Landessozialgericht Baden-Württemberg - L 13 AL 1503/15 - Urteil vom 24.05.2016
Ein gesetzlich geregelter Ausschlusstatbestand der Gestalt, dass ein Anspruch auf Insolvenzgeld dann nicht besteht, wenn nach Anordnung der vorläufigen Maßnahmen im Rahmen des Insolvenzverfahrens der Arbeitsvertrag geschlossen wird, ist nicht gegeben. Auch aus dem Sinn und Zweck des Insolvenzgeldes ergibt sich nichts Anderes. Es ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber den Insolvenzgeldschutz für alle Arbeitsverhältnisse, die nach Einleitung des Insolvenzverfahrens begründet werden, ausschließen und einen Bezug von Insolvenzgeld generell verhindern wollte. Ein derartiger Wille des Gesetzgebers ergibt sich weder aus dem Wortlaut noch aus der Systematik oder dem Sinn und Zweck des Gesetzes.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin für den Monat Juli 2014 Anspruch auf Insolvenzgeld hat.
Die Klägerin schloss zum 1. Juli 2014 mit der P. U. GmbH & Co. KG einen Arbeitsvertrag und war als Filialleiterin in W. beschäftigt.
Auf Antrag verschiedener Gläubiger ordnete zuvor das Amtsgericht B.-B. durch Beschluss vom 6. Juni 2014 zur Sicherung des Schuldnervermögens vor nachteiliger Veränderung gemäß § 21 Abs. 1 und 2 InsO die vorläufige Insolvenzverwaltung der P. U. GmbH & Co. KG an und bestimmte Rechtsanwalt Dr. K. zum vorläufigen Insolvenzverwalter. Mit Beschluss vom 1. August 2014 eröffnete das Amtsgericht M. über das Vermögen der P. U. GmbH & Co. KG das Insolvenzverfahren und bestellte Rechtsanwalt Dr. K. zum Insolvenzverwalter.
Am 18. August 2014 beantragte die Klägerin für die Zeit vom 1. Juli 2014 bis 31. Juli 2014 die Bewilligung von Insolvenzgeld. Der Insolvenzverwalter bescheinigte ein noch nicht ausgezahltes Netto-Arbeitsentgelt i.H.v. 1321,59 EUR. Mit Bescheid vom 19. August 2014 lehnte die Beklagte die Bewilligung von Insolvenzgeld ab, weil die Einstellung der Klägerin nach der Beantragung des Insolvenzverfahrens erfolgt sei und die Klägerin keine Schlüsselposition ausgeübt habe. Der Insolvenzverwalter teilte mit Schreiben vom 27. August 2014 mit, die Einstellung der Klägerin habe erfolgen müssen, um den Geschäftsbetrieb aufrecht zu erhalten. Daher habe diese eine Schlüsselposition inne gehabt. Den am 9. September 2014 erhobenen Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15. September 2014 zurück. Eine Schlüsselposition der Klägerin sei nicht erkennbar. Die Schließung einer von zahlreichen Verkaufsstellen habe nicht die unmittelbare Betriebsschließung zur Folge.
Am 16. Oktober 2014 hat die Klägerin beim Sozialgericht Mannheim deswegen Klage erhoben. Zur Begründung der Klage hat sie auf die Ausführungen des Insolvenzverwalters im Widerspruchsverfahren Bezug genommen.
Das SG hat im Termin zur Erörterung des Sachverhalts vom 25. März 2015 die Klägerin persönlich angehört. Hierbei hat die Klägerin u. a. angegeben, sie habe den Kontakt zu der P. U. GmbH & Co. KG und zu dem damaligen Geschäftsführer Herrn F. über ihre Tochter erhalten, die vorgeschlagen habe, dass sie sich dort bewerbe. Zum 1. Juli 2014 habe sie in W. als Filialleiterin angefangen. Der Arbeitsvertrag sei ihr von Herrn F. ausgehändigt worden und diesen habe sie dann unterschrieben. Am 28. Juli 2014 habe sie einen neuen Arbeitsvertrag mit einer weiteren Gesellschaft von Herrn F. unterschrieben, da dieser ihr damals erstmals mitgeteilt habe, dass die P. U. GmbH & Co. KG insolvent sei. Sie habe bei Aufnahme der Tätigkeit keinerlei Kenntnis von einer Insolvenz der Gesellschaft gehabt. Insbesondere habe ihre Tochter, die bereits im April 2014 dort angefangen habe, keinerlei Kenntnis von einer Insolvenz gehabt. Sie habe dann mehrfach, als sie das Gehalt im Juli von Herrn F. bzw. von der P. U. GmbH nicht erhalten habe, telefoniert und um Zahlung gebeten. Eine Zahlung sei nicht erfolgt.
