Vorliegen einer Unzumutbarkeit bedarf der besonderen Begründung. Aufgrund dieses exzeptionellen Charakters der Übernahme von unangemessenen Unterkunftskosten ist es zunächst an dem Hilfebedürftigen, gegenüber dem Leistungsträger substantiiert darzulegen, dass eine andere bedarfsgerechte, kostengünstigere Unterkunft im Bedarfszeitraum auf dem örtlichen Wohnungsmarkt nicht vorhanden bzw. trotz ernsthafter und intensiver Bemühungen nicht auffindbar oder eine vorhandene Unterkunft ihm nicht zugänglich ist. Erst, wenn der Hilfebedürftige aufgrund eigener ausreichender Suchbemühungen den Nachweis geführt hat, dass es zu dem abstrakt angemessenen Mietzins im konkreten zeitlichen und räumlichen Rahmen keine Wohnungen anzumieten gibt, ist es an der Beklagten, konkret angemessen Wohnraum nachzuweisen. § 22 Absatz 1 Satz 2 SGB II sieht zum Schutz der Hilfebedürftigen bereits eine im Regelfall sechsmonatige Frist zur Übernahme unangemessener Unterkunftskosten vor. Begehrt der Empfänger von Grundsicherungsleistungen die Übernahme unangemessener Unterkunftskosten über diesen Zeitraum hinaus, so liegt es an ihm, die Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit von Kostensenkungsmaßnahmen darzulegen.
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zuletzt noch die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Änderungsbescheid vom 04.03.2013 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 20.06.2013.
Der 1963 geborene Antragsteller steht seit 2005 in ständigem Bezug von Leistungen nach dem SGB II und bewohnt seit 1996 alleine eine 75,30 qm große Wohnung in E., für die er eine monatlichen Grundmiete von 550,- EUR zu entrichten hat. Mit Schreiben vom 12.09.2012 teilte der Antragsgegner dem Antragsteller mit, dass die Aufwendungen für die Kosten der Unterkunft den angemessenen Umfang übersteigen und nur noch für eine Übergangszeit von längstens sechs Monaten bis zum 31.03.2013 in dieser Höhe übernommen werden könnten. Die Kosten der Unterkunft müssten künftig gesenkt werden, insbesondere durch den Wechsel in eine angemessene Wohnung. Angemessen sei bei einem 1-Personen-Haushalt eine Kaltmiete von 390,- EUR. Sollte der Antragsteller nicht innerhalb von sechs Monaten ausreichende und regelmäßige Nachweise über seine Wohnungsbemühungen vorlegen, könnten die Unterkunftskosten ab dem 01.04.2013 nur noch in angemessener Höhe von 390,- EUR berücksichtigt werden. Als Nachweis forderte der Antragsgegner Angaben zur Größe, Anzahl der Zimmer und Ausstattung der konkreten Wohnung, um Angabe des Namens des Ansprechpartners, mit dem sich der Antragsteller unterhalten habe sowie des konkreten Gesprächsergebnisses. Der Antragsgegner hielt zu diesem Zweck ein entsprechendes Formular vor
In der Folgezeit legte der Antragsteller regelmäßig unter Verwendung des Formulars des Antragsgegners Chiffreanzeigen aus der Zeitung und von ihm auf diese Anzeigen hin erstellte Anschreiben vor.
Mit Bescheid vom 18.12.2012 bewilligte der Antragsgegner dem Antragsteller für die Zeit vom 01.01.2013 bis 30.06.2013 monatliche Leistungen in Höhe von 1.024,12 EUR (382,- EUR Regelbedarf und 642,12 EUR Kosten der Unterkunft und Heizung (550,- EUR Grundmiete, 52,19 EUR Heizkosten und 39,93 EUR Nebenkosten)) und wies darauf hin, dass die anerkannte Grundmiete ab dem 01.04.2013 auf 390,- EUR monatlich gemindert werde, falls die Suche des Antragstellers nach einer kostengünstigeren Wohnung nicht fortgesetzt werde oder die erforderlichen Bemühungen, eine solche Wohnung unter Ausschöpfung sämtlicher Möglichkeiten zu erlangen, nicht nachgewiesen würden.
