Bayerisches Landessozialgericht - L 13 R 999/11 - Urteil vom 13.11.2013
Eine schwere spezifische Leistungsbehinderung meint die Fälle, in denen bereits eine einzige schwerwiegende Behinderung ein weites Feld von Verweisungsmöglichkeiten versperrt. Das Merkmal "Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen" trägt hingegen dem Umstand Rechnung, dass auch eine Vielzahl von Einschränkungen, die jeweils nur einzelne Verrichtungen oder Arbeitsbedingungen betreffen, zusammengenommen das noch mögliche Arbeitsfeld in erheblichem Umfang zusätzlich einengen können. In diesen Fällen besteht für den Versicherungsträger die Verpflichtung, ausnahmsweise eine konkrete Tätigkeit zu benennen, weil der Arbeitsmarkt möglicherweise für diese überdurchschnittlich leistungsgeminderten Versicherten keine Arbeitsstelle bereithält oder nicht davon ausgegangen werden kann, dass es für diese Versicherten eine ausreichende Anzahl von Arbeitsplätzen gibt oder ernste Zweifel daran aufkommen, ob der Versicherte in einem Betrieb einsetzbar ist. Bei der Frage, ob eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vorliegt, sind grundsätzlich alle qualitativen Einschränkungen zu berücksichtigen, die nicht bereits von dem Erfordernis "körperlich leichte Arbeit" erfasst werden. Es umfasst begrifflich unter anderem solche Leistungseinschränkungen, die das Seh- und Hörvermögen, die Handbeweglichkeit oder die Einwirkung bestimmter Witterungseinflüsse (Kälte, Nässe, Staub) betreffen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.
Der 1962 geborene Kläger hat nach seinen eigenen Angaben keine Berufsausbildung absolviert. Er war von 1979 bis 1990 als Stapler- und Kranfahrer sowie Kommissionierer und von 1990 bis 2005 als LKW-Fahrer versicherungspflichtig beschäftigt. Seitdem ist der Kläger arbeitsunfähig bzw. arbeitslos.
Der Kläger begehrte erstmals mit Antrag vom 4. Oktober 2006 Rente wegen Erwerbsminderung. Nachdem die von der Beklagten beauftragte Sachverständige Dr. Z. noch ein Leistungsvermögen des Klägers von 6 Stunden und mehr auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt festgestellt hatte, lehnte die Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 8. Januar 2007 ab. Nach erfolgloser Durchführung des Widerspruchsverfahrens (Widerspruchsbescheid vom 27. März 2007) erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Ulm (Az. S 3 R 1431/07). Der vom Sozialgericht Ulm beauftragte Orthopäde Dr. B. bescheinigte dem Kläger noch ein Leistungsvermögen von 6 Stunden und mehr für leichte, gelegentlich auch mittelschwere Arbeiten. Die Klage wurde daraufhin mit Urteil vom 7. Mai 2008 abgewiesen.
Mit Antrag vom 19. Februar 2009 begehrte der Kläger erneut Rente wegen Erwerbsminderung von der Beklagten unter Hinweis auf Gesundheitsstörungen an der Wirbelsäule (Bandscheibenvorfälle HWS und LWS, Spondylosis BWS) sowie einer geringen Belastbarkeit aufgrund hohen Blutdrucks.
Die Beklagte holte nach Beiziehung diverser Befundberichte zunächst ein orthopädisches Gutachten von Dr. Sch. vom 2. Juli 2009 ein. Der Sachverständige diagnostizierte beim Kläger ein HWS-Syndrom ohne neurologische Ausfälle, eine Omalgie beidseits ohne Bewegungseinschränkung, ein fragliches CTS links, ein LWS-Syndrom mit ischialgieformer Ausstrahlung ohne neurologische Ausfälle, eine Coxalgie beidseits, Senk-Spreizfüße beidseits, eine Adipositas sowie eine hochgradige Somatisierungsstörung bei fraglicher Depression. Der Kläger sei aus orthopädischer Sicht noch in der Lage, als LKW-Fahrer sowie auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte bis mittelschwere Arbeiten 6 Stunden und mehr zu verrichten. Eine neurologisch-psychiatrische Begutachtung sei erforderlich.
