Tatbestand:

Der 1943 geborene Kläger begehrt die Heraufsetzung des Grades der Behinderung (GdB) von 40 auf 50.

Mit Bescheid vom 25. Februar 2004, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 4. Oktober 2004, hatte der Beklagte beim Kläger einen Gesamt-GdB von 40 sowie eine dauernde Einbuße der körperlichen Beweglichkeit festgestellt und dem folgende Funktionsbeeinträchtigungen zugrunde gelegt: Beschwerden nach Schleudertrauma der Halswirbelsäule (1988 und 1997) und Kopfschmerzen nach Schädel-Hirn-Trauma 1993, Brustwirbelsäulen- und Lendenwirbelsäulen-Syndrom, cervicale Bandscheibenschäden C5-C7 (30); Posttraumatische Belastungsstörung, Durchschlafstörungen (20); Sprunggelenksarthrose links (10).

Am 5. Oktober 2005 beantragte der Kläger die Neufeststellung wegen Verschlimmerung bestehender Behinderungen und Hinzutretens neuer Behinderungen und gab an, sich im September einer Ohren-OP unterzogen zu haben. Im Februar 2005 hatte sich der Kläger drei Wochen zur orthopädischen Rehabilitation in einer Klinik der Rentenversicherung aufgehalten. Nach Auswertung des Entlassungsberichts und beigebrachter Gutachten aus einem berufsgenossenschaftlichen Verfahren sowie Beteiligung des ärztlichen Dienstes lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 4. Oktober 2006 die Neufeststellung ab, nahm aber als hinzugetretene Funktionsbeeinträchtigung eine Schwerhörigkeit rechts auf, für die er einen Einzel-GdB von 10 annahm. Den hiergegen gerichteten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 11. Dezember 2006 zurück.

Mit der am 18. Dezember 2006 erhobenen Klage hat der Kläger die Feststellung eines GdB von 50 begehrt. Auf Anregung des Sozialgerichts hat der Beklagte den Kläger orthopädisch begutachten lassen und hat im Ergebnis an der bisherigen Feststellung festgehalten. Am 7. November 2008 stellte der Kläger einen Verschlimmerungsantrag und beantragte die Feststellung eines GdB über 50.

Mit Gerichtsbescheid vom 8. Februar 2010 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Feststellungen des Beklagten träfen zu. Der Gerichtsbescheid ist dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 23. Februar 2010 zugestellt worden.

Mit der am 19. März 2010 erhobenen Berufung begehrt der Kläger weiterhin die Zuerkennung eines GdB von 50, hat jedoch auf richterlichen Hinweis im Hinblick auf den Verschlimmerungsantrag sein Begehren auf den Zeitraum bis zum 6. November 2008 beschränkt. Er ist unter Hinweis auf den Beschluss des Sachverständigenbeirats beim BMA aus der Sitzung vom 6./7. November 2008 zu "Posttraumatische Belastungsstörung - Klinik und Begutachtung" der Ansicht, eine festgestellte Posttraumatische Belastungsstörung sei stets mit einem GdB von wenigstens 30 zu bewerten. 

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 8. Februar 2010 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 4. Oktober 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Dezember 2006 zu verpflichten, bei dem Kläger für die Zeit vom 5. Oktober 2005 bis zum 6. November 2008 einen GdB von 50 festzustellen,

ferner ein neurologisch-psychiatrisches-psychotherapeutisches Sachverständigengutachten einzuholen zum Beweis, dass beim Kläger das Vollbild einer posttraumatischen Belastungsstörung mit mindestens mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten vorliegt, die mindestens mit einem Grad der Behinderung von 40 zu bewerten ist.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Das Landessozialgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens des Facharztes für Orthopädie Dr. E. Es hat weiter Beweis erhoben durch Einholung eines fachärztlichen Gutachtens des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. C. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf die Gutachten vom 26. Juli 2011 und vom 31. März 2014.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den gesamten Inhalt der Streitakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen. Er ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

 

Entscheidungsgründe:

Die gem. §§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung ist nicht begründet. Der Kläger hat für den Zeitraum vom 5. Oktober 2005 bis zum 6. November 2008 keinen Anspruch auf Zuerkennung eines höheren GdB als 40.

Nach den §§ 2 Abs. 1, 69 Abs. 1 Sozialgesetzbuch, Neuntes Buch (SGB IX) sind die Auswirkungen der länger als sechs Monate anhaltenden Funktionsstörungen nach Zehnergraden abgestuft entsprechend den Maßstäben des § 30 Bundesversorgungsgesetz zu bewerten. Hierbei sind als antizipierte Sachverständigengutachten die vom Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung herausgegebenen Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit (AHP) 2005 und 2008 heranzuziehen.