Mit Bescheid vom 04.03.2013 hob der Antragsteller den Bescheid vom 18.12.2012 hinsichtlich der Höhe der Leistungsbewilligung für die Zeit ab April 2013 teilweise auf und bewilligte dem Antragsteller für die Zeit vom 01.04.2013 bis 30.06.2013 Leistungen in Höhe von insgesamt 874,12 EUR, wobei nunmehr die Kosten der Unterkunft in Höhe von 492,12 EUR (400,- EUR Grundmiete, 52,19 EUR Heizkosten und 39,93 EUR Nebenkosten) berücksichtigt wurden. Eine Suche bei Immobilienscout24 am 04.03.13 habe für E. insgesamt 10 Treffer ergeben. Ein entsprechender Nachweis der Suche bei Immobilienscout24 lag weder dem Bescheid vom 04.03.2013 bei noch befindet sich ein solcher in der Akte. Gegen den Änderungsbescheid legte der Antragsteller am 26.03.2013 Widerspruch ein. Seine Eigenbemühungen habe er nachgewiesen und diese seien als ausreichend anzusehen. Zudem seien dem Antragsgegner zwei konkrete Wohnungsangebote der ... zu einem Mietpreis von 450,- bzw. 437,- EUR vorgelegt worden. Der Antragsgegner werde daher aufgefordert, dem Antragsteller "die 10 Treffer vom 04.03.2013 bei Immobilienscout nachzuweisen". Mit Widerspruchsbescheid vom 20.06.2013 wies der Antragsgegner den Widerspruch zurück. Die derzeitigen Mietkosten des Antragstellers in Höhe der Grundmiete von 550,- EUR lägen erheblich über den angemessenen Unterkunftskosten für eine Person. Die Mietobergrenze für eine Person in E. belaufe sich im Zeitraum bis zum 31.03.2013 insoweit auf 390,- EUR und im Zeitraum ab dem 01.04.2013 auf 400,- EUR. Bereits mit Schreiben vom 12.09.2012 sei der Antragsteller zuletzt aufgefordert worden, seine Unterkunftskosten auf den angemessenen Umfang zu senken. Soweit er nunmehr behaupte, er habe sich hierum intensiv bemüht, fehle es an Nachweisen. Insbesondere sei nicht ausreichend, dass der Antragsteller bei der Wohnungsbaugesellschaft E. nachfrage und die Zeitungsannoncen der Zeitung vorlege. Stattdessen hätte er sich beispielsweise bei einer Wohnungsbaugesellschaft für in Betracht kommende Wohnungen vormerken lassen können. Auch eine Suche in regionalen Zeitungen oder über das Internet sei ihm zumutbar gewesen. Insgesamt sei somit nicht erkennbar, dass sich der Antragsteller intensiv und mit allen ihm zumutbaren Mitteln um eine kostenangemessene Wohnung bemüht habe.
Hiergegen hat der Antragsteller am 18.07.2013 beim Sozialgericht (SG) Stuttgart Klage erhoben und gleichzeitig Antrag auf einstweiligen Rechtschutz mit dem Ziel der ungekürzten Auszahlung der Kosten der Unterkunft seit dem 01.04.2013 gestellt. Zur Begründung hat er sein Vorbringen aus dem Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren wiederholt und vertieft. Insbesondere habe er seine Eigenbemühungen dem Antragsgegner gegenüber wöchentlich nachgewiesen. Einen Nachweis über das Suchergebnis der Seite Immobilienscout24 vom 04.03.2013 habe er niemals erhalten. Da er die Mietkosten alleine nicht aufbringen könne und seit April 2013 nur noch 400,- EUR monatlich an den Vermieter zahle, seien ihm entsprechende Mietschulden entstanden. Zudem drohe ihm eventuell der Verlust der Wohnung und Obdachlosigkeit, so dass einstweiliger Rechtsschutz geboten sei. Der Antragsgegner hat ergänzend zu seinen Ausführungen im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren vorgetragen, dass die für den Antragsteller nunmehr maßgebliche Mietobergrenze von 400,- EUR auf einem schlüssigen Konzept beruhe. Selbst bei dessen Nichtanwendung ergebe sich für den Antragsteller unter Heranziehung der Tabelle nach § 12 Wohngeldgesetz (WoGG) eine maximale Bruttokaltmiete von 423,50 EUR (385,- EUR zuzüglich 10 %). Hiernach würde der Antragsteller also weniger erhalten, als nach dem vom Antragsgegner angewandten schlüssigen Konzept, das zu einer Mietobergrenze von 439,93 EUR (400,- EUR Grundmiete und 39,93 EUR Nebenkosten) führe.