Der daraufhin von der Beklagten mit der Erstellung eines nervenärztlichen Gutachtens beauftragte Neurologe und Psychiater S. stellte beim Kläger folgende Gesundheitsstörungen fest: 1. Schwerwiegendes Ellbogenrinnen-Syndrom mit Parese der vom Ellennerven innervierten Unterarm- und Handmuskulatur links 2. Cervicobrachialsyndrom mit Wurzelreizsymptomatik 3. Lumboischialgie mit Wurzelreizsymptomatik ohne Paresen 4. Ausgeprägte Somatisierungsstörung 5. Teilkomponente im Sinne einer anhaltend somatoformen Schmerzstörung 6. Akzentuierte Persönlichkeit mit somatoformen Reaktionsmustern 7. Hinweise auf phobischen Schwankschwindel 8. Periarthropathia humeroscapularis links betont.
Der Kläger sei noch in der Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt 6 Stunden und mehr leichte Tätigkeiten sitzend zu verrichten. Nicht mehr zumutbar seien besondere Belastungen beider Hände, dauerndes Gehen und Stehen, häufiges Klettern, Steigen, Bücken, Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten ohne mechanische Hilfsmittel, Arbeiten an ungeschützt laufenden Maschinen, über Schulter-/Kopfhöhe oder mit Absturzgefahr, Gefährdung durch Kälte, Hitze, starke Temperaturschwankung, Zugluft und Nässe, Schichtbedingungen und besonderer Zeitdruck.
Die Beklagte lehnte daraufhin den Antrag mit angefochtenem Bescheid vom 24. September 2009 ab. Mit dem hiergegen erhobenen Widerspruch machte der Kläger geltend, er sei bereits seit November 2005 im Krankenstand. Arbeitsaufnahmen seien aufgrund seiner ständigen heftigen Schmerzen gescheitert. Er legte eine ärztliche Bescheinigung des praktischen Arztes Dr. G. vor, wonach das gesamte Krankheitsbild nur äußerst schwer zu beeinflussen sei. Die Arbeitsfähigkeit sei sehr problematisch zu sehen. Nach Einholung einer Stellungnahme des sozialmedizinischen Dienstes, in der eine erneute Begutachtung nicht empfohlen wurde, wurde der Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 25. Februar 2010 zurückgewiesen.
Hiergegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Augsburg (SG) unter dem Az. S 2 R 241/10 erhoben und vorgetragen, es sei seit dem letzten Klageverfahren vor dem Sozialgericht Ulm eine kontinuierliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes eingetreten. Er leide unter massiven Halswirbelsäulenbeschwerden mit Ausstrahlungen in die Schultern, Taubheitsgefühlen des linken Arms bei zusätzlicher Muskelminderung und Kraftlosigkeit, fast ständigen Kopfschmerzen, Schwindelanfällen mit Übelkeit. Der Kläger könne aufgrund der Schäden an der Lendenwirbelsäule maximal 10 Minuten sitzen. Es bestünden am Morgen verstärkte Ganzkörperschmerzen. Durch den ständig erhöhten Blutdruck sei der Kläger nur bis zu 100 Watt belastbar.
Das SG hat nach Beiziehung diverser Befundberichte zunächst gemäß § 106 Sozialgerichtsgesetz - SGG - Beweis erhoben durch Einholung eines orthopädischen Gutachtens von Dr. P. vom 23. Juni 2010 und eines nervenärztlichen Gutachtens von Dr. C. vom 1. Oktober 2010.
Dr. P. hat beim Kläger folgende Gesundheitsstörungen festgestellt: 1. Degenerative Veränderungen der Halswirbelsäule mit Muskelreizerscheinungen 2. Lähmung des Ellennerven links mit herabgesetzter Gebrauchsfähigkeit der linken Hand für Fein- und Grobarbeiten 3. Somatoforme Schmerzstörung 4. Schluckauf-Tick 5. Depression.
Der Kläger sei noch in der Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig überwiegend leichte Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung ohne unübliche Pausen zu verrichten. Nicht mehr zumutbar seien Tätigkeiten, die die volle Gebrauchsfähigkeit der Hände voraussetzen, Arbeiten unter Einwirkung von Kälte, Hitze, Temperaturschwankungen, Zugluft und Nässe. Die Wegefähigkeit sei nicht eingeschränkt.
