LSG B-BR - Urteil vom 01.03.2005 - Az.: L 13 SB 47/03 -
Die Anhaltspunkte, die für einen Kleinwuchs bis 140 cm einen GdB vorsehen, geben eine "absolute" Grenze vor, bis zu der Kleinwuchs zu berücksichtigen ist. Bei einer Körpergröße von 141 cm ist damit kein GdB in Ansatz zu bringen.
Tatbestand
Streitig ist die Anerkennung eines Grades der Behinderung (GdB) von 60.
Die 1942 geborene Klägerin beantragte im September 1999 bei dem Beklagten die Feststellung des Grades der Behinderung.
Der Beklagte nahm einen Entlassungsbericht des E.-Krankenhauses über einen Aufenthalt der Klägerin vom 10. bis zum 23. Februar 1999 wegen einer partiellen Meniskusresektion zur Akte und holte Befundberichte des Orthopäden und Unfallchirurgen Dr. S. und des Allgemeinmediziners Dr. S2. ein, dem eine Kreislauf- und Lungenfunktionsdiagnostik vom 8. Juli 1999 beigefügt war. Auf der Grundlage einer gutachtlichen Stellungnahme der Ärztin M. vom 9. Oktober 1999 erkannte der Beklagte mit Bescheid vom 21. Oktober 1999 folgende Behinderungen im Sinne des Schwerbehindertengesetzes (SchwbG) mit den sich aus den Klammerzusätzen ergebenden Einzel-GdB
a. Verschleisserscheinungen am Skelettsystem (20) b. tablettenpflichtige Zuckerkrankheit (20) c. Bluthochdruck bei Adipositas (10) d. obstruktive Ventilationsstörung (10) e. endogene Depression (10)
an. Der Gesamt-GdB betrage 30. Die Behinderung habe zu einer dauernden Einbuße der körperlichen Beweglichkeit geführt.
Mit dem Widerspruch hiergegen machte die Klägerin unter Bezugnahme auf die in einem die Gewährung einer Rente ablehnenden Bescheid der Landesversicherungsanstalt B. (LVA) angegebenen Behinderungen einen GdB von 60 geltend. In einer gutachtlichen Stellungnahme des Arztes F. vom 4. Januar 2000 konnte dieser den Unterlagen keine abweichende Beurteilung entnehmen.
Durch Widerspruchsbescheid vom 7. April 2000 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Der Bescheid der LVA lasse keine Gesichtspunkte erkennen, die eine abweichende Entscheidung rechtfertigen könnten.
Das dagegen angerufene Sozialgericht Berlin hat die im Rentenverfahren von der LVA eingeholten Gutachten von dem Arzt für Sozialmedizin Dr. H. (vom 13. Juli 1999) und dem Facharzt für Chirurgie und Sozialmedizin Dipl.- Med. P. (vom 29. Juli 1999) zur Akte genommen. Diese Gutachten sind von dem Chirurgen Dr. B. in einer versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 29. November 2000 und von dem Internisten Dr. D. in einer Stellungnahme vom 7. Dezember 2000 ausgewertet worden. Auf der Grundlage dieser Stellungnahmen hat der Beklagte durch Bescheid vom 5. Januar 2001 ab September 1999 einen GdB von 50 wegen folgender Funktionseinschränkungen mit den sich aus den Klammerzusätzen ergebenden Einzel-GdB
a. degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Fehlstatik, rezidivierende zervikale und lumbale Reizerscheinungen (30) b. degenerative Veränderungen beider Kniegelenke mit schmerzhaftem Bewegungsausmaß ( rechts stärker als links) (20) c. tablettenpflichtige Zuckerkrankheit (10) d. Bluthochdruck bei Adipositas (20) e. obstruktive Ventilationsstörung (20) f. endogene Depression (10)