Mit Beschluss vom 05.11.2013 hat das SG den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz abgewiesen. Für den Zeitraum vom 01.04.2013 bis 30.06.2013 komme eine höhere Leistungsgewährung jedenfalls im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens nicht in Betracht. Soweit sich der Antragsteller hierbei gegen die im Bescheid vom 04.03.2013 enthaltene Leistungsänderung wende und die weiterhin ungekürzte Übernahme der tatsächlich anfallenden Kosten der Unterkunft begehre, müsse der Antrag vom 18.07.2013 nach Erlass des Widerspruchsbescheides vom 20.06.2013 und Klagerhebung am 18.07.2013 als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage vom 18.07.2013 ausgelegt werden. Nach § 86b Abs. 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) könne das Gericht der Hauptsache auf Antrag in Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung aufgrund von § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG sei anhand einer Interessenabwägung zu beurteilen. Demnach sei die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 04.03.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.06.2013 nicht anzuordnen. Eine offensichtliche Rechtswidrigkeit dieses Bescheides sei für die Kammer insoweit nicht ersichtlich. Insoweit erscheine es unter Hinweis auf § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II fraglich, ob die vom Antragsteller vorgelegten Zeitungsannoncen und die von ihm auf diese erstellten Anfragen ausreichen, um eine intensive Bemühung des Antragstellers um eine kostenangemessene Wohnung unter Zuhilfenahme aller vorhandener Mittel nachzuweisen. Dabei sei zudem zu beachten, dass selbst bei Vorliegen von "Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit" spätestens nach sechs Monaten im Regelfall nur noch die Aufwendungen in angemessener Höhe erstattet werden. Deshalb sei die Übernahme nicht angemessener Mietanteile ein begründungspflichtiger Ausnahmefall und an die Auslegung der Tatbestandsmerkmale der Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit seien strenge Anforderungen zu stellen. Die vom Antragsgegner zum 01.04.2013 vorgenommene Reduzierung der Kosten der Unterkunft stelle sich jedenfalls als nicht offensichtlich rechtswidrig dar. Der Antragsteller sei auch bereits mit Schreiben vom 12.09.2012 darauf hingewiesen worden, dass seine Wohnung für eine Einzelperson unangemessen teuer sei. Dieser Hinweis habe fortgewirkt, so dass der Antragsteller fortlaufend gewusst habe, dass seine Wohnung zu teuer war. Auch die Tatsache, dass der Antragsgegner in seinem Mitteilungsschreiben vom 12.09.20 12 noch von einer Mietobergrenze von 390,- EUR ausgegangen sei, diese dann aber mit Wirkung zum 01.04.2013 auf 400,- EUR erhöht habe, dürfte nicht zur Unmöglichkeit der Kostensenkung geführt haben. Eine solche läge insoweit nur vor, wenn der Antragsteller gerade deshalb keine Wohnung gefunden hätte, weil der Antragsgegner ihm unrichtige Richtgrößen mitgeteilt habe. Für einen derartigen Kausalzusammenhang gebe es vorliegend jedoch keinerlei Hinweise. Im Rahmen der maßgeblichen Interessenabwägung sei zudem auf die bereits in § 39 Nr. 1 SGB II enthaltene Entscheidung des Gesetzgebers abzustellen, nach der Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende aufhebt, zurücknimmt, widerruft, die Pflichtverletzung und die Minderung des Auszahlungsanspruchs feststellt oder Leistungen zur Eingliederung in Arbeit oder Pflichten erwerbsfähiger Leistungsberechtigter bei der Eingliederung in Arbeit regelt, keine aufschiebende Wirkung haben. Gewichtige Gründe, von diesem gesetzlichen Regelfall abzuweichen, seien für das SG nicht ersichtlich. Auch würde das Vorgehen des Antragsgegners bei summarischer Prüfung jedenfalls keinen offensichtlichen Bedenken im Hinblick auf die Höhe der nunmehr anerkannten Kosten der Unterkunft und Heizung begegnen. Auch bei unterstellter Unwirksamkeit des vom Antragsgegner herangezogenen schlüssigen Konzeptes zur Bestimmung der auf den Antragsteller angewandten Mietobergrenze ergäbe dies in Anwendung der Werte des § 12 WoGG keinen weitergehenden Leistungsanspruch des Antragstellers.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die am 21.11.2013 eingelegte Beschwerde des Antragsstellers. Zur Begründung hat er sein Vorbringen aus erster Instanz wiederholt und vertieft. Im Erörterungstermin am 21.01.2014 hat der Antragsteller die Beschwerde hinsichtlich des Zeitraums ab 01.07.2013 zurückgenommen. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten des Antragsgegners Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde hat Erfolg.