Dr. C. hat beim Kläger eine Somatisierungsstörung, eine Dysthymie sowie eine Ulnaris-Parese links diagnostiziert und erklärt, der Kläger könne noch leichte Tätigkeiten im Wechsel von Sitzen, Gehen und Stehen 6 Stunden und mehr täglich mit den arbeitsüblichen Unterbrechungen verrichten. Ausgeschlossen seien Zeitdruck- und Nachtarbeiten, Tätigkeiten, die die volle Gebrauchsfähigkeit der linken Hand voraussetzen, sowie Tätigkeiten mit besonderer Anforderung an die nervliche Belastbarkeit. Eine Einschränkung der Wegefähigkeit bestehe nicht.
Der Kläger legte daraufhin weitere Befundberichte der behandelnden Ärzte vor und beantragte gemäß § 109 SGG die Einholung eines orthopädischen Gutachtens von Dr. H ... Dr. H. hat in seinem Gutachten vom 31. Januar 2011 beim Kläger folgende Gesundheitsstörungen festgestellt: 1. Chronisches HWS-Syndrom mit pseudoradikulärer Ausstrahlung links bei klinisch, röntgenologisch und kernspintomographisch nachgewiesenen degenerativen Veränderungen, 2006 festgestelltem links betonten Bandscheibenvorfall C4/C5 ohne Zeichen einer Wurzelkompression, sekundär relativ eng angelegtem Spinalkanal und eingeschränkter Beweglichkeit 2. Caudal betontes chronisches BWS-Syndrom bei röntgenologisch nachgewiesenen degenerativen Veränderungen ohne radikuläre Symptomatik und Einschränkung der Beweglichkeit 3. Chronisches pseudoradikuläres Lumbalsyndrom beidseits bei röntgenologisch und kernspintomographisch nachgewiesenen leichten degenerativen Veränderungen 4. Chronische Schultergelenksschmerzen beidseits bei klinisch und kernspintomo-graphisch nachgewiesener subacromialer Impingementsymptomatik rechts bei hypertropher leicht aktivierter ACG-Arthrose und mäßig tendinitischen Veränderungen der Supraspinatussehne, diskreter Begleitbursitis acromial und subdeltoidal beidseits und leichten Zeichen einer Peritendinitis der rechten langen Bizepssehne 5. Schwerwiegendes Ellbogenrinnensyndrom links mit Parese der vom Ellennerven innervierten Unterarm- und Handbinnenmuskulatur links und hieraus resultierender Reduktion der groben Kraft leichten Grades und Reduktion der Taktilität ebenfalls leichten Grades. 6. Ausgeprägte Somatisierungsstörung 7. Chronisch somatoforme Schmerzstörung mit phobischer Komponente und rezidivierenden Myoklonien/Konvulsionen des Rumpfes.
Der Kläger könne nur noch 3 bis unter 6 Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte Arbeiten aus wechselnden Ausgangspositionen verrichten. Aus orthopädischer Sicht bestünde keine Einschränkung der Wegefähigkeit, jedoch sei eine solche aufgrund der erheblichen Somatisierungsstörung anzunehmen.
Nachdem sich die Beklagte der sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung durch Dr. H. nicht angeschlossen hatte, legte der Kläger ein Gutachten der Agentur für Arbeit B-Stadt vom 2. März 2011, wonach die Leistungsfähigkeit des Klägers voraussichtlich bis zu 6 Monaten auf täglich weniger als drei Stunden abgesunken sei, sowie weitere Befundberichte der behandelnden Ärzte vor.
Das SG hat daraufhin die Klage mit Urteil vom 19. August 2011 unter Berufung auf die Gutachten von Dr. P. und Dr. C. abgewiesen. Das Gutachten von Dr. H. sei hingegen nicht überzeugend. Abgesehen von der eingeschränkten Gebrauchsfähigkeit der linken Hand lägen nach den übereinstimmenden Befunden aller Sachverständigen keine gravierenden nachvollziehbaren Beeinträchtigungen des Stütz- und Bewegungsapparates vor.
