Gründe:

I.

Mit der am 4. Juni 2010 eingegangenen Klage begehrt die Klägerin unter Aufhebung des Bescheides des Beklagten vom 11. September 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. April 2010 die Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von mindestens 50 sowie die Zuerkennung des Merkzeichens "G" (erhebliche Gehbehinderung). Gleichzeitig ersuchte sie um Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung ihrer Prozessbevollmächtigten. Die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin ging am 17. Juni 2010 ein.

Das Sozialgericht (SG) hat die Klägerin mit richterlicher Verfügung vom 18. Juni 2010 aufgefordert, die angekündigte Klagebegründung binnen eines Monats vorzulegen. Mit richterlichen Verfügungen vom 2. August 2010 und 6. September 2010 hat das SG an die Übersendung der Klagebegründung erinnert und die Klägerin mit richterlicher Verfügung vom 8. Oktober 2010, ihrer Prozessbevollmächtigten zugestellt mit Postzustellungsurkunde am 13. Oktober 2010, gemäß § 102 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) aufgefordert das Verfahren zu betreiben, nachdem seit Klageeingang keine Äußerung mehr erfolgt sei und die Klage trotz Ankündigung und mehrfacher Erinnerung nicht begründet worden sei. Die Prozessbevollmächtigte der Klägerin teilte mit Schriftsatz vom 14. Oktober 2010 mit, dass das Rechtsschutzbedürfnis fortbestehe und die Klägerin die Klage begründen werde, sobald alle erforderlichen Angaben und Unterlagen vorliegen, wofür um angemessene Fristverlängerung gebeten werde. Das SG wies die Klägerin darauf hin, dass eine Verlängerung der gesetzlichen Frist nicht in Betracht käme. Auf die richterliche Verfügung vom 24. Januar 2011 ist das Verfahren als erledigt ausgetragen worden. Die Klägerin hat die Klage mit Schriftsatz vom 31. Januar 2011 begründet und an die ausstehende Entscheidung über den Antrag auf Bewilligung von PKH erinnert. Unter dem 9. Februar 2011 beantragte die Klägerin die Fortsetzung des Verfahrens.

Mit Beschluss vom 14. Juli 2011 lehnte das SG den Antrag auf Bewilligung von PKH ab. Die Klage gelte gemäß § 102 Abs. 1 Satz 1 SGG als zurückgenommen. Überdies seien auch hinreichende Erfolgsaussichten zum Zeitpunkt der erstmaligen Bewilligungsreife des PKH-Gesuchs, bei Eingang der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, mangels Klagebegründung nicht gegeben gewesen. Dagegen hat die Klägerin am 22. Juli 2011 Beschwerde zum Landessozialgericht erhoben. II.

Die gemäß §§ 172, 173 SGG statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig und begründet. Das SG hat die Bewilligung von PKH in dem angefochtenen Beschluss vom 14. Juli 2011 zu Unrecht abgelehnt.

Die Klägerin hat mit Wirkung ab 17. Juni 2010, dem Eingang ihrer Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, Anspruch auf Bewilligung von PKH, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint sowie Kostenarmut gegeben ist (§ 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 114 ff. Zivilprozessordnung -ZPO-). Der unbestimmte Rechtsbegriff der hinreichenden Erfolgs-aussicht ist nach der ständigen Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) verfassungskonform auszulegen. Artikel 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) i. V. m. dem Rechtsstaatsprinzip nach Artikel 20 Abs. 3 GG und dem aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG folgenden Gebot effektiven Rechtsschutzes gebietet eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes. Hierbei braucht der Unbemittelte allerdings nur einem solchen Bemittelten gleichgestellt zu werden, der seine Prozessaussichten vernünftig abwägt und dabei auch das Kostenrisiko berücksichtigt. Dementsprechend darf die Prüfung der Erfolgsaussichten jedenfalls nicht dazu führen, über die Vorverlagerung der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung in das Nebenverfahren der PKH dieses Verfahren an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen (BVerfG, Beschluss vom 28. November 2007 -1 BVR 68/07-, bei Juris). Aus diesem Grunde dürfen insbesondere schwierige, bislang nicht geklärte Rechts- und Tatfragen in dem Verfahren der PKH nicht entschieden werden, sondern müssen über die Gewährung von PKH auch von dem Unbemittelten einer prozessualen Klärung im Verfahren der Hauptsache zugeführt werden können (BVerfG a. a. O.) Vor diesem Hintergrund ist ausgehend von dem für das Hauptsacheverfahren zugrunde zu legenden Sachantrag eine hinreichende Erfolgsaussicht bereits dann gegeben, wenn zum rechtlich maßgeblichen Zeitpunkt entweder noch Beweis zu erheben ist oder wenn das Gericht den klägerischen Rechtsstandpunkt aufgrund der Sachverhaltsschilderung und den vorliegenden Unterlagen für zutreffend oder für zumindest vertretbar und klärungsbedürftig hält.