anerkannt. Nach Einholung von Befundberichten von Dr. S. (vom 3. März 2001) und der Frauenärztin E. (vom 29. März 2001) hat das Sozialgericht die Fachärztin für Allgemeinmedizin, Naturheilverfahren und Akupunktur Dr. S3 mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. Diese gelangte am 3. Juli 2002 zu dem Ergebnis, die 141 cm große Klägerin (Gewicht 76 kg) leide auf orthopädischem Gebiet dauerhaft unter einem ausgeprägten Halswirbelsäulensyndrom mit Schulter-Arm-Beschwerden und Kopfschmerzen, die Beweglichkeit sei dauerhaft schmerzhaft eingeschränkt. Ferner bestehe eine mäßiggradiges Lendenwirbelsäulensyndrom und ein mäßiggradiges Schmerzsyndrom der Kniegelenke auf dem Boden einer Gonarthrose. Des Weiteren leide die Klägerin an einer therapiebedürftigen schwergradigen obstruktiven Atemwegserkrankung. Der bestehende Bluthochdruck, der offenbar unzureichend therapiert werde, habe noch nicht zu hämodynamisch wirksamen Beeinträchtigungen der Herzfunktion geführt. Das von der Klägerin angegebene Herzrasen bereits bei geringer Anstrengung sei eine physiologische Reaktion. Die Klägerin leide an einem absolut behandlungsbedürftigen metabolischen Syndrom (Adipositas, Hypertonie, Diabetes, erhöhte Lipidwerte). Für das Vorliegen depressiver Episoden, die eine Beeinträchtigung der Gesundheit bedeuten würden, lägen keine Anzeichen vor. Auch die weiteren geltend gemachten Beschwerden (Stressinkontinenz, Descensus vaginae und klimakterisches Syndrom) erfüllten nicht das Kriterium einer Behinderung.
Die Behinderungen seien als
a. degeneratives Hals- und Lendenwirbelsäulenleiden bei Fehlstatik, rezidivierende zervikale und lumbale Reizerscheinungen (30) b. degenerative Veränderungen beider Kniegelenke mit schmerzhaftem Bewegungsausmaß ( rechts stärker als links) (20) c. durch orale Antidiabetika einstellbare Zuckerkrankheit (10) d. Bluthochdruck und Fettstoffwechselstörung bei Adipositas (10) e. obstruktive Ventilationsstörung (20)
zu bezeichnen und bewerten. Der Gesamtgrad der Behinderungen sei mit 50 zu bemessen, wobei für die Behinderungen zu a. und b. ein GdB von 40 anzunehmen sei, der durch die eingeschränkte Lungenfunktion nur in Ausnahmefällen erhöht werde. Die Einzel-GdB von jeweils 10 für die Zuckerkrankheit und den Bluthochdruck berücksichtigten die gute Einstellbarkeit des Diabetes und die Tatsache, dass der Bluthochdruck trotz inadäquater Behandlung noch keine wesentlichen Organschäden hervorgerufen habe und für sich genommen keine erkennbar wesentliche Leistungsbeeinträchtigung darstelle. Zusammen mit der Behinderung zu e. lasse sich eine Erhöhung des Gesamt-GdB auf 50 grenzwertig ableiten, weil die Erhöhung über den GdB von 40 hinaus nur diskret sei und auf der Bemessung in Zehnerschritten beruhe.