Hiergegen hat der Kläger Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht eingelegt und zur Begründung auf die multiplen orthopädischen Beschwerden insbesondere an der Wirbelsäule, die Kraftlosigkeit der linken Hand, auf Schwindelgefühle und Zittern verwiesen. Bei Belastung und Aufregung würde sich beim Kläger eine Art "Nervenzucken" einstellen. Auch liege bei ihm ein Weichteilrheuma vor.
Der Senat hat nach Beiziehung diverser Befundberichte gemäß § 106 SGG Beweis unter Zurverfügungstellung berufskundlichen Materials zu Tätigkeiten als Parkhauswächter, Pförtner und Telefonist erhoben durch Einholung eines orthopädischen Gutachtens von Dr. D. und einer ergänzenden nervenärztlichen Stellungnahme nach Aktenlage von Dr. C ...
Dr. D. hat in seinem Gutachten vom 26. November 2012 beim Kläger folgende Diagnosen gestellt: 1. Fortgeschrittenes degeneratives und fehlstatisches Cervikalsyndrom mit Cervicobrachialgie beidseits und kyphotischer Knickbildung mit Rotationseinschränkung ohne fassbare neurologische Ausfälle 2. Minimale Brustwirbelsäulenfehlstatik unter dem Bild einer leichten Kyphoskoliose, degenerative Veränderungen der unteren Brustwirbelsäule spondylochondrotisch 3. Leichtes degeneratives Lumbalsyndrom, pseudoradikuläre Schmerzausstrahlung beidseits 4. Hypertrophe Schultereckgelenksarthrose beidseits, Rotatorenmanschettenpartialläsionrechts Supraspinatus 5. Ulnarislähmung links mit inkompletter Krallhandbildung links ohne adäquate Behandlung.
Der Kläger sei noch in der Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte bis mittelschwere Arbeiten gehend, stehend und sitzend im Freien und in geschlossenen Räumen vollschichtig zu verrichten. Zu vermeiden seien das Heben und Tragen von schweren Lasten, Arbeiten aus ungünstigen Wirbelsäulenpositionen heraus sowie kraftvoller manueller Einsatz der linken Hand. Tätigkeiten als Pförtner oder Parkhauswächter seien noch vollschichtig ohne Gefahr für die Restgesundheit möglich. Es müsse Rücksicht auf die qualitativen Leistungseinschränkungen genommen werden. Eine Einschränkung der Wegefähigkeit bestehe nicht. Weitere fachärztliche Untersuchungen seien entbehrlich.
In ihrer ergänzenden Stellungnahme nach Aktenlage vom Juli 2013 hat Dr. C. ausgeführt, aus den nachgereichten ärztlichen Unterlagen ergäben sich keine neuen Aspekte im Bezug auf das nervenärztliche Fachgebiet. Tätigkeiten als Pförtner oder Parkhauswächter entsprächen dem Leistungsprofil des Klägers unter der Voraussetzung, dass sie nicht nachts ausgeübt würden.
Der Kläger hat rund sechs Wochen nach Ablauf der vom Gericht gesetzten Frist einen Antrag gemäß § 109 SGG auf Einholung eines erneuten Gutachtens von Dr. H. gestellt.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Augsburg vom 19. August 2011 und des Bescheids der Beklagten vom 24. September 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. Februar 2010 zu verurteilen, dem Kläger Rente wegen Erwerbsminderung entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Akten des SG sowie der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das SG hat zu Recht die Klage gegen den angefochtenen Bescheid vom 24. September 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. Februar 2010 abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung gemäß § 43 Abs. 2, 1 SGB VI zu. Eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit scheidet von vornherein aus, da der Kläger nicht vor dem 2. Januar 1961 geboren ist (vgl. § 240 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI).
Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten sich hiermit einverstanden erklärt haben (vgl. § 124 Abs. 2 SGG).
Gem. § 43 Abs. 2, 1 SGB VI haben Versicherte Anspruch auf Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung, wenn sie 1. teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs bzw. drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist gem. § 43 Abs. 3 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Der Senat ist aufgrund der überzeugenden Gutachten von Dr. D., Dr. C. und Dr. P. davon überzeugt, dass eine quantitative Leistungseinschränkung beim Kläger nicht vorliegt. Der Kläger ist nach der Einschätzung dieser erfahrenen Gerichtsachverständigen noch in der Lage, mindestens 6 Stunden täglich zumindest leichte Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verrichten. Der hiervon abweichenden Einschätzung von Dr. H. vermag der Senat nicht zu folgen.