Das SG hat mit Gerichtsbescheid vom 31. März 2015 den angefochtenen Bescheid aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, der Klägerin Insolvenzgeld vom 1. Juli 2014 bis 31. Juli 2014 zu gewähren. Der Umstand, dass der vorläufige Insolvenzverwalter und der Geschäftsführer im Zeitpunkt der Einstellung der Klägerin bereits von dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens Kenntnis gehabt hätten, führe nicht dazu, dass der Klägerin kein Anspruch auf Insolvenzgeld zustehe. Bereits der Wortlaut der Norm, wonach das legal definierte "Insolvenzereignis" und nicht der bloße "Insolvenzantrag" anspruchsbegründend sei, sei eindeutig. Ein Insolvenzereignis, von dem der Arbeitgeber oder die Klägerin hätten Kenntnis haben können, habe in der Zeit vom 1. Juli bis 31. Juli 2014 nicht vorgelegen. Ferner führe § 165 Abs. 1 SGB III kein "subjektives Element" in Form einer "Kenntnis oder Unkenntnis von einem Insolvenzereignis oder einem Insolvenzantrag" als anspruchsbegründend oder -vernichtend auf. Allein bei § 165 Abs. 3 SGB III sehe der Gesetzgeber, bei bereits eingetretenem Insolvenzereignis, die "Unkenntnis des Arbeitnehmers als anspruchsbegründend an. Die gegenteilige Sichtweise der Beklagten, die sich allein auf deren Dienstanweisungen stütze und die Kenntnis des Arbeitgebers von dem Insolvenzantrag für anspruchsvernichtend erachte, vermöge das SG nicht zu überzeugen. Anknüpfungspunkt für den Anspruch auf Insolvenzgeld sei allein das objektiv festzustellende Insolvenzereignis und gerade nicht der bloße Insolvenzantrag, bei dem noch Unsicherheit bestehe, ob es überhaupt zu einem Insolvenzereignis komme, gepaart mit einer Kenntnis des Arbeitgebers. Die Klägerin habe im Zeitpunkt der Arbeitsaufnahme und während ihrer Tätigkeit bis zum 28. Juli 2014 keine Kenntnis von einer möglichen Insolvenz der Arbeitgeberin gehabt. Die Klägerin habe in der nicht-öffentlichen Verhandlung vom 25. März 2015 glaubhaft ausgeführt, dass sie in Unkenntnis von einer Insolvenz ihre neue Arbeit bei der Arbeitgeberin aufgenommen habe.
Gegen den der Beklagten am 8. April 2015 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 15. April 2015 eingelegte Berufung der Beklagten. In Anwendung des Rechtsgedankens des § 98 Abs. 1 Nr. 1b SGB III habe die Klägerin keinen Anspruch auf Insolvenzgeld. Aus Sicht der Beklagten wäre dies nur der Fall, wenn die Klägerin eine Schlüsselposition inne gehabt hätte, die Einstellung also zwingend notwendig gewesen wäre, um die unmittelbare Betriebsschließung zu verhindern. Dies sei nicht der Fall gewesen. Die Klägerin sei als Filialleiterin einer "Backshop-Kette" eingesetzt gewesen. Es bestünden keinerlei Anhaltspunkte, dass die Schließung einer einzelnen Verkaufsstelle mit einer unmittelbaren Betriebsschließung des gesamten Betriebs gleichgestellt werden könne. Die Klägerin habe somit keine Schlüsselposition inne gehabt. Soweit das Landessozialgericht Sachsen im Urteil vom 18. Dezember 2014, L 3 AL 13/13 entschieden habe, dass grundsätzlich auch Arbeitnehmern, die nach Insolvenzantragstellung eingestellt wurden und keine Schlüsselposition inne gehabt hätten, Insolvenzgeld zustünde, könne dem nicht gefolgt werden. Dies entspreche nicht dem Sinn und Zweck der Insolvenzgeldregelungen und stelle einen sittenwidrigen Vertrag zu Lasten der Umlagezahler dar. Schon die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters mache offenbar, dass eine Insolvenz des Unternehmens vorliege. Aufgrund der dadurch geschaffenen Publizität