Die unter Beachtung der Vorschrift des § 173 SGG form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig, insbesondere wäre auch in der Hauptsache die Berufung zulässig (§ 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG). Streitgegenstand der Beschwerde war ursprünglich die Übernahme der tatsächlichen Kosten der Unterkunft ab 01.04.2013. Die Differenz zwischen den geltend gemachten tatsächlichen Kosten der Unterkunft zu den bewilligten Kosten der Unterkunft beträgt monatlich 150,- EUR. Für April bis zum Eingang der Beschwerde im November 2013 beträgt die Gesamtdifferenz 1.200,- EUR, so dass der Beschwerdewert von 750,- EUR überschritten ist. Die teilweise Rücknahme der Beschwerde hinsichtlich des Zeitraums ab 01.07.2013 mit der Folge, dass nun der Beschwerdewert unter 750,- EUR liegt, ändert nichts an der Zulässigkeit der Beschwerde.
Die Beschwerde ist auch begründet.
Nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Ist im Zeitpunkt der Entscheidung der Verwaltungsakt schon vollzogen, kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen (Abs. 2 Satz 1). Vorliegend hat der Widerspruch gegen den Bescheid vom 04.03.2013 sowie die gegen den Widerspruchsbescheid vom 20.06.2013 erhobene Anfechtungsklage gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG in Verbindung mit § 39 Nr. 1 SGB II keine aufschiebende Wirkung.
Einen ausdrücklichen gesetzlichen Maßstab für die gerichtliche Anordnung der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Klage sieht § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG nicht vor. Das Gericht entscheidet aufgrund einer Interessenabwägung (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage 2012, § 86b Rn. 12). Nach § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG entfällt die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs u.a. in anderen durch Bundesgesetz vorgeschriebenen Fällen. Das vom Gesetzgeber in § 39 SGB II angeordnete vordringliche Vollzugsinteresse hat für das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes die Bedeutung, dass der Antragsgegner von der ihm nach § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG obliegenden Pflicht entbunden wird, das öffentliche Interesse der sofortigen Vollziehbarkeit gesondert zu begründen. Das Gesetz unterstellt aber den Sofortvollzug keineswegs als stets, sondern als nur im Regelfall geboten und verlagert somit die konkrete Interessenbewertung auf Antrag des Antragstellers hin in das gerichtliche Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Beschluss vom 17.09.2001 - 4 VR 19/01 -, DVBl. 2001, 1861 = NZV 2002, 51 unter Bezug auf BVerwG, Beschluss vom 21.07.1994 - 4 VR 1/94 -, BVerwGE 96, 239, jeweils zu § 80 Abs. 2 Nr. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) in der bis 31. 12. 1996 gültigen Fassung, der wortgleich zu § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG ist). Unter Berücksichtigung des § 39 Nr. 1 SGB II ist von einem Regel-Ausnahme-Verhältnis zugunsten des Sofortvollzugs auszugehen, da der Gesetzgeber die sofortige Vollziehung zunächst angeordnet hat. Davon abzuweichen besteht nur Anlass, wenn ein überwiegendes Interesse des durch den Verwaltungsakt Belasteten festzustellen ist. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung muss eine mit gewichtigen Argumenten zu begründende Ausnahme bleiben (vgl. Keller a.a.O., § 86b Rn. 12a). Ist der Verwaltungsakt offenbar rechtswidrig und der Betroffene dadurch in seinen subjektiven Rechten verletzt, wird die aufschiebende Wirkung angeordnet. Ein überwiegendes öffentliches Interesse oder Interesse eines Dritten an der Vollziehung ist dann nicht erkennbar. Ist die Klage aussichtslos, wird die aufschiebende Wirkung nicht angeordnet. Sind die Erfolgsaussichten nicht in dieser Weise abschätzbar, bleibt eine allgemeine Interessenabwägung, wobei die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens und die Entscheidung des Gesetzgebers in § 39 Nr. 1 SGB II mit berücksichtigt werden (vgl. zum Ganzen Keller a.a.O. Rn. 12c).