Im Vordergrund stehen beim Kläger die Gesundheitsstörungen auf orthopädischem Fachgebiet. Bei der eingehenden Untersuchung des Klägers durch den erfahrenen Gerichtsachverständigen Dr. D. war der Kläger in einem regelgerechten Allgemein- und adipösen Ernährungszustand. Es zeigte sich kein Ikterus, keine Zyanose und keine allgemeine Gewebswassereinlagerung. Die Pulse an den Extremitäten waren gut tastbar, die periphere Muskulatur war normal tonisiert.
Bei der Untersuchung der Wirbelsäule des Klägers stellte Dr. D. einen Beckengeradstand bei physiologischer Rückenform und normalen Schwingungsverhältnissen fest. Bewegungen führte der Kläger zögerlich vor, der Lagewechsel gelang ihm jedoch ohne Ausgleichsmanöver. Die Kopfhaltung des Klägers war physiologisch bei eingeschränkter Beweglichkeit der Halswirbelsäule. Bei der Untersuchung der Brust- und Lendenwirbelsäule ergab sich, dass ein Vornüberneigen für den Kläger mäßig zügig durchführbar war bei einem Finger-Bodenabstand von mehr als 25 cm. Das Wiederaufrichten aus der Vorneige gelang dem Kläger jedoch ohne Zuhilfenahme der Arme aus eigener Kraft der Wirbelsäule. Bei der neuro-orthopädischen Untersuchung waren die Reflexe der oberen und unteren Extremitäten beidseits seitengleich mittellebhaft produzierbar. Neurologische Ausfälle konnte Dr. D. nicht objektivieren. Das Zeichen nach Laségue war links ab 70° positiv. Der Kläger war jedoch noch in der Lage, den Langsitz einzunehmen bei nur endgradiger Schmerzhaftigkeit. Auch die Zehenheber- und Fußheberfunktion ist beim Kläger ungestört. Der Kläger konnte noch den Fersen- und Zehenspitzenstand sowie den Einbeinstand beidseits ausführen. Hieraus resultieren nach der den Senat überzeugenden Einschätzung von Dr. D. nur qualitative Leistungseinschränkungen in Form des Ausschlusses von schweren Hebe- und Tragebelastungen sowie Arbeiten aus ungünstigen Wirbelpositionen heraus.
An den oberen Extremitäten zeigten sich beim Kläger symmetrische Konturen an den Schulter-, Ellbogen-, Hand- und Fingergelenken. Muskelathropien fanden sich ebenso wenig wie Weichteilschwellungen oder Ergussbildungen. An den Schultergelenken ließ sich radiologisch eine Schultereckgelenksarthrose bestätigen. Die Funktionsgriffe der Schultergelenke (Überkopf-, Nacken- und Schürzengriff) waren dem Kläger jedoch beidseits frei durchführbar. Beide Schultereckgelenke waren bandstabil, die Impingementzeichen über beiden Schultern negativ. Eine kraftvolle Abduktion war dem Kläger auch gegen Widerstand beidseits möglich, so dass klinisch keine Hinweise für eine Rotatorenmanschettenruptur vorlagen. Die Kraftentwicklung war schulterbezogen regulär. Die Funktionsstörungen an den Schultern führen zu einem Ausschluss von kraftvollen Überkopf-arbeiten. Eine quantitative Einschränkung des Leistungsvermögens für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt lässt sich hieraus jedoch nicht ableiten.
Nach den Ausführungen von Dr. D. ist die gravierendste Gesundheitsstörung beim Kläger, der nach eigenen Angaben gegenüber Dr. D. Rechtshänder ist, nach wie vor die Ulnarisläsion links mit inkompletter Krallhandbildung. An den Händen fand sich eine reduzierte Beschwielung bei Kraftminderung links. Hinweise für eine arterielle Durchblutungsstörung oder eine venöse Abflussbehinderung lagen nicht vor. Die Handwurzelgelenke waren sowohl rechts als auch links frei beweglich. Sämtliche Funktionsgriffe (Faustschluss, Schlüssel- und Spitzgriff) waren dem Kläger beidseits vollständig möglich. Einschränkungen folgen hieraus insoweit, als nur noch leichte manuelle Tätigkeiten dem Kläger zugemutet werden können, die nicht mit einer besonderen Belastung der linken Hand verbunden sind.