Durch Urteil vom 10. Februar 2003 hat das Sozialgericht den Beklagten unter Änderung der angefochtenen Bescheide verurteilt, der Klägerin ab Antragstellung einen GdB von 60 zuzuerkennen. Grundlage der Entscheidung sei das Sachverständigengutachten von Dr. S3. Darüber hinaus sei das Gericht zu der Überzeugung gelangt, dass bei der Klägerin eine ungünstige Kombination aus Kleinwuchs und erheblichem Übergewicht vorliege, die im konkreten Einzelfall geeignet sei, den Gesamt-GdB weiter auf 60 zu erhöhen. Dem Gutachten werde hinsichtlich der Bewertung der Funktionsbeeinträchtigungen hinsichtlich der Wirbelsäule, der Kniegelenke, des Diabetes mellitus, des Bluthochdrucks und der Lungenfunktion gefolgt. Der sich ergebende Wert von 50 sei auf insgesamt 60 zu erhöhen. Zwar sei nach den Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit und nach dem Schwerbehindertengesetz (Anhaltspunkte) 1996 ein GdB für eine Köpergröße über 140 cm nicht vorgesehen. Dem relativ hohen Einzel-GdB von 30 bis 40 bei einer Körpergröße von 130 bis 140 lasse sich auch nicht entnehmen, dass bei einer Körpergröße, die knapp über 140 cm liege, ein entsprechend niedrigerer GdB in Betracht komme. Im konkreten Einzelfall lasse sich aber dem Gutachten von Dr. S3 entnehmen, dass die geringe Körpergröße in negativer Wechselwirkung mit dem erheblichen Übergewicht zu einer wesentlichen Verstärkung der anlagebedingten Behinderungen, vor allem hinsichtlich des Stütz- und Bewegungsapparates, führe. Die durch das Übergewicht belastenden Kräfte wirkten sich durch die geringe Körpergröße überproportional auf die existierende Fehlstatik aus. Dies führe zu weiteren Einschränkungen der Klägerin in der körperlichen Beweglichkeit. Aufgrund dieses ungünstigen Zusammenwirkens zwischen Fehlstatik, Adipositas per magna und ohnehin annähernd behinderungsrelevantem Kleinwuchs sei es angemessen, einen gedanklichen Einzel-GdB von 20 anzusetzen, der geeignet sei, den ermittelten Gesamt-GdB um weitere 10 zu erhöhen.
Gegen das ihm am 31. März 2003 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung des Beklagten vom 22. April 2003. Er macht geltend, das Sozialgericht setze sich über das Gutachten von Dr. S3 hinweg, das überzeugend und nachvollziehbar einen GdB von 50 begründe. Die vom Sozialgericht für die Erhöhung angeführte Adipositas werde von Dr. S3 bei der Bewertung des Bluthochdrucks und der Fettstoffwechselstörung mit berücksichtigt und habe zu keiner höheren Einzel-GdB-Bewertung als 10 führen können.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 10. Februar 2003 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat Befundberichte von Dr. S. (vom 27. Juni 2004) und vom behandelnden Orthopäden Dr. Z. (vom 28. Juni 2004) eingeholt, der auf die Frage nach einer konkreten Belastungs- und Bewegungseinschränkung eine freie Beweglichkeit angegeben hat.
Der Beklagte hat diesen Unterlagen unter Bezugnahme auf eine Stellungnahme des Facharztes für Innere Medizin Dr. D. (vom 22. Juli 2004) und des Chirurgen Dr. B. (vom 27. Juli 2004) keine Erkenntnisse entnehmen können, die eine abweichende Beurteilung rechtfertigten.
Wegen der weiteren Ausführungen der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze Bezug genommen. Verwiesen wird außerdem auf den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und der Schwerbehindertenakte des Beklagten, die vorlagen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist begründet.
Der Bescheid vom 5. Januar 2001, der die zuvor angefochtenen Bescheide ersetzt hat, ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Anerkennung eines höheren GdB als 50 im Sinne des mit Wirkung vom 1. Juli 2001 in Kraft getretenen Sozialgesetzbuch (SGB) IX, wonach die Feststellung einer Behinderung nunmehr nach §§ 2, 69 SGB IX erfolgt.
Nach §§ 2 Abs.1, 69 Abs.1 Sätze 3,4 des ab 1. Juli 2001 geltenden Sozialgesetzbuch, Neuntes Buch (SGB IX), sind die Auswirkungen der länger als sechs Monate anhaltenden Gesundheitsstörungen nach Zehnergraden abgestuft entsprechend den Maßstäben des § 30 Bundesversorgungsgesetz und der vom Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung herausgegebenen "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (Anhaltspunkte) in der Fassung des Jahres 2004 (deren Vorgänger die Anhaltspunkte 1996 waren) zu bewerten, die als antizipierte Sachverständigengutachten mit normähnlicher Qualität gelten.