Nach diesen Maßstäben war hier zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidungsreife des PKH-Gesuchs am 17. Juni 2010, der vollständigen Vorlage der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, eine hinreichende Erfolgssaussicht des Rechtsschutzbegehrens nicht zu verneinen. Das SG begründet die mangelnden Erfolgsaussichten zu Unrecht damit, dass die Klage gemäß § 102 Abs. 2 Satz 1 SGG als zurückgenommen gelte und zudem auch zum Zeitpunkt der erstmaligen Bewilligungsreife des PKH-Gesuchs in Ermangelung einer Klagebegründung keinerlei Unterlagen vorlagen, die Anlass zu Ermittlungen von Amts wegen gegeben hätten.

Zwar mag bei Erlass der Betreibensaufforderung nach dem prozessualen Verhalten der Klägerin hinreichender Anlass bestanden haben, um am Rechtsschutzinteresse der Klägerin zu zweifeln (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. Oktober 1998 - 2 BvR 2662/95 -, DVBl. 1999, 166, 167 zum ungeschriebenen Tatbestandsmerkmal des Wegfalls des Rechtsschutzinteresses in § 102 Abs. 2 SGG). Gleichwohl liegt eine wirksame Betreibensaufforderung nicht vor, sodass die gesetzliche Fiktion der Klagerücknahme nicht eingetreten ist.

Gemäß § 92 Abs. 1 SGG muss die Klage neben dem Kläger und dem Beklagten lediglich den Gegenstand des Klagebegehrens bezeichnen. Die Stellung eines bestimmten Klageantrages sowie die Begründung der Klage sind gemäß § 92 Abs. 1 Satz 3 und 4 SGG hingegen nicht zwingend erforderlich, da es sich insoweit nur um Sollvorschriften handelt. Der Klageschrift ist zu entnehmen, dass die Klage gegen den Bescheid des Beklagten vom 11. September 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. April 2010 gerichtet ist und die Klägerin einen GdB von mindestens 50 sowie die Zuerkennung des Merkzeichens "G" geltend macht. Damit war das Klagebegehren der Klägerin hinreichend deutlich und bedurfte es zur Aufklärung des medizinisch geprägten Sachverhalts, wie hier aus dem Bereich des Schwerbehindertenrechts nach dem Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX), grundsätzlich weiterer Ermittlungen durch Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens.