An den unteren Extremitäten waren alle Gelenke regelrecht konturiert bei normal ausgebildeter Muskulatur und freier Beweglichkeit. An den Hüftgelenken waren die Trendelburg´schen und Duchenn´schen Zeichen negativ. Die Hüftgelenksbeweglichkeit war seitengleich frei erhalten. Die Kniegelenke wiesen beidseits eine stabile Bandführung bei negativen Meniskuszeichen auf. Der Kläger konnte die tiefe Hocke einnehmen und sich aus ihr ohne Abstützen mit den Armen wiederaufrichten. Rentenrelevante Gesundheitsstörungen liegen beim Kläger auch hier nicht vor.
Hieraus hat Dr. D. für den Senat nachvollziehbar abgeleitet, dass der Kläger noch in der Lage ist, mindestens 6 Stunden täglich leichte Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verrichten. Den aus den orthopädischen Gesundheitsstörungen resultierenden Funktionseinschränkungen kann durch qualitative Leistungseinschränkungen und hierbei insbesondere durch den Ausschluss von schweren Hebe- und Tragebelastungen sowie Arbeiten aus ungünstigen Wirbelsäulenpositionen heraus hinreichend Rechnung getragen werden.
Dr. D. steht dabei im Einklang mit den Feststellungen des orthopädischen Vorgutachters Dr. P ... Dieser hat ebenfalls noch keine quantitative Leistungseinschränkung des Klägers für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt feststellen können.
Die hiervon abweichende Einschätzung von Dr. H. konnte den Senat nicht überzeugen. Dr. H. hat seine Annahme, die Leistungsfähigkeit des Klägers sei auch für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes auf 3 bis unter 6 Stunden reduziert, mit einer Befundverschlechterung im Vergleich zum Vorgutachten von Dr. P. begründet. Aufgrund der nicht bzw. nicht adäquat durchgeführten Therapie sei der Kläger belastungsreduziert, zumal neue Krankheitsbilder wie das Fibromyalgiesyndrom hinzugetreten seien. Die von Dr. H. behauptete Verschlechterung der Befundsituation wird von ihm jedoch nicht weiter begründet. In Bezug auf die Hauptgesundheitsstörung an der linken Hand führt er selbst aus, es habe sich insoweit keine wesentliche Veränderung ergeben. Darüber hinaus geht er in dieser Hinsicht davon aus, dass sowohl die grobe Kraft als auch die Taktilität nur leichtgradig beeinträchtigt würden. Das von ihm behauptete Fibromyalgiesyndrom konnte von Dr. D. nicht bestätigt werden. Bei der Untersuchung von Wirbelsäule und Rumpf fanden sich keine Hinweise für diese Erkrankung bei unspezifischem Druckschmerz ohne Nachweis klassischer Tender-Points.
Auch aus nervenärztlicher Sicht ergibt sich nach den überzeugenden Ausführungen von Dr. C. kein anderes Ergebnis. Die Sachverständige hat den Kläger als wach und orientiert beschrieben. Formales und inhaltliches Denken waren regelgerecht. Die Stimmungslage war wechselnd zwischen ausgeglichen, dysphorisch-moros und subdepressiv bis depressiv mit Affektlabilität. Die mnestischen Funktionen waren intakt. Störungen von Aufmerksamkeit, Konzentration, Merkfähigkeit und Gedächtnisleistungen konnte die Sachverständige nicht objektivieren. Dr. C. hat ausgeführt, dass beim Kläger nur eine leichte chronifizierte depressive Störung im Sinne einer Dysthymie vorliegt. In nervenärztlicher Behandlung befindet sich der Kläger nicht, eine medikamentöse Behandlung lehnt er ab. Hieraus hat die Sachverständige nachvollziehbar abgeleitet, dass jedenfalls leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für den Kläger noch zumutbar sind. Dieser Einschätzung schließt sich der Senat an.
