Landessozialgericht Berlin-Brandenburg - L 13 SB 259/14 B PKH - Beschluss vom 23.03.2015
Ein Prozesskostenhilfe begehrender Kläger ist grundsätzlich auf seinen Anspruch auf einen Prozesskostenvorschuss gegen den Ehepartner zu verweisen. Dies gilt allerdings nicht in Klageverfahren, die auf Feststellung des GdB gerichtet sind. Die Geltendmachung des höchstpersönlichen Rechts auf Selbstbestimmung und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft kann nicht von der Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen gegen den Ehepartner abhängig gemacht werden. Es ist die erforderliche Hilfe von der staatlichen Gemeinschaft zu gewähren.
Gründe:
Die zulässige, insbesondere statthafte (§ 73a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz -SGG- in Verbindung mit § 127 Abs. 3 Zivilprozessordnung -ZPO-), Beschwerde ist nicht begründet.
Zu Recht hat das Sozialgericht der Klägerin Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren erster Instanz ohne Monatsraten oder aus dem Vermögen zu zahlende Beträge gewährt.
Die Klägerin muss sich nicht auf einen Anspruch auf Prozesskostenvorschuss gemäß § 1360a Abs. 4 Satz 1 BGB gegen ihren Ehemann verweisen lassen. Danach ist, wenn ein Ehegatte - hier die Klägerin - nicht in der Lage ist, die Kosten eines Rechtsstreits zu tragen, der eine persönliche Angelegenheit betrifft, der andere Ehegatte verpflichtet, diese Kosten vorzuschießen, soweit dies der Billigkeit entspricht.
Vorliegend wäre es unbillig, der Klägerin unter Berücksichtigung eines derartigen Anspruchs gegen ihren Ehemann Prozesskostenhilfe zu verweigern. Der Grundsatz, dass Familiensolidarität, d.h. die gegenseitige Einstandspflicht von Ehegatten, der staatlichen Fürsorge, hier in Form der Finanzierung eines Rechtsstreit, vorgeht (vgl. Bundesgerichtshof [BGH], Beschluss vom 25. November 2009 - XII ZB 46/09 - NJW 2010, 372), mag für den typischen Fall, dass ein Ehegatte Ansprüche verfolgt, die ihre Wurzel in der Lebensgemeinschaft der Eheleute haben (so BGH, Urteil vom 18. Dezember 1959 - IV ZR 145/59 - NJW 1960, 765), seine Rechtfertigung finden. Im Gegensatz dazu begehrt die schwerbehinderte Klägerin die Feststellung eines höheren als ihr von dem Beklagten zugestandenen Grades der Behinderung, um hiermit ihrem höchstpersönlichen Recht auf Selbstbestimmung und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft Geltung zu verschaffen. Es widerspräche dem aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG folgenden Gebot effektiven Rechtsschutzes, der bedürftigen Klägerin die von ihr beabsichtigte Rechtsverfolgung, für die nach der Ansicht des für die Entscheidung in der Hauptsache zuständigen Sozialgerichts hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht, zu erschweren, indem sie von der Geltendmachung und (unter Umständen die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes erfordernden) Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen gegen ihren Ehemann abhängig gemacht würde, statt der Klägerin die erforderliche Hilfe der staatlichen Gemeinschaft zu gewähren.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 73a SGG, 127 Abs. 4 ZPO.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG nicht anfechtbar.