werde dem Arbeitnehmer zum Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrages in der Regel bekannt gewesen sein, dass aufgrund der bevorstehenden Insolvenz eine Entgeltzahlung nicht erfolgen könne und zu Lasten Dritter gehe. Für den Fall, dass im Insolvenzeröffnungsverfahren Rechtsgeschäfte (z.B. Einstellungen, Warenbestellungen etc.) vorgenommen werden sollten, habe die Rechtsprechung die allgemein anerkannte und häufig praktizierte Möglichkeit der Einholung von Einzelermächtigungen entwickelt. Durch die einzelne Ermächtigung, welche die Entnahme der Arbeitsentgelte für nach Insolvenzantragstellung eingestellte Arbeitnehmer ohne Schlüsselposition aus der Masse zulassen würde, wären die neu eingestellten Arbeitnehmer ausreichend geschützt. Hiervon werde jedoch kein Gebrauch gemacht, um die Masse zu Lasten der Insolvenzgeldumlage zu schonen. Die Einstellung von Personal in Kenntnis der vorläufigen Insolvenz könne jedoch nicht zu Lasten der Insolvenzgeldversicherung und der sie tragenden Unternehmer gehen, wenn der Insolvenzverwalter bzw. der eigenverwaltete Schuldner die Instrumentarien, die die Insolvenzordnung zur Verfügung stelle, ausschöpfen und den Entgeltschutz der Arbeitnehmer durch Einholung einer Einzelermächtigung des Insolvenzgerichts gewährleisten könne.
Die Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 31. März 2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Bezüglich weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie auf die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet.
Das SG hat in dem angefochtenen Gerichtsbescheid den angefochtenen Bescheid der Beklagten zu Recht aufgehoben und der Klägerin für den Monat Juli 2014 Insolvenzgeld zugesprochen. Der ablehnende Bescheid der Beklagten ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.
Nach § 165 Abs. 1 S. 1 SGB III haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Anspruch auf Insolvenzgeld, wenn sie im Inland beschäftigt waren und bei einem Insolvenzereignis für die vorausgegangenen drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben. Als Insolvenzereignis gilt 1. die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers, 2. die Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse oder 3. die vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gestellt worden ist und ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt.
Hat eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer in Unkenntnis eines Insolvenzereignisses weitergearbeitet oder die Arbeit aufgenommen, besteht der Anspruch auf Insolvenzgeld für die dem Tag der Kenntnisnahme vorausgegangenen drei Monate des Arbeitsverhältnisses (§ 165 Abs. 3 SGB III).
Die Klägerin erfüllt die Tatbestandsvoraussetzungen für die Bewilligung von Insolvenzgeld für den geltend gemachten Zeitraum. Sie ist vom 1. Juli 2014 bis zum 31. Juli 2014 nach den Bestätigungen des Insolvenzverwalters in der Arbeitsbescheinigung im Inland Arbeitnehmerin der Pro U. GmbH & Co. KG gewesen, über deren Vermögen mit Beschluss des Amtsgerichts Mannheim vom 1. August 2014 das Insolvenzverfahren (Insolvenzereignis) eröffnet worden ist. Nach Bescheinigung des Insolvenzverwalters hat die Klägerin noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt für die Beschäftigungszeit vom 1. Juli 2014 bis zum 31. Juli 2014 in Höhe von 1321,59 EUR netto. Dieser Zeitraum liegt auch innerhalb des dreimonatigen Insolvenzgeldzeitraums. Für den genannten Beschäftigungszeitraum hat sie kein Arbeitsentgelt erhalten.