Der Senat ist daher davon überzeugt, dass der Kläger noch in der Lage ist, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens 6 Stunden täglich zumindest leichte Arbeiten zu verrichten.
Ein Rentenanspruch ergibt sich auch nicht daraus, dass der Kläger unter den üblichen Bedingungen des für ihn in Betracht kommenden allgemeinen Arbeitsmarktes keine Tätigkeit finden würde. Denn bei ihm liegen weder ein nur eine Teilzeit erlaubendes Erwerbsvermögen noch eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vor, die ausnahmsweise die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit erforderlich machen würde.
Eine schwere spezifische Leistungsbehinderung meint die Fälle, in denen bereits eine einzige schwerwiegende Behinderung ein weites Feld von Verweisungsmöglichkeiten versperrt (BSG, Urteil vom 10. Dezember 2003 - B 5 RJ 64/02 R). Das Merkmal "Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen" trägt hingegen dem Umstand Rechnung, dass auch eine Vielzahl von Einschränkungen, die jeweils nur einzelne Verrichtungen oder Arbeitsbedingungen betreffen, zusammengenommen das noch mögliche Arbeitsfeld in erheblichem Umfang zusätzlich einengen können. In diesen Fällen besteht für den Versicherungsträger die Verpflichtung, ausnahmsweise eine konkrete Tätigkeit zu benennen, weil der Arbeitsmarkt möglicherweise für diese überdurchschnittlich leistungsgeminderten Versicherten keine Arbeitsstelle bereithält oder nicht davon ausgegangen werden kann, dass es für diese Versicherten eine ausreichende Anzahl von Arbeitsplätzen gibt oder ernste Zweifel daran aufkommen, ob der Versicherte in einem Betrieb einsetzbar ist (BSG Urteil vom 10. Dezember 2003, B 5 RJ 64/02 R, in juris). Bei der Frage, ob eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vorliegt, sind grundsätzlich alle qualitativen Einschränkungen zu berücksichtigen, die nicht bereits von dem Erfordernis "körperlich leichte Arbeit" erfasst werden. Es umfasst begrifflich unter anderem solche Leistungseinschränkungen, die das Seh- und Hörvermögen, die Handbeweglichkeit oder die Einwirkung bestimmter Witterungseinflüsse (Kälte, Nässe, Staub) betreffen (Kassler Kommentar zum SGB, § 43 SGB VI Rn. 47).
Nach Auffassung des Senats liegen beim Kläger auch bei Berücksichtigung der Auswirkungen der Gesundheitsstörungen an der linken Hand noch keine schwere spezifische Leistungsbehinderung oder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen beim Kläger vor. Das BSG hat entschieden, dass bei Einarmigen, deren Einsatzfähigkeit noch weiter beschränkt ist, die Befürchtung besteht, dass der Arbeitsmarkt verschlossen ist (BSG SozR Nr. 89 zu § 1246 RVO). Darüber hinaus hat das BSG bei einer Versicherten, die unter Bewegungseinschränkungen beider Arme litt und - neben weiteren Einschränkungen - zudem zwingend alle halbe Stunde die Körperposition vom Sitzen zum Gehen wechseln musste, die Notwendigkeit festgestellt, für diese Versicherte eine Verweisungstätigkeit zu benennen. Soweit dies nicht möglich ist, ist der Arbeitsmarkt als verschlossen anzusehen (vgl. BSG, Urteil vom 28. August 1991, Az. 13/5 RJ 47/90, in juris)
Die Funktionseinschränkungen an der linken Hand des Klägers, der Rechtshänder ist, sind auch bei Berücksichtigung der sonstigen qualitativen Einschränkungen hiermit jedoch nicht vergleichbar. Eine Verweisungstätigkeit ist damit nicht zu benennen. Dr. D. hat festgestellt, dass dem Kläger das An- und Auskleiden problemlos möglich war. Er hat nur Arbeiten für ausgeschlossen gehalten, die mit besonderen Belastungen für die linke Hand verbunden sind. Auch Dr. H. hat nur eine leichtgradige Einschränkung der Taktilität und der groben Kraft festgestellt. Dem Kläger stehen damit hinreichend Arbeitsfelder zur Verfügung.