Nach den Vorgaben der Anhaltspunkte 2004 in Nr. 26.18, S. 116 (=S. 140 Anhaltspunkte 1996) sind Wirbelsäulenschäden mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten mit einem GdB von 30 bis 40 zu bewerten. Die bei der Klägerin festgestellten Funktionseinschränkungen der Hals -und Lendenwirbelsäule sind als mittelgradig zu bewerten. Diese Einschätzung haben sowohl Dr. B. als auch die Gutachterin Dr. S vorgenommen. Sie entspricht den Bewegungsausmaßen, die Dipl. Med. P. in seinem im Rentenverfahren erstatteten Gutachten vom 26. Juli 1999 erhoben hat. Bei mittelgradigen Einschränkungen im Bereich der Hals- und der Lendenwirbelsäule sind keine Gesichtspunkte ersichtlich, die zu einem Einzel-GdB von 40 führen könnten.
Auch die Bewertung der Funktionseinschränkungen in den Kniegelenken entspricht den Vorgaben der Anhaltspunkte. Nach Nr. 26.18, S. 126 der Anhaltspunkte 2004 (= S. 151 Anhaltspunkte 1996) werden beidseitige Bewegungseinschränkungen bis 0-0-90 mit einem GdB von 10 bis 20 bewertet. Eine derartig weitgehende Bewegungseinschränkung ist weder dem Gutachten von Dipl. Med. P. noch dem Gutachten von Dr. S3 zu entnehmen, so dass bei einer Bewertung mit einem GdB von 20 die festgestellten Knorpelschäden mit Beachtung gefunden haben.
Als weitere Behinderungen sind der Bluthochdruck und die obstruktive Ventilationsstörung zu berücksichtigen. Dabei folgt der Senat hinsichtlich des Bluthochdrucks der Einschätzung von Dr. D. in seiner versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 7. Dezember 2000, der dem Echocardiographieergebnis geringgradige Hochdruckauswirkungen auf das Endorgan Herz entnommen und deshalb einen Einzel-GdB von 20 für zutreffend erachtet hat. Dies entspricht den Vorgaben der Anhaltspunkte 2004 unter Nr. 26.9, S. 75(=S. 92 Anhaltpunkte 1996), wonach bei einer mittelschweren Form des Bluthochdrucks mit Organbeteiligung leichten bis mittleren Grades und mehrfachem diastolischem Blutdruck von über 100 mmHg trotz Behandlung je nach Leistungsbeeinträchtigung ein GdB von 20 bis 40 zuzuerkennen ist. Insoweit weist zwar Dr. S3 darauf hin, dass bislang keine adäquate Behandlung vorliege, die gerade für die Einstufung Voraussetzung sei, da jedoch der Versorgungsarzt Dr. D. eine geringgradige Organbeteiligung festgestellt hat, sieht der Senat keine Veranlassung, von dem von Dr. D. angegebenen Einzel-GdB von 20 abzuweichen.
Die obstruktive Ventilationsstörung ist ebenfalls mit einem Einzel-GdB von 20 zutreffend bewertet, da dies ebenfalls den Vorgaben der Anhaltspunkte 2004 unter Nr. 26.8, S. 68 (=S. 83 Anhaltspunkte 1996) entspricht. Auch insoweit ist auf eine dauernde Einschränkung der Lungenfunktion abzustellen, so dass eine - im Rahmen der Lungenfunktionsprüfung festgestellte - Therapierbarkeit bei der Bewertung zu berücksichtigen ist. Deshalb bestehen auch insoweit keine Bedenken, der übereinstimmenden Einschätzung von Dr. D. und der Sachverständigen Dr. S3 zu folgen.
Schließlich war der Diabetes mellitus mit einem Einzel-dB von 10 zu bewerten. Der Senat verweist insoweit gemäß § 153 Abs.4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf die von ihm als zutreffend erachteten Ausführungen des Sozialgerichts. Durch die Anhaltspunkte 2004 hat sich keine Änderung der Bewertung ergeben.
Ausgehend von einem Einzel-GdB von 30 für die Funktionsbeeinträchtigungen durch das Wirbelsäulenleiden, einem GdB von 20 für das Knieleiden und je 20 für die internistischen Funktionsbeeinträchtigungen Bluthochdruck und obstruktive Ventilationsstörung entspricht die Bildung eines Gesamt-GdB von 50 der Vorschrift des § 69 Abs. 3 SGB IX. Danach ist dann, wenn mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vorliegen, der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festzustellen.