Die Voraussetzungen für eine wirksame Betreibensaufforderung im Sinne des § 102 Abs. 2 Satz 1 SGG lagen vor diesem Hintergrund nicht vor. Mangels einer Begründungspflicht für das Klagebegehren kann eine Betreibensaufforderung nicht schlicht auf eine fehlende Begründung der Klage gerichtet werden. Vielmehr ist nur das Unterlassen solcher prozessualen Mitwirkungshandlungen erheblich, die für die Feststellung von entscheidungserheblichen Tatschen bedeutsam sind, die also für das Gericht - nach seiner Rechtsansicht - notwendig sind, um den Sachverhalt zu klären und eine Sachentscheidung zu treffen (vgl. Bundessozialgericht -BSG-, Urteile vom 1. Juli 2010 - B 13 R 58/09 R - sowie - B 13 R 74/09 R -, bei Juris). Diesen Anforderungen genügt die Betreibensaufforderung vom 8. Oktober 2010 nicht. Das SG hat in der Betreibensaufforderung nicht dargelegt, welche konkreten Mitwirkungshandlungen der Klägerin erforderlich sind, um den Rechtsstreits zu entscheiden. Die Aufforderung formuliert vielmehr keinerlei Mitwirkungshandlungen und erschöpft sich neben der Aufforderung das Verfahren (wie?) zu betreiben in der bloßen Mitteilung, dass sich die Klägerin seit dem Klageeingang am 4. Juni 2010 nicht mehr geäußert hat und die Klage trotz Ankündigung und mehrfacher Erinnerung nicht begründet worden ist. Der Betreibensaufforderung ist nach dem Wortlaut somit nicht einmal eine Aufforderung zur Begründung der Klage zu entnehmen, welches für sich genommen ohne Benennung konkreter Mitwirkungshandlungen - wie oben ausgeführt - zudem ohnehin nicht ausreichend wäre. Überdies stand bei Erlass der Betreibensaufforderung aber auch die Entscheidung über das PKH-Gesuch der Klägerin aus.

Die Aufforderung das Verfahren zu Betreiben muss ferner vom zuständigen Richter mit vollem Namen unterzeichnet werden, wenn sie eine wirksame Fristsetzung erzeugen soll. Ein - wie hier - den Namen des Richters abkürzendes Handzeichen (Paraphe) genügt als Unterschrift nicht, denn erst die Beifügung der vollen Unterschrift des Richters macht deutlich, dass es sich bei dem unterzeichneten Text nicht lediglich um einen Entwurf oder um eine Routine-Verfügung handelt. (vgl. BSG, Urteile vom 1. Juli 2010 a. a. O.).

Nach alledem ist die verfügte Verfahrenseinstellung wegen Erledigung des Rechtsstreits infolge fiktiver Klagerücknahme nach § 102 Abs. 2 SGG rechtsfehlerhaft, zumal die Klägerin vor Ablauf der dreimonatigen Betreibensaufforderungsfrist mit Schreiben vom 14. Oktober 2010 zudem auch ihr Interesse an der Durchführung des Klageverfahrens bekundet hat.

Darüber hinaus hat das SG das Verfahren auf den Fortsetzungsantrag der Klägerin vom 9. Februar 2011 ebenfalls rechtsfehlerhaft nicht wieder aufgenommen. Denn bei Streit über den Eintritt der Rücknahmefiktion ist das Verfahren fortzusetzen und zu prüfen, ob die Klage wirksam durch Rücknahme erledigt ist, wobei dies durch Urteil festzustellen wäre. Vorliegend kann jedoch - wie ausgeführt - nicht vom Eintritt der Rücknahmefiktion ausgegangen werden.

Vor diesem Hintergrund sind dem Klagebegehren der Klägerin hinreichende Erfolgsaussichten nicht abzusprechen. Das Verfahren ist weder durch Eintritt der Rücknahmefiktion wirksam beendet worden noch liegen in der Sache hinsichtlich des Begehrens auf Feststellung eines GdB von 50 und Zuerkennung des Merkzeichens "G" mangelnde Erfolgsaussichten vor, zumal zwischenzeitlich eine Klagebegründung vorliegt, in der die Klägerin eine fehlende Sachverhaltsermittlung im Vorverfahren geltend macht und die Einholung eines Sachverständigengutachtens auf psychiatrischen Fachgebiet angeregt hat. In medizinischer Hinsicht besteht danach weiterer Aufklärungsbedarf, dem das SG nach Wiederaufnahme und Fortsetzung des Verfahrens unter Berücksichtigung der ihm gemäß §§ 103, 106 SGG obliegenden Verpflichtung zur umfassenden Amtsermittlung nachzukommen haben wird.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 127 Abs. 4 ZPO.

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG nicht anfechtbar.