Selbst wenn man davon ausgehen sollte, dass eine schwere spezifische Leistungsbehinderung oder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen gegeben ist, kommt die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung nicht in Betracht. Denn der Kläger ist nach den Feststellungen von Dr. D. und Dr. C. in der Lage, jedenfalls Tätigkeiten als Pförtner zu verrichten. Nach der den Sachverständigen vorliegenden berufskundlichen Stellungnahme des Landesarbeitsamtes Hessen vom 5. November 2010 erledigen Pförtner körperlich leichte Tätigkeiten in geschlossenen, temperierten Räumen überwiegend im Sitzen, zeitweise im Stehen und Gehen. Die Tätigkeit beinhaltet keine ständige nervliche Belastung und kein dauernden Zeitdruck. Je nach Arbeitsort kann zwar Schichtdienst vorkommen, ist aber nicht zwingend mit Tätigkeiten als Pförtner verbunden. Vielmehr gibt es auch - etwa in der öffentlichen Verwaltung - hinreichend Stellen als Tagespförtner (vgl. Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 9. Juni 2010, Az. L 4 R 1935/05, in juris).
Der Senat hat auch keinen Zweifel daran, dass der Kläger sich innerhalb von 3 Monaten auf Tätigkeiten als Pförtner umstellen kann. Belangvolle Einschränkungen der kognitiven Fähigkeiten konnte Dr. C. nicht feststellen. Sie hat in ihrer ergänzenden Stellungnahme die Tätigkeit als Pförtner auch ausdrücklich als für den Kläger zumutbar erachtet, soweit er nicht in Nachtschicht arbeiten muss.
Schließlich ist auch die Wegefähigkeit nach Einschätzung von Dr. P., Dr. D. und Dr. C. nicht beeinträchtigt. Die auch insoweit abweichende, fachfremd erfolgte Einschätzung von Dr. H., die Wegefähigkeit sei aufgrund der Somatisierungsstörung des Klägers eingeschränkt, ist nicht nachvollziehbar. Belangvolle Gesundheitsstörungen an den unteren Extremitäten liegen beim Kläger nicht vor. Dr. D. hat auch festgestellt, dass die Fußsohlen des Klägers regelgerecht beschwielt sind. Dies spricht für deren normale Benutzung. Der Senat geht daher nicht von einer rentenrelevanten Einschränkung der Wegefähigkeit des Klägers aus, zumal der Kläger über einen Führerschein sowie einen PKW verfügt, mit dem er auch die Anreise zu Dr. D. (insgesamt 298 km) bewältigt hat.
Auch für sonstige sogenannte Katalogfälle (vgl. SozR 2200 § 1246 Nrn. 30, 75, 81, 90, 104, 109, 117; SozR 3-2200 § 1247 Nr. 8, § 1246 Nr. 41) liegt - nach den Feststellungen der Sachverständigen und der Überzeugung des erkennenden Gerichts - kein Anhalt vor.
Der Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG auf Einholung eines weiteren Gutachtens von Dr. H. wird abgelehnt. Durch die Zulassung würde die Erledigung des Rechtsstreits verzögert und der Antrag wurde aus grober Nachlässigkeit nicht vorgebracht. Der Kläger hat den Antrag rund sechs Wochen nach Ablauf der vom Gericht gesetzten Frist von 4 Wochen gestellt. Er hat nach seinem eigenen Vortrag erst nach Ablauf der richterlichen Frist damit begonnen, telefonisch Kontakt mit einem potentiellen Gutachter aufzunehmen. Dieser versprach einen Rückruf, der jedoch nicht erfolgte. Daraufhin hat der Kläger weitere knapp sechs Wochen ohne jegliche Aktivität verstreichen lassen. Die zur Prozessführung erforderliche Sorgfalt wurde damit außer Acht gelassen.
Der Kläger hat damit keinen Anspruch auf Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung gemäß § 43 Abs. 2, 1 SGB VI.
Die Berufung war daher als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung (§ 193 SGG) berücksichtigt den Umstand, dass der Kläger auch im Berufungsverfahren erfolglos geblieben ist.
Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.