Der Umstand, dass die Klägerin den Arbeitsvertrag nach Beschluss des Amtsgerichts B.-B. vom 6. Juni 2014 über die vorläufigen Maßnahmen (§§ 21, 22 InsO) abgeschlossen hat, führt nicht zum Verlust des Anspruchs. Der Arbeitsvertrag verstößt nicht gegen ein gesetzliches Verbot (§ 134 BGB) und auch nicht gegen die vorläufigen Anordnungen im Beschluss des Amtsgerichts B.-B. vom 6. Juni 2014. Ein gesetzlich geregelter Ausschlusstatbestand der Gestalt, dass ein Anspruch auf Insolvenzgeld dann nicht besteht, wenn nach Anordnung der vorläufigen Maßnahmen im Rahmen des Insolvenzverfahrens der Arbeitsvertrag geschlossen wird, ist nicht gegeben. Auch aus dem Sinn und Zweck des Insolvenzgeldes ergibt sich, entgegen der Auffassung der Beklagten, nichts Anderes. Soweit die Beklagte dargelegt hat, Sinn und Zweck des Insolvenzgeldes sei der Schutz bereits vorhandener Arbeitnehmer vor den finanziellen Folgen einer nach Arbeitsvertragsschluss eingetretenen Insolvenz, nicht jedoch der Schutz von Arbeitnehmern, die ein Arbeitsverhältnis mit einem bereits insolventen Betrieb begründeten, kann dem so nicht gefolgt werden. Es ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber den Insolvenzgeldschutz für alle Arbeitsverhältnisse, die nach Einleitung des Insolvenzverfahrens begründet werden, ausschließen und einen Bezug von Insolvenzgeld generell verhindern wollte. Ein derartiger Wille des Gesetzgebers ergibt sich weder aus dem Wortlaut noch aus der Systematik oder dem Sinn und Zweck des Gesetzes. Der Gesetzgeber hat in § 165 Abs. 1 SGB III klar geregelt, dass für den Anspruch auf Insolvenzgeld die Beschäftigung und der Lohnausfall in den vorausgegangenen drei Monaten des Arbeitsverhältnisses vor dem Insolvenzereignis maßgebend ist. In Satz 2 der genannten Vorschrift sind die Insolvenzereignisse abschließend definiert. Als Insolvenzereignis kommt vorliegend lediglich die Eröffnung des Insolvenzverfahrens (Beschluss vom 1. August 2014) in Betracht. In § 165 Abs. 3 SGB III hat der Gesetzgeber die Anspruchsvoraussetzungen auf Insolvenzgeld für den Fall geregelt, dass eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer nach Eintritt des Insolvenzereignisses weitergearbeitet oder die Arbeit aufgenommen hat. In dieser Konstellation umfasst der Insolvenzgeldzeitraum abweichend von Abs. 1 die letzten dem Tag der Kenntniserlangung vorausgehenden 3 Monate des Arbeitsverhältnisses. Eine besondere gesetzgeberische Regelung bzw. Ausschlussregelung für den hier streitigen Fall, in denen der Arbeitsvertrag im Insolvenzeröffnungsverfahren bzw. im vorläufigen Insolvenzverfahren - vor dem Insolvenzereignis - geschlossen worden ist, ist nicht erfolgt. Die gegenteilige Auffassung der Beklagten, durch die Gesetzesbegründung zu § 141b AFG ergebe sich eine andere Auslegung, ist nicht zutreffend. Vielmehr ist der Anwendungsbereich der Regelung des § 165 Abs. 3 SGB III gegenüber der genannten Vorläuferregelung des § 141b Abs. 4 AFG erweitert worden. Während § 141b Abs. 4 AFG nur den Insolvenztatbestand der Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Konkursverfahrens mangels Masse erfasste, bezieht die jetzige Regelung nunmehr auch die erweiterten Insolvenztatbestände nach § 165 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB III (Eröffnung des Insolvenzverfahrens) und Nr. 3 (Beendigung der Betriebstätigkeit) ein. Dadurch hat der Gesetzgeber die frühere Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), die bereits die Vorläuferregelung auf andere Insolvenzereignisse entsprechend angewendet hatte, umgesetzt (BSG, Urteil vom 16. November 1984, 10 RAr 17/83 = SozR 4100 § 141b Nr. 34, Voelzke in Hauck/Noftz, SGB, 02/16, § 165 SGB III Rn. 165, Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 18. Dezember 2014, L 3 AL 13/13, Rn. 32 Juris). Ein Rückschluss daraus, auf einen gesetzgeberischen Willen, den Schutz von Arbeitnehmern durch Insolvenzgeld, die ein