Im vorliegenden Fall überwiegt das Interesse des Antragstellers an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Änderungsbescheid vom 04.03.2013 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 20.06.2013, denn der Senat ist nach summarischer Prüfung der Auffassung, dass dieser rechtswidrig ist und den Antragsteller in seinen Rechten verletzt.
Mit dem Bewilligungsbescheid vom 18.12.2012 setzte der Antragsgegner die monatlichen Leistungen an den Antragsteller für den Zeitraum vom 01.01.2013 bis 30.06.2013 in bestimmter Höhe (Kosten der Unterkunft: durchgehend monatlich 642,12 EUR) fest. Der Änderungsbescheid vom 04.03.2013 hebt diesen Bewilligungsbescheid für die Zeit ab 01.04.2013 teilweise auf. Eine verfahrensrechtliche Grundlage dafür nennt weder der Bescheid vom 04.03.2013 noch der Widerspruchsbescheid vom 20.06.2013. Dazu heißt es im Bescheid vom 04.03,2013 lediglich: "Begründung: Es sind folgende Änderungen eingetreten: Die von Ihnen nachgewiesenen Bemühungen um eine günstigere Wohnung sind nicht ausreichend." Dies spricht für eine Aufhebung nach § 48 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Eine andere dafür in Betracht kommende verfahrensrechtliche Grundlage ist auch nicht ersichtlich.
§ 48 SGB X setzt den Eintritt einer wesentlichen Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen voraus, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung - hier des Bewilligungsbescheids vom 18.12.2012 - vorgelegen haben (Abs. 1 Satz 1). Eine solche Änderung ist hier nicht eingetreten. Allein der Zeitablauf zum 01.04.2013 stellt keine wesentliche Änderung dar, denn weder bewirkt der Ablauf des 6-Monats-Zeitraums des § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II ohne weiteres einen (teilweisen) Wegfall des Anspruchs, noch hat der Hinweis im Bescheid vom 18.12.2013 (Minderung der Miete ab 01.04.2013, falls ) eine derartige rechtliche Wirkung. Ob die Feststellung, der Antragsteller habe sich nicht ausreichend um eine günstigere Wohnung bemüht, überhaupt eine wesentliche Änderung im Sinne von § 48 SGB X darstellen kann, ist höchst zweifelhaft, kann aber hier letztlich dahingestellt bleiben. Denn diese Feststellung lässt sich im vorliegenden Fall nicht treffen.
Nach § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II sind Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung, die den der Besonderheit des Einzelfalls angemessenen Umfang übersteigen, als Bedarf solange zu berücksichtigen, wie es dem alleinstehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zumutbar ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate.