Der Kläger litt im streitgegenständlichen Zeitraum nach den ausführlichen und überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen Dr. E im Gutachten vom 26. Juli 2011 an folgenden Funktionsbeeinträchtigungen unter Zugrundelegung eines jeweiligen Einzel-GdB in Höhe des Klammerzusatzes: Geringe Verschleißerscheinungen der HWS mit funktionellen Auswirkungen kaum über den altersüblichen Grad hinaus, deutliche Verschleißerscheinungen im BWS-Bereich mit deutlichen funktionellen Auswirkungen, initiale degenerative Veränderungen der LWS mit belastungsabhängig verstärkten Lumboischialgien mit deutlichen funktionellen Auswirkungen (30); minimale Bewegungseinschränkung im rechten Schultergelenk, Arthralgien der Kniegelenke bei beginnendem Verschleiß, geringe Fußfehlstatik ohne funktionelle Auswirkungen (0). Im Zusammenwirken mit den nach Aktenlage festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen PTBS, Durchschlafstörungen (20) und Schwerhörigkeit rechts (10) ergebe sich danach ein Gesamt-GdB von 40. Hinsichtlich der Funktionsbeeinträchtigungen des Achsenorgans folgt der Senat der Einschätzung des Sachverständigen, denn die von ihm festgestellten Leiden sind nach den AHP (Ziffer 26.18) als mittelgradig bis schwer in zwei WS-Abschnitten mit einem GdB von 30 bis 40 zu bemessen. Innerhalb dieser Spanne hat der Sachverständige überzeugend dargelegt, dass schwere funktionelle Auswirkungen sicher hätten ausgeschlossen werden können, weshalb der Höchstwert nicht anzusetzen sei. Nachdem der Sachverständige Dr. E sich jedoch hinsichtlich der PTBS auf die Aktenlage gestützt hat, hat der Senat Veranlassung gesehen, insofern ein weiteres Gutachten eines medizinischen Sachverständigen auf dem Fachgebiet Neurologie und Psychiatrie einzuholen.

Nach Untersuchung des Klägers am 31. März 2014 ist der Sachverständige Dr. C im Gutachten vom 9. April 2014 zu der Einschätzung gelangt, der Kläger habe auf seinem Fachgebiet von Oktober 2005 bis November 2008 an einer posttraumatischen Belastungsstörung gelitten, die mit einem GdB von 20 zutreffend bewertet sei, so dass der Gesamt-GdB zutreffend mit 40 einzuschätzen sei. Dem folgt der Senat. Der Sachverständige hat die Einordnung der PTBS in Übereinstimmung mit den AHP 2005 und 2008 dahingehend vorgenommen, dass es sich im Sinne der Ziffer 26.3. um eine leichtere psychovegetative oder psychische Störung gehandelt habe, für die eine Spanne des GdB von 0 bis 20 vorgesehen war. Innerhalb dieser Spanne hat er den Oberwert angenommen. Demgegenüber hätte die Annahme eines Einzel-GdB von über 20 das Vorliegen einer stärker behindernden Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit vorausgesetzt. Derartig schwere Einschränkungen haben jedoch die Untersuchung durch den Sachverständigen nicht ergeben. Durchgängig beschreibt der Sachverständige die festgestellten Einschränkungen als "leicht" und versieht die Beschreibungen mit Zusätzen wie "manchmal" und "etwas". Ohne Erfolg beruft sich der Kläger insofern auf die durch den Sachverständigen gestellte Diagnose einer PTBS im Zusammenspiel mit dem Beschluss des Sachverständigenbeirats beim BMA aus der Sitzung vom 6./7. November 2008 zu "Posttraumatische Belastungsstörung - Klinik und Begutachtung". Es ist bereits zweifelhaft, inwiefern jenem Beschluss unter Geltung der Versorgungsmedizinverordnung überhaupt noch Bedeutung zukommt. Auch übersieht der Kläger, dass mit dem genannten Beschluss nicht nur ein Mindest-GdB für die PTBS von 30, sondern zugleich auch ein deutlicher Hinweis auf die besonders strengen Anforderungen jener Diagnose verbunden sein sollte. Schon deshalb könnte für Diagnosen der PTBS aus der dem Beschluss vorangegangenen Zeit nicht der GdB mit mindestens 30 angesetzt werden, ohne zugleich die Diagnose an sich zu hinterfragen. Im Sinne der von Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz gebotenen Gleichbehandlung kann aber dem Beschluss allenfalls eine Bedeutung für die Zukunft zukommen, so dass sich aus ihm für den hier nur noch streitgegenständlichen Zeitraum, der am 6. November 2008 endet, keine dem Kläger günstigen Folgen herleiten lassen.

Schließlich hat der Senat keinen Anlass für eine weitere Beweiserhebung gesehen. Soweit der Kläger beantragt hat, ein weiteres medizinisches Gutachten zu seiner psychischen Situation einzuholen, hat er keine Umstände aufgezeigt, aus denen sich die Annahme rechtfertigen ließe, der Sachverständige Dr. C habe das diagnostizierte Leiden unvollständig oder unzutreffend erfasst.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Gründe für eine Zulassung der Revision gem. § 160 Abs. 2 SGG sind nicht ersichtlich.