Arbeitsverhältnis mit einem bereits insolventen Betrieb begründen, komplett auszuschließen, ist jedenfalls nicht möglich, vielmehr wird durch die genannte Gesetzeshistorie das Gegenteil deutlich (vgl. Sächsisches Landessozialgericht a.a.O.). Eine entsprechende Anwendung des § 165 Abs. 3 SGB III auf den hier vorliegenden Fall ist ebenfalls nicht möglich, so dass es letztlich auf eine Kenntnis der Klägerin, dass das Insolvenzverfahren durch die Anordnung der vorläufigen Maßnahmen des Amtsgerichts eingeleitet worden war bzw. ein Antrag auf Einleitung eines Insolvenzverfahrens durch die Arbeitgeberin gestellt worden war, nicht ankommt. Die Auffassung der Beklagten, dass die Einstellung von Personal nach Beginn der vorläufigen Insolvenz aber noch vor dem Zeitpunkt eines Insolvenzereignisses nicht zu Lasten der Insolvenzversicherung erfolgen könne, rechtfertigt nicht die erweiternde oder analoge Anwendung des §§ 165 Abs. 3 SGB III. Der erkennende Senat schließt sich der Auffassung des Sächsischen Landessozialgerichts (a.a.O) und des Landessozialgerichts Baden-Württemberg, Urteil vom 6. Februar 2009, L 8 AL 4096/06, Juris an (vgl. auch E. Schneider in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB III, 1. Aufl. 2014 § 165 SGB III Rn. 63.1). Allein der Umstand, dass Personalkosten, die zur Verbesserung der Insolvenzmasse anfallen, auf die Insolvenzgeldausfallversicherung verlagert werden, steht einem Anspruch auf Insolvenzgeld nicht entgegen. Es bedürfte vielmehr einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung, die einen Insolvenzgeldanspruch bei Arbeitsverträgen, die erst im Insolvenzeröffnungsverfahren abgeschlossen werden, ausschließt oder einschränkt. Eine solche gesetzliche Regelung ist jedoch nicht verabschiedet worden. Damit verbleibt es nach Auffassung des erkennenden Senats bei der Anwendung des § 165 Abs. 1 SGB III, dessen tatbestandlichen Voraussetzungen erfüllt sind.
Der Auffassung der Beklagten, der Arbeitsvertrag verstoße gegen die guten Sitten (§ 138 BGB) kann ebenfalls nicht gefolgt werden. Ein Rechtsgeschäft ist nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig, wenn es nach seinem aus der Zusammenfassung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu entnehmenden Gesamtcharakter mit den guten Sitten nicht zu vereinbaren ist. Dabei sind nicht nur der objektive Inhalt des Geschäfts, sondern auch die Umstände, die zu seiner Vornahme geführt haben, und die von den Parteien verfolgten Absichten und Beweggründe zusammenfassend zu berücksichtigen. In subjektiver Hinsicht erfordert § 138 Abs. 1 BGB die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis der die Sittenwidrigkeit begründenden tatsächlichen Umstände. Das Bewusstsein der Sittenwidrigkeit oder eine Schädigungsabsicht ist nicht erforderlich (Nassall in: Herberger/Martinek/Rüßmann u.a., jurisPK-BGB, 7. Aufl. 2014, § 138 BGB Rn 10, 17). Hier fehlt es bereits am objektiven Tatbestand der Sittenwidrigkeit. Der Insolvenzverwalter hat dargelegt, dass der Arbeitsvertrag mit der Klägerin hat dazu dienen sollen, den Geschäftsbetrieb in der Filiale aufrechtzuerhalten. Anhaltspunkte dafür, dass der Arbeitsvertrag lediglich deshalb geschlossen worden wäre, der Klägerin Insolvenzgeldansprüche zu sichern, liegen nicht vor. Darüber hinaus hat die Klägerin auch für den Senat glaubwürdig dargelegt, über die Einleitung eines Insolvenzverfahrens ihrer Arbeitgeberin keine Kenntnis gehabt zu haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Im Rahmen des dem Senat nach § 193 SGG eingeräumten Ermessens war für den Senat maßgeblich, dass die Klägerin mit der Rechtsverfolgung Erfolg und die Beklagte Anlass zur Klageerhebung gegeben hat.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Aufgrund der eindeutigen gesetzlichen Regelung fehlt es nach Auffassung des Senats an einer grundsätzlichen Bedeutung der Sache, die höchstrichterlich geklärt werden müsste.