Die Vorschrift stellt klar, dass der Gesamt-GdB bei Vorliegen mehrerer Funktionsbeeinträchtigungen oder Behinderungen unabhängig davon, ob sie in einem oder mehreren medizinischen Fachbereichen vorliegen, nicht durch bloße Zusammenrechnung der für jede Funktionsbeeinträchtigung oder Behinderung nach den Tabellen in den Anhaltspunkten festzustellenden oder festgestellten Einzel-GdB zu bilden ist, sondern durch eine Gesamtbeurteilung. In der Regel ist von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB bedingt, um dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Beeinträchtigung der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft größer wird. Dabei führen grundsätzlich leichte Funktionsbeeinträchtigungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtauswirkung, die bei dem Gesamt-GdB berücksichtigt werden könnte. Dies gilt selbst dann nicht, wenn mehrere derartige leichte Funktionsbeeinträchtigungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. Anhaltspunkte 1996, Nr. 19 S. 33 bis 35 und Anhaltspunkte 2004 S. 24 ff und BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 9). Hierzu hat die Sachverständige Dr. S3 eine in allen Punkten schlüssige und nachvollziehbare Begründung dafür geliefert, wie die einzelnen Behinderungskomplexe sich teilweise überschneiden, teilweise sich verstärken und beziehungslos nebeneinander stehen. Dabei hat sie insbesondere dargelegt, die Bildung eines Gesamt-GdB von 50 erfolge vor dem Hintergrund, dass die verschiedenen Leidenskomplexe einen Gesamt- GdB von 40 überschritten, so dass als nächste Stufe wegen der Bewertung in Zehnerschritten ein GdB von 50 zu vergeben sei.
Diese Ausführungen machen deutlich, dass es für eine Höherstufung zu einem GdB von 60 wegen einer ungünstigen Konstitution der Klägerin auf der Grundlage eines gedanklichen GdB von 20 keine Grundlage gibt. Wie das Sozialgericht bereits dargelegt hat, kann grundsätzlich aufgrund der Tatsache, dass die Klägerin mit einer Körpergröße von 141 cm die Größe, bis zu der Kleinwuchs zu berücksichtigen ist (vgl. Nr. 26.18, S. 114 f Anhaltspunkte 2004), nur gering überschreitet, allein wegen der Größe kein GdB festgesetzt werden, weil es sich um eine "absolute" Grenze handelt. Auf welcher Grundlage vor diesem Hintergrund eine Höherbewertung der Einzel-GdB wegen der ungünstigen körperlichen Konstitution erfolgen soll, ist nicht erkennbar. Allein die Adipositas bedingt keinen GdB-Grad, wie das Sozialgericht auch unter Bezugnahme auf Nr. 26.15, S. 120 der Anhaltspunkte 1996 (= S. 99 Anhaltspunkte 2004) zutreffend ausgeführt hat. Die negativen Auswirkungen auf den Stütz- und Bewegungsapparat werden durch die in diesem Bereich bewerteten Funktionseinschränkungen entsprechend berücksichtigt. Auch mögliche Auswirkungen auf das kardiopulmonale System finden in dem entsprechenden Bereich Berücksichtigung, wenn diese zu einer weiteren Funktionseinschränkung geführt haben. Würde aufgrund der Konstitution eine Höherbewertung erfolgen, würde dies im Ergebnis dazu führen, dass die Adipositas als solche nicht nur mit einem GdB bewertet würde, sondern auch zu einer Erhöhung des Gesamt-GdB führen würde. Dies würde der grundsätzlichen Bewertung der Anhaltspunkte, dass nur die durch eine Adipositas bedingte Funktionseinschränkung bei der GdB-Bildung berücksichtigt wird, widersprechen. Des weiteren ist nicht ersichtlich, auf welcher Grundlage die besondere Konstitution zu einer Erhöhnung des Gesamt-GdB führen sollte, da sie allenfalls neben den bereits in ihrer Verstärkung berücksichtigten Einzel-GdB stehen könnte. Nach alledem ist der Beklagte bei der Bildung des Gesamt-GdB nach den Grundsätzen der Anhaltspunkte zutreffend verfahren.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.