Nach Auffassung des Senats hat der Antragsteller für den hier maßgeblichen Zeitraum April bis Juni 2013 darlegen können, dass ihm eine Senkung seiner Unterkunftskosten nicht möglich oder unzumutbar war. Damit die Übernahme unangemessener Kosten der Unterkunft ihren exzeptionellen Charakter behält, sind an die Auslegung der Tatbestandsvoraussetzungen Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit strenge Anforderungen zu stellen. Die Erstattung nicht angemessener Kosten der Unterkunft bleibt der durch sachliche Gründe (Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit) zu rechtfertigende Ausnahmefall. Eine objektive Unmöglichkeit der Kostensenkung dürfte nur in seltenen Ausnahmefällen zu begründen sein; das Vorliegen einer Unzumutbarkeit bedarf der besonderen Begründung (BSG, Urteil vom 19.02.2009 - B 4 AS 30/08 R -, BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr. 19). Aufgrund dieses exzeptionellen Charakters der Übernahme von unangemessenen Unterkunftskosten ist es zunächst an dem Hilfebedürftigen, gegenüber dem Leistungsträger substantiiert darzulegen, dass eine andere bedarfsgerechte, kostengünstigere Unterkunft im Bedarfszeitraum auf dem örtlichen Wohnungsmarkt nicht vorhanden bzw. trotz ernsthafter und intensiver Bemühungen nicht auffindbar oder eine vorhandene Unterkunft ihm nicht zugänglich ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.09.2000 - 5 C 9/00 -, Juris). Erst, wenn der Hilfebedürftige aufgrund eigener ausreichender Suchbemühungen den Nachweis geführt hat, dass es zu dem abstrakt angemessenen Mietzins im konkreten zeitlichen und räumlichen Rahmen keine Wohnungen anzumieten gibt, ist es an der Beklagten, konkret angemessen Wohnraum nachzuweisen. § 22 Absatz 1 Satz 2 SGB II sieht zum Schutz der Hilfebedürftigen bereits eine im Regelfall sechsmonatige Frist zur Übernahme unangemessener Unterkunftskosten vor. Begehrt der Empfänger von Grundsicherungsleistungen die Übernahme unangemessener Unterkunftskosten über diesen Zeitraum hinaus, so liegt es an ihm, die Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit von Kostensenkungsmaßnahmen darzulegen. Der Antragsteller hat aus Sicht des Senats hinreichend intensive Kostensenkungsbemühungen (April 16 Nachweise, Mai 9 Nachweise und Juni 13 Nachweise) dargelegt, aus denen geschlossen werden kann, dass ihm eine Kostensenkung nicht möglich war. Der Antragsgegner kann demgegenüber nicht damit gehört werden, dass die vorgelegten Kostensenkungsbemühungen nicht ausreichend seien. Zunächst enthält die Kostensenkungsaufforderung vom 12.09.2012 keine konkreten Vorgaben über den Umfang der Kostensenkungsbemühungen. Als Nachweis forderte der Antragsgegner vom Antragsteller Angaben zur Größe, Anzahl der Zimmer und Ausstattung der konkreten Wohnung, um Angabe des Namens des Ansprechpartners, mit dem sich der Kläger unterhalten habe sowie des konkreten Gesprächsergebnisses. Zu diesem Zweck hielt der Antragsgegner ein entsprechendes Formular vor, das der Antragsteller jeden Monat entsprechend den Vorgaben auch vollständig ausfüllte. Soweit der Antragsgegner der Auffassung sein sollte, die Kostensenkungsbemühungen des Antragstellers seien nicht ausreichend ohne entsprechende Vorgabe des Umfangs in der Kostensenkungsaufforderung und unter Verwendung des Formulars des Antragsgegners zum Nachweis der Kostensenkungsbemühungen, so muss der Antragsgegner zeitnah und konkret den Antragsteller hierauf aufmerksam machen und ihm mitteilen unter welchen konkreten Voraussetzungen der Antragsgegner von ausreichenden Kostensenkungsbemühungen ausgeht. Dies ist vorliegend nach Aktenlage nicht erfolgt. Nachdem der Antragsgegner dem Antragsteller nach dessen ausreichenden aber erfolglosen Suchbemühungen für den maßgeblichen Zeitraum auch kein konkretes Wohnungsangebot unterbreitet hat, ist von einer Unmöglichkeit der Kostensenkung auszugehen und sind vom Antragsgegner für den maßgeblichen Zeitraum die tatsächlichen Kosten der Unterkunft des Antragstellers zu übernehmen.
Somit besteht keine Rechtsgrundlage für die mit dem Änderungsbescheid vom 04.03.2013 verfügte (teilweise) teilweise Aufhebung des Bewilligungsbescheids vom 18.12.2012. Folglich hat nach summarischer Prüfung der Antragsteller weiterhin Anspruch auf die bewilligten Leistungen bis 30.06.2013. Dies spricht entscheidend dafür, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 04.03.2013 anzuordnen.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG und berücksichtigt, dass der Antragsteller auch über den Juni 2013 hinaus längstens bis Dezember 2013 die Gewährung der tatsächlichen Kosten der Unterkunft im einstweiligen Rechtsschutzverfahren begehrt hat und diesen Antrag mangels Erfolgsaussicht zurückgenommen hat. Es erscheint daher angemessen, dem Antragsgegner entsprechend dem Obsiegen des Antragstellers ein Drittel der außergerichtlichen Kosten aufzuerlegen.
Der Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).